TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/7 2005/17/0174

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Veröffentlicht am 07.10.2005
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §229;
BauO NÖ 1996 §3 Abs1;
BauO NÖ 1996 §38 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §38 Abs1 Z2;
GdO NÖ 1973 §61 Abs1;
LAO NÖ 1977 §177;
LAO NÖ 1977 §48;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der X. in W, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Börsegasse 12, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Jänner 2005, Zl. RU1-BR-273/001-2005, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheit einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Waidhofen an der Thaya, Hauptplatz 1, 3830 Waidhofen an der Thaya), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde ging in ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid von folgendem Sachverhalt aus:

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde einer näher genannten GmbH als Eigentümerin eines näher bezeichneten Grundstückes aus Anlass der mit Bescheid vom 4. Mai 1998 erfolgten Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von S 332.371,-- vor und setzte eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides für die Zahlung der Abgabe fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Nach mehreren vergeblichen Mahnungen wurde vom zuständigen Bezirksgericht über Antrag der mitbeteiligten Stadtgemeinde die zwangsweise Pfandrechtsbegründung gegen die GmbH auf Grund des Rückstandausweises vom 23. November 2000 und der Vollstreckbarkeitsbestätigung vom selben Tag über die ausständige Summe von S 339.250,-- bewilligt.

Am 17. Jänner 2001 bewilligte das Bezirksgericht auf Grund des genannten vollstreckbaren Rückstandsausweises den Beitritt der mitbeteiligten Stadtgemeinde zu der von der beschwerdeführenden Partei eingeleiteten Zwangsversteigerung. Am 3. April 2003 wurde der beschwerdeführenden Partei der Zuschlag für das gegenständliche Grundstück erteilt; bei der Meistbotsverteilung wurde die Forderung der Stadtgemeinde nicht berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 23. April 2003 ersuchte die Stadtgemeinde die beschwerdeführende Partei, den Rückstand an offener Aufschließungsabgabe in der Höhe von EUR 24.154,34 binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens zu begleichen; die Stadtgemeinde berief sich dabei auf die auch bei einem Eigentumsübergang gegenüber dem Rechtsnachfolger bestehende Rechtswirksamkeit einer bescheidmäßigen Vorschreibung, weshalb eine neuerliche Bescheiderlassung wegen der im § 9 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 normierten dinglichen Wirkung zu Lasten dieses Rechtsnachfolgers nicht erforderlich sei.

In der Folge stellte die Stadtgemeinde am 9. Juli 2004 einen Rückstandsausweis, gerichtet an die beschwerdeführende Partei, über den Betrag von EUR 24.154,34 aus und drohte ein Exekutionsverfahren an. Am 23. Juli 2004 wurde der genannte Betrag von der beschwerdeführenden Partei bezahlt.

Die beschwerdeführende Partei bekämpfte - entsprechend der unbestrittenen Wiedergabe der belangten Behörde - die Ausstellung des Rückstandsausweises vom 9. Juli 2004 sowie den am 27. Oktober 1998 erlassenen Bescheid mit Vorstellung an die belangte Behörde und beantragte, die Aufsichtsbehörde möge den Rückstandsausweis aufheben; weiters möge sie den Abgabenbescheid vom 27. Oktober 1998 ersatzlos aufheben, in eventu dahin abändern, dass von der Vorschreibung von Aufschließungsabgaben gegenüber der beschwerdeführenden Partei Abstand genommen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurück. Sie begründete dies vor allem damit, dass eine Vorstellung an die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde erst gegen einen Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz zulässig sei. Weiters verwies sie darauf, dass Rückstandsausweise keine Bescheide seien. Gegen sie sei daher auch kein Rechtsmittel zulässig. Überdies sei der erstinstanzliche Bescheid vom 27. Oktober 1998 in Rechtskraft erwachsen, sodass auch dagegen keine Vorstellung zulässig sei.

Der dagegen von der beschwerdeführenden Partei zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 6. Juni 2005, B 281/05-3 und B 391/05-3 (hier B 281/05-3) die Behandlung (unter anderem) der vorliegenden Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, soweit in den Beschwerden die Rechtswidrigkeit der die jeweils angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, berücksichtige das Vorbringen zu B 281/05 nicht ausreichend, dass § 9 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 in diesem Fall nicht präjudiziell sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - ergänzte - Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Dem gesamten Inhalt der Beschwerde lässt sich gerade noch entnehmen, dass sich die beschwerdeführende Partei durch die Zurückweisung ihrer Vorstellung in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt erachtet.

Dies führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg.

