TE OGH 1988/10/12 14Os99/88

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Veröffentlicht am 12.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut S*** und einen anderen wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Helmut S*** und Heinz W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 1987, GZ 3 c Vr 13.557/84-130, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut S*** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung dieses Angeklagten im Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Punkt 1 a des Urteilssatzes) und wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (Punkt 1 b), ferner in dem den genannten Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*** im übrigen und die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinz W*** werden zurückgewiesen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte S*** auf die obige Entscheidung (Punkt I) verwiesen.

IV. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten W*** wird der Akt gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

V. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (im zweiten Rechtsgang) der am 5.Mai 1956 geborene Helmut S*** des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Punkt 1 a des Urteilssatzes), des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (Punkt 1 b) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (Punkt 3) sowie der am 15.Jänner 1942 geborene Heinz W*** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.

Darnach haben sie in Wien, und zwar

Helmut S***

(zu 1) am 24.November 1984 Sylvia S*** durch die wiederholte Drohung, sie müsse tun, was er von ihr verlange, sonst passiere etwas,

a)

zunächst zu einem Mundverkehr und

b)

sodann zum außerehelichen Beischlaf genötigt;

(zu 3) am 25.November 1984 Gerhard N*** durch Faustschläge und Fußtritte ins Gesicht vorsätzlich eine schwere Verletzung, nämlich eine Prellung des rechten Auges und dessen Umgebung, verbunden mit Rißquetschwunden und einem Bluterguß im Augenlid sowie einer Blutung in der Aderhaut im Bereich des Augenhintergrundes, zugefügt; Heinz W***

(zu 2) am 24.November 1984 Sylvia S*** durch einen Schlag mit einem Riemen oder Hosenträger, wodurch eine leichte Verletzung, nämlich Striemen am Gesäß, entstand, am Körper mißhandelt. Von der weiteren (gleichfalls) wegen Nötigung zur Unzucht (begangen an Sylvia S*** durch Vornahme eines Mundverkehrs) erhobenen Anklage wurde Heinz W*** gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig) freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen handelt es sich beim Angeklagten S*** um eine "sehr bullig wirkende Person mit einer deutlich rauhen Stimme und Sprechweise". Sein "massiv wirkendes Auftreten" genügte, daß Sylvia S*** am Nachmittag des 24. November 1984 im Cafe "G***" seinem in energischer Weise vorgetragenen und von der wiederholten Äußerung, sie müsse tun, was er verlange, sonst passiere etwas, begleiteten Wunsch nachkam, zunächst an seiner Seite an einem Tisch Platz zu nehmen und in der Folge mit ihm und dem Mitangeklagten Heinz W*** eine Taxifahrt zu einem - wie sie glaubte - anderen Gastlokal zu unternehmen. Sylvia S*** getraute sich angesichts des Verhaltens des Angeklagten S*** nicht zu widersprechen und war aus Angst bemüht, ein ihr "ungefährlich erscheinendes Klima zu erhalten". S*** hatte sich indes noch vor Bestellung des Taxis entschlossen, mit Sylvia S*** "geschlechtlichen Verkehr herbeizuführen", und hielt ihr gegenüber diesen Entschluß zunächst verborgen. Die Taxifahrt endete vor einem Stundenhotel, wo Sylvia S*** versuchte, sich der weiteren Gesellschaft der beiden Angeklagten zu entziehen, indem sie auf Anraten des Taxilenkers, den sie um Hilfe bat, zunächst im Taxi sitzen blieb. Der Angeklagte S*** zog Sylvia S*** jedoch aus dem Fahrzeug, wogegen sie keinen Widerstand leistete. Obwohl sie ahnte, daß die Fahrt ein "anderes Ziel" gehabt hatte als den Besuch eines weiteren Gastlokals, begab sich Sylvia S*** zusammen mit den beiden Angeklagten in den ersten Stock des Stundenhotels und konsumierte dort auf Bestellung eines der beiden Angeklagten eine geringe Menge alkoholischer Getränke sowie Wurstfleckerln, die ihr S*** gegen ihren Willen in den Mund geschoben hatte. Der Angeklagte S*** und Sylvia S*** begaben sich sodann in ein Zimmer, das die beiden Angeklagten in Verfolgung ihrer "sexuellen Absichten" gemietet hatten. Dort verlangte S*** von Sylvia S***, daß sie sich ausziehe und an ihm einen Mundverkehr vornehme. Sylvia S*** kam diesem Begehren nach. Während dieses Vorgangs kam der Angeklagte W*** ins Zimmer und versetzte Sylvia S*** zwar nicht mit dem Vorhaben, das kriminelle Vorgehen des Angeklagten S*** zu unterstützen, jedoch (bloß) mit dem Vorsatz, sie zu mißhandeln, mit den Worten: "Macht sie es eh gut ?" mittels eines riemenartigen Gegenstandes mehrere Hiebe auf das nackte Gesäß und veranlaßte sie, auch mit ihm einen Mundverkehr durchzuführen, wobei er der Meinung war, daß es ihr darauf nicht (mehr) ankäme.

