TE OGH 1988/10/6 6Ob658/88

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Veröffentlicht am 06.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Bauer und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Angelika S***, geboren am 31. Mai 1972, infolge Revisionsrekurses des Amtsvormundes Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Juli 1988, GZ 3 R 340/88-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 30. Mai 1988, GZ P 219/77-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Angelika S*** wurde am 31. Mai 1972 in Spittal an der Drau als uneheliche Tochter der Maria S*** (nunmehr verehelichte G***) geboren. Mit dem in Rechtskraft

erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 12. Jänner 1974, AZ C 252/74, wurde Hermann P*** als Vater dieses Kindes festgestellt (ON 1).

Das Erstgericht befreite den Vater auf dessen Antrag entgegen der Stellungnahme des Amtsvormundes mit Wirkung vom 1. März 1988 von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind, welche zuletzt auf Grund des Beschlusses vom 22. März 1982, ON 20, monatlich S 1.500,-- betragen hatte. Nach seinen Feststellungen ist Angelika S*** nunmehr als Koch-Kellner-Lehrling im Gasthof K*** in Möllbrücke beschäftigt und bezieht aus dieser Tätigkeit inklusive der anteiligen gesetzlichen Sonderzahlungen ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 3.057,48. Sie genießt bei ihrem Dienstgeber frei Kost und Logis und hat - mit Ausnahme der von ihr selbst zu finanzierenden Kosten des Besuches der Berufsschule in Oberwollanig für die Schuldauer von zwei Monaten in Höhe von S 3.500,-- durch die Berufsausbildung keinen weiteren Mehraufwand zu tragen. Die Mutter hat in ihrem Haushalt neben dem bereits berufstätigen Kind zwei weitere eheliche Kinder im Alter von sechs und zwölf Jahren zu betreuen. Sie ist als Verkäuferin im Kaufhaus N*** in Pusarnitz beschäftigt und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von S 6.600,--.

Der Vater war bis zum 31. Dezember 1987 als Lagerleiter bei der E*** Gesellschaft m.b.H. in Klagenfurt beschäftigt. Er erlitt im Jahre 1974 einen Arbeitsunfall. Seither hat er Schwierigkeiten mit seinem rechten Bein, die von Jahr zu Jahr zunehmen. Im November 1987 stellte er bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension, über den zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlußfassung noch nicht entschieden war. Er bezog in der Zwischenzeit vom Arbeitsamt Spittal an der Drau einen Arbeitslosen-Pensionsvorschuß von S 199,70 pro Tag, somit von S 5.991,-- monatlich. Der Vater ist verheiratet und besitzt keinerlei Vermögen. Seine Ehegattin führt ein kleines Gasthaus, welches in ihrem alleinigen Eigentum steht. Der Vater ist gemäß einem zu AZ P 80/71 ergangenen Beschluß des Bezirksgerichtes Ferlach auch noch zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.400,-- gegenüber einer weiteren unehelichen Tochter, nämlich der am 21. Oktober 1971 geborenen Ursula O***, verpflichtet. Über seinen dortigen Unterhaltsbefreiungsantrag war zur Zeit der erstgerichtlichen Beschlußfassung noch nicht entschieden. Das Erstgericht errechnete daraus unter Berücksichtigung von weiteren Kosten für die Anschaffung des erforderlichen Lehrmaterials in Höhe von S 108,34 monatlich einen dem Kind aus dem Lehrverhältnis monatlich netto verbleibenden Betrag von S 2.657,48. Damit sei das Kind zwar noch nicht selbsterhaltungsfähig, es sei aber doch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vaters erschöpft, weil diesem nach Abzug der für Ursula O*** nach wie vor zu erbringenden Unterhaltsleistung monatlich nur noch S 4.591,-- verblieben. Damit könne er seine eigenen Bedürfnisse erfahrungsgemäß nur in sehr bescheidenem Ausmaße decken. Hingegen sei die Mutter im Vergleich zu ihm sicherlich etwas besser gestellt.

