Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Massauer sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian H*** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.Juli 1988, GZ 5 b Vr 3574/88-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Schuster, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil in der rechtlichen Beurteilung der beiden Diebstahlsversuche und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Christian H*** hat das Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB begangen und wird hiefür nach dem § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt.
Gemäß dem § 38 Abs 1 StGB wird die Vorhaft vom 3.April 1988, 20,40 Uhr, bis 15.Juli 1988, 12,30 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.September 1962 geborene Christian H*** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (1) und des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach versuchte er in Wien am 3.April 1988, mit Bereicherungsvorsatz in ein Geschäftslokal einzubrechen, indem er die Schaufensterscheibe mittels eines Ziegelsteines zertrümmerte, um Elektrogeräte zu stehlen (1). Schon am 14.Jänner 1988 hatte er versucht, aus einem Geschäft Rum und eine Armbahnduhr im Gesamtwert von 658,90 S ohne Bezahlung mitzunehmen, wurde hiebei aber betreten (2).
Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch 1 mit einer auf den § 281 Abs 1 Z 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an. Das Schöffengericht stützte seine Überzeugung, daß der Angeklagte auch den (von ihm geleugneten) Einbruchsversuch in das Geschäft der Fa. H*** begangen hat (1), im wesentlichen darauf, daß er vom Zeugen Ludwig Z*** aus einem gegenüberliegenden Wohnungsfenster, unmittelbar nachdem dieser den durch das Einschlagen der Auslagenscheibe entstandenen Lärm wahrgenommen hatte, vor der Auslage stehend beobachtet und durch die von diesem Zeugen zur Täterverfolgung aufgeforderten Zeugen Andreas V*** und Stefan K*** auch kurz darauf gestellt wurde (S 112 bis 115).
Rechtliche Beurteilung
Wenn die Beschwerde (Z 5 a) dieser Beweiswürdigung entgegenhält, daß keiner der Zeugen das Einschlagen der Scheibe direkt beobachtet und der Zeuge Z*** den Angeklagten nur an Hand seiner äußeren Erscheinung nicht aber in der Person verläßlich identifizieren konnte, wobei für die subjektive Tatseite (Diebstahlsvorsatz) überhaupt kein Beweisergebnis vorliege, ist ihr grundsätzlich entgegenzuhalten, daß das Gericht bei seinen Tatsachenfeststellungen nicht auf eine mathematisch-exakte Beweisführung beschränkt, sondern berechtigt und verpflichtet ist, aus Beweisergebnissen auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen (Mayerhofer-Rieder2, E 26 bis 34 zu § 258 Abs 2 StPO).
Die Tatrichter würdigten alle von der Beschwerde aufgegriffenen Umstände in ihrer Gesamtheit aber dahin, daß der Angeklagte aus örtlicher und zeitlicher Sicht im alleinigen Gelegenheitsverhältnis stand und sein früheres Verhalten (auch beim unbestrittenen Diebstahlsversuch am 14.Jänner 1988) im Zusammenhalt mit den unmittelbar vorhergegangenen Ereignissen (Geldnot) den Vorsatz auf Sachbeschädigung ausschließen lasse, sodaß nur Bereicherungsvorsatz in Frage komme. Die gegen diese Beweiswürdigung vorgebrachten Einwände können keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen erwecken.
Die Rechtsrüge aber, die einen Schuldspruch (nur) wegen des § 125 StGB mit dem Argument reklamiert, daß hinsichtlich des Diebstahls freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliege (Z 10), übergeht die ausdrückliche Konstatierung, daß der Angeklagte keineswegs aus eigenem Antrieb von der Tatvollendung abstand, sondern davonlief, als der Zeuge Z*** "auf die Straße hinunterschrie" (S 111). Damit bringt der Beschwerdeführer den materiellen Nichtigkeitsgrund, dem immer nur tatsächlich getroffene Feststellungen des Gerichtes, nicht aber eigene Hypothesen des Rechtsmittelwerbers zugrundezulegen sind, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß der Beschwerde konnte sich allerdings der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit dem in dieser Richtung nicht geltendgemachten, gemäß dem § 290 Abs 1 StPO aber von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet ist. Zufolge des für den Bereich gleichartiger Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte geltenden Zusammenrechnungsprinzips nach dem § 29 StGB liegt dem Angeklagten nur ein Diebstahl unter Berücksichtigung aller anderen (nicht wertorientierten) Qualifikationen zur Last (LSK 1978/56), sodaß die Aufspaltung des einen Deliktes in den Tatbestand des Verbrechens (1) und des Vergehens (2) des Diebstahls rechtsirrig erfolgte.
Die rechtliche Subsumtion war daher spruchgemäß dahin zu korrigieren, daß der Angeklagte ausschließlich des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig ist.
Bei der hiedurch erforderlich gewordenen, (gleichfalls) nach dem § 129 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung waren die einschlägigen, den Rückfallsvoraussetzungen des § 39 StGB genügenden Vorstrafen, der rasche Rückfall nach der letzten Strafverbüßung und die Tatwiederholung als erschwerend zu werten, während als mildernd das Geständnis zum Faktum 2, und der Umstand zu berücksichtigen waren, daß es in beiden Fällen beim Versuch geblieben ist. Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erschien dem Obersten Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe tat- und tätergerecht. Die einschlägige Vorbelastung und insbesondere die augenscheinliche Wirkungslosigkeit der bisher verbüßten Strafen verbieten die bedingte Strafnachsicht. Auch die teilbedingte Nachsicht nach dem § 43 a Abs 3 StGB kommt nicht in Frage, weil es auch insoweit an den Grundvoraussetzungen des § 43 StGB mangelt. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E15309European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00128.88.1011.000Dokumentnummer
JJT_19881011_OGH0002_0110OS00128_8800000_000