Der Angeklagte S***, dem von Anfang an klar war, daß er Sylvia S*** nur durch seine "massive und bedrohliche Haltung dazu bringen konnte, die von ihr geforderte Unzuchtshandlung auszuführen, entschloß sich nun, bestärkt durch seinen "bisherigen kriminellen Erfolg" dazu, die hoffnungslose und unentrinnbare Lage der Sylvia S*** auch zur Durchführung eines Beischlafs auszunützen. Sylvia S*** leistete auch dagegen keinen Widerstand, weil sie durch die deutlich gewordene Übermacht der beiden Angeklagten von großer Angst erfüllt war, angesichts des Erscheinungsbildes des Angeklagten S*** begründeterweise mit Gewalt gegen sie rechnete und ihr bewußt war, daß sie in einem fremden Haus unter fremden und zur Hilfeleistung gewiß nicht bereiten Personen praktisch gefangen war und auf Hilfe von außen nicht hoffen konnte.

Sylvia S*** kehrte in der Folge per Taxi zum Cafe "G***" zurück, wo sie das Eintreffen ihres Ehemannes erwartete. Sie machte einen verweinten Eindruck und erzählte einer gewissen "Anni" (welche nicht ausgeforscht werden konnte), was ihr widerfahren war. Als im Cafe "G***", wo sich auch die beiden Angeklagten wieder eingefunden hatten, zu vorgerückter Stunde davon gesprochen wurde, daß Sylvia S*** zu Unzuchtshandlungen gezwungen worden sein soll, und die Angeklagten als Täter bezeichnet wurden, empörte sich der (am 28.April 1940 geborene) Transportarbeiter Gerhard N*** darüber und beschimpfte die Angeklagten. Hierauf erklärten sowohl N*** als auch der Angeklagte S***, sich zwecks Austragung eines Raufhandels vor das Lokal begeben zu wollen. Während der Angeklagte S*** zur Tür ging, folgte ihm N*** und versetzte ihm einen Schlag in den Rücken. S*** drehte sich um und schlug mit den Fäusten so heftig auf den erheblich alkoholisierten N*** ein, daß dieser benommen zu Boden stürzte, wo ihm S*** auch noch Fußtritte ins Gesicht versetzte. N*** erlitt hiedurch die eingangs beschriebene schwere Verletzung.

Die Schuldsprüche werden von beiden Angeklagten mit getrennt angeführten Nichtigkeitsbeschwerden angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***:

