TE OGH 1988/10/20 8Ob622/88

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Veröffentlicht am 20.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Odo W***, Angestellter, 1170 Wien, Alszeile 15/43, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz S***, Gastwirt, 6020 Innsbruck, Viktor-Dankl-Straße 14c, vertreten durch Dr. Günther Maleczek, Rechtsanwalt in Schwaz, wegen S 82.209,98 s.A. und Feststellung infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1988, GZ 2 R 54/88-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. November 1987, GZ 7 Cg 320/86-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision des Beklagten wird nicht Folge gegeben. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kam am 22. Jänner 1986 in der vom Beklagten in St. Anton am Arlberg betriebenen Schihütte "Ulmerhütte" zu Sturz. Er begehrte vom Beklagten die Bezahlung von S 82.209,98 s.A. an Schadenersatz und stellte ein mit S 5.000,-- bewertetes Feststellungsbegehren. Der Beklagte hafte - unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldens des Klägers von einem Viertel - für 75 % der Unfallsfolgen, weil er als Betreiber der Ulmerhütte seine Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt habe. Er habe trotz des rutschigen Bodens keine geeigneten Sicherheitsmaßnahmen gesetzt und auch nicht vor dieser Gefahrenquelle ausdrücklich gewarnt. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er habe seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden, bereits im Berufungsverfahren nicht mehr bekämpften Sachverhalt fest:

Der Beklagte betreibt als Gastwirt die in St. Anton am Arlberg in 2.280 m Seehöhe gelegene Schihütte "Ulmerhütte", die stark frequentiert wird. Vor dem Eingang dieser Schihütte liegt ein etwas erhöht angebrachter Gitterrost zur Abstreifung der Schischuhsohlen. Daran schließt sich ein kleiner Holzverbau an, in dem sich ein zweiter Gitterrost befindet. Dort sind auch mehrere Besen zum Abkehren der Schischuhe vorhanden, worauf ein Schild hinweist. Danach gelangt man in einen Vorraum, der bis zur Gaststube führt und auf einer Länge von ca. 15 m mit Fliesen bedeckt ist. Auf diesen Fliesen liegt ein durchgehender Teppich mit Schaumgummirücken, darüberhinaus ist noch ein weiterer Fußabstreifer in einem Ausmaß von 2 x 1,30 m vorhanden. Die Gaststube ist in zwei Räumen unterteilt und beide Räume sind mit einem Holzboden ausgelegt. Auf dem Holzboden des ersten Gastraumes ist unmittelbar an die Eingangstüre anschließend ein Teppichläufer ausgelegt, der bis zur Türschwelle zur zweiten Gaststube führt. Auch in der zweiten Gaststube befindet sich ein Teppichläufer; auf einer Strecke von ca. 2 m von der Türschwelle bis zum Beginn dieses Teppichs liegt der Holzboden frei.

Der Kläger, ein ausgezeichneter Schifahrer, nahm in der Woche vom 18. Jänner bis 25. Jänner 1986 an einem von der Turn- und Sportakademie Wien in St. Anton veranstalteten Schikurs teil. Am 22. Jänner 1986 herrschte schlechtes Wetter. Der Kläger kehrte gegen 12.00 Uhr zum Mittagessen bei der Ulmerhütte ein. Er reinigte im Vorraum zur Gaststube seine Kleidung und Schuhe vom Schnee. Ob er dabei seine Schuhsohlen gründlich vom Schnee reinigte, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger ging durch den ersten Raum auf dem Teppichläufer bis zur Türschwelle des zweiten Gastraums und nahm wahr, daß anschließend über eine Strecke von ca. 2 m kein Teppich vorhanden ist, sondern der Parkettboden frei liegt. Ob und inwieweit damals erkennbar war, daß dieses Stück Holzboden feucht war, kann nicht festgestellt werden. Bei Überquerung des erwähnten 2 m langen Holzbodenbereiches rutschte der Kläger mit seinen Schischuhen aus und verletzte sich bei dem anschließenden Sturz.

Der Beklagte, der die Ulmerhütte als Gastwirt schon 16 Jahre betreibt, hatte die Bodenreinigung in der Weise organisiert, daß der Parkettboden jeweils nach Abwicklung des Hauptbetriebes nach der Mittagszeit gesaugt und getrocknet wird. Wenn eine besonders starke Feuchtigkeit auf dem Parkettboden vorhanden ist, wird dieser fallweise auch sofort gesaugt. Es kommt dennoch immer wieder vor, daß Besucher der Ulmerhütte in diesem Bereich unmittelbar nach der Türschwelle zum zweiten Gaststubenraum auf dem Parkettboden ausrutschen und in Sturzgefahr geraten. Dies wurde auch vom Personal des Beklagten bemerkt. Ob dem Beklagten derartige Vorfälle selbst mitgeteilt wurden, kann nicht festgestellt werden.

