Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dr. Monika S***, Wien 13, Lainzerstraße 26 a, vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei DDr. Peter S***, Rechtsanwalt, Wien 18, Cottagegasse 40, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts und Erlöschens des Unterhaltsanspruches (Streitwert S 1,800.000,--), infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1988, GZ 47 R 2032/88-194, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 24. Dezember 1987, GZ 1 C 26/81, verbunden mit 1 C 7/82-177, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.492,15 bestimmten Revisionskosten (darin S 1.735,65 an Umsatzsteuer und S 5.400,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und Widerbeklagte (in der Folge Klägerin genannt) begehrt vom Beklagten und Widerkläger (in der Folge Beklagter genannt) eine monatliche Unterhaltsleistung von S 25.000,--. Der Beklagte, mit dem sie in aufrechter Ehe verheiratet sei, habe die Klägerin am 20.September 1981 verlassen und zahle ihr seither nur mehr Unterhalt von S 15.000,-- monatlich. Das monatliche Reineinkommen des Beklagten, der außer für die Klägerin für zwei Kinder zu sorgen habe, betrage S 120.000,--.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Als Angestellter in der Anwaltskanzlei seines Vaters beziehe der Beklagte S 40.000,--, aus Vermietungen weitere S 5.000 monatlich; die Klageführung erfolge daher schikanös. Der Beklagte begehrt seinerseits mittels Widerklage die Feststellung, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin ab 1. Februar 1982 durch Verwirkung erloschen sei. Auf Grund von Informationen der Klägerin sei in der "Wochenpresse" vom 17.Februar 1982 ein Artikel erschienen, durch den die Ehre und die berufliche Existenz des Beklagten gefährdet erscheine. In der Absicht, den Beklagten durch Lancierung von Berichten in Tageszeitungen unmöglich zu machen, habe sich die Klägerin mit Journalistinnen dieser Zeitungen in Verbindung gesetzt;
zu Veröffentlichungen sei es jedoch nicht gekommen. Zwei Klienten des Beklagten habe die Klägerin Exemplare der "Wochenpresse" vom 17. Februar 1982 geschickt, um das Ansehen des Beklagten als Rechtsanwalt in Mißkredit zu bringen. Einen an den Beklagten gerichteten Brief habe die Klägerin widerrechtlich geöffnet, habe ihn dem Beklagten unterschlagen und dem Bezirksgericht Zürich als Bescheinigungsmittel als Grundlage für eine einstweilige Vorsorgemaßnahme vorgelegt. Einer Kanzleiangestellten des Beklagten gegenüber habe die Klägerin erklärt, sie habe für den Fall, daß ihr Alimentationsprozeß schlecht ausgehe, Unterlagen deponiert, die die Kanzlei Dris. S*** vernichten würden. Die Klägerin habe Bilder aus der Ehewohnung und dem Beklagten persönlich gehörige Gegenstände versetzt und habe gegenüber dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Glauben erweckt, der Beklagte verletze Ehre und Ansehen seines Standes dadurch, daß er seine Frau der Not aussetze. In Altaussee, wo der Beklagte ein Haus besitze, habe die Klägerin den Beklagten in der Öffentlichkeit und vor den Kindern beschimpft. Am 8.Februar 1983 habe sie das Haus des Beklagten in Altaussee, in dem der Beklagte mit seiner Sekretärin Gertrud M*** und den Kindern die Energieferien habe verbringen wollen, "belagert" und sei schreiend um das Haus herumgelaufen. Die Klägerin unterhalte ehebrecherische Beziehungen zu einem Taxichauffeur. Im September 1981 sei der Beklagte vor allem deshalb nicht mehr in die Ehewohnung zurückgekehrt, um nicht in eine ausweglose finanzielle Situation zu kommen; die Klägerin habe monatlich S 80.000,-- bis S 100.000,-- Wirtschaftsgeld verbraucht. Die Klägerin bestritt das Vorbringen in der Widerklage und beantragte deren Abweisung.
