TE OGH 1988/10/11 2Ob594/88

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Veröffentlicht am 11.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Firma K*** Gesellschaft m.b.H. & Co., Luft- und Klimatechnik, Kaiser-Karl-Straße 5, D-8850 Donauwörth, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig und Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wider den Gegner der gefährdeten Partei Firma EDV-S***-S*** Gesellschaft m.b.H. & Co., Bahnhofstraße 8, 9500 Villach, vertreten durch DDr. Heinrich Erlach, Rechtsanwalt in Villach, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 70.000,-), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 28. Juli 1988, GZ 2 R 303/88-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 16.Juni 1988, GZ 6 C 1042/88-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (in der Folge als Antragstellerin bezeichnet) stellte den Antrag, zur Sicherung ihres Anspruchs gegen den Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge als Antragsgegnerin bezeichnet) auf Übergabe des gesamten Quellenprogrammes für die Individual-Software "Kommerzielles Programm" und die Lieferung eines CAD/CAM-Programmes mit der Bezeichnung "Klima 2000" mit einstweiliger Verfügung 1) die Herausgabe und Hinterlegung des gesamten Quellenprogrammes bei den Vertretern der Antragstellerin anzuordnen; die Verwahrung sei auf Kosten der Antragstellerin durchzuführen und habe durch Übergabe des gesamten Quellenprogrammes an den Vollstrecker und Weitergabe an die Verwahrer zu erfolgen;

2) der Antragsgegnerin zu verbieten, über dieses Quellenprogramm irgendeine Verfügung zu treffen oder sonst Handlungen vorzunehmen, die den gegenwärtigen Zustand dieses Quellenprogrammes verändern könnten, insbesondere dieses Quellenprogramm an dritte Personen oder Firmen weiterzugeben; diese einstweilige Verfügung werde für die Zeit, bis die Antragstellerin ihren Anspruch durch Zwangsvollstreckung geltend machen könne, längstens bis zur Beendigung des vor dem Amtsgericht Nördlingen anhängigen Rechtsstreites beantragt.

Die Antragstellerin stützte dieses Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, sie habe mit der Antragsgegnerin am 15.11.1984 einen Vertrag über die Erstellung einer Individual-Software "Kommerzielles Programm" und über die Lieferung eines CAD/CAM-Programmes mit der Bezeichnung "Klima 2000" geschlossen. Nach diesem Vertrag sei die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin eine Sicherstellung der Quellenprogramme der kommerziellen und der CAD/CAM-Software zur Verfügung zu stellen. Darunter könne bei objektiver Auslegung und verständiger Würdigung des Vertrages nur die Übergabe einer Kopie dieser Quellenprogramme an die Antragstellerin verstanden werden. Dies verweigere die Antragsgegnerin. Wegen dieses Anspruches der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin sei beim Amtsgericht Nördlingen ein Rechtsstreit zwischen den Streitteilen anhängig.

