Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S*** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 11. April 1988, GZ 14 Vr 2414/87-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Josef S*** und des Verteidigers Dr. Pollak zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe auf 1 (eine) Million Schilling sowie die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Josef S*** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (I) nach § 33 Abs 1 FinStrG, (II) nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG und (III) nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG schuldig erkannt.
Darnach hat er in Klagenfurt vorsätzlich
(zu I) in den Jahren (gemeint: für die Jahre) 1981 bis 1985 unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das (a) Nichterklären von Betriebseinnahmen, (b) Nichtoffenlegen von Einkünften aus Kapitalvermögen und (c) ungerechtfertigte Geltendmachen von Privataufwand als durch den Betrieb veranlaßt eine Verkürzung von Abgaben bewirkt, und zwar der Umsatzsteuer (Verkürzungsbetrag 1,541.000 S), der Einkommensteuer (Verkürzungsbetrag 2,292.938 S), der Gewerbesteuer (Verkürzungsbetrag 724.860 S) und der Abgabe von alkoholischen Getränken (Verkürzungsbetrag 100.000 S); sowie (zu II) im Jahr 1986 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen durch das Nichterklären von Betriebseinnahmen eine Verkürzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer (Verkürzungsbetrag 300.000 S) und
(zu III) in den Jahren 1981 bis 1986 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung der Lohnsteuer (Verkürzungsbetrag 254.726 S) sowie der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Verkürzungsbetrag 32.940 S)
bewirkt und dies (zu II und III) nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.
Rechtliche Beurteilung
Der (ziffernmäßig) auf § 281 Abs 1 Z 5 a und 9 lit a (oder allenfalls lit c) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil, mit der er eine Reduzierung der Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge (von 5,246.464 S) auf 2,690.143 (der Sache nach indessen um den genannten Betrag, also auf 2,556.321) S anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Vom Bestand einer bescheidmäßig rechtskräftig festgestellten Abgabenschuld dem Grund und der Höhe nach ist im gerichtlichen Finanzstrafverfahren als Tatsache auszugehen (SSt 48/36 = verstärkter Senat uva); die Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art 94 B-VG) spricht nicht gegen, sondern für die solcherart faktische Bindungswirkung rechtskräftiger Abgabenbescheide, weil die Negierung von konstitutiven Akten zuständiger Behörden des einen Bereiches der staatlichen Vollziehung durch Organe des anderen auf eine unzulässige Überprüfung der betreffenden Entscheidungen durch letztere auf ihre materielle Richtigkeit hinausliefe (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 86, 88, 91).
Auch Art 6 MRK steht einer derartigen Bindung nicht entgegen, zumal damit weder eine Strafbarkeit des Abgabenschuldners vorweggenommen noch jenem ein in der Rechtsordnung vorgesehenes Verteidigungsmittel gegen den Vorwurf strafbaren Verhaltens abgeschnitten wird (vgl EvBl 1983/76); denn das Vorliegen der über die tatbestandsmäßige Abgabenverkürzung - die auf der objektiven Tatseite durch den bescheidmäßigen Bestand der Abgabenforderung dargetan ist - hinaus aktuellen Tatbildmerkmale gleichwie die subjektive Tatseite (und die Schuld, einschließlich des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit) unterliegen jedenfalls der uneingeschränkt eigenständigen Prüfung durch das erkennende Gericht (SSt 48/36 uva). In objektiver Hinsicht hat das Erstgericht demnach die Feststellungen über die Höhe der Verkürzungsbeträge und damit der strafbestimmenden Wertbeträge - von denen es im Tenor (ersichtlich versehentlich, aber unbekämpft) in einem Fall (Verkürzung der Abgabe von alkoholischen Getränken um 100.000 S anstatt um 110.000 S) zugunsten des Angeklagten abwich (US 2 entgegen US 5) - durch die aktengetreue Bezugnahme auf die rechtskräftigen Abgabenbescheide (US 5 f.) durchaus mängelfrei begründet (vgl RZ 1984/36 