Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Hubert N*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 20. April 1988, GZ 10 c Vr 147/86-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schuppich, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 68-jährige (nunmehrige) Pensionist Ing. Hubert N*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Fels am Wagram und anderen Orten zumindest in der Zeit von 1978 bis 1.Oktober 1982 als Bundeskellereiinspektor mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Durchführung von Kontrollen und Probenziehungen in weinerzeugenden Betrieben zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er diese Amtsgeschäfte nicht ordnungsgemäß vornahm und die Firmenleitung der Firma B*** G*** OHG zumindest von einer Kontrolle, welche im Beisein anderer Kellereiinspektoren vorgenommen wurde, verständigte.
Vom weiteren Anklagevorwurf, in Tateinheit damit (auch) das Verbrechen des schweren Betruges (als Beteiligter) nach §§ 12, dritter Fall, 146, 147 Abs. 3 StGB begangen zu haben, erging ein (im Gesetz allerdings nicht vorgesehener: vgl. Foregger-Serini, StPO3, Erläuterungen IV zu § 259 sowie Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 61 zu § 259) Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer
zunächst - der Sache nach - eine Undeutlichkeit des Urteils geltend, weil das Erstgericht nicht erläutere, worin die "Großzügigkeit" des Angeklagten bei seiner Kontrolltätigkeit im Unternehmen B*** G*** OHG bestanden habe. Dies zu Unrecht. Denn die Urteilsgründe bringen in ihrer Gesamtheit unzweifelhaft zum Ausdruck, daß damit weder eine konziliante, aber gesetzmäßige Ausübung der Weinaufsicht, noch unbedingt ein absichtliches Hinwegsehen über einzelne ganz konkrete Anlässe zum Einschreiten gemeint ist, sondern ein genereller Vorausverzicht auf gezielte Maßnahmen zur Aufdeckung sowie Beanstandung von Verstößen gegen das Weingesetz, welcher sich in der Beschränkung auf Probenentnahmen allein bei solchen Weinen, die einer analytischen Untersuchung standhalten konnten, ebenso dokumentierte wie in der Mitteilung des Angeklagten an den Betriebsleiter Dipl.Ing. N***, von der Inspektionstätigkeit sei nichts zu befürchten (US 6 und 7). Dieses eindeutige Begriffsverständnis vom Wesen der "großzügigen" Kontrolle wird dadurch unterstrichen, daß das Erstgericht auch die durch die Warnung des Richard G*** und die Beratung des Dipl.Ing. N*** bewirkte absichtliche Beeinträchtigung des Zwecks einer überraschend angeordneten behördlichen Nachschau im Betrieb der B*** G*** OHG - aus welchem damals auf Grund dieser Wahrung noch vor der Kontrolle eine große Menge bei der Weinproduktion verbotener Behandlungsmittel entfernt wurde - als Gipfel der "Großzügigkeit" des Angeklagten bezeichnete (US 13 f).
Rechtliche Beurteilung
Die in Rede stehende Feststellung über den wahren Charakter der Kontrollmaßnahmen des Angeklagten wurde aber auch - der weiteren Mängelrüge zuwider - formal mängelfrei und im Einklang mit den herangezogenen Verfahrensergebnissen begründet:
