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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des E, (geboren 1974), vertreten durch Dr. Peter R. Föger, Mag. Hanno Pall und Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher-Straße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 28. Dezember 2004, Zl. III 4033-111/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 28. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus Österreich ausgewiesen.
Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel habe den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm §§ 10 Abs. 2 Z. 3, 37 FrG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, weil er sich seit Ablauf seines letzten Aufenthaltstitels (mit 31. Oktober 2004) ohne Aufenthaltstitel - somit unrechtmäßig - in Österreich aufhalten würde, ein unrechtmäßiger Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellte, dies einen Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG bilden würde, und der Beschwerdeführer (am 5. November 2004) einen Verlängerungsantrag eingebracht hätte und ein diesbezügliches Verfahren anhängig wäre.
Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 1. November 2004 rechtswidrig - ohne den erforderlichen gültigen Aufenthaltstitel - im Bundesgebiet auf (vgl. § 31 FrG und den Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers mit 31. Oktober 2004).
Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers durch die Ausweisung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG läge insofern vor, als dieser seit dem Jahr 2002 als Saisonarbeitskraft im Gastgewerbe nach Österreich komme, zuletzt in einem näher bezeichneten Ort im Bezirk Kitzbühel, wo der Beschwerdeführer seit Jänner 2004 arbeite und wo seine letzte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 9 FrG (wie schon erwähnt) mit Ablauf des 31. Oktober 2004 geendet habe. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet dementsprechend gering integriert. Eine familiäre Bindung im Bundesgebiet habe er nicht. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff sei jedoch im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung, näherhin des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, dringend geboten. Der genauen Einhaltung der mit dem Aufenthalt von Fremden im Zusammenhang stehenden Vorschriften bzw. dem Umstand, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, komme ein hoher Stellenwert zu.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte Umstände vorlägen, könne von der Ausweisung auch nicht im Rahmen des von der Behörde zu übenden Ermessens gemäß § 33 Abs. 1 FrG Abstand genommen werden.
Zum verspätet eingebrachten (Verlängerungs-)Antrag vom 5. November 2004 werde bemerkt, dass der Beschwerdeführer diesen Antrag zwar gemäß § 14 Abs. 2b FrG zulässigerweise im Inland eingebracht habe, dass er aber der Behörde keine neue, gültige Beschäftigungsbewilligung des Arbeitsmarktservice vorgelegt hätte (eine Sicherungsbescheinigung gemäß § 11 AuslBG sei nicht identisch mit einer Beschäftigungsbewilligung), weshalb der Verlängerungsantrag von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel für den Beschwerdeführer nicht habe positiv entschieden werden können. Der Beschwerdeführer müsse auf Grund seines rechtswidrigen Aufenthalts seit dem 1. November 2004 das Bundesgebiet verlassen. Einer späteren, rechtmäßigen Wiedereinreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet stehe die Ausweisung nicht im Weg.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend aus, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf der ihm zuletzt gemäß § 9 FrG erteilten bis zum 31. Oktober 2004 gültigen Aufenthaltserlaubnis unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb. Vor diesem Hintergrund besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt seien, kein Einwand. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer (ebenfalls unstrittig) seinen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis stellte, und ihm daher schon deshalb die Bestimmung des § 31 Abs. 4 FrG nicht zugute kam. Schließlich hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall auf dem Boden der hg. Rechtsprechung - vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/18/0179, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - für die Erlassung der vorliegenden Ausweisung zurecht § 33 FrG herangezogen, weil die letzte, vom 1. Mai 2004 bis zum 31. Oktober 2004 gültige Aufenthaltserlaubnis des Beschwerdeführers ihm bereits im Anschluss an eine "quotenfreie Erstaufenthaltserlaubnis" für eine "befristete Beschäftigung, § 12 Abs. 2 FrG", gültig vom 20. Jänner 2004 bis zum 30. April 2004, erteilt worden war, und damit dem am 5. November 2004 gestellten weiteren Verlängerungsantrag die im genannten Erkenntnis bezeichnete rechtliche Grenze entgegensteht.
