TE OGH 1988/10/5 3Ob70/88

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Veröffentlicht am 05.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*** UK Ltd., Colthrop Lane, Thatcham, Newbury, Berkshire RG 13 4 NR, Großbritannien, vertreten durch DDr. Walter Barfuß ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Kurt Herbert S***, Kaufmann, Trins 163, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 451.569,68 und 34.561,05 Pfund Sterling je sA, infolge Revision der verpflichteten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21. Oktober 1987, GZ 3 R 273/87-42, womit infolge Berufung der verpflichteten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Juli 1987, GZ 5 Nc 453/86-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet, mit dem die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde.

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Der Verpflichtete ist schuldig, der betreibenden Partei die mit 34.956,90 S (darin 3.177,90 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten auf Grund zweier Entscheidungen des High Court of Justice für England und Wales zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen von 451.569,68 und 34.561,05 Pfund Sterling je sA die Exekution auf die Fahrnisse und eine Forderung des Verpflichteten. Der Verpflichtete erhob gegen die Exekutionsbewilligung Rekurs und Widerspruch. Das Gericht zweiter Instanz änderte auf Grund seines Rekurses die Exekutionsbewilligung in einem die Hereinbringung von Zinsen betreffenden Teil ab und bestätigte sie im übrigen. Dem Revisionsrekurs des Verpflichteten gab der Oberste Gerichtshof nicht Folge. Soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, stützte der Verpflichtete den Widerspruch darauf, daß das Gericht, von dem die Exekutionstitel stammen, zur Entscheidung nicht zuständig gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Widerspruch nicht Folge. Es führte zu dem erwähnten Widerspruchsgrund aus, daß nach der Aktenlage gemäß Art. IV Abs 1 lit b des zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossenen Vertrages vom 14. Juli 1961, BGBl 1962/224 (im folgenden als Vollstreckungsvertrag bezeichnet), die Zuständigkeit des englischen Gerichtes gegeben gewesen sei, weil sich die Klagen der in Großbritannien ansässigen betreibenden Partei auf Warenlieferungen bezogen hätten, die sie an das englische Unternehmen des Verpflichteten erbracht habe.

Das Berufungsgericht verwarf die vom Verpflichteten gegen das Urteil des Erstgerichtes erhobene Berufung, soweit damit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und gab ihr im übrigen nicht Folge. Es war der Meinung, daß die Frage der Zuständigkeit des englischen Gerichtes schon vom Obersten Gerichtshof bejaht worden sei, der in seiner Entscheidung über den Revisionsrekurs des Verpflichteten ausgeführt habe, es könne keine Rede davon sein, daß die beiden Entscheidungen nicht anzuerkennen wären, weil bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag einer der im Art. III Abs 1 lit a des Vollstreckungsvertrages bezeichneten, von Amts wegen wahrzunehmenden Versagungsgründe aktenkundig gewesen wäre. Da das zu beachtende Vorbringen des Verpflichteten im Widerspruchsverfahren mit dem Rekursvorbringen völlig übereinstimme, könne die Frage der Zuständigkeit im Widerspruchsverfahren nicht anders als im Rekursverfahren beurteilt werden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Verpflichteten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es "im Sinne einer kostenpflichtigen Klagsabweisung" abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an eine Unterinstanz zurückzuverweisen. Die betreibende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar rechtzeitig, aber teilweise unzulässig und im übrigen nicht berechtigt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde am 5. November 1987 einem Rechtsanwalt zugestellt, der sich für den Verpflichteten an der mündlichen Berufungsverhandlung beteiligt hatte und in dessen Vollmacht sich der Beisatz "nur für die Verrichtung der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Innsbruck am 21. Oktober 1987 zu 3 R 273/87" findet. Da dieser Rechtsanwalt dem Erstgericht mitteilte, den Verpflichteten nicht mehr zu vertreten, wurde das Berufungsurteil am 26. November 1987 dem Rechtsanwalt zugestellt, der am 10. April 1987 im Rahmen der dem Verpflichteten bewilligten Verfahrenshilfe als dessen Vertreter bestellt worden war. Die von diesem Rechtsanwalt am 22. Dezember 1987 überreichte Revision wurde vom Erstgericht als verspätet zurückgewiesen, weil die Beschränkung der Prozeßvollmacht des am Berufungsverfahren beteiligten Rechtsanwaltes gemäß § 32 ZPO wirkungslos gewesen sei und die Frist zur Erhebung der Revision daher mit der Zustellung des Berufungsurteiles an ihn zu laufen begonnen habe. Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß infolge des Rekurses des Verpflichteten auf und trug dem Erstgericht auf, nach § 507 Abs 1 zweiter Satz und § 508 Abs 1 ZPO zu verfahren. Es war der Meinung, daß die Revision rechtzeitig erhoben worden sei, weil die Revisionsfrist erst zu laufen begonnen habe, als das Berufungsurteil dem im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt zugestellt worden sei. Trotz der Bevollmächtigung eines anderen Rechtsanwaltes habe nur dieser wirksam als Prozeßvertreter des Verpflichteten handeln können.

