TE OGH 1988/10/25 2Ob556/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Vormundschaftssache des mj. Young S*****, geboren am 17. Jänner 1985, infolge Revisionsrekurses des Vaters Chang H*****; Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Nikolaus Bilowitzki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. April 1988, GZ 47 R 254/88-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 1. März 1988, GZ 2 P 74/85-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Antrag des Vaters auf Ersatz von Kosten seines Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Young S***** wurde am 17. Jänner 1985 von Young L***** außer der Ehe geboren. Mutter und Kind sind österreichische Staatsangehörige und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wien, wo das Kind im Haushalt der Mutter betreut wird. Der koreanische Staatsangehörige Chang H*****, der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft ist, hat vor dem Bezirksjugendamt für den 16. Bezirk Wien die Vaterschaft zu diesem Kind anerkannt. Die Mutter wurde zur Vormünderin des Kindes, das Bezirksjugendamt für den 16. Bezirk Wien zum besonderen Sachwalter zur Hereinbringung der dem Kind dem Vater gegenüber zustehenden Unterhaltsleistung bestellt.

Mit einem am 17. Dezember 1987 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz stellte der besondere Sachwalter den Antrag, den Vater, gegen den ein vollstreckbarer Unterhaltstitel nicht besteht, ab Antragstag zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.200,- für das Kind zu verpflichten. Der Vater habe bereits 1980 seine Diplomarbeit in Volkswirtschaft absolviert und könne daher bereits ein Einkommen von S 20.000,- monatlich ins Verdienen bringen (ON 4). Am 26. Februar 1988 langte ein Antrag des besonderen Sachwalters beim Erstgericht ein, den Vater ab Antragstag zur Zahlung von vorläufigem Unterhalt zu verhalten. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß am 15. Dezember 1987 beantragt worden sei, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.200,- zu verpflichten. Eine Beschlußfassung darüber sei noch nicht erfolgt; es existiere kein Unterhaltstitel (ON 10).

Das Erstgericht wies den Antrag des besonderen Sachwalters, den Vater zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts zu verpflichten, ab. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß im Rahmen des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens das Amtsgericht Regensburg um Rechtshilfe durch Vernehmung des Vaters und Feststellung seiner persönlichen Verhältnisse ersucht worden sei; dieses Rechtshilfeersuchen sei noch nicht erledigt. Es stehe noch nicht fest, ob der Vater tatsächlich in der Lage sei, Unterhalt zu leisten. Nach den Angaben der Mutter halte er sich zum Zweck eines Studiums in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ihre Angaben, daß er von seinen Eltern ausreichend unterstützt werde, seien mangels Überprüfbarkeit nicht stichhältig. Er sei koreanischer Staatsbürger und es könne daher nicht angenommen werden, daß er in der Bundesrepublik Deutschland jederzeit Arbeit finden könne. Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs des besonderen Sachwalters gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Vater verpflichtete, ab 26. Februar 1988 vorläufige Unterhaltsbeträge von monatlich S 1.200,- zu Handen des besonderen Sachwalters zu bezahlen; diese einstweilige Verfügung werde bis zur rechtskräftigen Beendigung des laufenden Unterhaltsverfahrens bewilligt. Das Rekursgericht sprach aus, daß gegen seine Entscheidung der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, es sei im Unterhaltsantrag vorgebracht worden, daß der Vater seine Diplomarbeit in Volkswirtschaft 1980 absolviert habe, und daher bereits S 20.000,-