Der Zeuge Dipl.Ing. N*** schilderte, daß ihm schon bald nach Beginn seiner Tätigkeit für die B*** G*** OHG von Richard G*** mitgeteilt worden sei, der Bundeskellereiinspektor - nämlich der Angeklagte - bekomme monatlich Geld und es sei von ihm nichts zu befürchten (S 421 ff/Bd. I). Übereinstimmend damit habe der Angeklagte sinngemäß geäußert, Dipl.Ing. N*** könne im Betrieb machen, was er wolle, jedoch sollten die ausgelieferten Produkte anderortigen Überprüfungen standhalten, weil er bei solchen (von außen kommenden) Beanstandungen nicht helfen könne. Im November 1981 habe er einmal über Aufforderung des Richard G*** den Angeklagten getroffen, um Verheimlichungsmaßnahmen zu besprechen, weil eine Revision des Betriebes durch mehrere Inspektoren bevorstand (S 129, 137, 338 ff, 424 ff/Bd. I). Richard G*** berief sich als Zeuge auf im Urteil zitierte frühere Angaben, wonach er vor der unter Beteiligung mehrerer Inspektoren durchgeführten Nachschau am 21. November 1981 vom Angeklagten über die bevorstehende Maßnahme informiert worden sei und im übrigen an den Angeklagten monatlich Geldleistungen erbracht habe, damit dieser "bei den Kontrollen nicht so streng" sei (US 10; S 432/Bd. I). Aus diesen Aussagen konnte das Schöffengericht beweiswürdigend (§ 258 Abs. 2 StPO) denkrichtig und lebensnah folgern, daß der Angeklagte gegenüber der B*** G*** OHG seine Amtspflicht als Bundeskellereiinspektor mit dem Willen handhabte, die wie immer gearteten Produktionsvorgänge nicht zu beeinflussen und den Betrieb vor behördlichem Einschreiten wegen Verletzungen des Weingesetzes zu bewahren, wobei Motiv für diese Haltung periodische Geldgeschenke des Richard G*** waren. Die Rüge, das Urteil enthalte weder für die konstatierte "großzügige" Amtsausübung im dargelegten Sinn, noch für die als erwiesen angenommene Wirkung der erhaltenen Zahlungen als Bestechungsgeschenke eine zureichende, in den Verfahrensergebnissen gedeckte Begründung, geht somit fehl.
Ebensowenig zielführend sind die Versuche der Beschwerde, aus Angaben des Richard G*** und des Dipl.Ing. N*** eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe abzuleiten:
Der Zeuge Richard G*** gab vor dem erkennenden Gericht über den Beweggrund seiner Geldleistungen an den Angeklagten in unmittelbarer Aufeinanderfolge unterschiedliche Erklärungen ab. Die erste dieser Darstellungen, jene Zahlungen seien für "ordnungsgemäße" Untersuchungen gewesen, wurde von Richard G*** - der sich zu Ungereimtheiten in seiner Aussage auf Vergeßlichkeit und Depressionen berief - ohnehin nicht aufrecht erhalten, weshalb das Erstgericht im Rahmen der gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) auf diese Passage nicht gesondert eingehen mußte, sondern ohne weitere Erläuterung unter Rückgriff auf die schon erwähnten Angaben der in der Hauptverhandlung ebenfalls vorgebrachten Version folgen durfte, das Geld sei "für die Kontrolle" gewesen, damit der Angeklagte "still hielt" (S 437/Bd. I). Bei der weiteren Rüge, mit welcher der Beschwerdeführer auf die selbe Art ein einzelnes Aussageelement herausgreift und in einer isoliert betrachteten Antwort des Zeugen Richard G*** die erörterungsbedürftige Bestätigung einer korrekten Inspektionstätigkeit zu erblicken vermeint, werden Tragweite der betreffenden Fragestellung und Sinnzusammenhang der Äußerung übersehen. Der Zeuge bestätigte nicht, daß vom Angeklagten keinerlei durchführbare Kontrollmaßnahmen unterlassen wurden, sondern verneinte bloß eine Erinnerung an das Unterbleiben einer solchen Maßnahme, nachdem er schon zuvor klargestellt hatte, "fast nie" eigene Wahrnehmungen über das Einschreiten des Angeklagten gemacht zu haben (S 439, 441/Bd. I).