Dieser Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Berechtigung kommt der gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht (Punkt 1 a) und des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf (Punkt 1 b) unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen Begründung erhobenen Mängelrüge (Z 5) zu. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es zwar unentscheidend, ob es sich beim Opfer eines Sexualdelikts um eine "auch sonst sexuell sehr freizügige Person" handelt. Denn auch in einem solchen Fall ist eine strafgesetzwidrige Verletzung der Sexualfreiheit einer Frau möglich. Alle Beweiserhebungen, Feststellungen und Erörterungen in der Urteilsbegründung sowie schließlich auch die Beschwerdeeinwände, die sich mit der Frage des sexuellen Leumundes der Zeugin Sylvia S*** im allgemeinen befassen, gehen daher ins Leere. In subjektiver Hinsicht setzen die hier in Rede stehenden Delikte voraus, daß der Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters darauf gerichtet ist, den einen Beischlaf oder einer Unzuchtshandlung entgegenstehenden Willen des Opfers mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu beugen und zu erreichen, daß es letztlich, ohne geradezu wehr- oder bewußtlos zu sein, als Folge der Gewalttätigkeit oder Drohung in den außerehelichen Beischlaf bzw. in die Unzuchtshandlung einwilligt. Erwartet der Täter hingegen, daß das Opfer sich letzten Endes freiwillig hingeben werde, ist er straflos. Er muß sich also der Ernsthaftigkeit des widerstrebenden Willens des Opfers bewußt sein (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 202 RN 10, § 201 RN 12; Pallin im WK § 202 Rz 12, § 204 Rz 4 ua). Unter dem Gesichtspunkt der vom Angeklagten S*** angestrebten Beugung eines entgegenstehenden Willens des Opfers ist vorliegend, zumal das Schöffengericht - wie schon im ersten Rechtsgang - die im Cafe "G***" wiederholt ausgesprochene Äußerung gleichsam als einleitendes Tatmittel wertete, auch schon das Verhalten der Sylvia S*** in dem genannten Kaffeehaus von Bedeutung. Bereits in der zur Urteilsaufhebung (im ersten Rechtsgang) führenden Entscheidung vom 12. Feber 1986, GZ 9 Os 12/86-6 (= ON 79 des Vr-Aktes) wurde im gegebenen Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer Erörterung der Bekundungen der (auch im nunmehr angefochtenen Urteil für glaubwürdig befundenen - vgl. US 20) Zeugin Margit S***, wonach Sylvia S*** die beiden Angeklagten im Kaffeehaus "irgendwie animiert" habe (vgl. S 343/I), ausdrücklich hingewiesen (S 457/I). Die Zeugin S*** hat ihre Aussage im zweiten Rechtsgang wiederholt und dahin verdeutlicht, daß sie "die ganze Art (S***, die das Lokal damals wegen eines unmittelbar vorangegangenen Streits mit ihrem Ehegatten aufgesucht hatte) an diesem Tag irgendwie "aufreizend ... schon in Richtung Animation" empfunden habe (S 207/II). Bei einer derartigen Fallgestaltung kann aber eine Erwartung des Täters, die Frau würde letztlich in die sexuellen Handlungen einwilligen oder ihr Widerstand wäre nicht ernsthaft, sondern nur gespielt oder eine Laune, nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer das Übergehen der bezüglichen Aussage der Zeugin S*** als Unvollständigkeit der Begründung der Feststellung zur subjektiven Tatseite, wonach ihm von Anfang an klar gewesen ist, daß "nur seine massive und bedrohliche Haltung Sylvia S*** dazu bringen konnte, die von ihr geforderten Unzuchtshandlungen auszuführen" (US 13).

Der vom Beschwerdeführer insoweit zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel des Urteils (Z 5) betrifft demnach eine entscheidende Tatsache im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Im aufgezeigten Umfang war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch (Punkt I) zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des weiteren darauf bezogenen Beschwerdevorbringens bedarf. Der Vollständigkeit halber sei jedoch im gegebenen Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der (bisherigen) Urteilsfeststellung eines "vehementen und massiven" Verhaltens des Angeklagten S*** eine Substantiierung in tatsächlicher Hinsicht, wie sie für die Beurteilung des Bedeutungsinhaltes eines Verhaltens im Sinn einer gefährlichen Drohung (§ 74 Z 5 StGB) erforderlich wäre, mangelt. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Drohung unter dem Aspekt der Willensbeugung wäre zudem der zeitliche Abstand der wiederholten mündlichen Drohung zu Beginn der Unzuchtshandlungen (vgl. die Aussagen der Zeugin S*** Seite 34/I und in der Hauptverhandlung Seite 327/I, 163-167, 169, 174/II) festzustellen.