Die Besucheranzahl in der Ulmerhütte bewegt sich bei über 1.000 Personen pro Tag.

Nachdem der Kläger durch Auflegen von Schnee am linken Knie eine Selbstversorgung vorgenommen hatte, fuhr er noch selbst mit den Schiern zu Tal, wobei dadurch keine Verschlechterung der Verletzung und auch keine Verzögerung des Heilungsverlaufes herbeigeführt wurde. Der Kläger suchte sofort den Arzt Dr. M*** in St. Anton auf, der eine Zerrung des Innenbandes feststellte. Der Kläger konnte sich in der Folge aber nur mehr auf Krücken fortbewegen, weshalb er sich am 25. Jänner 1986 in Wien in klinische Behandlung begab, wo eine Bandruptur des linken Kniegelenks festgestellt und diese operativ versorgt wurde. Diese Verletzung und deren Folgen bewirkten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 bis 20 %.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß ein Parkettboden ein auf Schihütten durchaus üblicher Belag sei, welcher naturgemäß während der Benützung der Schihütte durch die von den Gästen hereingetragenen Schneereste auf den Schuhen feucht werde und mit dem daher immer eine gewisse Rutschgefahr verbunden sei. Dies müsse den den Schisport ausübenden Hüttenbesuchern bekannt sein. Auch eine öftere Reinigung des Bodens sei im Hinblick auf die große Zahl von Besuchern, welche die Ulmerhütte aufsuchen, nicht zu fordern.

Infolge der vom Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung änderte das Gericht zweiter Instanz das angefochtene Urteil - ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 - dahin ab, daß es dem Zahlungsbegehren mit S 39.806,65 s.A. und dem Feststellungsbegehren bezüglich der Haftung des Beklagten zu 50 v. H. für alle künftigen Unfallsfolgen beim Kläger stattgab und die Mehrbegehren (S 42.303,33 s.A. und Feststellung der Haftung für weitere 25 v. H.) abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, der von der Bestätigung betroffene Wert S 60.000,--, insgesamt aber nicht S 300.000,-- übersteige und das die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Verkehrssicherungspflicht auf derartigen Schihütten fehle. Das Berufungsgericht führte zum Grund des Anspruches - nur dieser ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens - aus, den Beklagten falle eine Vernachlässigung der Verkehrssicherungs- und Sorgfaltspflichten, die allerdings nicht überspannt werden dürften, zur Last. Dadurch, daß nach der Schwelle der zweiten Gaststube ein ca. 2 m langes Stück des Bodens nicht mit einem Teppich ausgelegt war, sondern dort der Parkettboden frei lag, obwohl sowohl davor (Vorraum und erste Gaststube) als auch danach (in der zweiten Gaststube) Teppichläufer ausgelegt waren, sei eine Gefahrenquelle vorhanden gewesen. Es sei daher immer wieder vorgekommen, daß Besucher der Ulmerhütte in diesem Bereich ausgerutscht seien. Der Beklagte hätte daher in Kenntnis des Umstandes, daß Besucher die Hütte in Schischuhen betreten, die erfahrungsgemäß das Gehen auf glatter Unterlage erschweren, auch dieses Stück mit einem Teppichläufer auslegen müssen. Allerdings müsse sich auch der Kläger seine eigene Sorglosigkeit als Mitverschulden anrechnen lassen. Dieses sei nicht - wie in ähnlich gelagerten Fällen - bloß mit einem Viertel, wie der Kläger meint, sondern mit 50 v.H. anzunehmen, weil ihm eine gröbliche Mißachtung der Sorgfaltspflicht in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen sei. Als Schifahrer hätte ihm bewußt sein müssen, daß das Betreten eines frei liegenden Parkettbodens mit Schischuhen nur mit besonderer Vorsicht bewerkstelligt werden sollte, insbesondere deswegen, weil in einer derart stark frequentierten Schihütte feuchte Stellen in einem solchen Bereich nicht ausgeschlossen werden könnten.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Kläger begehrt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 3 zu seinen Gunsten ausgegangen werde, wogegen der Beklagte die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens verlangt. Ihm könne kein Verschulden angelastet werden, weil eine Schihütte im Hochgebirge gleichsam eine Fortsetzung der Schipiste darstelle und sich daher wie dort auch in der Gaststube die (Boden)Verhältnisse ändern könnten. Aus der Auflegung von Teppichen in anderen Bereichen dürfe dem Beklagten kein Nachteil entstehen, weil er auch dazu nicht verpflichtet gewesen sei.