Die schließlich ins Treffen geführte Bekundung des Zeugen Dipl.Ing. N***, gerade im Zeitpunkt von Probenziehungen durch den Bundeskellereiinspektor ohnehin nur "herzeigbare" Produkte im Keller gehabt zu haben, ist mit der angenommenen vorgefaßten Haltung des Angeklagten, Aufsichtsmaßnahmen mit möglichen nachteiligen Auswirkungen für die B*** G*** OHG zu vermeiden, durchaus vereinbar und bedurfte demgemäß keiner urteilsmäßigen Erörterung. Eine Schlußfolgerung, wonach die Vernachlässigung der Weinaufsicht durch den Angeklagten zufolge des Umstandes erwiesen sei, daß er die bei der B*** G*** OHG übliche Verwendung verbotener Weinzusätze sowie die im großen Umfang betriebene Herstellung nachgemachten Weins nicht aufgedeckt habe, enthält das angefochtene Urteil gar nicht, weshalb der mit dem Hinweis auf Verfahrensergebnisse über die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit diesbezüglicher Wahrnehmungen erhobene - in den Rechtsrügen wiederholte - Vorwurf unzulänglicher Entscheidungsbegründung ins Leere geht. Gleiches gilt für die Bekämpfung des im Ersturteil weder ausdrücklich, noch als stillschweigend angenommene Prämisse enthaltenen Ausspruchs, daß eine allfällige Probenentnahme durch den Angeklagten bei anderen als den tatsächlich überprüften Weinen zur Aufdeckung von Verstößen gegen das Weingesetz geführt hätte. All jenen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Reklamationen des Beschwerdeführers, wonach er keine Möglichkeit einer Aufdeckung der konkreten gesetzwidrigen Manipulationen in diesem Betrieb gehabt haben will, ist zu erwidern, daß damit die keineswegs wegen unterbliebener Beanstandungen, sondern auf anderer Beweisgrundlage festgestellte Hintansetzung seiner Überwachungstätigkeit nicht in Frage gestellt und im übrigen auch in rechtlicher Hinsicht kein entscheidungswesentlicher Umstand bezeichnet wird. Auf den letztgenannten Aspekt wird bei Behandlung der Rechtsrügen zurückzukommen sein.
Aber auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) versagt. Zum einen wendet sie sich gegen den einer Anfechtung entzogenen (vgl. EvBl. 1988/109) kritisch-psychologischen Vorgang der Überzeugungsbildung der Tatrichter vom Maß der Glaubwürdigkeit vernommener Zeugen. Zum anderen sind die Beschwerdeausführungen nicht geeignet, aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die Behauptung, der Zeuge Dipl.Ing. N*** oder einer der anderen in diesem Zusammenhang genannten Zeugen habe bestätigt, daß es dem Beschwerdeführer "trotz seiner umfangreichen Kontrollen" nicht möglich war, die unzulässigen Weinmanipulationen aufzudecken, findet in den Akten keine Deckung. Von Dipl.Ing. N*** wurde vielmehr keinerlei signifikante Kontrolltätigkeit geschildert, sondern (nur) die Meinung geäußert, daß die Aktivitäten des Angeklagten so unauffällig und harmlos gewesen seien wie die aller Bundeskellereiinspektoren bei Überprüfungen von Großbetrieben. Zu den Chancen einer Entdeckung der verschiedenen verbotenen Vorgänge bei der Weinproduktion meinte der Zeuge, der Keller sei gegenüber durchschnittlichen Kontrollen sicher gewesen, jedoch schloß er insgesamt mit einigen von der Beschwerde negierten Äußerungen einen diesbezüglichen Überprüfungserfolg des Bundeskellereiinspektors - allenfalls unter Mitwirkung eines Zufalls - nicht völlig aus (S 426 und 428/Bd. I). Ebensowenig entspricht es dem Akteninhalt, daß der Zeuge Richard G*** in der Hauptverhandlung eine Information des Dipl.Ing. N*** über die Geldleistungen an den Angeklagten und über den Empfang der telefonischen Warnung vor einer Kontrolle im Jahre 1981 "entschieden in Abrede gestellt" habe; denn der Zeuge berief sich auf fehlende Erinnerung. Ob schließlich die ursprüngliche Mitteilung des Dipl.Ing. N***, er sei damals im Jahre 1981 vom Angeklagten telefonisch gewarnt worden, eine verkürzende Zusammenfassung eines Telefonats des Angeklagten mit Richard G*** war oder ob Dipl.Ing. N*** bei dieser Befragung durch Gendarmeriebeamte im Gegensatz zu späteren Schilderungen tatsächlich ausdrücken wollte, jenes Telefonat persönlich entgegengenommen zu haben, kann dahingestellt bleiben, weil auch eine echte Divergenz hinsichtlich dieser Nebensächlichkeit noch kein Indiz dafür wäre, daß die das wesentliche Tatverhalten des Angeklagten betreffenden, später von Richard G*** bestätigten Angaben über den Vorfall unrichtig sind. Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und Z 10) schließlich sind, soweit sie davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer bei der Firma B*** G*** OHG ohnehin ordnungsgemäße Überwachungsmaßnahmen gesetzt habe, nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie nicht am (gegenteiligen) Urteilssachverhalt festhalten. Im übrigen kommt ihnen keine Berechtigung zu:
Nach der im Tatzeitraum geltenden Rechtslage, die sich in den hier wesentlichen Punkten von der derzeitigen Regelung nicht wesentlich unterschied, waren die Bundeskellereiinspektoren zur Überwachung des Verkehrs mit Wein und anderen im Gesetz bezeichneten Produkten berufen. Sie hatten in Erfüllung ihrer Aufgaben in dem ihnen zugewiesenen Weinaufsichtsgebiet entsprechend der Notwendigkeit insbesondere durch Nachschau in Presshäusern, Kellern sowie Lagerräumen durch Einholung und Verwertung von Auskünften, durch Einsichtnahme in Urkunden, durch Vornahme von Kostproben und durch Veranlassung analytischer Probenuntersuchungen die Einhaltung der Normen des Weingesetzes zu kontrollieren und solcherart gesetzwidrigen Vorgangsweisen vorzubeugen (Ausübung der Weinaufsicht im Sinne der §§ 25 ff WeinG 1961). Ein Bundeskellereiinspektor, der trotz dieser Amtspflichten den Verantwortlichen eines von ihm zu überwachenden Betriebes zu verstehen gibt, die kellermäßige Bearbeitung des Weins nicht ernsthaft überprüfen und aus allfälligen wahrgenommenen Verstößen keine Konsequenzen ableiten zu wollen, schafft im unvereinbaren Widerstreit zu seinen Obliegenheiten für den betreffenden Kontrollbereich eine Gelegenheit für unentdeckt bleibende Gesetzesverletzungen und mißbraucht solcherart seine Amtsbefugnis. Dies gilt auch für die auf gleicher Ebene liegende Warnung der für den Betrieb Verantwortlichen vor einer bevorstehenden behördlichen Nachschau im Unternehmen, weil auf diese Weise der Zweck der Maßnahme vereitelt wird.
Das Verhalten des Angeklagten wurde daher mit Recht als Mißbrauch seiner amtlichen Befugnis beurteilt. Die Pflicht des Angeklagten zur Kontrolltätigkeit bestand unabhängig davon, daß er von den Weinnachmachungen im Betrieb der B*** G*** OHG keine Kenntnis hatte, weshalb die Bezugnahme auf diese Urteilskonstatierung versagt. Hiezu sei der Beschwerdeführer bloß am Rande darauf hingewiesen, daß er nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen zwar nicht von diesen Weinnachmachungen, wohl aber vom Gebrauch verbotener Weinzusätze in diesem Unternehmen wußte (US 8) und schon deshalb im Zuge seiner gesetzlichen Obliegenheiten einen Anlaß zu besonders nachhaltiger und kritischer Vollziehung der Überwachung gehabt hätte.
Die Mißbrauchshandlungen des Angeklagten waren aber auch auf eine Rechtsschädigung im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB gerichtet. Zu den von dieser Strafbestimmung geschützten Rechten zählen nämlich auch konkrete öffentliche Ansprüche. An einem solchen schädigt, wer eine konkrete (staatliche) Maßnahme vereitelt, wodurch die Erfüllung des bestimmten Zweckes hintangehalten werden soll, den der Staat (eine Gebietskörperschaft) mit der entsprechenden Vorschrift erreichen will, wobei es gleichgültig ist, ob diese Vorschrift einen Parteienanspruch oder eine sonstige in der Rechtsordnung festgelegte staatliche Vorgangsweise betrifft (siehe hiezu Leukauf-Steininger, Komm.2 § 302 RN 32). Der staatliche Anspruch auf Vornahme effizienter betrieblicher Kontrollen durch den Bundeskellereiinspektor entspricht den Kriterien eines derartigen konkreten Rechtes.
