TE OGH 1988/10/11 1Ob645/88

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Veröffentlicht am 11.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 22. Oktober 1986 verstorbenen Antoinette G***, Pensionistin, zuletzt Neubaugasse 25, 1070 Wien, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erben Ernst Wolfgang L***, Merkas Baalei Melache 33 a, Tel Aviv, Israel, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 1. Juli 1988, GZ 43 R 378/88-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. Februar 1988, GZ 3 A 521/86-62, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin war österreichische Staatsbürgerin und hinterließ eine als Testament überschriebene - zu ON 9 am 11. Dezember 1986 kundgemachte - letzte Willenserklärung, die am 2. Juni 1985 in Tel Aviv (Israel) fremdhändig verfaßt und von ihr sowie zwei Zeugen (dem bestellten Testamentsvollstrecker Rechtsanwalt David W*** und Abraham Zvi L***) unterfertigt ist, keine ausdrückliche Erbeinsetzung, aber nach Erklärung der Testamentserrichtungsabsicht (Punkt 1) und der Absicht, über das gesamte Vermögen zu verfügen (Punkt 2) sowie Aussetzung von vier Pretiosenlegaten (Punkt 3 a bis d) im Punkt 4 folgende, für die vorliegende Entscheidung wesentliche Bestimmungen enthält: Der Testamentsvollstrecker solle alle übrigen - näher

aufgezählten - Vermögensobjekte der Erblasserin liquidieren und den Erlös verteilen a) an eine Anstalt, in welcher hilfsbedürftige alte Kranke gepflegt werden, oder an ein Krankenhaus für hilfsbedürftige Greise oder an ein Altersheim für Hilfsbedürftige - je nach Wahl und Gutdünken des Testamentsvollstreckers, welcher die entsprechende Anstalt, die sich in Israel befinden soll, laut seinen ausschließlichen Erwägungen auswählen soll; b) an den "Libby"-Fonds - Fonds für die Sicherheit Israels. Der Verteilungsschlüssel, laut welchem die entsprechenden Teile an jede der genannten Anstalten zufließen, soll vom Testamentsvollstrecker auf Grund der Bedürfnisse der ersteren (zu 4 a genannten) Anstalt bestimmt werden; allenfalls aber solle der Teil des "Libby" nicht weniger sein als ein Viertel des Reinerlöses ihrer vorgenannten Vermögensobjekte. Im Punkt 5 sind unter den vor Durchführung der Vermögensverteilung nach Punkt 4 noch auszuzahlenden und/oder bereitzustellenden Beträgen für die Deckung von Verbindlichkeiten, Kosten für Gedenktafeln etc. unter g) 100 Dollars für jede Person ausgesetzt, die behaupten und gesetzmäßig nachweisen werde, daß sie ohne dieses Testament ihr Erbe laut Gesetz gewesen wäre. Im Abhandlungsverfahren vor dem Erstgericht gaben sowohl der Libby-Fonds (auch "Libi-Fund") auf Grund des genannten Testamentes als auch der erbl. Cousin zweiten Grades Ernst Wolfgang L*** auf Grund des Gesetzes jeweils zum gesamten Nachlaß bedingte Erbserklärungen ab.

