Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Knob als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred G*** und Berthold G*** wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Mai 1988, GZ 7 b Vr 638/88-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, der Angeklagten und deren Verteidiger Dr. Gaigg und Dr. Stoiber zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafen bei Manfred G*** auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre, bei Berthold G*** auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt werden und dem Berthold G*** die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird. Der den Angeklagten Manfred G*** betreffende Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO bleibt aufrecht.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 14.Juli 1963 geborene Manfred G*** und sein am 2.Oktober 1967 geborener Cousin Berthold G*** des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben sie von Dezember 1987 bis 17.Jänner 1988 in Wien die gemeinsame Ausführung einer erpresserischen Entführung (§ 102 Abs. 1 StGB) verabredet, indem sie vereinbarten, den James Martin R*** ohne dessen Einwilligung mit Gewalt zu entführen, um dessen Eltern zur Zahlung eines Lösegeldes von 1,500.000 Dollar zu nötigen. Den gegen diesen Schuldspruch von Manfred G*** aus den Gründen der Z 5 und 5 a, von Berthold G*** aus jenen der Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
Manfred G***:
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Angeklagten, gemeinsam mit dem anderen Komplottanten am 15.Jänner 1988 die weitere Verfolgung des Tatplanes endgültig aufgegeben zu haben, weil bis dahin ein zu dessen Durchführung erforderliches Transportmittel und eine zum Gefangenhalten des in Aussicht genommenen Tatopfers geeignete Räumlichkeit nicht gefunden werden konnte, in durchaus zureichender Weise auseinandergesetzt und auch unter Hinweis (US 20) auf das Unterbleiben einer Vernichtung der vorbereiteten Tatwerkzeuge mit schlüssiger Begründung die geltend gemachten Voraussetzungen des § 277 Abs. 2 StGB nicht als erwiesen angenommen. Mit der in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, die zur Tatausführung besorgten Utensilien zum Zwecke deren Beseitigung bereits "zusammengepackt" zu haben (S 215/216), mußte sich das Erstgericht nicht gesondert auseinandersetzen, weil sich daraus allein, insbesondere unter Berücksichtigung des Polizeiberichtes über deren Sicherstellung (S 35 f), keine konkreten Anhaltspunkte dafür ableiten lassen, daß diese - größtenteils in einem Aktenkoffer verwahrten (S 36; vgl. Lichtbild S 44) - Tatwerkzeuge nicht gerade zu bestimmungsgemäßer Verwendung bereitgehalten worden wären. Der weitere Einwand einer inneren Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe (richtig: einer unzureichenden, weil unlogischen Begründung), die darin gelegen sein soll, daß die Kenntnis von der strikten Weigerung des Erich G*** (eines Bruders des Zweitangeklagten) an der Tat durch Bereitstellung eines Fahrzeuges und eines Verlieses mitzuwirken, mit der entscheidenden Annahme nicht in Einklang zu bringen sei, der Angeklagte habe die Tatausführung bloß verschoben, um die erwähnten, dem Erich G*** zugedachten Tatbeiträge mit diesem noch genau zu besprechen und vorzubereiten (US 10), geht schon deshalb ins Leere, weil nach den Urteilsfeststellungen nur der Zweitangeklagte Berthold G*** von der endgültigen Absage des Erich G*** Kenntnis hatte, insoweit aber den Beschwerdeführer nur unvollständig informiert und ihn im Glauben gelassen hat, Erich G*** käme als Gehilfe durchaus noch in Frage (US 9/10).