Die Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig, diejenige des Beklagten nicht berechtigt.

1. Zur Revision des Klägers:

Der Oberste Gerichtshof hat die Zulässigkeit einer Revision selbständig zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO trotz eines entsprechenden Ausspruches des Berufungsgerichtes nicht vor, so ist die Revision zurückzuweisen (JBl. 1984, 564 ua). Gegenstand der Revision des Klägers ist nur noch die Frage der Verschuldensteilung. Der Oberste Gerichtshof sollte aber, von grundsätzlichen Fragen abgesehen, im Rahmen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht über die Art der Verschuldensteilung und die Schwere des Verschuldens zu entscheiden haben (RZ 1985/3; 3 Ob 625/83 und 2 Ob 65/88). Eine grundsätzliche Rechtsfrage ist aber hier in dieser Hinsicht nicht erkennbar und wird vom Kläger auch gar nicht aufgezeigt.

Die Revision des Klägers war daher als unzulässig zurückzuweisen. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit dieser Revision nicht hinwies, hat er keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung.

2. Zur Revision des Beklagten:

Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, daß denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft, eine Verkehrssicherungspflicht trifft (Koziol, Haftpflichtrecht II, 250; JBl. 1973, 35). Diese Verkehrssicherungspflicht trifft einen Gastwirt als Nebenpflicht aus dem sogenannten Bewirtungsvertrag und anerkanntermaßen auch schon vor Abschluß desselben auf Grund vorvertraglicher Nebenleistungspflichten.

Daher haben Gastwirte die ihrer Verfügung obliegenden Räume und Anlagen, die sie dem Zutritt eines größeren, wechselnden Personenkreises eröffnen, für die befugten Benützer in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten (SZ 43/204), wobei freilich die Anforderungen die Grenze des zumutbaren nicht überschreiten dürfen (JBl. 1965, 474). Dies gilt auch für einen in Form einer Schihütte im Hochgebirge betriebenen Gastwirtschaftsbetrieb. Da der Gastwirt dort in besonderem Maß mit dem Einbringen von Feuchtigkeit und einer damit verursachten Rutschgefahr rechnen muß, hat er durch einen entsprechenden rutschhemmenden Bodenbelag einer Verletzungsgefahr seiner Gäste vorzubeugen (vgl. 7 Ob 548/82); dies gilt umso mehr, wenn mit dem Betreten der Gasträumlichkeiten mit Schischuhen gerechnet werden muß, in denen an und für sich ein schwankungsfreies Gehen erschwert ist.

Die Rechtsmeinung des Beklagten, daß eine Schihütte gleichsam eine Fortsetzung der Schipiste sei und daß er deswegen zu Vorsichtsmaßnahmen gegen die Rutschgefahr nicht verpflichtet sei, wird vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligt. Schon in der Entscheidung vom 4. März 1982, 7 Ob 548/82, sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß in einem von vielen Schifahrern mit Schischuhen betretenen Gasthaus zwar ein ständiges Trockenwischen des Fußbodens im Hinblick auf den infolge Beendigung des Schibetriebes einsetzenden starken Verkehr in den Räumen des Wirtes unmöglich sei, daß aber Bremsmittel angewendet werden müßten.

Durch die Verwendung eines Teppichs hat der Beklagte zwar eine an sich geeignete Vorkehrung gegen die auf dem Parkettboden bestandene Rutschgefahr getroffen, er ist aber seiner Verkehrssicherungspflicht in diesem Raum der Hütte nicht ausreichend nachgekommen, weil ein Teil des Parkettbodens nicht von diesem Teppich bedeckt und auch in sonstiger Weise nicht gegen die bestandene Rutschgefahr abgesichert war, so daß bereits vor dem Unfall des Klägers wiederholt Personen an dieser Stelle ins Rutschen gekommen sind. Diese Gefahr hätte der Beklagte bei Vornahme der ihm zumutbaren Kontrolle des Betriebsablaufes und der Beschaffenheit des Fußbodens unter den besonderen winterlichen Verhältnissen selbst oder durch dazu bestellte Überwachungspersonen als Erfüllungsgehilfen (§ 1313 a ABGB) erkennen und beseitigen müssen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung über das die Revision des Beklagten betreffende Verfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00622.88.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19881020_OGH0002_0080OB00622_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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