Das Erstgericht nahm u.a. die bedingte Erbserklärungen des Libi-Fund zum gesamten Nachlaß auf Grund des "Erbetestamentes" vom 2. Juni 1985 zu Gericht an (Beschluß Punkt 3) und wies dem erblasserischen Cousin Ernst Wolfgang L*** die Klägerrolle unter Setzung einer Klagefrist von sechs Wochen zu (Beschluß Punkt 5). Die letztwillige Verfügung der Erblasserin stelle im Sinne der Bestimmungen des für Österreich gültigen Haager Testamentsübereinkommens und der für den Errichtungsort (Israel) bestehenden Formvorschriften eine formgültige letztwillige Verfügung dar, auf die sich der Libi-Fund berufe.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die von Ernst Wolfgang L*** bekämpften Punkte 3 und 5 des erstgerichtlichen Beschlusses. Gemäß § 30 Abs 1 IPRG richte sich die Gültigkeit des Testamentes im vorliegenden Fall nach österreichischem Sachrecht; nach dem für Österreich anzuwendenden Haager Testamentsübereinkommen, BGBl. 1963/295, bestünden gegen die Testamentsform (allographes, von der Erblasserin und zwei Zeugen gefertigtes Testament) nach dem dafür wegen des Errichtungsortes maßgeblichen israelischen Recht (Art. 20 des Erbgesetzes von Israel) keine rechtlichen Bedenken. Auch wenn in diesem Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Libi-Fund enthalten sei, sei doch im Verfahren gemäß den §§ 122 bis 126 AußStrG nur zu prüfen, ob der Inhalt der letztwilligen Anordnung geeignet sei, einen Erbanspruch des Libi-Fund zu begründen. Eine Prüfung der materiellen Berechtigung des Erbansprechers habe nicht zu erfolgen, Zweifelsfragen, ob Testament oder Kodizill vorliege, seien im Rechtsweg (Erbrechtsstreit) zu klären. In der generellen Restzuweisung des vom Testamentsvollstrecker zu versilbernden Vermögens (auch) an den Libi-Fund im Punkt 4 b und c des Testamentes könne auch eine Erbeinsetzung liegen, zumal nach den Testamentsausführungen im generell zugewiesenen Restvermögen wertmäßig der Schwerpunkt des Nachlaßvermögens anzunehmen sei. Daß in Punkt 4 a des Testamentes die Benennung einer der vorgesehenen Anstalten und deren Dotierung dem Testamentsvollstrecker vorbehalten worden sei, führe noch nicht zur Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung des Libi-Funds, sondern stelle allenfalls eine Erbteilungsanordnung dar.

Rechtliche Beurteilung

Der von Ernst Wolfgang L*** gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da die letztwillige Anordnung zwar keine ausdrückliche Erbeinsetzung (im Sinne des § 553 ABGB) enthält, in ihr aber doch ausdrücklich über das gesamte Vermögen verfügt und sogar noch der Ausschluß der gesetzlichen Erbfolge durch Aussetzung eines verhältnismäßig geringfügigen Barlegates an nachweisliche gesetzliche Erben (Punkt 5 g des Testamentes) angedeutet wird, kann die Rechtstellung des im Punkt 4 b des Testamentes namentlich genannten und mit einer Barspende von mindestens einem Viertel des reinen Restnachlasses bedachten Libi-Funds - ungeachtet der derzeit noch unklaren Testamentsanordnung laut Punkt 4 a - so verstanden werden, daß eine Erbenstellung des Libi-Funds, zumindest mit einer Erbquote von einem Viertel des Nachlasses, nicht ausgeschlossen erscheint. Ist aber die äußere Form und Echtheit der letztwilligen Verfügung nicht umstritten und auch nicht ausgeschlossen, daß eine Erbeinsetzung des Libi-Funds vorliegt, kann der wahre Wille der Erblasserin im Zusammenhang mit der letztwilligen Zuwendung an den Libi-Fund nur auf dem Rechtsweg im Erbrechtsstreit erforscht werden, in welchem gemäß § 126 Abs 1 AußStrG der seine Erbansprüche aus der gesetzlichen Erbfolge ableitende Erbansprecher als Kläger aufzutreten hat (SZ 35/92; EvBl 1958/106; NZ 1984, 178; uva). In der vom Rekursgericht bestätigten Zuweisung der Klägerrolle im Erbrechtsstreit an den Revisionsrekurswerber kann daher keine Gesetzwidrigkeit erblickt werden. Andere Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG werden nicht vorgetragen.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E15359

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00645.88.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19881011_OGH0002_0010OB00645_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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