Das Erstgericht gab sowohl im ersten (Urteil vom 23.Juni 1986, ON 154; aufgehoben mit Beschluß der zweiten Instanz vom 27.November 1986, ON 163), als auch im zweiten Rechtsgang der Klage statt und wies die Widerklage ab. Es traf zur geltend gemachten Verwirkung des eingeklagten Unterhaltsanspruches - die Bemessung des Unterhalts ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens (§ 502 Abs.2 Z 1 ZPO) - folgende Feststellungen:
Die Streitteile leben in aufrechter Ehe; ein Scheidungsverfahren ist zum AZ 30 Cg 43/82 des Landesgerichtes für ZRS Wien anhängig. Am 20. September 1981 hat der Beklagte mit seinen beiden Kindern aus erster Ehe die Ehewohnung verlassen und wohnt seither im Haus seiner Eltern. Der Beklagte ist Eigentümer eines Hauses in Altaussee, in dem die Streitteile bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft einen Teil des Jahres verbrachten. Für beide Haushalte stand eine Hausgehilfin zur Verfügung. Der Beklagte ist für zwei Kinder im Alter von 15 und 16 Jahren sorgepflichtig. Bei aufrechter Lebensgemeinschaft erhielt die Klägerin monatlich Wirtschaftsgeld von S 30.000,-- zuzüglich S 5.000,-- für sich privat. Alle Auslagen für die Schule der Kinder, für die Ehewohnung, das Haus in Altaussee und den PKW der Klägerin wurden gesondert geleistet. Anfang 1981 hatte die Klägerin ihr Konto um S 100.172,42 überzogen. Dieser Betrag wurde, ebenso wie vorangegangene Kontoüberziehungen, vom Vater des Beklagten abgedeckt. Die Streitteile pflegten einen aufwendigen Lebensstil. Die Aufwendungen für die beiderseitige Bekleidung und für Einladungen entsprechen diesem Stil; Verschwendung liegt auf Seiten der Klägerin nicht vor. Der Beklagte ist grundlos nicht mehr in die Ehewohnung zurückgekehrt. Eine familiäre Notsituation und das Verhalten der Klägerin erzwangen nicht den dauernden Aufenthalt des Beklagten im elterlichen Haus. Der Journalist Gerhard F*** arbeitete an einem Artikel über den Verein für Krebshilfe, bei dem der Beklagte die Stellung eines Schriftführers bekleidet. In Journalistenkreisen war damals bekannt, daß die Ehe der Streitteile nicht in Ordnung war;
andererseits war Gerhard F*** bekannt, daß im Zuge des Scheidungsverfahrens des Beklagten von seiner ersten Gattin und dem daran anschließenden Verfahren über die Zuweisung der elterlichen Rechte bezüglich der ehelichen Kinder psychiatrische Gutachten "eine gewisse Rolle spielten". Gerhard F*** hat von sich aus Verbindung mit der Klägerin aufgenommen und wollte diese zu verschiedenen Familieninterna befragen. Die Klägerin zögerte zunächst, mit Gerhard F*** überhaupt Verbindung aufzunehmen, doch kam es schließlich zu wenigstens zwei Treffen, in deren Verlauf Gerhard F*** der Klägerin auf den Kopf zusagte, es sei ihm bekannt, daß ihre Ehe gescheitert sei und ob sie nicht fürchte, daß es ihr ähnlich ergehe wie der ersten Gattin des Beklagten; dabei wies er auf die psychiatrischen Gutachten, die in diesen Verfahren "eine Rolle spielten", hin. Gerhard F*** erklärte schließlich, auch im Besitz der damals gerade eingebrachten Scheidungsklage des Beklagten gegen die Klägerin zu sein, und meinte, falls die Klägerin zu den darin gemachten Vorwürfen nicht Stellung nehme, könne er nur diese Informationen, die er vom Vater des Beklagten erhalten habe, in seinem Artikel verwenden. Nach Ansicht der Klägerin strotzte die Ehescheidungsklage von Unwahrheiten. Sie wollte deshalb verhindern, daß durch einseitige Darstellungen sie als Schuldige hingestellt werde. Die Klägerin gab daher Gerhard F*** Informationen über Familieninterna. Sie selbst war allerdings der Meinung, daß sie ihre Ehe noch retten könne, und hatte keinerlei Schädigungsabsichten dem Beklagten gegenüber. Die Klägerin fürchtete aber den Einfluß des Beklagten und seiner Familie und äußerte auch ihre Besorgnis darüber, daß sie mit mehreren Psychiatern - Bekannten und Freunden des Beklagten - häufiger auf privater und gesellschaftlicher Ebene zusammengekommen war. Diese Besorgnisse und Ängste, die ihr erst durch die Vorhalte und Darstellungen des Journalisten bewußt geworden waren, wurden von diesem in dem Titel "Ich habe Angst vor Peter S***" komprimiert, ohne daß diese Wörter in dieser Form von der Klägerin auch tatsächlich ausgesprochen wurden. Die Klägerin übergab dem Journalisten auch eine Liste von Psychiatern, mit denen sie in letzter Zeit zusammengekommen war, sowie mehrere Familienfotos, die vor allem die Kinder des Beklagten mit ihrer Mutter und mit ihr selbst zeigten. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Gespräche mit dem Journalisten vor allem Sorge, daß sie die Verbindung mit den Kindern des Beklagten, die sie mehrere Jahre gepflegt hatte und die ihr ans Herz gewachsen waren, verlieren würde.
