TE OGH 1988/10/20 7Ob679/88

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Veröffentlicht am 20.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Grundstückverwaltung Gesellschaft mbH, Wien 3., Kundmanngasse 21, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** & Co Bankaktiengesellschaft, Wien 1., Renngasse 1-3, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 502.798,-- s.A., infolge Revision de klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Juli 1988, GZ 1 R 73/88-30, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. November 1987, GZ 17 Cg 22/86-23, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.899,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.445,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat der Firma S*** Gesellschaft mbH den Auftrag zur Errichtung von Baulichkeiten erteilt. Nach dem Vertrag war eine 5-jährige Gewährleistungsfrist vorgesehen. Auf Gewährleistungsdauer sollte ein durch eine Bankgarantie bzw. durch Abtretung der einzelnen Bankgarantien der Subunternehmer zugunsten des Bauherrn einlösbarer 5 %iger Haftrücklaß einbehalten werden. Im Auftrage der Firma S*** übermittelte hierauf die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin das noch am gleichen Tag angenommene Anbot vom 23. Februar 1982, das unter anderem folgende Passagen enthielt:

"..... Im Auftrage der Firma Matthias S***

Gesellschaft mbH übernehmen wir Ihnen gegenüber die Garantie für einen Betrag von 502.798 S und verpflichten uns gleichzeitig, innerhalb von drei Tagen nach Zustellung Ihrer eingeschriebenen Aufforderung ohne Überprüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, den uns namhaft gemachten Betrag bis zum Höchstbetrag von 502.798 S an Sie zur Auszahlung zu bringen. Die Garantie tritt nur gegen Annahme unseres Anbotes, das Sie uns gefertigt retournieren mögen, und Überweisung des von uns garantierten Betrages auf das bei uns geführte Konto 110.108 der Firma Matthias S*** Gesellschaft mbH in Kraft."

Eine Abänderung der Garantiebedingungen ist später nicht erfolgt. Beim Konto 110.108 handelte es sich um ein normales Geschäftskonto der Firma S*** bei der Beklagten. Diese machte auf dem Konto lediglich eine Vormerkung über die Verwendung eines allenfalls eingehenden Betrages von S 502.798,--. Anfang April 1982 überwies die Klägerin auf das oben erwähnte Konto S 249.008,91, wobei als Verwendungszweck "5 % HRL zu Schlußrechnung vom 4.11.1981 abzüglich offener Saldo von 253.789,09 S zu 117 S***" angeführt war. Da die Beklagte lediglich für den Eingang von S 502.798,-- den oben erwähnten Vormerk beim Konto gemacht hatte, ging der eingezahlte Betrag in den übrigen Kontobewegungen unter.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1985 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Garantiebetrag von S 502.798,-- auszubezahlen, was von der Beklagten unter Hinweis auf die nicht eingetretene Garantiebedingung abgelehnt wurde.

Während das Erstgericht der Klägerin unter Abweisung eines Mehrbegehrens S 249.008,91 zusprach, wies das Berufungsgericht das gesamte auf Zahlung von S 502.798,-- gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, die für die Wirksamkeit der Garantie gesetzte Bedingung, nämlich die Einzahlung eines Betrages von S 502.798,--, sei nicht erfüllt worden. Mangels weiterer Umstände könne in der Einzahlung eines geringeren Betrages die Erfüllung der Bedingung nicht erblickt werden; schon gar nicht sei aber der gesetzten Bedingung durch die von der Klägerin behauptete Verrechnung des Restbetrages von S 253.798,09 mit Forderungen gegen die Firma S*** entsprochen worden. Die Garantieerklärung habe somit keine Wirksamkeit erlangt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit werden nicht der Aktenlage widersprechende Feststellungen des Berufungsgerichtes, sondern nur Rechtsausführungen gerügt, die den festgestellten Sachverhalt verkürzt wiedergeben. Aus der verkürzten Wiedergabe dieses Sachverhaltes hat aber das Berufungsgericht keine Konsequenzen gezogen. Es hat vielmehr eindeutig zu erkennen gegeben, daß es sich bei der Wendung, in der von der vollen Höhe des Garantiebetrages die Rede ist, um die Auslegung der Garantieerklärung handelt und nicht um eine Feststellung über eine entsprechende Vereinbarung.