Die im Rahmen der vom Bundeskellereiinspektor ausgeübten Weinaufsicht aufgedeckten Verstöße gegen das Weingesetz in weinerzeugenden Betrieben ziehen im Regelfall strafbehördliche Untersuchungen und Ahndungen oder auch die Beschlagnahme und den Verfall von Produkten nach sich, jedoch liegt der Hauptzweck der Überwachungsmaßnahmen nicht im Bereich des Sanktionswesens, sondern auf dem Gebiet der Prävention. Schon die Organisation der staatlichen Weinaufsicht als eine territorial gegliederte, auf Dauer eingerichtete sachkundige Überwachungstätigkeit zeigt, daß ihre Zweckbestimmung sich nicht in einer qualifizierten Nachforschungstätigkeit zwecks Durchsetzung staatlicher Straf- oder Konfiskationsansprüche erschöpft, sondern daß die periodischen Kontrollmaßnahmen des Bundeskellereiinspektors von vornherein die Möglichkeit einer Aufdeckung gesetzwidriger Zustände oder Vorgänge bei der Weinproduktion schaffen und solcherart Tendenzen zur Gesetzesverletzung bei der Erzeugung von und dem Handel mit Wein entgegenwirken sollen. Diese zentrale Zielvorstellung der gesetzlich angeordneten Überwachung wurde vom Angeklagten zunächst dadurch verletzt, daß er im Einvernehmen mit Richard G*** und Dipl.Ing. N*** im Kellereibetrieb der B*** G*** OHG eine kritische Suche nach Gesetzesverletzungen unterließ und in Ansehung dieses Unternehmens die Gefahr einer unter normalen Umständen durch Kontrolltätigkeit abstellbaren gesetzwidrigen Vorgangsweise eröffnete. Ferner vereitelte er durch Warnung vor einer Nachschau im November 1981 den gesetzlichen Zweck dieses Vorganges, jene üblichen Betriebsbedingungen festzustellen und auf ihre Vorschriftsmäßigkeit zu kontrollieren, die bei überraschenden behördlichen Überprüfungen anzutreffen sind. Daraus folgt aber die Schädigungseignung des konstatierten Verhaltens des Angeklagten zum Nachteil des konkreten staatlichen Rechts auf Überwachung der Weinproduktion im Betrieb der B*** G*** OHG durch den Bundeskellereiinspektor, ohne daß es dabei auf weitere Konsequenzen der bezüglichen Handlungen und Unterlassungen ankommen kann. Insbesondere erübrigt sich die zusätzliche Klärung der hypothetischen Frage, ob eine pflichtgemäße Tätigkeit des Angeklagten zu Beanstandungen nach dem Weingesetz geführt hätte, weil eben schon der Entfall der Überwachung sich auf den Verkehr mit Wein nachteilig auswirken kann und solche Beeinträchtigungen des materiellen Zwecks einer Überprüfung eine Rechtsschädigung darstellen (siehe SSt. 49/65). Aus dieser Sicht ist es auch unerheblich, inwieweit eine korrekte Amtstätigkeit des Angeklagten gerade die in einem späteren Strafverfahren festgestellten Gesetzesverletzungen anläßlich der Weinproduktion durch die B*** G*** OHG verhindert oder aufgedeckt hätte und mit welcher Wahrscheinlichkeit sowie in welchem Ausmaß sich hiefür Möglichkeiten geboten hätten.
In subjektiver Beziehung ist für den Mißbrauch der Amtsgewalt erforderlich, daß der Befugnismißbrauch wissentlich erfolgt, wogegen die angestrebte Schädigung eines Rechtes zumindest vom bedingten Vorsatz des Täters erfaßt sein muß. Von diesen Voraussetzungen ist das Erstgericht dem Beschwerdevorbringen zuwider ohnehin ausgegangen, weshalb alle diesbezüglichen Einwendungen unbegründet sind. Für die Wissentlichkeit des Mißbrauches der Befugnis eines Beamten, Amtsgeschäfte vorzunehmen, ist nämlich allein entscheidend, daß der Täter Inhalt und Umfang der verletzten amtlichen Verpflichtung kennt und weiß, daß er im Gegensatz zu diesen Obliegenheiten handelt. Auf sonstige außertatbestandsmäßige Modalitäten muß sich das Wissen des Täters nicht erstrecken, weshalb es für die Subsumtion unerheblich ist, ob der Angeklagte die Bestechungswidmung der von Richard G*** erhaltenen Geldgeschenke für gewiß gehalten hat. Da dem Urteilssachverhalt zufolge mit dem mißbräuchlichen Verhalten des Angeklagten auch dessen Wille verbunden war, den Zweck der gesetzlich gebotenen Kontrollmaßnahmen zu vereiteln, ging das Erstgericht zutreffend von einem Tätervorsatz aus, das konkrete staatliche Recht auf ordnungsgemäße Überwachung des Betriebes der B*** G*** OHG zu schädigen.