Die Klägerin hatte auch mit den Journalistinnen der Tageszeitungen "Kronen-Zeitung" und "Kurier", Eva D*** und Leomare Q***, zunächst anonym telefonisch Verbindung aufgenommen und sich schließlich mit den beiden auch getroffen. Auch bei diesen Gesprächen ging es der Klägerin in erster Linie darum, daß sie bei diesen, jeweils eine Frauenecke betreuenden Journalistinnen Rat wegen der Kinder des Beklagten, die ihr von einem Tag auf den anderen weggenommen worden waren, suchte. Sie übergab den Journalistinnen aber kein den Beklagten kompromittierendes Material. Sie hat diese auch nicht aufgefordert, Artikel über ihren Gatten zu veröffentlichen, in denen dieser verunglimpft würde. Tatsächlich ist es zu keinerlei Veröffentlichungen in den beiden Zeitungen gekommen. Die Klägerin hat Josef D***, einem langjährigen Freund des Hauses und Klienten des Beklagten, anläßlich eines Telefongespräches, in dem es um Angelegenheiten des Hauses des Beklagten in Altaussee ging, ihre Ehesituation geschildert. Sie übersandte ihm auch den in der "Wochenpresse" erschienenen Artikel.
Zu Weihnachten 1982 hat die Klägerin versehentlich einen an den Beklagten gerichteten Brief, der eine Aufstellung über Aktien und Wertpapiere im Gesamtwert von S 10 Mio. enthielt, geöffnet. In der Annahme, es handle sich um eheliches Vermögen, erwirkte die Klägerin beim Bezirksgericht Zürich ein Verbot an den Beklagten, über diese Vermögenswerte zu verfügen. Das Verbot wurde im Rechtsmittelverfahren aufgehoben.
Eine schädliche Einwirkung der Klägerin auf die beiden Töchter des Beklagten ist nicht erwiesen.
Gegenüber der Kanzleiangestellten Margarete H*** erklärte die Klägerin, jedes Vertrauen in die Rechtspflege zu verlieren, wenn sie den Unterhaltsprozeß verliere; sie wähle den Freitod, wenn die Ehe aus ihrem Verschulden geschieden werde. Der Freitod werde die Presse gegen den Beklagten aufbringen.
Die Klägerin hat Gegenstände im Dorotheum versetzt, weil sie vom Beklagten keine entsprechenden Leistungen für ihren Unterhalt erhielt. Schädigungsabsicht ist nicht erwiesen, die Pfandscheine sind nicht verfallen; vom Vorwurf des Familiendiebstahls wurde die Klägerin freigesprochen.
In einem Schreiben an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer vom 17. Mai 1983 teilte die Klägerin mit, daß der Beklagte sie der Not aussetze. In einem weiteren Schreiben vom 8.November 1983 beantragte die Klägerin beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer, dem Beklagten aus standesrechtlichen Gründen die Weisung zu erteilen, den mittels einstweiliger Verfügung (Beschluß der zweiten Instanz vom 13.Jänner 1983, ON 39, bestätigt durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 24.März 1983, ON 46) festgesetzten Unterhalt von monatlich S 20.000,-- zu bezahlen.