2. Die von der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 1 FrG vorgenommene - von der Beschwerde nicht bekämpfte - Beurteilung kann aus den im angefochtenen Bescheid dazu angestellten Erwägungen nicht als rechtsirrig erkannt werden.
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er sich bereits am 5. November 2004, somit am dritten Werktag nach Ablauf seiner ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis, bei der Erstbehörde um die Verlängerung seines Aufenthaltstitels bemüht habe. Er sei lediglich für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich aufhältig, er habe während dieses Zeitraums keine Störung der öffentlichen Ordnung oder sonstiger öffentlicher Interessen herbeigeführt und sich bereits in der Vergangenheit in Österreich stets wohlverhalten. Unter Zugrundelegung der Regelung des § 31 Abs. 4 FrG hätte die belangte Behörde bei der Handhabung des Ermessens nach § 33 Abs. 1 FrG von der Erlassung der vorliegenden Ausweisung absehen müssen. Das Versäumnis des Beschwerdeführers zur Antragstellung betreffend einen weiteren Aufenthaltstitel sei als "beinahe unerheblich" zu qualifizieren. Die belangte Behörde gehe zudem offenkundig davon aus, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner verspäteten Antragstellung zumindest grob fahrlässig gehandelt und die Antragstellung grob schuldhaft verspätet vorgenommen habe. Die belangte Behörde habe dazu jedoch keine entsprechenden Erhebungen geführt und insofern den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt.
3.2. Nach der hg. Rechtsprechung setzt die Handhabung des Ermessens nach § 33 Abs. 1 FrG zu Gunsten eines Fremden voraus, dass in seinem Fall besondere Umstände vorliegen, die für eine solche Ermessensübung sprechen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2003/18/0189). Angesichts des gewichtigen öffentlichen Interesses, das der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt des Fremden getroffenen Regelungen im Licht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt, kann aber die von der Beschwerde angesprochene verspätete Einbringung des Verlängerungsantrags nicht einen solchen besonderen Umstand darstellen, zumal der Beschwerdeführer in Ansehung der ihm wiederholt erteilten Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft bzw. als befristet beschäftigter Fremder (vgl. § 9 FrG) nicht als bereits in Österreich niedergelassen angesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2004, Zl. 2004/18/0358, mwH).
4. Festzuhalten ist schließlich, dass der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass er von dem auf das Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei aus dem Jahr 1963 gestützten Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 erfasst wäre. Auch für den Verwaltungsgerichtshof bieten sich diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Im Hinblick auf Art. 6 des Beschlusses ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer schon die nach Abs. 1 erster Gedankenstrich vorgesehene Voraussetzung, in Österreich ein Jahr hindurch ordnungsgemäß beschäftigt gewesen zu sein, nicht erfüllt. Aus den Verwaltungsakten (vgl. OZ 3) ergibt sich dazu nämlich Folgendes: Erstmals verfügte der Beschwerdeführer über "eine quotenfreie Erstaufenthaltserlaubnis" als Saisonarbeitskraft vom 3. Juni 2002 bis zum 31. Oktober 2002, eine weitere derartige Erstaufenthaltserlaubnis kam ihm vom 11. Dezember 2002 bis zum 15. Mai 2003 zu. Ferner verfügte der Beschwerdeführer (wie schon erwähnt) über eine "quotenfreie Erstaufenthaltserlaubnis" für eine "befristete Beschäftigung, § 12 Abs. 2 FrG" vom 20. Jänner 2004 bis zum 30. April 2004, in Verlängerung dazu wurde dem Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid genannte Aufenthaltserlaubnis, gültig vom 1. Mai 2004 bis zum 31. Oktober 2004 erteilt. Auch findet sich kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt Österreichs angehörenden türkischen Arbeitnehmers im Sinn des Art. 7 des genannten Beschlusses die Genehmigung erhalten hätte, zu diesem zu ziehen. Damit ist schon deshalb das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C- 136/03 (Georg Dörr gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten und Ibrahim Ünal gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg) für den vorliegenden Beschwerdefall nicht einschlägig.
5. Nach dem Gesagten erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. Oktober 2005
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005180049.X00Im RIS seit
04.11.2005Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011