Weshalb die vom Angeklagten ausgesprochene Warnung vor der Nachschau durch mehrere Inspektoren im November 1981 nur dann ein Mißbrauch amtlicher Befugnisse gewesen sein soll, wenn der Täter dadurch beabsichtigt hätte, sein bisheriges Fehlverhalten bei der Kontrolltätigkeit zu vertuschen, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht näher dargelegt, womit dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist. Im übrigen läßt der Beschwerdeführer bei seinen Einwendungen gegen die Subsumtion dieser Tathandlung - welche er unter Umständen als seiner Ansicht nach von der Anklage nicht umfaßte Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB beurteilt wissen will - einen Teil des Urteilssachverhaltes unberücksichtigt, beschränkte er sich doch darnach nicht auf einen warnenden Telefonanruf, sondern traf wegen der bevorstehenden Überwachungsmaßnahme mit Dipl.Ing. N*** zusammen und wirkte auf die Entfernung aller verbotenen Weinbehandlungsmittel aus dem Keller hin, womit er dafür sorgte, daß die für den Betrieb Verantwortlichen von der Kontrollmaßnahme nicht überrascht wurden und Hinweise auf Gesetzesverstöße - darunter eine schon an sich untersagte Aufbewahrung bestimmter Stoffe im Keller (§ 36 WeinG 1961) - weitgehend beseitigen konnten. Bei dieser Sachlage bedurfte es neben dem Ausspruch, daß der Angeklagte die Aufdeckung von Mißständen in diesem Unternehmen zu verhindern trachtete, keiner näheren Konkretisierung der tätergewollten Beeinträchtigung des Nachschauzwecks, um den Schädigungsvorsatz beurteilen zu können. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem solcherart klar konstatierten Bestreben des Angeklagten, die Wahrnehmung von Gesetzesverstößen zu verhindern, daß die mißbräuchliche Warnung vom Schädigungsvorsatz zum Nachteil des konkreten staatlichen Überwachungsrechtes getragen war. Damit erfüllte der vom Angeklagten hier begangene Bruch des Amtsgeheimnisses alle Tatbestandsmerkmale des Mißbrauchs der Amtsgewalt, weshalb die Strafbestimmung des § 310 StGB kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel keine Anwendung finden könnte.
Was letztlich die Subsumtionsrüge (Z 10) betrifft, derzufolge die Tat des Angeklagten insgesamt (nur) als Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB zu beurteilen sei, so geht sie von der urteilsfremden Annahme aus, der Angeklagte habe seine Pflicht als Bundeskellereiinspektor gegenüber der B*** G*** OHG nicht vernachlässigt; sie entbehrt damit zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.
Da der Nichtigkeitsbeschwerde demnach in keinem Punkt Berechtigung zukommt, war sie zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten, wobei es diese Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB (nF) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Weiters verurteilte es den Angeklagten gemäß § 20 Abs. 2 StGB zur Zahlung eines Geldbetrages von 126.000 S.
Bei der Strafbemessung war erschwerend, daß der Angeklagte mehrere Jahre hindurch (Bestechungs-)Geld genommen hat, mildernd hingegen sein bisheriger ordentlicher Lebenswandel. Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht erachtete das Erstgericht deshalb für gerechtfertigt, weil der Angeklagte seit 1983 in Pension ist und kaum mehr Gelegenheit habe, in ähnlicher Weise straffällig zu werden.
Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen des Angeklagten und des öffentlichen Anklägers; ersterer strebt die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung sowie gemäß § 20 Abs. 3 (richtig: Abs. 4) StGB das Absehen von der Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages wegen unbilliger Härte an, letzterer begehrt dagegen die Ausschaltung des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht bzw. die bloß teilweise bedingte Nachsicht der Strafe gemäß § 43 a StGB.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Was zunächst die Berufung des Angeklagten gegen die Strafhöhe betrifft, so hat das Schöffengericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Entgegen der Meinung des Berufungswerbers kann nach dem Urteilssachverhalt keine Rede davon sein, daß er die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen habe (§ 34 Z 9 StGB), hat er doch durch mehrere Jahre hindurch gezielt seine Befugnisse als Bundeskellereiinspektor mißbraucht und hiefür regelmäßig Geldbeträge angenommen. Ebensowenig kann von einer "Beteiligung an der Tat in untergeordneter Weise" gesprochen werden. Schon gar nicht kann dem Angeklagten, wie er vermeint, zugutegehalten werden, daß sein strafbares Verhalten "nur in minimaler Weise auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters zurückzuführen" sei bzw. "auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte". Das inkriminierte Verhalten charakterisiert den Berufungswerber vielmehr als einen korrupten Beamten, dessen Strafzumessungsschuld entsprechend schwer wiegt, sodaß das in erster Instanz gefundene Strafmaß nicht überhöht ist. Eine Reduzierung der Strafe kam somit nicht in Betracht. Die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages vom 126.000 S geht, soweit sie die Höhe der insgesamt erhaltenen Geldzuwendungen in Zweifel zieht, nicht vom Urteilssachverhalt aus; darnach hat der Angeklagte in der Zeit von Oktober bis Dezember 1978 und sodann ab Juli 1979 bis einschließlich September 1982 insgesamt 126.000 S - und nicht, wie er darzutun sucht, lediglich 48.000 S - für die Begehung der strafbaren Handlung erhalten. Angesichts der aktenkundigen (und von der Berufung nicht bekämpften) wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, der eine monatliche Netto-Pension von 18.000 S bezieht und für niemanden sorgepflichtig ist, weil seine Ehefrau selbst eine Pension (von rund 11.000 S) erhält, kann nicht gesagt werden, daß ihn die Bezahlung des in Rede stehenden Geldbetrages unbillig hart träfe und deshalb von der Verurteilung hiezu ganz (oder auch nur zum Teil) abzusehen sei. Daß der Angeklagte das empfangene (Bestechungs-)Geld nicht mehr besitzt, läßt für sich allein die Verurteilung gemäß § 20 Abs. 2 StGB nicht als unbillig hart erscheinen; maßgebend für ein Absehen sind vielmehr die wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsbrechers im Zeitpunkt der Verurteilung, die, wie gesagt, vorliegend nicht so beschaffen sind, daß sie eine Anwendung der Härteklausel des § 20 Abs. 4 zweiter Satz StGB rechtfertigen könnten. Auch in diesem Punkt erweist sich somit die Berufung des Angeklagten als unbegründet, weshalb ihr zur Gänze nicht Folge zu geben war.
Aber auch die Berufung der Staatsanwaltschaft ist im Ergebnis nicht berechtigt. Nach Lage des Falles gebieten nämlich weder spezial- noch generalpräventive Gründe den Vollzug der Freiheitsstrafe. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. EvBl. 1987/29 = ÖJZ-LSK 1986/71 ua), sind Geständnis und Schuldeinsicht keine unabdingbaren Voraussetzungen für die Anwendung des § 43 StGB; daß der Angeklagte nicht schuldeinsichtig gewesen ist, steht daher - der Auffassung der Anklagebehörde zuwider - der Gewährung bedingter Strafnachsicht nicht entgegen. Eine Beteiligung an den Betrugsstraftaten der Verantwortlichen der Firma G*** OHG wurde dem Angeklagten - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft - nicht angelastet; ob dem Angeklagten bewußt war, daß er durch die amtsmißbräuchliche Ausübung seiner Befugnisse als Bundeskellereiinspektor strafbare Handlungen im Unternehmen G*** begünstigt, muß bei Prüfung der Voraussetzungen der bedingten Strafnachsicht im gegebenen Zusammenhang außer Betracht bleiben.
Letztlich gebieten aber auch generalpräventive Erwägungen nicht den sofortigen Strafvollzug, zumal das strafbare Verhalten des Angeklagten schon mehrere Jahre zurückliegt.
Das Schöffengericht hat demnach zutreffend die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe (zur Gänze) bedingt nachgesehen, womit auf das Eventualbegehren der Staatsanwaltschaft, lediglich hinsichtlich eines Teiles der Strafe bedingte Nachsicht zu gewähren (§ 43 a StGB), nicht eingegangen zu werden braucht. Über die Rechtsmittel war somit wie im Spruche zu erkennen.
Anmerkung
E15584European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00116.88.1013.000Dokumentnummer
JJT_19881013_OGH0002_0120OS00116_8800000_000