Des weiteren bedarf - worauf gleichfalls bereits in der (Aufhebungs-)Entscheidung vom 12.Feber 1986 (S 466/I) hingewiesen wurde - die für die rechtliche Annahme einer Realkonkurrenz der Delikte der Nötigung zur Unzucht und der Nötigung zum Beischlaf vorausgesetzte Feststellung gesonderter Tatentschlüsse (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 202 RN 20) einer Begründung. Sie fehlt im vorliegenden Urteil, dessen Annahme über einen gesonderten Entschluß zum Beischlaf (US 13) im Widerspruch zur Festsellung steht, wonach der Angeklagte S*** schon im Cafe "G***" von vornherein den Entschluß gefaßt hatte, "geschlechtlichen Verkehr" mit Sylvia S*** herbeizuführen (US 8), worunter nach dem allgemeinen Sprachgebrauch doch wohl die Vornahme eines Beischlafs zu verstehen ist. Im übrigen jedoch kommt der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung (Punkt 3 des Urteilssatzes) wendet, keine Berechtigung zu. Entgegen den bezüglichen Ausführungen in der Mängelrüge (Z 5) findet die Urteilsfeststellung, wonach der Beschwerdeführer den Gerhard N*** durch heftige Fausthiebe zu Boden schlug und ihm dort auch noch Fußtritte versetze (US 25), in der Aussage des Zeugen N*** eine ausreichende Stütze (S 27, 336 ff/I, 20 ff/II). Die daraus gezogene Schlußfolgerung auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Mißhandlungen und der Verletzung entspricht den Denkgesetzen, ist lebensnah und steht im Einklang mit dem medizinischen Sachverständigengutachten (ON 40, S 249/I). Im übrigen ist es der Beschwerde zuwider nicht entscheidend, ob die Verletzung nur durch die Faustschläge oder auch durch Fußtritte verursacht wurde. Die darauf bezogenen Beschwerdeeinwendungen gehen deshalb fehl. Auch die als undeutlich gerügte weitere Begründung des Ersturteils, es werde als wahrscheinlich angesehen, daß entweder der Angeklagte S*** selbst oder ein vom selben Vorsatz, Gerhard N*** "zumindest mit Verletzungsfolgen niederzuschlagen" geleiteter Mittäter gegen diesen mit einem Stock oder Besenstiel vorgegangen sei (US 26, 30), betrifft keinen entscheidenden Umstand. Denn bei der alternativ angenommenen Sachverhaltsvariante sind dem Beschwerdeführer angesichts des aus dem objektiven Sachverhalt mängelfrei abgeleiteten gemeinsamen Verletzungsvorsatzes die Tatfolgen ebenfalls (zur Gänze) zuzurechnen.

Die behaupteten Begründungsmängel liegen demnach in Wahrheit nicht vor. Desgleichen vermochte auch eine sorgfältige Prüfung der (gemeinsam mit der Mängelrüge ausgeführten) Tatsachenrüge des Beschwerdeführers (Z 5 a) keine aus den Akten resultierenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Schöffengericht dem bezüglichen Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Beschwerdeführer den Rechtfertigungsgrund der Notwehr mit dem Hinweis reklamiert, er habe, nachdem ihm N*** einen Schlag gegen den Rücken versetzt hatte, lediglich zurückgeschlagen. Denn die Beschwerde setzt sich dabei über jene das Vorliegen einer Notwehrsituation negierenden Urteilsfeststellungen (vgl. insbesondere US 29) hinweg, wonach der Beschwerdeführer, der vorweg sein Einverständnis zur Austragung eines Raufhandels erklärt hatte, Gerhard N***, vor dem er "keine Angst" hatte (US 26), nachdem er von diesem einen Schlag gegen den Rücken erhalten hatte, sofort unter Ausnützung seiner Übermacht mit den Fäusten niederschlug und gegen den benommen am Boden liegenden N*** auch noch mit Fußtritten vorging (US 25). Die Beschwerde vergleicht solcherart nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Ausführung des angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, den im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz.

Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Angeklagte eine Tatbeurteilung (bloß) als Raufhandel nach § 91 StGB reklamiert. Denn die Beschwerde übergeht auch dabei jene, die Unterstellung der Tat unter den Gefährdungstatbestand des § 91 StGB ausschließenden Urteilskonstatierungen, wonach ein an der Tat (allenfalls) beteiligter Mittäter jedenfalls von demselben Verletzungsvorsatz wie der Beschwerdeführer geleitet war (US 26, 30). In Ansehung dieser Belange war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß §§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO (gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung) sofort zurückzuweisen.

Mit seiner durch die Teilaufhebung des Urteils gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte S*** auf die getroffene Entscheidung (Punkt I) zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***:

Der Beschwerdeführer bekämpft den (ihn betreffenden) Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (Punkt 2) mit einer auf die Z 5 und 5 a gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Die in der Mängelrüge (Z 5) aufgestellte Behauptung, die Zeugin Sylvia S*** habe sowohl vor der Polizei als auch vor dem Untersuchungsrichter jeweils von nur einem Schlag gesprochen, ist selbst aktenwidrig (vgl. insbesondere S 35, 91/I).