Schließlich versagt auch der Vorwurf, das Erstgericht habe sich mit dem Inhalt der sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen betreffend die Tatplanung (S 53 bis 67) nicht auseinandergesetzt, aus welchen nämlich zu ersehen sei, daß sie bereits vor dem 15. Jänner 1988 verfertigt worden sein müssen, sodaß die Feststellung (US 11), der Angeklagte habe noch in der Nacht zum 16.Jänner 1988 "weiterhin Aufzeichnungen zu einem detaillierten Plan und der Durchführung der Entführung" gemacht (was das Erstgericht als Indiz dafür ansah, daß er den Tatplan eben nicht fallengelassen hat), unzureichend begründet sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß nicht alle sichergestellten Blätter die von ihm behauptete Eingrenzung ihrer Entstehungszeit zulassen und im übrigen das Erstgericht weder angenommen hat, daß es sich bei den sichergestellten Notizen durchwegs um solche handelt, die der Erstangeklagte erst in der Nacht zum 16.Jänner 1988 produziert hat, noch davon ausgegangen ist, daß alle vom Beschwerdeführer bei der Planung jemals angefertigten Notizen, insbesondere jene aus der Nacht zum 16.Jänner 1988 vollständig sichergestellt worden sind. Mit der behaupteten Tatsache, daß einige dieser Beweismittel schon vor dem 15.Jänner 1988 vorhanden gewesen sein müssen, läßt sich daher die bemängelte, in erster Linie auf die belastende Aussage der Zeugin Cynthia F*** (US 11 iVm S 228, 229) gestützte Feststellung, daß der Angeklagte auch noch in der Nacht zum 16.Jänner 1988 solche Aufzeichnungen gemacht hat, ohne weiteres vereinbaren. Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich für den Obersten Gerichtshof - nach eingehender Prüfung des Vorbringens und der Akten - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen keine erheblichen Bedenken.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
Berthold G***:
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt dieser Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme der Zeugen Erna B*** und Sissi B***, durch deren Aussagen erwiesen werden sollte, daß er sich gegenüber dem Erstangeklagten Manfred G*** mehrfach (am Telefon) habe verleugnen lassen, woraus klar ersichtlich sei, daß er "keinen Tatentschluß ernstlich gefaßt hatte" (S 234; vgl. S 226). Entgegen diesem Beschwerdeeinwand wurden jedoch durch die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt, weil das Erstgericht bei seiner Beweiswürdigung ersichtlich ohnedies die Möglichkeit mit in Betracht gezogen hat, daß der Beschwerdeführer einen telefonischen Kontakt mit Manfred G*** zeitweise zu vermeiden getrachtet hatte. Dessenungeachtet hat es aber auf Grund seines noch am 12.Jänner 1988 unternommenen wiederholten Versuches, seinen Bruder Erich G*** als Tatgehilfen zu gewinnen, und infolge des Umstandes, daß er am 15. Jänner 1988 über telefonische (US 9) Aufforderung durchaus freiwillig mit Manfred G*** in dessen Wohnung
zusammengetroffen ist, die Ernstlichkeit der behaupteten Rückzugsabsichten des Beschwerdeführers negiert und vielmehr auf Grund der auch insoweit belastenden Aussage des Erstangeklagten bei der Polizei am 18.Jänner 1988 (S 103) als erwiesen angenommen, daß er bei dem Zusammentreffen am 15.Jänner 1988 nach wie vor zur Tat entschlossen war und deren Ausführung damals lediglich um eine Woche einvernehmlich verschoben worden ist. Dabei nimmt es auch Bezug auf die Polizeiaussage des Beschwerdeführers vom selben Tag (S 106), wonach er die Weigerung des Erich G*** zur Mitwirkung an der geplanten Entführung dem Erstangeklagten nicht mitgeteilt und die sich damit bietende Gelegenheit zu einem Rückzug ersichtlich nicht wahrgenommen hat (US 15).
Der Einwand (Z 5), das Erstgericht habe sich mit der leugnenden Verantwortung der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung, die sich schon mit der ersten Polizeiaussage des Manfred G*** (insb. S 50/51) in Ansehung der endgültigen Abstandnahme von der geplanten Tatausführung decke, nicht auseinandergesetzt, trifft nach dem Vorgesagten daher keineswegs zu (US 13 ff). Indem sich der Beschwerdeführer aber in eine Erörterung des Wahrheitsgehaltes und der Glaubwürdigkeit der belastenden zweiten Polizeiaussage des Erstangeklagten Manfred G*** (insb. S 103) einläßt und behauptet, diese sei nur unter dem Druck der Verwahrungshaft zustandegekommen, macht er keinen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes geltend, sondern unternimmt der Sache nach bloß einen unzulässigen Angriff gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter.
In Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) behauptet der Beschwerdeführer, daß die getroffenen Feststellungen zum Tatbestand des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB nicht ausreichten, weil ihm darnach - im Gegensatz zum Erstangeklagten - weder Name noch Wohnsitz des in Aussicht genommenen Tatopfers, auch nicht der geplante Ablauf der Tat und sein eigener Tatbeitrag sowie die Tatzeit bekannt waren und die Art des Transportes und Verbergens des Tatopfers überhaupt noch nicht feststand.
Wie der Beschwerdeführer unter Zitierung entsprechender Judikatur zutreffend selbst ausführt, reicht für das in Rede stehende Verbrechen die Konkretisierung der wesentlichen Momente und die Einigkeit über die geplante Tatausführung in ihren wesentlichen Umrissen zwischen den zur Tatverübung ernstlich entschlossenen Komplottanten aus (SSt. 47/79; Leukauf-Steininger Komm.2 § 277 RN 3, 4). Diese Erfordernisse waren aber nach den tatrichterlichen Konstatierungen gegeben, denn der Angeklagte war darnach jedenfalls in Kenntnis und darin mit Manfred G*** einig, daß von ihm gemeinsam mit dem Genannten eine bestimmte (wenngleich ihm allenfalls namentlich noch nicht bekannte) Person mit Gewalt unter Verwendung eines Kraftwagens in ein entferntes Versteck gebracht werden sollte, um von deren Angehörigen ein Lösegeld zu erpressen (US 6, 8), wobei auch schon der Tag der Tatausführung bestimmt war, der in der Folge einvernehmlich nur um eine Woche verschoben wurde. Eine weitere Konkretisierung der Tatausführung und insbesondere eine Absprache über eine bestimmte Rollenverteilung der Komplottanten bei der geplanten erpresserischen Entführung ist aber zur Vollendung des Tatbildes nicht erforderlich.