monatlich verdienen könne. Im Antrag auf Zuspruch vorläufigen Unterhalts sei auf den Unterhaltsantrag verwiesen worden. Das Erstgericht hätte - mangels anderer Ergebnisse aus dem Pflegschaftsakt - dieses Vorbringen als bescheinigt ansehen und aus diesem Grund dem Begehren auf vorläufigen Unterhalt stattgeben können. Jedenfalls sei die Vermutung des Erstgerichtes, daß der Vater als koreanischer Staatsbürger in der Bundesrepublik Deutschland keine Arbeit finden könnte, durch die Aktenlage nicht gedeckt. Selbst wenn man von den nunmehr vorliegenden Angaben des Vaters ausgehe, werde dadurch die Antragsbehauptung, der Vater könne auf Grund seiner Ausbildung monatlich umgerechnet S 20.000,- verdienen, nicht widerlegt. Der Vater habe angegeben, sein Studium der Volkswirtschaft bereits 1980 abgeschlossen zu haben, jedoch kein Einkommen zu beziehen. Offenbar setze er seine akademische Ausbildung zur Erlangung des Doktorates fort. Er werde von seinen Eltern unterstützt. Daß er nach seinem Vorbringen bisher keine Anstellung gefunden habe, widerspreche allein der Antragsbehauptung, er könne - entsprechende Bemühungen vorausgesetzt - monatlich umgerechnet S 20.000,- verdienen, noch nicht.

Ausgehend von den als bescheinigt anzunehmenden Antragsbehauptungen seien die Voraussetzungen des § 382 a EO für den Zuspruch des begehrten vorläufigen Unterhalts gegeben.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß es zur Bestimmung des § 382 a EO keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes gebe. Überdies müsse dem Vater, der in erster und zweiter Instanz am Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, eine Rechtsmittelmöglichkeit eröffnet werden, weil er ansonsten vom Verfahren zur Gänze ausgeschlossen wäre. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Der besondere Sachwalter hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig um im Ergebnis sachlich berechtigt. Nach der am 1. Jänner 1988 in Kraft getretenen Bestimmung des § 382 a EO (BGBl 1987/645) ist ein Antrag eines Minderjährigen auf Gewährung vorläufigen Unterhalts durch einen Elternteil, in dessen Haushalt der Minderjährige nicht betreut wird, zu bewilligen, wenn der Elternteil dem Kind nicht bereits aus einem vollstreckbaren Unterhaltstitel zu Unterhalt verpflichtet ist und ein Verfahren zur Bemessung des Unterhalts des Minderjährigen gegen den Elternteil anhängig ist oder zugleich anhängig gemacht wird (Abs 1).

Vorläufiger Unterhalt gemäß Abs 1 kann höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden (Abs 2). Das Vorbringen des Minderjährigen ist für bescheinigt zu halten, soweit sich aus den Pflegschaftsakten, die ihn betreffen, nichts anderes ergibt. Über den Antrag ist ohne Anhörung des Elternteils unverzüglich zu entscheiden (Abs 4). Der im Revisionsrekurs des Vaters vertretenen Rechtsansicht, die Vorschrift des § 382 a EO sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, kann im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesbestimmung (1. Jänner 1988) und den Zeitpunkt der Antragstellung des besonderen Sachwalters auf Gewährung von vorläufigem Unterhalt (26. Februar 1988) nicht beigetreten werden. Dem Antrag des besonderen Sachwalters auf Gewährung vorläufigen Unterhalts durfte jedoch aus anderen Gründen nicht stattgegeben werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinem in diesem Verfahren ergangenen Beschluß vom 14. Juni 1988 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 170 BlgNR 17.GP und AB 440 BlgNR 17.GP) darauf hingewiesen, daß es sich bei der Entscheiudng über den Antrag eines Minderjährigen auf Gewährung vorläufigen Unterhalts um eine einstweilige Verfügung handelt, für die in verfahrensrechtlicher Hinsicht, auch wenn sie im Rahmen eines außerstreitigen Verfahrens erlassen wird, grundsätzlich (auf Ausnahmen wird noch einzugehen sein) die diesbezüglichen Vorschriften der EO gelten. Gemäß § 389 Abs 1 EO hat die gefährdete Partei bei Stellung des Antrages auf Erlassung einstweiliger Verfügungen die von ihr begehrte Verfügung, die Zeit, für welche sie in Antrag gebracht wird, sowie den von ihr behaupteten oder ihr bereits zuerkannten Anspruch genau zu bezeichnen und die den Antrag begründenden Tatsachen im einzelnen wahrheitsgemäß darzulegen. Für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts nach § 382 a EO folgt daraus, daß in ihm sowohl der begehrte Unterhalt ziffernmäßig bestimmt bezeichnet werden als auch ein Sachverhalt behauptet werden muß, aus den sich der behauptete Unterhaltsanspruch schlüssig ableiten läßt (Knoll, UVG in ÖA, Rz 16 zu § 4). Dies ergibt sich, was die ziffernmäßige Bezeichnung des begehrten vorläufigen Unterhalts anlangt, zwingend daraus, daß es sich bei dem im § 382 a Abs 2 EO erwähnten Grundbetrag der Familienbeihilfe nur um eine Höchstgrenze handelt, die es keinesfalls ausschließt, daß - etwa bei geringerer Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - auch die Gewährung vorläufigen Unterhalts in geringerer Höhe verlangt werden kann. Die Notwendigkeit der Behauptung eines den geltend gemachten Anspruch rechtfertigenden Sachverhaltes im Antrag ergibt sich daraus, daß gemäß § 382 a Abs 4 EO das Vorbringen des Minderjährigen - soweit sich aus den ihn betreffenden Pflegschaftsakten nichts anderes ergibt - für wahr zu halten ist. Gerade diese Wahrheitsfiktion erfordert ein entsprechendes Sachverhaltsvorbringen im Antrag, weil ohne dieses die daraus zu ziehende rechtliche Schlußfolgerung, ob nämlich die behaupteten Tatsachen den geltend gemachten Unterhaltsanspruch rechtfertigen, nicht gezogen werden kann.