Gemäß § 61 Abs. 1 erster Satz der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-12 (in der Folge: NÖ GdO 1973) kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

Nach § 177 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977 - NÖ AO 1977, LGBl. 3400-10, ist als Grundlage für die Einbringung über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Rückstandsausweise bilden somit - wie der Verwaltungsgerichtshof etwa zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz, LGBl. für Vorarlberg Nr. 23/1984 (idF LGBl. Nr. 80/1987), ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1997, Zl. 96/17/0454) - als Exekutionstitel die Grundlage der finanzbehördlichen und gerichtlichen Vollstreckung. Zudem sind sie öffentliche Urkunden über Bestand und Vollstreckbarkeit von Abgabenschulden, nicht aber rechtsmittelfähige Bescheide. Sie stellen bloß aus den Rechnungsbehelfen der Behörde gewonnene Aufstellungen über Zahlungsverbindlichkeiten dar (vgl. ebenso zu § 229 BAO das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2002, Zl. 2000/15/0141).

Soweit sich also die beschwerdeführende Partei mit ihrer Vorstellung gegen den Rückstandsausweis an die belangte Behörde wandte und dessen Aufhebung beantragte, war die belangte Behörde hiezu unzuständig, weil sie nur gegen Bescheide angerufen werden kann. In der Zurückweisung der Vorstellung durch die belangte Behörde liegt daher jedenfalls insoweit keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit.

Aber auch soweit die beschwerdeführende Partei in ihrer Vorstellung beantragte, die Vorstellungsbehörde möge den Abgabenbescheid vom 27. Oktober 1998 ersatzlos aufheben, in eventu dahin abändern, dass von der Vorschreibung von Aufschließungsabgaben gegenüber der beschwerdeführenden Partei Abstand genommen werde, ist die beschwerdeführende Partei durch die Zurückweisung der Vorstellung nicht in ihren Rechten verletzt worden: Gemäß § 3 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200-11, fallen Aufgaben, die nach diesem Gesetz von der Gemeinde zu besorgen sind, in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Die Erhebung der Aufschließungsabgabe, die gemäß § 38 Abs. 1 erster Satz leg. cit. von der Gemeinde vorzuschreiben ist, ist eine derartige "Aufgabe". Da gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 NÖ GdO 1973 die Besorgung der behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches in erster Instanz dem Bürgermeister obliegt und der Instanzenzug in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben vom Bürgermeister an den Gemeindevorstand geht (§ 48 NÖ AO 1977, LGBl. 3400-10), haftet dem angefochtenen Bescheid schon deshalb keinerlei Rechtswidrigkeit an, weil eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vorstellung die Behauptung ist, durch einen letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheid in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde verletzt zu sein; diese Prozessvoraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Bescheidprüfung wurde von der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters vom 27. Oktober 1998 weder behauptet noch lag sie tatsächlich vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2000, Zl. 95/17/0458).

Selbst dann, wenn man in dem wiedergegebenen Antrag auf Aufhebung des Rückstandsausweises und des Abgabenbescheides vom 27. Oktober 1998 einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung erblicken wollte (vgl. dazu näher etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2005, Zl. 2001/17/0078), wäre dieser an die den Rückstandsausweis ausstellende Abgabenbehörde erster Instanz zu richten gewesen, sodass auch insoweit die belangte Behörde nicht zur Entscheidung darüber (in erster Instanz) berufen gewesen wäre; es lag auch diesfalls kein mit Vorstellung vor der belangten Behörde bekämpfbarer Bescheid vor.

Aber auch dann, wenn sich die beschwerdeführende Partei im Ausdruck "Vorstellung" vergriffen haben und ihr Antrag als ein Begehren auf aufsichtsbehördliche Behebung des rechtskräftigen Bescheides vom 27. Oktober 1998 zu verstehen sein sollte, wäre sie darauf hinzuweisen, dass hiefür eine Zuständigkeit der belangten Behörde als Vorstellungsbehörde nicht gegeben ist und - vor allem -

ein Recht auf Ausübung des Aufsichtsrechtes nicht besteht (vgl. zu diesem allgemeinen Grundsatz etwa den hg. Beschluss vom 19. Mai 1994, Zl. 94/17/0199, und das hg. Erkenntnis vom 8. November 2000, Zl. 2000/04/0119, je mwN). Eine Rechtsverletzung, die im Rahmen einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden könnte, liegt somit auch unter Zugrundelegung dieser Annahme nicht vor.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 7. Oktober 2005

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005170174.X00

Im RIS seit

25.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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