Indem der Beschwerdeführer daran anknüpfend in subjektiver Hinsicht seine ernstliche Tatentschlossenheit bestreitet, bringt er mangels Festhaltens an den entsprechenden Urteilsannahmen (US 12, 13) die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Schöffengericht verhängte nach § 277 Abs. 1 StGB über den Angeklagten Manfred G*** drei, über den Angeklagten Berthold G*** zwei Jahre Freiheitsstrafe, wobei es bei Manfred G*** die einschlägige Vorstrafe, daß der Tatplan von ihm selbst stammte und darnach auch die Tötung des Opfers nicht von Anfang an ausgeschlossen wurde, bei Berthold G*** aber den Umstand als erschwerend wertete, "daß von Manfred G*** die Tötung des Opfers von Anfang an nicht ganz ausgeschlossen war, er deshalb am Komplott mitgeteiligt war"; als mildernd berücksichtigte es hingegen bei Manfred G*** das zur Wahrheitsfindung wesentlich beitragende Geständnis, bei Berthold G*** das zur Wahrheitsfindung beitragende Tatsachengeständnis bei der Polizei, den bisher ordentlichen Lebenswandel und das Alter unter 21 Jahren. In Ansehung des Angeklagten Manfred G*** beschloß das Erstgericht zugleich gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO, daß von einem Widerruf der bedingten Nachsicht der über diesen Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.Oktober 1985, AZ 7 b E Vr 10.567/85, wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten aus Anlaß der neuen Verurteilung abgesehen werde.
Gegen den Strafausspruch wenden sich die Angeklagten mit Berufung, wobei Manfred G*** eine Herabsetzung und
teilbedingte Nachsicht, Berthold G*** eine Herabsetzung und bedingte Nachsicht der ganzen Strafe anstreben.
Der Beschluß nach § 494 a StPO ist unangefochten geblieben. Das Herabsetzungsbegehren des Angeklagten Manfred G*** ist ebenso berechtigt wie die Berufung des Angeklagten Berthold G***.
Zu Unrecht hat nämlich das Erstgericht die gedankliche Befassung des Angeklagten Manfred G*** mit einer zur Vermeidung seines Wiedererkanntwerdens allenfalls erforderlichen Tötung des Entführungsopfers als erschwerend angenommen, weil keine sicheren Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß derartige Überlegungen mehr als bloße Gedankenspielerei waren. Angesichts des Entwicklungsstadiums der zur Durchführung der verabredeten erpresserischen Entführung getroffenen Vorbereitungen, die infolge Fehlens dazu unabdingbarer Voraussetzungen noch keineswegs einen überdurchschnittlich hohen Grad der einem derartigen Komplott immanenten Gefährlichkeit erlangt haben, erschien dem Obersten Gerichtshof unter Berücksichtigung der kriminell noch keineswegs ausgeprägten bisherigen Lebensführung des Erstangeklagten eine Freiheitsstrafe in der Mitte des gesetzlichen Höchstmaßes noch ausreichend, um den Strafzweck sicherzustellen. Mangels einer im Hinblick auf dieses Strafausmaß erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens und aus generalpräventiven Erwägungen kam die begehrte teilbedingte Strafnachsicht (§ 43 a Abs. 4 StGB) allerdings nicht in Betracht. Der vom Schöffengericht beim Angeklagten Berthold G*** angenommene Erschwerungsgrund trifft nach dem Vorgesagten auf diesen erst recht nicht zu. Darüber hinaus sind als weitere Milderungsgründe zu berücksichtigen, daß dieser Berufungswerber die Tat unter der Einwirkung des Erstangeklagten begangen hat und an ihr nur in untergeordneter Weise beteiligt war, weshalb auch bei ihm eine Ermäßigung der Freiheitsstrafe und überdies - in Anbetracht seines Alters sowie seines untadelhaften Vorlebens - deren bedingte Nachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) gerechtfertigt ist.
Den Berufungen war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang Folge zu geben.
Durch die Abänderung des erstinstanzlichen Strafausspruches haben die für den in Ansehung des Angeklagten Manfred G*** vom Erstgericht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO gefaßten Beschluß maßgebend gewesenen Erwägungen ihre entscheidende Bedeutung keineswegs verloren, weshalb von Amts wegen auszusprechen war, daß dieser Beschluß aufrecht bleibt (EB zum StRÄG Beil StProt NR XVII. GP S 54 1.Sp unten; EvBl. 1988/63).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
Anmerkung
E15611European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00106.88.1019.000Dokumentnummer
JJT_19881019_OGH0002_0140OS00106_8800000_000