Der Beklagte hat im Februar 1983 die Energieferien mit seinen Kindern und Gertrude M*** in seinem Haus in Altaussee verbracht und die Klägerin nicht in das Haus gelassen. Die Klägerin verlangte, Gertrud M*** müsse das Haus verlassen und sie selbst eingelassen werden. Auch im August 1984 war der Beklagte mit den Kindern und Gertrud M*** in dem Haus in Altaussee und ließ die Klägerin nicht hinein.
Die Klägerin hat keine ehebrecherischen Beziehungen zu Peter W***
unterhalten.
Der Beklagte hat seine Unterhaltspflicht verletzt.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, nur besonders krasse Eheverfehlungen ließen die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches als Rechtsmißbrauch erscheinen. Eine solche krasse Verfehlung könne der Klägerin nicht angelastet werden. Das Vorbringen des Beklagten in der "letzten" Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (2.Dezember 1987, ON 176; AS 69 des II.Bandes), die Klägerin unterhalte seit mindestens August 1985 in Deutschland ein ehebrecherisches Verhältnis und habe dadurch ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, sei offenkundig in Verschleppungsabsicht gestellt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es pflichtete der Ansicht des Erstgerichtes bei, daß das Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 2.Dezember 1987 in Verschleppungsabsicht gestellt worden sei; die Zurückweisung dieses Vorbringens samt Beweisanbot könne daher keinen Verfahrensmangel begründen. Die Feststellungen des Erstgerichtes seien unbedenklich. Nur besonders krasse Fälle, in denen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erscheinen würde, rechtfertigten die Annahme einer Unterhaltsverwirkung. In Betracht zu ziehen sei nicht nur das objektive Gewicht der als erwiesen angenommenen rechtswidrigen Verhaltensweise, sondern auch das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des Anspruch auf Unterhalt erhebenden Ehegatten. Bei der Beurteilung des Gewichts von Eheverfehlungen auf ihre Eignung, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruches herbeizuführen, dürfe das Verhalten des anderen Teils nicht vernachlässigt werden. Entscheidend sei, ob ein Verhalten auf den völligen Verlust oder eine dem nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens eines Ehegatten schließen lasse und ihm dies auch zum Verschulden anzurechnen sei. Die vom Beklagten der Klägerin zur Last gelegten Eheverfehlungen seien auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches herbeizuführen. Das Verhalten der Klägerin reiche nicht für die Annahme hin, die Klägerin habe nicht nur eine Verteidigungsposition gegenüber dem Beklagten bezogen, sondern aus Gehässigkeit ihm gegenüber gehandelt, woraus auf den Verlust ihres Ehewillens geschlossen werden müßte. Das Verhalten des Beklagten (seine ehewidrigen Beziehungen zu Gertrud M***, seine Trennung von der Klägerin, die Übergabe der Scheidungsklage durch den Vater des Beklagten an den Journalisten F***), der seinerseits offenbar nicht gerade besonders darauf bedacht gewesen sei, Vorgänge seines Privatlebens der Öffentlichkeit vorzuenthalten, habe eine besondere Rücksichtnahme der Klägerin ihm gegenüber weder erfordert noch möglich gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Gründen des § 503 Abs.1 Z 2 bis 4 ZPO erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Sowohl unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als auch der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Beklagte dagegen, daß sein Vorbringen in der Tagsatzung vom 2.Dezember 1987, die Klägerin unterhalte seit mindestens August 1985 in Deutschland ein ehebrecherisches Verhältnis, und die hiezu gestellten Beweisanträge wegen offenbarer Verschleppungsabsicht zurückgewiesen wurden.
§ 503 Abs.1 Z 2 ZPO eröffnet nur die Möglichkeit, einen Mangel des Berufungsverfahrens geltend zu machen, nicht aber die Möglichkeit, die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung über einen in der Berufung geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz als unrichtig zu bekämpfen. Da die Frage, ob ein Parteivorbringen nach § 179 Abs.1 ZPO als unstatthaft zu erklären ist, eine rein verfahrensrechtliche Frage ist, die mit der meritorischen Beurteilung der Sache nichts zu tun hat, ist die in zweiter Instanz getroffene Entscheidung nicht weiter anfechtbar (EvBl.1959/361, SZ 55/37 uva).