Ob aus dem Prozeßvorbringen der Klägerin auch jene rechtliche Begründung abgeleitet werden kann, die in der Revision aufscheint, muß nicht weiter erörtert werden, weil das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung sowieso auf sämtliche von der Klägerin aufgeworfenen Fragen eingegangen ist. Daß es hiebei nicht zu demselben rechtlichen Ergebnis wie die Klägerin gelangte, kann keine Aktenwidrigkeit begründen.

Weitere Verfahrensschritte zur Auslegung der Garantieerklärung waren nicht erforderlich, weil die Klägerin weder ein zusätzliches Vorbringen noch ein weiteres Beweisanbieten erstattet hat. Das Berufungsgericht hat hier auch nicht von sich aus, überraschend für die Parteien, bisher nicht in Erwägung gezogene rechtliche Konsequenzen gezogen, sondern sich mit der erstinstanzlichen rechtlichen Beurteilung auseinandergesetzt. Demnach könnte eine mangelnde weitere Erörterung nur einen erstgerichtlichen Verfahrensmangel, nicht aber einen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens begründen. Erstgerichtliche Verfahrensmängel hat das Berufungsgericht jedoch verneint, weshalb sie in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können.

In rechtlicher Hinsicht nimmt die Klägerin gegen die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes bezüglich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Setzung von Bedingungen zu Bankgarantien und die Beurteilung des hier konkret gemachten Zusatzes als echte Bedingung nicht mehr Stellung. Es kann daher diesbezüglich auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Strittig ist demnach nur, wie die Bedingung, daß S 502.798,-- auf ein bestimmtes Konto bei der Beklagten zu erlegen sind, auszulegen ist. Fest steht, daß hier nur der wiedergegebene Wortlaut der Garantieerklärung vorliegt und weitere Besprechungen oder sonstige Umstände, die als Behelf für die Auslegung in Frage kämen, nicht gegeben sind. Gemäß § 914 ABGB war demnach die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Unter der Absicht der Parteien ist der Geschäftszweck zu verstehen (EvBl 1972/111, HS V/32 u.a.). Es ist also von dem auszugehen, was jeder der vertragsschließenden Teile redlicherweise der Vereinbarung unterstellen mußte (SZ 53/104 u.a.). Bei Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung eines Ausdruckes ist dieser so zu verstehen, wie ihn der Empfänger der Erklärung verstehen mußte (MietSlg 30.125, RZ 1966, 148 u.a.).

Im vorliegenden Fall spricht der Wortlaut der Grantieerklärung (Beilage 1) eindeutig dafür, daß nur die Überweisung des garantierten Betrages (S 502.798,--) das Inkrafttreten der Garantie bewirken konnte. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, liegt es im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen (SZ 54/189, JBl 1985, 425 u.a.). Da die Bankgarantie gerade wegen der Strenge und Sicherheit der Haftung vereinbart wird, muß bei der Auslegung der sie betreffenden Erklärung gelten, daß die Parteien nicht die für den Verpflichteten leichtere, sondern die schwerere Form gewählt haben (SZ 50/32, RdW 1988, 193 u.a.). Dies zeigt, daß die Bank durch Gewährung einer Garantie ein besonders großes Risiko eingeht. Wenn sie daher Bedingungen für die Übernahme dieses Risikos setzt, so muß für diese Bedingungen dasselbe gelten, wie für die Bankgarantie, nämlich, daß diese streng auszulegen sind. Gerade der Umstand, daß die Bankgarantie als solche in der Regel einer für die Bank günstigen milden Auslegung nicht zugänglich ist, muß umgekehrt dazu führen, daß auch bei der Setzung von Bedingungen streng auf deren Einhaltung gesehen wird. Selbstverständlich können sowohl Bankgarantien als auch die für ihre Wirksamkeit gesetzten Bedingungen ausdrücklich oder schlüssig abgeändert werden. Für eine schlüssige Abänderung gelten jedoch auch hier die Grundsätze des § 863 ABGB, denenzufolge nur aus solchen Umständen ein Parteiwille geschlossen werden kann, die keinen vernünftigen Grund, an diesem Willen zu zweifeln, übrig lassen. Geht man von den vorinstanzlichen Feststellungen aus, so ist nicht ersichtlich, welche Umstände im vorliegenden Fall dafür sprechen sollen, daß die in der Garantieerklärung gesetzte Bedingung auch durch die Nichteinzahlung auf das erwähnte Konto, sondern durch eine Kompensation von Forderungen gegen den Auftraggeber der Bank erfüllt werden durften. Selbst wenn die Beklagte von einer solchen Kompensation Kenntnis gehabt haben sollte, würde dies keinesfalls eindeutig den Schluß zulassen, daß sie damit auf eine entsprechende Speisung des bei ihr geführten Kontos verzichten wollte. Schon aus diesem Grunde ist das Klagebegehren, soweit es einen Betrag von S 253.789,09 betrifft, nicht gerechtfertigt.