Die Antragsgegnerin habe den mit der Antragstellerin geschlossenen Vertrag über die Lieferung des "Kommerziellen Programmes" und des Programmes "Klima 2000" grundlos gekündigt. Das von der Antragsgegnerin zu liefernde Programm sei nur teilweise fertiggestellt worden und die fertiggestellten Teile seien zum Teil mit Fehlern behaftet. Eine sogenannte Programmpflege, nämlich das Beseitigen von Fehlern und die Anpassung des EDV-Systems an neue Wünsche und betriebliche Notwendigkeiten, sei nicht möglich. Grund hiefür seien die nicht vorhandenen Quellenprogramme, die die Antragsgegnerin auszuliefern verpflichtet sei. Wären diese Quellenprogramme vorhanden, könnte die Antragstellerin ein entsprechendes Software-Haus mit der Fehlerbehebung und der Fortentwicklung und Pflege der Software beauftragen. Der Schaden, der der Antragstellerin aus der Nichtzurverfügungstellung der Software entstehe, betrage ca DM 100.000,-; er werde noch erheblich höher werden, wenn die Neuprogrammierung des DV-Systems durch einen Dritten erforderlich werden sollte. Da die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland einen Prozeß führe und die Antragsgegnerin sich nicht mehr an den geschlossenen Vertrag zu halten gedenke, bestehe auch die Gefahr, daß die Quellenprogramme für das "Kommerzielle Programm" und das Programm "Klima 2000" vernichtet würden oder verloren gingen. Dann würde der Antragstellerin ein unwiederbringlicher Schaden von mehreren hunderttausend DM entstehen. Die Antragstellerin begehre von der Antragsgegnerin die Herausgabe des gesamten Quellenmaterials für die EDV-Programme "Kommerzielles Programm" und "Klima 2000", weil zu besorgen sei, daß die Quellenprogramme in Verlust geraten oder verändert werden könnten. Darüber hinaus drohe der Antragstellerin ohne Zurverfügungstellung dieser Quellenprogramme ein unwiederbringlicher Schaden, zumal die Antragsgegnerin eine Kommanditgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung des Geschäftsführers der Komplementärgesellschafterin Josef G*** von S 70.000,- und des Dkfm. Franz M*** von S 30.000,- sei; die Komplementärgesellschaft habe ein Stammkapital von S 500.000,-. Bei dieser Kapitalausstattung der Antragsgegnerin sei die Hereinbringung eines Schadens von ca S 700.000,- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmöglich.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages der Antragstellerin im wesentlichen mit der Begründung, es werde von ihr mehr verlangt, als im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Nördlingen streitgegenständlich sei. Die Sicherstellung des Quellenprogrammes nach den von der Antragstellerin angezogenen Vertragspunkten könne niemals die Übergabe einer vollständigen Kopie beinhalten. Die Antragsgegnerin habe einen Jahresumsatz von ca 50 Millionen Schilling und verfüge über ein Warenlager im Wert von ca 5 Millionen Schilling und Außenstände von ca einer Million Schilling. Es seien die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin verlangte einstweilige Verfügung nicht gegeben. Sollten diese Voraussetzungen bejaht werden, wäre nur eine gerichtliche Verwahrung des Quellenprogrammes bis zur Entscheidung in dem beim Amtsgericht Nördlingen anhängigen Prozeß über einen allfälligen Herausgabeanspruch der Antragstellerin zulässig.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung, mit der es zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin wider die Antragsgegnerin auf Übergabe einer Kopie des gesamten Quellenprogrammes für die Individual-Software "Kommerzielles Programm" und die Lieferung eines CAD/CAM-Programmes mit der Bezeichnung "Klima 2000" die Herausgabe und Hinterlegung dieses Quellenprogrammes bei Gericht verfügte, wobei es anordnete, daß die unmittelbare Abnahme durch den Vollstrecker zu erfolgen habe und die Verwahrung bei Gericht auf Kosten der Antragstellerin durchzuführen sei. Das Erstgericht verbot der Antragsgegnerin, über dieses Quellenprogramm irgendeine Verfügung zu treffen oder sonst Handlungen vorzunehmen, die den gegenwärtigen Zustand dieses Quellenprogrammes verändern könnten, insbesondere es an dritte Personen oder Firmen weiterzugeben. Diese einstweilige Verfügung wurde für die Zeit, bis die Antragstellerin ihren Anspruch durch Zwangsvollstreckung geltend machen kann, längstens bis zur Beendigung des zu C 125/88 anhängigen Rechtsstreites vor dem Amtsgericht Nördlingen, bewilligt. Den Vollzug dieser einstweiligen Verfügung machte das Erstgericht vom Erlag einer Sicherheitsleistung in der Höhe von S 50.000,- oder der Beibringung einer Bankgarantie in dieser Höhe abhängig.

