Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz Josef W*** wegen des Vergehens des Betrugs nach §§ 146 f. StGB. sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 1.August 1988, GZ. 18 a Vr 753/88-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung (Faktum 2) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen versuchten Betrugs (zweiter Teil des Faktums 1) und folglich im Strafausspruch, ferner gemäß § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen im Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs (erster Teil des Faktums 1) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die obige Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 14.August 1956 geborene Kraftfahrzeugmechaniker Franz Josef W*** wurde der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 und 15 StGB. (1) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. (2) schuldig erkannt.
Darnach hat er
in Feldkirch im zweiten Halbjahr 1984 Angestellte der
Ö*** L***, Filiale F***, unter dem falschen
Schein eins zahlungswilligen Darlehensnehmers, indem er Typenscheine der Fahrzeuge BMW 320 i (Besitzer: Armin B***) und BMW 320 (Besitzer: Gabriele E***) zwecks Vortäuschung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Vorhandenseins von pfändbarem Vermögen der Bank übergab, zur Zahlung eines Betrags von 170.000 S an ihn verleitet und hinsichtlich eines unbekannten Restbetrags durch Übergabe des Typenscheins des Fahrzeugs BMW M 635 CSi (Besitzer: Fritz K***) zu verleiten getrachtet, wobei der Schade 500.000 S nicht überstieg (1), sowie in Tateinheit mit dem zu (1) geschilderten Verhalten die drei dort angeführten Typenscheine durch Übergabe an die Ö*** L***, Filiale F***, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts gebraucht werden (2).
Beide Schuldsprüche ficht der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und b StPO. an.
Rechtliche Beurteilung
Mit Recht wendet der Nichtigkeitswerber in der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite in bezug auf das Faktum Betrugsversuch durch Hingabe des Typenscheins für das Fahrzeug BMW M 635 CSi ein; dieser Mangel haftet aber dem Urteil - vom Rechtsmittelwerber nicht geltend gemacht - auch hinsichtlich des Faktums vollendeter Betrug an.
Dem Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen ein (Kontokorrent-) Kreditrahmen von 300.000 S zugesagt (S. 307); als vollendeter Betrug wird ihm angelastet, am 18.September 1984 hievon 170.000 S in Anspruch genommen zu haben. Den Entscheidungsgründen ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, ob der Kreditnehmer ernstlich mit der Möglichkeit gerechnet und sich damit abgefunden hat, diesen innerhalb des Kreditrahmens gelegenen Betrag nicht innerhalb einer der Übung des redlichen Verkehrs entsprechenden Frist zurückzahlen zu können. Feststellungen in dieser Richtung waren aber vor allem auch deshalb geboten, weil nach der Inanspruchnahme des Kredits bereits in den nächsten Monaten ein Betrag von mehr als 100.000 S wertmäßig der Ö*** L***, Filiale F***, wieder
zugeflossen ist (siehe S. 245 i.V.m. S. 195). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in der Folge weitaus höhere Verbindlichkeiten bei der S*** DER S*** F*** beglichen hat (S. 231 f.).
Die Ausführungen im Urteil (S. 313, zweiter Absatz): "Er handelte dabei mit dem zumindest bedingten Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und diese an ihrem Vermögen zu schädigen" erweisen sich mangels Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Falls als substanzlos und reichen zur Veranschaulichung der subjektiven Tatseite des Betrugs nicht aus. Die näheren Sachverhaltsfeststellungen (S. 305 verso ganz unten bis S. 307 verso, vorletzter Absatz) sowie die anschließenden Ausführungen (bis S. 313, erster Absatz) nehmen nur Bezug auf den Täuschungsvorsatz des Rechtsmittelwerbers, nicht aber auf den Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz. Darüber hinaus fehlen in den Gründen Feststellungen zum im Urteilstenor angeführten, bloß vorgetäuschten Rückzahlungswillen bei der Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits.
Die aufgezeigten, ausschließlich die subjektive Tatseite betreffenden Umstände, sind für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten als vollendeter und versuchter Betrug unumgänglich. Das Urteil ist sonach mit teils gerügten, teils nicht gerügten (und insoweit gemäß § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen zu berücksichtigenden) Feststellungsmängeln behaftet, sodaß die Kassierung des Schuldspruchs im gesamten Betrugsumfang unumgänglich ist.
Den Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung (Faktum 2), der nach dem Urteilsspruch in Tateinheit mit dem vollendeten und versuchten Betrug durch Übergabe der Typenscheine von Fahrzeugen, die dem Beschwerdeführer nicht gehörten, an die den Kontokorrentkredit gewährende Bank mit dem Vorsatz begangen wurde, den Gebrauch dieser Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts zu verhindern, bekämpft der Nichtigkeitswerber mit Rechtsrüge (Z. 9 lit. a). Diese wird allerdings nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil sie nicht vom vollständigen Urteilsinhalt ausgeht. Das Schöffengericht hat zu diesem Faktum ausgeführt, daß der Angeklagte durch die Übergabe der Typenscheine, über die er nicht verfügen durfte, an das Geldinstitut die Berechtigten um die Möglichkeit gebracht hat, sich dieser Urkunden zu bedienen; sein zumindest bedingter Vorsatz erstreckte sich nicht nur auf das Unterdrücken, sondern auch auf die Verhinderung des Gebrauchs durch die Berechtigten (S. 313 f.). Indem in der Beschwerde "ausreichende Feststellungen des Erstgerichts zum Strafvorwurf des Vergehens nach § 229 Abs. 1 StGB., insbesondere in bezug auf den Vorsatz" vermißt werden, werden die eben wiedergegebenen Urteilspassagen übergangen. Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß "Unterdrücken" jede vorsätzliche Handlung ist, die den Berechtigten um die Möglichkeit bringt, sich der (unversehrten) Urkunde zu bedienen (SSt. 51/44, 13 Os 114/84 u.a.) und daß § 229 StGB. keinen speziellen Gebrauchsverhinderungsvorsatz verlangt (SSt. 51/21, EvBl. 1981/80, 1981/106, 1982/191, 13 Os 114/84).
Infolge Kassierung des Schuldspruchs im Faktum 1 erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Punkte der Nichtigkeitsbeschwerde, die ausschließlich den Betrug betreffen.
Es war daher der zum Vorteil des Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gemäß § 285 e StPO. Folge zu geben, teilweise war gemäß § 290 Abs. 1 StPO. mit amtswegiger Kassierung vorzugehen und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Hinsichtlich des Faktums 2 war die Beschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO. als nicht gesetzmäßig ausgeführt zurückzuweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen. Abschließend sei erwähnt, daß die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. im Faktum 1 verfehlt war, weil die in Rede stehenden Typenscheine keine in der genannten Gesetzesstelle angeführten Urkunden sind.
Anmerkung
E15601European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00133.88.1020.000Dokumentnummer
JJT_19881020_OGH0002_0130OS00133_8800000_000