Aktenwidrig ist nach Ansicht des Beklagten die bei Beurteilung des Vorliegens einer offenbaren Verschleppungsabsicht angestellte Argumentation des Berufungsgerichtes, es bestehe eine beträchtliche Differenz zwischen dem in der einstweiligen Verfügung festgesetzten Unterhaltsbetrag und der nunmehrigen Unterhaltsverpflichtung; denn der Beklagte sei laut einstweiliger Verfügung zu einer monatlichen Geldleistung von S 20.000,-- sowie zur Tragung sämtlicher Kosten der ehelichen Wohnung verpflichtet worden, das mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Unterhaltsbegehren laute auf S 25.000,-- ohne weitere Naturalleistung.
Der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13.Jänner 1983, ON 39, enthält jedoch keine Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Kosten der ehelichen Wohnung. Es wurde auch nach der Begründung dieser Entscheidung bei der Bemessung des vorläufigen Unterhalts auf die tatsächliche Tragung der Kosten der Ehewohnung durch den Beklagten Bedacht genommen. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor, sodaß sich eine Stellungnahme zur Frage erübrigt, ob der geltend gemachte Umstand eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Abs.2 Z 3 ZPO ("...in einem wesentlichen Punkt....") überhaupt zu begründen vermöchte.
Es besteht kein Anlaß, jene Feststellungen, die das Erstgericht bereits im ersten Rechtsgang getroffen hat und auf die in der im zweiten Rechtsgang gefällten Entscheidung - in der diese Feststellungen ergänzt wurden - ausdrücklich verwiesen wird, nicht Bedacht zu nehmen. Es handelt sich insoweit keineswegs um Feststellungen, die aus einem Provisorialverfahren - in dem "lediglich von einem als wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt auszugehen ist" - übernommen wurden.
Gegen die rechtliche Beurteilung der Frage, ob die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten verloren hat, durch die Vorinstanzen bestehen keine Bedenken.
Nach § 94 Abs.2, zweiter Satz, ABGB besteht der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechts wäre. Die Verwirkung des Unterhaltsanspruches nach § 94 Abs.2, zweiter Satz, ABGB ist zu bejahen, wenn die Geltendmachung und Gewährung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten als grob unbillig erschiene (EvBl.1979/83). Das entscheidende Kriterium für die Wertung der groben Unbilligkeit, der besonderen Schwere der Eheverfehlungen und der besonderen Kraßheit des Einzelfalles ist darin zu suchen, daß auf einen völligen Verlust oder eine dem nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens eines Ehegatten zu schließen und ihm dies auch zum Verschulden anzurechnen ist (6 Ob 653/81). Rechtsmißbrauch ist dann anzunehmen, wenn der fordernde Ehegatte seinerseits erkennen läßt, daß er nicht bloß einzelne aus dem ehelichen Verhältnis entspringende Verpflichtungen hintansetzt, sondern sich schlechtweg über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft zu seinem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist, dennoch aber vom anderen Ehepartner die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis begehrt (SZ 58/164).
Aus dem Verhalten der Klägerin kann keinesfalls geschlossen werden, daß sie den Ehewillen verloren hat und daß sie sich über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft zu ihrem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist, sodaß ihr Unterhaltsbegehren grob unbillig und als ein Mißbrauch des Rechtes anzusehen wäre. Zu dem in der "Wochenpresse" erschienenen Bericht hat das Revisionsgericht bereits in dem im Provisorialverfahren ergangenen Beschluß vom 24.März 1983, 7 Ob 546/83, in ausführlicher Weise Stellung genommen. An dem jener Entscheidung als bescheinigt zugrunde gelegten Sachverhalt hat sich im Hauptverfahren nichts Wesentliches geändert. Es kann der Klägerin weder als eine besonders krasse Eheverfehlung, noch als Mangel an Ehewillen vorgeworfen werden, daß sie einem Journalisten, der behauptete, es sei ihm bekannt, daß die Ehe der Streitteile gescheitert sei, er habe von der Gegenseite(!) Informationen über ein Scheidungsverfahren erhalten, und ihr ankündigte, auf der Grundlage dieser Informationen eine Reportage zu veröffentlichen, soferne sie sich hiezu nicht äußere, ihre Darstellung entgegenhielt, um nicht "als Schuldige dazustehen". Strebte der in der Öffentlichkeit bekannte Beklagte (dadurch, daß er die Ehewohnung verließ und mit einer neuen Begleiterin auftrat) in einer Weise (ein weiteres Mal) aus der Ehe, daß sich eben diese Öffentlichkeit (auch wegen "gewisser" Vorkommnisse im Zuge des Scheidungsverfahrens des Beklagten von seiner ersten Gattin und denkbarer Parallelen bei einer Scheidung des Beklagten von der Klägerin) damit beschäftigte, bezweckten die Angaben, die die Klägerin dem Journalisten machte, vor allem den Schutz ihrer eigenen Person und dienten nicht dem Ziel, dem Beklagten zu schaden.