Die Feststellung eines Riemens oder Hosenträgers bzw. eines riemenartigen Gegenstandes als Tatwerkzeug ist durch die vom Erstgericht gemäß § 258 Abs 2 StPO für glaubwürdig befundene Aussage der Zeugin Sylvia S*** (vgl. US 12 iVm S 170/II, 330/I) gedeckt und steht im Einklang mit den Wahrnehmungen der Kriminalbeamtin Susanne M*** über die am 29.November 1984 am Gesäß S*** sichtbar gewesenen "einigen roten Striemen" (S 37/I); diese wurden auch vom Zeugen Erich S***, dem Ehemann der Sylvia S***, auf dessen Aussage sich das Ersturteil ebenfalls stützt, wahrgenommen (S 259/II). Der Gegensatz zwischen den Angaben der Eheleute S*** einerseits und der Kriminalbeamtin andererseits über die Farbe der Verletzungsspuren sowie die Aussage der Zeugin Sylvia S***, wonach sich die Verletzung "schon weiter oben am Kreuz heroben" befunden habe, die sie beim Anlehnen und nicht beim Sitzen geschmerzt habe (S 170/II), bedurfte im Sinne einer gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe keiner gesonderten Erörterung im Urteil, weil sich diese Angaben jedenfalls auf ein und dieselbe Verletzung beziehen und keinerlei Anhaltspunkte für deren Verwechslung mit einer anderen Verletzung in der Höhe des betreffenden Körperbereiches bestehen. Hinsichtlich des nicht mehr aufzuklärenden Widerspruchs mit dem polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 30. November 1984 (S 39/I), dem Reste von länglichen Abschürfungen und gelbgrünen Verfärbungen an der linken "Gesichtshälfte" zu entnehmen sind, kam das Schöffengericht zum Ergebnis, daß es sich dabei offensichtlich um einen Schreib-, Diktat- oder Hörfehler handle, maß diesem Umstand jedoch angesichts der zuvor dargelegten Erwägungen keine entscheidungswesentliche Bedeutung bei (US 12 f). Daß der Zeugin Sylvia S*** vom Angeklagten W*** mehrere Schläge versetzt wurden, leitete das Erstgericht aus der Art der Verletzung und den für unbedenklich erachteten Angaben der Zeugin Sylvia S*** ab (US 11 ff), die zwar vor der Polizei angab, sie habe von "Helmut" (zunächst) einen festen Schlag auf das Gesäß bekommen (S 35/I), deren Täterbezeichnung sich jedoch (richtigerweise) auf den Angeklagten W*** bezog, der ihr, wie sich schon aus der unmittelbar folgenden Protokollierung über einen weiteren der Sylvia S*** offensichtlich vom Angeklagten W*** versetzten derartigen Schlag und aus der ergänzenden - den Urteilsfeststellungen ersichtlich gleichfalls zugrunde gelegten - Aufklärung durch die Zeugin S*** in der Hauptverhandlung (S 192/II) im Zusammenhalt damit ergibt, daß die in den späteren Vernehmungen erfolgte Berichtigung der in der polizeilichen Niederschrift enthaltenen Darstellung der Zeugin über die Reihenfolge der einzelnen Sexualhandlungen mit den eigenen Angaben der beiden Angeklagten übereinstimmt (vgl. insbesondere S 317 f, 322, 333/I, S 7, 15, 169 ff/II). Eine nähere Erörterung dieser Umstände in den Urteilsgründen war demnach gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO entbehrlich.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist schließlich auch die Urteilsfeststellung eines Handelns mit Mißhandlungsvorsatz mängelfrei begründet, den das Schöffengericht im Einklang mit den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung aus der für das Opfer schmerzhaften Wucht der vom körperlich kräftigen Angeklagten geführten Schläge abgeleitet hat (US 11, 12 iVm S 170/II, S 327, 330/I). Das Motiv für die Mißhandlung aber ist - was die Beschwerde verkennt - nicht entscheidend.

Mit den auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Einwänden zeigt die Beschwerde keine konkreten aktenkundigen Umstände auf, aus welchen sich für den Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Der Beschwerdeführer übersieht zudem, daß der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus dem zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund entzogen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen; demzufolge ist zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten W*** der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig (§ 285 i StPO nF). Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E15624

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00099.88.1012.000

Dokumentnummer

JJT_19881012_OGH0002_0140OS00099_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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