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Antragstellerin hat am 24.2.1988 zu C 125/88 des Amtsgerichtes Nördlingen gegen die Antragsgegnerin eine auf Herausgabe einer Kopie der Quellenprogramme für das von der Antragsgegnerin entwickelte "Kommerzielle Programm" und das CAD/CAM-Programm "Klima 2000" eingebracht. Das Verfahren ist noch anhängig. Die Parteien haben einen Vertrag über die Erstellung einer Individualsoftware "Kommerzielles Programm" und über die Lieferung eines CAD/CAM-Programmes mit der Bezeichnung "Klima 2000" geschlossen. Nach dem Inhalt dieses Vertrages ist die Antragsgegnerin verpflichtet, eine Sicherstellung der Quellenprogramme zur Verfügung zu stellen. Über Auftrag der Antragstellerin erstellte Prof.Dr. Ulf-Günther K*** ein Gutachten vom 23.5.1988, wonach der Antragstellerin ein sich fortlaufend erhöhender Schaden von ca DM 100.000,- entstanden ist, weil die Antragstellerin ihr die "gegenständliche Software" nicht herausgibt. Die Antragsgegnerin verweigert die Herausgabe mit der Begründung, daß sie den Vertrag vom 15.11.1984 erfüllt und rechtmäßig gekündigt habe. Die Firma der Antragsgegnerin ist unter A 571/Villach beim Landesgericht Klagenfurt protokolliert. Die Kommanditeinlagen der beiden Kommanditisten betragen S 70.000,- und S 30.000,-; die Komplementärgesellschaft verfügt über ein Stammkapital von S 500.000,-.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß unter der vertragsgemäßen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Sicherstellung der Quellenprogramme bei objektiver Auslegung und verständiger Würdigung nur die Verpflichtung zur Herausgabe einer Kopie verstanden werden könne. Mit dieser Verpflichtung sei die Antragsgegnerin im Verzug. Die im § 381 EO normierten Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung seien bescheinigt. Die objektive Gefährdung des Anspruchs der Antragstellerin sei dadurch bescheinigt, daß die Antragsgegnerin Vertragserfüllung und Vertragsaufkündigung behaupte; in konsequenter Verfolgung dieses Standpunktes könne sie sich durchaus dazu verstehen, das Quellenprogramm zu beseitigen oder zu verändern, zumal es sich dabei um ein Individualprogramm handle. Der Schaden der Antragstellerin könne sich ständig erhöhen. Die Antragstellerin habe in ihrem Urteilsbegehren (in dem vor dem Amtsgericht Nördlingen anhängigen Rechtsstreit) hilfsweise die Hinterlegung der "gegenständlichen Software" bei einem Notar beantragt und daher zum Ausdruck gebracht, daß ihrer Ansicht nach die Herausgabe nach den gegebenen Umständen allenfalls nicht im Prozeßweg durchsetzbar sein könnte. Es könne daher auch nicht im Rahmen einer einstweiligen Verfügung etwas bewilligt werden, was die Antragstellerin allenfalls nicht einmal auf Grund eines ihr ungünstigen (gemeint wohl günstigen) Urteiles erzwingen könne. Im übrigen könne sich eine auf § 381 Z 2 EO (drohender unwiederbringlicher Schaden) gestützte einstweilige Verfügung unter Umständen auch mit dem im künftigen Prozeß angestrebten Ziel decken. Die bewilligten Sicherungsmittel seien nach dem Gesetz zulässig. Obwohl der Anspruch der Antragstellerin ausreichend bescheinigt sei und die Antragsgegnerin insbesondere die Behauptung, es handle sich um ein Individualprogramm, nicht bestritten und auch nicht vorgebracht habe, daß ihr bei Vollzug der einstweiligen Verfügung ein finanzieller Schaden drohe, sei der Antragstellerin eine Sicherheitsleistung auferlegt worden, zumal für das Gericht nicht absehbar sei, ob nicht mit dem Vollzug der einstweiligen Verfügung ein finanzieller Nachteil für die Antragsgegnerin verbunden sein könnte und sich die Antragstellerin selbst zu dieser Sicherheitsleistung verstanden habe.