Rat wegen der Kinder des Beklagten aus dessen erster Ehe, zu denen sie die Verbindung nicht verlieren wollte, bei Journalistinnen zu suchen, die Frauenecken viel gelesener Tageszeitungen betreuten, war ungeachtet dessen, daß von einem versierten Rechtsanwalt eine juristisch verläßlichere Auskunft zu erwarten gewesen wäre, nicht unverständlich, da die Klägerin annehmen durfte, daß an diese schon wiederholt Probleme ähnlicher Art herangetragen worden waren. Es ist nicht erwiesen, daß die Klägerin dabei aus Gehässigkeit gegenüber dem Beklagten handelte und den Beklagten damit kompromittieren wollte.
Daß die Klägerin mit Josef D***, als jahrelangem Freund des Hauses, auch über ihre Ehe sprach und ihm daran anschließend den Artikel in der "Wochenpresse" übersandte - den er sich ebenso gut auf andere Weise hätte beschaffen können - , ist nicht als besonders schwere Eheverfehlung anzusehen, zumal nichts darauf hindeutet, daß dies in der Absicht geschehen ist, Ehre und Ansehen des Beklagten herabzusetzen.
Die Äußerungen der Klägerin gegenüber der Kanzleiangestellten Margarete H*** und ihr Verhalten in Altaussee in den Energieferien Februar 1983, als sich Gertrude M*** in dem Ferienhaus des Beklagten befand, sie selbst jedoch aus diesem Haus ausgeschlossen war, sind Ausdruck von Verzweiflung und nervöser Überreiztheit, nicht aber von Feindseligkeit gegenüber dem Beklagten. Ähnlich verhält es sich mit den beiden Schreiben an die Rechtsanwaltskammer, die primär eine Bitte der Klägerin um Hilfe bei der Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche durch entsprechende Einwirkung auf den Beklagten enthielten, nicht eine Anschwärzung des Beklagten, um diesem berufliche Nachteile zuzufügen (vgl. EFSlg.46.176 und Schwindt in Klang2 I/1, 776).
Ob der Umstand, daß die Klägerin den versehentlich geöffneten Brief nicht dem Beklagten ausgefolgt, sondern zur Stellung von Anträgen bei einem Schweizer Gericht verwendet hat, eine Eheverfehlung darstellt, muß hier nicht erörtert werden. Zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs kann dies nämlich keinesfalls führen, weil der Klägerin zugute zu halten ist, daß sie im Hinblick auf den vom Beklagten gegen sie anhängig gemachten Scheidungsstreit bestrebt sein durfte, für ein allfälliges dem Scheidungsverfahren nachfolgendes Aufteilungsverfahren ihre Rechte zu wahren. Das Verhalten der Klägerin entspringt insgesamt dem - wenn auch vielleicht zum Teil übersteigerten - Bedürfnis, sich gegen eine von ihr als ungerechtfertigt angesehene Behandlung durch den Beklagten zur Wehr zu setzen, nicht dem Mangel ehelicher Gesinnung. Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen in der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches einen Rechtsmißbrauch nicht gesehen. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E16016European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00660.88.1020.000Dokumentnummer
JJT_19881020_OGH0002_0070OB00660_8800000_000