ua); für Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Tatsachen-Konstatierungen (Z 5 a) sowie für die Annahme von - mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a oder c) ausschließlich und mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) zum Teil - der Sache nach geltend gemachten Begründungs- (Z 5) oder Verfahrensmängeln (Z 4) ist insoweit nach dem zuvor Gesagten kein Raum. Inwiefern das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des VfGH (vom 3.Dezember 1984) die in Rede stehende faktische Bindung der Gerichte an rechtskräftige Abgabenbescheide in Frage stellen sollte, ist seinem darauf bezogenen Hinweis nicht zu entnehmen. Der Verkürzungs-Vorsatz des Täters aber muß sich auf die Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrages nicht erstrecken, weil jener als Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit gleichermaßen wie als Faktor der Strafrahmenobergrenze für die angedrohte Geldstrafe rein objektiv determiniert ist (vgl EvBl 1983/75, SSt 54/2, SSt 54/17 uam); genug daran, daß die tatbestandsmäßige Verkürzung als solche (dem Grunde nach) vorsätzlich bewirkt wurde (vgl EvBl 1987/128). Ein Zurückbleiben des Tätervorsatzes hinter der objektiven Höhe des Verkürzungsbetrages kann daher nur beim Abwägen der Strafzumessungs-Schuld innerhalb des Strafrahmens (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 32 Abs 3 StGB) Berücksichtigung finden und ist dementsprechend, wie vom Angeklagten ohnehin zudem unternommen, mit Berufung geltend zu machen.
Im übrigen hat das Schöffengericht auch gar nicht festgestellt, daß dessen Vorsatz auf eine bestimmte Höhe der Verkürzungsbeträge gerichtet gewesen sei, sodaß die Beschwerde mit der im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) - die nur gegen die tatbestandsmäßige Schuld, also gegen den Schuldspruch selbst, gerichtet werden kann - erhobene Behauptung darauf bezogener Begründungsmängel (Z 5) eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen läßt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 21, 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 1,200.000 S und setzte die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit zehn Monaten fest. Dabei wertete es die Verkürzung mehrerer Abgaben durch ihn während eines langen Zeitraums und die Höhe des Verkürzungsbetrages als erschwerend, seine finanzrechtliche Unbescholtenheit, sein teilweises Geständnis und die mittlerweilige Entrichtung eines Teiles der verkürzten Steuern hingegen als mildernd; bei der Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ging es von einem ihm zuzurechnenden Realvermögen in der Höhe von rund 20 Mio S aus.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung sowohl der Geldstrafe als auch der Ersatzfreiheitsstrafe anstrebt, kommt in beide Richtungen hin Berechtigung zu.
Zwar sind seine nach dem zuvor Gesagten hier aktuellen Einwände gegen die Annahme, daß auch die volle Höhe der Abgabenverkürzung von seinem zumindest bedingten Vorsatz umfaßt war, im Hinblick auf die massiv-professionelle Art seiner dabei unternommenen Malversationen nicht geeignet, dahingehende Bedenken zu erwecken, doch ist zum einen dem Berufungswerber einzuräumen, daß die ihm angelastete große Höhe des Verkürzungsbetrages deswegen, weil sie ohnehin schon den Strafrahmen bestimmt, als besonderer Erschwerungsgrund nicht in Betracht kommt, und zum anderen zu bedenken, daß sein erwähntes Liegenschaftsvermögen über seine Abgabenverbindlichkeiten hinaus mit weiteren 14 Mio S hypothekarisch belastet ist.
Unter diesen Umständen ist nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten in Verbindung mit seinen persönlichen Verhältnissen (Sorgepflicht für einen 17-jährigen Sohn) und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs 1 bis 3 FinStrG) eine Reduzierung der über ihn verhängten Geldstrafe auf die darnach als angemessen erscheinende Höhe von einer Million Schilling sowie der Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Monate gerechtfertigt.
Dahin war seiner Berufung demnach Folge zu geben.
Anmerkung
E15344European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00088.88.1004.000Dokumentnummer
JJT_19881004_OGH0002_0150OS00088_8800000_000