Die Antragstellerin hat in der Folge eine Bankgarantie der Bayerischen Vereinsbank AG über S 50.000,- vorgelegt und den Vollzug der erlassenen einstweiligen Verfügung beantragt (ON 5). Über Rekurs der Antragsgegnerin änderte das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag der Antragstellerin auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abwies. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Rekursgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, daß man auch dann, wenn man zu Gunsten der Antragstellerin davon ausgehe, daß eine Gefährdung ihres Anspruchs glaubhaft gemacht werden konnte, zu dem Ergebnis komme, daß die Anspruchsbescheinigung dermaßen ungenügend und der diesbezügliche Sachverhalt so komplex und unüberschaubar geblieben sei, daß dies die Erlassung der beantragten Verfügung hindere und daß dieser Mangel auch nicht durch eine Sicherheitsleistung gemäß § 390 Abs 1 EO ausgeglichen werden könne. Der völlige Mangel einer Bescheinigung des Anspruchs könne nämlich nicht durch Sicherheitsleistung ersetzt werden. Ein Sachverhalt, der infolge seiner Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit trotz eingehender Prüfung der paraten Bescheinigungsmittel noch nicht einmal annähernd rechtlich beurteilt werden könne, eigne sich nicht zur Begründung einer einstweiligen Verfügung.

Die Parteien hätten nach dem Inhalt der vorgelegten Vertragsurkunde, auf der übrigens die Unterschriften nicht aufschienen bzw möglicherweise im Zuge der Kopierung - aus welchen Gründen immer - abgedeckt worden seien, laut Vertragspunkt 74.) für die Vertragserfüllung die Anwendung des deutschen Rechtes vereinbart. Die hier in Betracht kommenden ausländischen Rechtsnormen seien dem Erstgericht im Bescheinigungsverfahren nicht unterbreitet worden. Es sei auch für das Rekursgericht nicht amtsbekannt, welche spezifischen Rechtsnormen für EDV-Verträge in der Bundesrepublik Deutschland in Geltung stünden.

Das von der Antragstellerin geforderte Verfügungs- und Handlungsverbot hätte selbst in dem Vertragstext, wie er in der Beilage G aufscheine, keine Deckung. Es gehe nicht an, der Antragsgegnerin zu verbieten, die entwickelten und in ihrem Eigentum verbliebenen Programme im Verhältnis zu anderen Firmen zu verwerten. Ein ausschließliches Nutzungsrecht hätte die Antragstellerin auf Grund des vorgelegten Vertrages hinsichtlich der Programme nur in beschränktem Umfang erworben, nämlich durch die Gebietsschutzvereinbarung zu Vertragspunkt 45.). Gerade diese Vertragsbestimmung zeige jedoch, daß der Antragsgegnerin ein generelles Verwertungs- und Verfügungsverbot nicht auferlegt werden dürfe. Das beantragte Verbot der Veränderung des gegenwärtigen Zustandes der beiden Quellenprogramme widerspreche gleichfalls dem schriftlichen Vertrag, weil darin eine fortwährende bzw. periodische Erneuerung und Anpassung des Programmes sogar vorgesehen sei. Auch der geltend gemachte Herausgabe- und Hinterlegungsanspruch sei nicht nur zu weitgehend, sondern darüber hinaus im vorgelegten Bescheinigungsmaterial ohne eine echte Grundlage geblieben. Fraglich sei bereits, ob die Antragstellerin mit dem Hinterlegungsbegehren den im schriftlichen Vertrag unter Punkt 35.) (allenfalls auch 36.)) enthaltenen Sicherstellungsanspruch abgesichert haben wolle, was nach dem Antragsvorbringen eher anzunehmen sei, oder ob es ihr überhaupt erst um den Anspruch auf vollständige Primärlieferung der Programme gehe. Damit sei aber der zu sichernde Anspruch von vornherein nicht eindeutig individualisiert.