Das Rekursgericht bestätigte mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes. Ausgehend von dessen Feststellungen bejahte es die eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes und führte aus: Unter Berücksichtigung von dessen "Sachbezug" in Form von freier Kost und Logis beim Dienstherrn liege nämlich das Einkommen des Kindes nicht mehr wesentlich unter jenem des Vaters. Bei Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse der Eltern müsse das Kind gewisse Einschränkungen hinnehmen. Es sei daher als selbsterhaltungsfähig anzusehen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Amtsvormundes mit dem Antrag auf dessen Aufhebung. Der Rechtsmittelwerber führt aus, beide Vorinstanzen hätten infolge Verkennung von maßgeblichen Grundsätzen der Unterhaltsbemessung notwendige Feststellungen zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen unterlassen, demzufolge der Vater fallweise im Gasthaus seiner Gattin mithelfe, wodurch sich das Familieneinkommen erhöhe. Durch das Unterbleiben einer Feststellung über die Höhe dieses Einkommens des Vaters sei ein maßgeblicher Grundsatz der Unterhaltsbemessung verletzt worden, weil nur so die Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern verglichen werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche überhaupt unzulässig. Diese Bestimmung hat Vorrang vor § 16 Abs 1 AußStrG (EFSlg 52.755). Es ist daher in Unterhaltsbemessungsfragen jede Anfechtungsmöglichkeit - selbst eine solche nach § 16 Abs 1 AußStrG - ausgeschlossen (EFSlg 44.602, 52.710 u.a.). Nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Um eine bloße Unterhaltsbemessungsfrage handelt es sich demnach, wenn bei Streit nur das Ausmaß, das Mehr oder Weniger einer Unterhaltsverpflichtung, betroffen wird (SZ 51/110; EFSlg 47.152, 52.694; 6 Ob 608/87 u.a.). Dabei ist die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann unanfechtbar, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung des Anspruches auf Unterhaltsleistung führt (Punkte II und III des Judikates 60 neu; EFSlg 47.170, 49.863, 52.714; 6 Ob 583/88 u.a.). Nach ständiger Rechtsprechung gehört auch die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes als eine dessen Bedürfnisse betreffende zum irrevisiblen Unterhaltsbemessungskomplex (EFSlg 44.091, 44.596, 47.163, 49.889, 52.702 u.a.), dies insbesondere auch dann, wenn die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten - wie hier - unter Berücksichtigung einer Lehrlingsentschädigung erfolgte (RZ 1975/89; ÖA 1987, 137 u.a.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß das Rekursgericht unter Bedachtnahme auf die festgestellte Lehrlingsentschädigung des Kindes und unter Berücksichtigung von dessen freier Kost und Logis beim Dienstherrn sowie der festgestellten Einkommens- und sonstigen Lebensverhältnisse beider Elternteile die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bejaht hat. Hiebei handelt es sich entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses ausschließlich um Fragen der Unterhaltsbemessung. Da das Rekursgericht auch den festgestellten Lebens- und Einkommensverhältnissen des Vaters Rechnung getragen hat, kann keine Rede davon sein, daß es etwa gesetzliche Grundsätze für die Unterhaltsbemessung infolge Verkennung der Rechtslage nicht beachtet und daher aus einem Rechtsirrtum die erforderlichen Feststellungen unterlassen hätte, in welchem Falle die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG nach der Rechtsprechung nicht zur Anwendung käme (vgl. SZ 45/87; SZ 54/52; EFSlg 44.603, 47.175, 52.732 u.a.). Hier vermag nämlich der Rechtsmittelwerber nur die angebliche Unterlassung der Prüfung und Berücksichtigung einer möglichen weiteren Einnahmsquelle des Vaters geltend zu machen. Ein derartiger Hinweis darauf, daß nicht alle für die Bemessung maßgebenden Umstände berücksichtigt worden seien, betrifft aber den irrevisiblen Unterhaltsbemessungskomplex (EFSlg 49.886).

Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E15461

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00658.88.1006.000

Dokumentnummer

JJT_19881006_OGH0002_0060OB00658_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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