Da der Oberste Gerichtshof an die Entscheidung der Vorinstanzen über die Rechtzeitigkeit der Revision nicht gebunden ist (Fasching, Kommentar IV 427 f; EfSlg. 47.200; 4 Ob 591/79 ua), ist die Frage der Rechtzeitigkeit neuerlich zu prüfen. Dabei vermag sich der Oberste Gerichtshof der Ansicht des Berufungsgerichtes nur im Ergebnis anzuschließen. Für dessen Auffassung, daß nur der im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt die Partei wirksam vertreten könne, ergibt sich nämlich aus dem Gesetz kein Hinweis. Die Ansicht des Berufungsgerichtes läßt sich auch nicht, wie dieses unter Hinweis auf Fasching, Kommentar II 420 und ErgBd 19 f meint, daraus ableiten, daß das Verhältnis zwischen der Partei und dem im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur ist. Dies hindert die Partei nicht, einem anderen Rechtsanwalt Prozeßvollmacht zu erteilen, und es ist kein Grund zu sehen, warum dessen aus § 31 ZPO hervorgehenden Befugnisse nur deshalb eingeschränkt sein sollten, weil der Partei auch im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt beigegeben wurde. Ob die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zum Erlöschen oder zur Entziehung der Verfahrenshilfe führen kann oder muß, ist hier nicht zu erörtern. Im übrigen hat Fasching die Auffassung, auf die sich das Gericht zweiter Instanz beruft, offenbar nunmehr selbst aufgegeben, weil er in seinem nach dem Kommentar erschienenen Handbuch Zivilprozeßrecht ausdrücklich darauf hinweist (Rz 485 unten), daß der von der Partei bevollmächtigte Rechtsanwalt sie trotz der Verfahrenshilfe vertrete.

Die Vorinstanzen verkannten aber auch die Bedeutung der Einschränkung der vom Verpflichteten erteilten Vollmacht. Es wurde damit nämlich nicht der Umfang der Prozeßvollmacht beschränkt, sondern deren Dauer. Der vom Verpflichteten bevollmächtigte Rechtsanwalt war während der Berufungsverhandlung zu allen Prozeßhandlungen berechtigt, hätte also etwa einen Vergleich schließen und die Berufung zurücknehmen können. Seine Befugnisse endeten aber laut der ausdrücklichen Erklärung mit dem Ende der Berufungsverhandlung. Nur der inhaltlichen, nicht auch der zeitlichen Beschränkung steht § 32 ZPO entgegen. Die zeitliche Beschränkung der Vollmacht richtet sich vielmehr nach § 36 ZPO. Aus der darin enthaltenen Regelung über den Widerruf und die Kündigung der Vollmacht ergibt sich, daß es den Parteien möglich sein muß, von vornherein eine zeitliche Begrenzung der Vollmacht zu vereinbaren, die allerdings dem Prozeßgegner gegenüber nur unter den in der angeführten Gesetzesstelle für die Wirksamkeit des Widerrufs und der Kündigung festgelegten Voraussetzungen wirksam wird. Diese waren hier aber erfüllt. Da sich die zeitliche Begrenzung schon aus der Vollmachtsurkunde ergab, war eine besondere Anzeige an den Prozeßgegner nicht notwendig. Ebensowenig bedurfte es der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes, weil dem Verpflichteten ein Rechtsanwalt schon im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegeben und diese Begünstigung noch aufrecht war.

Die Vollmacht, die der Verpflichtete seinem freigewählten Rechtsanwalt erteilte, erlosch daher mit dem Ende der Berufungsverhandlung, weshalb die später an diesen Rechtsanwalt vorgenommene Zustellung des Berufungsurteils keine Wirkung hatte. Die zur Revision offen stehende Frist begann daher erst mit der Zustellung des Urteils an den im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt zu laufen. In diesem Fall wurde die Revision innerhalb der Frist eingebracht.

Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung richtet, ist sie allerdings unzulässig, weil das Berufungsgericht damit das Vorliegen einer Nichtigkeit verneinte und seine Entscheidung in diesem Punkt iSd § 519 ZPO unanfechtbar ist (MietSlg XXVIII/41 uva).

Im übrigen wirft der Verpflichtete dem Berufungsgericht zu Unrecht vor, daß es in der Frage der Zuständigkeit jenes Gerichtes, von dem die Exekutionstitel stammen, die Regeln über die Beweislast verkannt habe. Gemäß Art. III Abs 1 lit a Z 1 des Vollstreckungsvertrages bildet es einen Grund, einer Entscheidung die Anerkennung zu versagen, wenn in der betreffenden Sache die Zuständigkeit des Erstgerichtes nach Art. IV des Vertrages nicht gegeben war. Die Last des Beweises dafür, daß ein Grund für die Versagung der Anerkennung vorliegt, trifft den Verpflichteten. Dies entspricht nicht nur den allgemeinen Regeln über die Beweislast, sondern wird im Art. III Abs 1 lit b Z 1 des Vollstreckungsvertrages ausdrücklich gesagt.

Der Verpflichtete nimmt in der Revision zur Frage, ob er den demnach ihn betreffenden Beweis der Unzuständigkeit des englischen Gerichtes erbracht habe, nicht Stellung. Es genügt daher, auf die Ausführungen des Erstgerichtes hinzuweisen, die der Oberste Gerichtshof für zutreffend hält. Andere Widerspruchsgründe werden in der Revision nicht mehr geltend gemacht. Es genügt daher der Hinweis, daß der Oberste Gerichtshof die Exekutionsbewilligung schon aus Anlaß des vom Verpflichteten erhobenen Revisionsrekurses geprüft und er sich dabei weitgehend mit demselben Vorbringen befaßt hat, das auch den Gegenstand des Widerspruches bildet.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens auf § 78 EO iVm den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15394

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00070.88.1005.000

Dokumentnummer

JJT_19881005_OGH0002_0030OB00070_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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