Eine einstweilige Verfügung dürfe stets nur für einen bestimmten - im Antrag nach Rechtsgrund und Inhalt individualisierten - Anspruch erlassen werden. Gehe es um die Herausgabe einer bestimmten beweglichen Sache, müsse auch deren Art und Umfang genau angegeben werden. Die Beschreibung der herauszugebenden Sache sei im vorliegenden Antrag der Antragstellerin auch nicht vollends klar und so unzweifelhaft, daß sie eine einwandfreie Identifizierung erlaube.

Fraglich sei weiters, ob der Antragstellerin aus den Vertragspunkten 35.) und 36.) der Anspruch erwachsen könnte, eine volle Programmkopie - mit der Gefahr der vertragswidrigen Weitergabe - in ihre Verfügungsmacht zu bekommen. Von einer Kopie sei außerdem nur im Antragsvorbringen selbst die Rede, nicht aber im eigentlichen Beschlußantrag, wo die Anspruchsbezeichnung auf "Übergabe des gesamten Quellenprogrammes" laute. Auch dies schaffe zusätzlich Unklarheit darüber, von welchem der Vertragserfüllungsansprüche die Antragstellerin Gebrauch machen wolle. Was die Frage der Kopienüberlassung betreffe, wären bei Auslegung der Vertragsbestimmungen zu Punkt 35.) und 36.) für die Gewährung der "Sicherstellung" jedenfalls auch andere Lösungsmodelle denkbar.

Zur Sicherstellung des schon nach dem Vorbringen unklar gebliebenen Anspruchs habe die Antragstellerin schließlich die Herausgabe und Hinterlegung des gesamten Quellenprogrammes bei ihren Rechtsvertretern begehrt. Dies wäre ein Fall einer Verwahrung nach den §§ 382 Z 1 zweiter Fall, 259 EO. In unzulässiger Abweichung vom Antrag habe das Erstgericht die gerichtliche Hinterlegung der Programme nach § 382 Z 1 erster Fall EO bewilligt. Eine einstweilige Verfügung dürfe aber immer nur nach dem Antragsprinzip im Rahmen des gestellten Begehrens erlassen werden. Auf die Zulässigkeit einer gerichtlichen Hinterlegung sei nicht weiter einzugehen, weil sie vom gestellten Begehren nicht umfaßt sei. Die laut Antrag bei den Vertretern der Antragstellerin durchzuführende Verwahrung scheide aber schon deshalb aus, weil sie der Bestimmung des § 382 Z 1 EO folgend nur dann angeordnet werden könne, wenn sich im Einzelfall Sachen zum gerichtlichen Erlag nicht eigneten. Außerdem wäre zu einer Verwahrung der Sachen bei der Antragstellerin selbst (dem wäre der Fall einer Verwahrung bei ihren Rechtsvertretern gleichzuhalten) der Zustimmung des Gegners erforderlich (§ 259 EO). Der Beschluß des Erstgerichtes sei daher im Sinne der Abweisung des Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuändern. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Bei dem Anspruch, dessen Sicherung die Antragstellerin mit der von ihr begehrten einstweiligen Verfügung anstrebt, handelt es sich um keine Geldforderung (§ 379 EO), sondern um einen behaupteten eine bewegliche Sache betreffenden Herausgabeanspruch, also einen anderen Anspruch im Sinne des § 381 EO. Nach dieser Gesetzesstelle setzt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung voraus, daß zu besorgen ist, daß sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruchs, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde (als solche Erschwerung ist es anzusehen, wenn das Urteil im Ausland - siehe dazu Art XX EGEO - vollstreckt werden müßte) oder daß derartige Verfügungen zur Verhinderung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