Was den Betrag von S 249.008,91 anlangt, so muß auch hier der Grundsatz einer im Zweifel strengen Auslegung der gesetzten Bedingung gelten. Die Beklagte hatte ohne jede Einschränkung die Garantie nur unter der Bedingung der Zahlung des gesamten dort genannten Betrages übernommen. Daß sie auch bereit gewesen wäre, für einen geringeren Betrag zu garantieren oder es in das Belieben, sei es ihres Auftraggebers, sei es des die Garantie allenfalls ansprechenden Partners, legen wollte, durch Einzahlung eines geringeren Betrages eine Garantie anderen Inhaltes (für einen geringeren Betrag) zu erlangen, kann weder aus dem Wortlaut der Garantieerklärung noch aus den sonstigen Umständen des Falles abgeleitet werden. Der Beklagten muß zugebilligt werden, daß sie für den Eintritt des Garantiefalles entsprechende Vorsorge trifft. Dies setzt aber voraus, daß sie sich über die Wirksamkeit der Garantie im klaren ist. Nach dem Wortlaut der von ihr gesetzten Bedingung konnte für sie nur die Einzahlung des gesamten Betrages Klarheit über die Wirksamkeit der Garantie schaffen. Gerade der vorliegende Fall zeigt, daß die Einzahlung eines geringeren Betrages für die Beklagte mit erhöhten Risken verbunden war. Da sie die Garantie nur unter der Bedingung der Einzahlung eines bestimmten Betrages abgegeben hatte, konnte von ihr nicht verlangt werden, daß sie Vorsorge für den Fall der Einzahlung eines geringen Betrages traf. Dies hat aber im konkreten Fall dazu geführt, daß sie den tatsächlich eingezahlten Betrag zur Abdeckung eines Passivsaldos verwendet hat. Die durch die Einzahlung eines geringeren Betrages für die Bank geschaffene Ungewißheit war also geeignet, der Beklagten Nachteile zu verschaffen. Dies zeigt, daß der von der Beklagten angestrebte Schutz nur duch die strenge Einhaltung der von ihr gesetzten Bedingungen erreicht werden konnte. Demnach ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes dahin beizupflichten, daß durch die Einzahlung eines geringeren Betrages die Garantieerklärung nicht Wirksamkeit erlangt hat.

Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß bezüglich des eingezahlten Betrages keine Bereicherung der Beklagten vorliegt. Der Beklagten ist nämlich nichts zugekommen, worauf sie keinen Anspruch hatte, weil mit dem auf das Konto der Firma S*** eingezahlten Betrag Forderungen der Beklagten gegen diese Firma befriedigt worden sind. Auf die Befriedigung dieser Forderungen hatte die Beklagte einen Anspruch. Bereichert kann demnach nur die Firma S*** sein. Im Ergebnis liegt demnach kein von SZ 54/28 abweichender Fall vor, weil auch hier - allenfalls auf Seite der Klägerin irrtümlich - nur Schulden des Bankkunden abgedeckt wurden. Was mit dem Einwand, die Firma S*** hätte im gesamten relevanten Zeitraum die Möglichkeit gehabt, einen Überziehungskredit in Anspruch zu nehmen, erreicht werden soll, ist unerfindlich. Geht man nämlich davon aus, daß die Garantie mangels Erfüllung der für ihre Wirksamkeit gesetzten Bedingung nicht in Kraft getreten ist, so war die Beklagte natürlich nicht verpflichtet, der Firma S*** einen weiteren Kredit zu versagen.

Der Einwand der Sittenwidrigkeit entbehrt jeglicher Grundlage. Ein konkretes Vorbringen hiezu fehlt.

Die Revision erweist sich sohin als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16024

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00679.88.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19881020_OGH0002_0070OB00679_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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