Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B*** DER Ö*** P*** AG,
Wien 1., Opernring 3-5, vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, und anderer betreibender Gläubiger, wider die verpflichtete Partei N*** W*** mbH, Wien 2.,
Marinelligasse 13, vertreten durch Dr. Michael Goriany, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3,289.747,93 S samt Anhang und anderer Forderungen, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 19. August 1988, GZ 4 R 348-351/88-26, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 29. Juni 1988, GZ 10 E 118/87-22, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom 29. Juni 1988, ON 22, hat das Erstgericht
1) die von der verpflichteten Partei gegen den vorläufig bestimmten Betrag des Schätzwertes der zu versteigernden Liegenschaft erhobenen Einwendungen zurückgewiesen und diese Liegenschaft endgültig mit 2,651.385 S bewertet und
2) die von der betreibenden Partei vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen genehmigt.
Die Zustellung dieses Beschlusses an die verpflichtete Partei erfolgte am 6. Juli 1988.
Am 15. Juli 1988 langte beim Erstgericht ein vom Geschäftsführer der verpflichteten Partei unterfertigtes Schreiben ein, wonach die verpflichtete Partei gegen den Beschluß vom 29. Juni 1988 Rekurs erhebe, den Rekurs aber derzeit nicht ausführen könne, weil dem angefochtenen Beschluß die Versteigerungsbedingungen nicht beigelegt worden seien; die verpflichtete Partei werde den Rekurs nach Vorliegen dieser Bedingungen ausführen.
Am 21. Juli 1988 langte ein weiterer, am 20. Juli 1988 zur Post gegebener, mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehener Schriftsatz der verpflichteten Partei beim Erstgericht ein, mit dem die verpflichtete Partei Rekurs gegen den Beschluß vom 29. Juni 1988 erhob.
Die zweite Instanz wies den anwaltlichen Rekurs zurück. Das Gesetz gestatte im Rechtsmittelverfahren dem Rechtsmittelwerber nicht mehr als die Überreichung eines Schriftsatzes. Ein zweiter Schriftsatz, bezwecke er Richtigstellungen oder Nachträge, werde er innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht oder nach ihrem Ablauf, sei unzulässig und daher zurückzuweisen. Die verpflichtete Partei habe daher ihr Rekursrecht durch Einbringung des - durch eine Anwaltsunterschrift zu verbessernden und bei dieser Gelegenheit gemäß den §§ 78 EO, 84 Abs. 3 ZPO zu ergänzenden - ersten Schriftsatzes verbraucht. Der am 20. Juli 1988 zur Post gegebene zweite Schriftsatz dagegen sei unzulässig. Anläßlich der Zurückstellung des ersten Schriftsatzes zur Verbesserung werde der verpflichteten Partei auch eine Gleichschrift der Versteigerungsbedingungen zuzustellen sein.
Rechtliche Beurteilung
In der Folge hat die verpflichtete Partei durch ihren Rechtsanwalt auch den ersten Rekurs innerhalb einer ihr erteilten Frist verbessert wieder vorgelegt. Der Rekurs der verpflichteten Partei ist berechtigt.
Der in ständiger Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß jeder Partei im Berufungs-(Rekurs-)Verfahren nur eine einzige Rechtsmittelfrist zustehe und ein zweiter Schriftsatz, mag er Richtigstellungen oder Nachträge bezwecken, mag er innerhalb der Rechtsmittelfrist oder nach ihrem Ablauf eingebracht werden, nicht zulässig sei, bezweckte in erster Linie die Vermeidung von Unklarheiten über den Umfang, das Ziel und die Begründung der Anfechtung, die für das Rechtsmittelverfahren unerträglich wären. Es können also nicht zwei Berufungsschriften von verschiedenen Rechtsanwälten hingenommen werden, es kann nicht neben dem Rechtsmittel eines Kurators ein Rechtsmittel der Partei selbst eingebracht werden, und der Inhalt des Rechtsmittels soll sich nicht erst aus der Verbindung mehrerer Schriftsätze ergeben. Hingegen wurde vom Obersten Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß dieser Grundsatz nicht zum Tragen kommt, wenn in einer ersten Eingabe infolge formeller Mängel keine Berufung, sondern nur eine zum Gerichtsgebrauch ungeeignete Eingabe zu erblicken ist, oder wenn die erste Zuschrift wegen ihrer formellen oder materiellen Mängel nicht beachtet werden darf und zurückzuweisen ist und innerhalb der noch offenen Frist ein neues formgerechtes und ordnungsgemäßes Rechtsmittel eingebracht wird (RZ 1983/23 ua). War der erste Schriftsatz zur Verbesserung zurückzustellen, langte aber noch innerhalb der Rechtsmittelfrist ein formgerechter Rekurs bei Gericht ein, so bedarf es auch der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens nicht mehr, weil die Partei in diesem Fall die Verbesserung bereits von sich aus vorgenommen hat (EvBl. 1974/265, 3 Ob 53/77). Die verpflichtete Partei war daher nicht gehindert, ungeachtet des verbesserungsbedürftigen ersten Schreibens innerhalb der Rechtsmittelfrist ein der Form entsprechendes Rechtsmittel einzubringen. Die zweite Instanz wird auf dieses Rechtsmittel sachlich einzugehen haben.
Der Kostenvorbehalt erfolgte nach den §§ 78 EO, 52 ZPO.
Anmerkung
E15411European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00152.88.1019.000Dokumentnummer
JJT_19881019_OGH0002_0030OB00152_8800000_000