Die Tatbestände der notwendigen Vollstreckung des Urteils im Ausland oder der drohenden Gewalt scheiden im vorliegenden Fall aus. In der früheren Rechtsprechung wurde die Auffassung vertreten, die im § 381 Z 1 EO geforderte objektive Gefährdung des Anspruchs sei schon dann gegeben, wenn eine Vereitelung oder erhebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung abstrakt drohe (SZ 28/215; SZ 33/78 ua). In der jüngeren und nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1979,323; EvBl 1981/188; 8 Ob 506/83 uva) hat sich aber in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Heller-Berger-Stix, Kommentar4 III 2722 f) die Auffassung durchgesetzt, daß eine konkrete Gefährdung des Anspruchs, die nicht schon in der bloßen Weigerung des Gegners, den behaupteten Anspruch zu erfüllen, liegen kann, erforderlich ist. Nicht schon die lediglich abstrakte und theoretisch denkbare Möglichkeit des Eintrittes einer der in der Bestimmung des § 381 Z 1 EO bezeichneten Gefahren reicht also zur Anordnung einer einstweiligen Verfügung aus; es wird vielmehr das Vorliegen konkreter Umstände gefordert, die ohne Bewilligung der einstweiligen Anordnung eine Beeinträchtigung des Anspruchs nach der Lebenserfahrung als wahrscheinlich erkennen lassen (5 Ob 527/82; 5 Ob 616/82; 8 Ob 506/83 ua). Unter diesen Gesichtspunkten ist aus der bloßen Weigerung des Gegners, den behaupteten Anspruch zu erfüllen, eine objektive Gefährdung des Anspruchs im Sinne des § 381 EO nicht abzuleiten (Heller-Berger-Stix aaO 2723; SZ 42/135; JBl 1970,322 uva).

Geht man davon aus, dann zeigt sich, daß im vorliegenden Fall nach den Behauptungen der Antragstellerin und auf der Grundlage des von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes das Vorliegen einer Gefährdung des von der Antragstellerin behaupteten Anspruchs im Sinne des § 381 EO zu verneinen ist. Denn die bloße Tatsache, daß die Antragsgegnerin eine Verpflichtung zur Überlassung der hier in Frage stehenden Quellenprogramme an die Antragstellerin bestreitet, reicht im Sinne obiger Rechtsausführungen zur Annahme einer konkreten Gefährdung des von der Antragstellerin behaupteten Anspruchs im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht aus. Die Vermutungen der Antragstellerin und des Erstgerichtes, die Antragsgegnerin könne diese Quellenprogramme vernichten, beseitigen oder verändern oder sie könnten ihr verloren gehen, geht über abstrakte und rein theoretische Erwägungen nicht hinaus; es fehlt für sie jeder konkrete Anhaltspunkt. Im Sinne obiger Rechtsausführungen ist daher die Bescheinigung einer Gefährdung des von der Antragstellerin behaupteten Anspruchs im Sinne des § 381 EO jedenfalls zu verneinen. Ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO liegt nur vor, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann (infolge Zahlungsunfähigkeit des Ersatzpflichtigen) oder die Leistung von Geldersatz dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (Heller-Berger-Stix aaO 2724 und die dort angeführte Judikatur). Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich, daß ein ihr durch Verzögerung oder gar Vereitelung der Erfüllung des behaupteten Anspruchs entstehender Schaden durch Geldersatz ausgeglichen werden kann. Daß die Antragsgegnerin zur Leistung eines solchen angemessenen Geldersatzes nicht fähig wäre,ergibt sich aus dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt in keiner Weise; insbesondere läßt sich derartiges aus der Höhe des Stammkapitals der Komplementärgesellschaft und der Kommanditeinlagen der beiden Kommanditisten der Antragsgegnerin nicht ableiten.

Da nach ständiger Rechtsprechung die mangelnde Gefahrenbescheinigung durch Sicherheitsleistung nicht ersetzbar ist (SZ 42/135 uva), hat das Rekursgericht jedenfalls mit Recht den Antrag der Antragstellerin auf Erlassung der von ihr begehrten einstweiligen Verfügung abgewiesen. Auf die Ausführungen des Rekursgerichtes zur Frage der Anspruchsbescheinigung und die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen ist unter diesen Umständen nicht weiter einzugehen.

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E15376

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00594.88.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19881011_OGH0002_0020OB00594_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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