Im vorliegenden Fall hat der besondere Sachwalter in seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts weder den begehrten Unterhalt ziffernmäßig bezeichnet noch bestimmte Tatsachen behauptet, die es gestatten, rechtlich zu beurteilen, ob und in welcher Höhe dem Kind ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zusteht. Er hat wohl darauf verwiesen, daß gegen den Vater ein Unterhaltsfestsetzungsantrag gestellt wurde, über den noch nicht entschieden wurde, hat aber in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß er die in diesem Unterhaltsfestsetzungsantrag aufgestellten Tatsachenbehauptungen auch seinem nunmehrigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts zugrundelegen wolle.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden die im Antrag aufgestellten Behauptungen der gefährdeten Partei die Grenzen, in deren Rahmen zu prüfen ist, inwieweit die begehrte einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Es ist nicht Sache des Gerichtes von Amts wegen auf die Stoffsammlung oder ergänzendes Vorbringen zu dringen (1 Ob 694/82; 8 Ob 566/83; 5 Ob 27/85 uva). Das Fehlen der eindeutigen ziffernmäßigen Bezeichnung des begehrten vorläufigen Unterhalts und der entsprechenden, den geltend gemachten Unterhaltsanspruch begründenden Tatsachenbehauptungen im Antrag des besonderen Sachwalters auf Gewährung einstweiligen Unterhalts mußte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung zur Abweisung dieses Antrages führen. In diesem Sinne war die angefochtene Entscheidung in Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters abzuändern.

Der Antrag des Vaters auf Zuspruch von Kosten seines Revisionsrekurses war abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der zu 6 Ob 679/88 zur Frage des Antwaltszwanges für schriftliche Rekurse im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Unterhalts nach § 382 a EO ergangenen Entscheidung ausgeführt, daß in derartigen Verfahren die mit der Einreihung dieses Rechtsinstitutes unter die einstweiligen Verfügungen im Sinne der §§ 378 ff EO verbundene Unterstellung unter die Pauschalverweisungen der §§ 402 Abs 2 und 78 EO nicht uneingeschränkt angenommen werden kann, sondern eine mit den spezifischen Eigenarten dieser neuen Rechtsfigur im Einklang stehende teleologische Reduktion erfordert.

Dies trifft auch für die Kostenersatzpflicht in derartigen Verfahren zu.

Während gemäß § 393 Abs 1 EO einstweilige Verfügungen stets auf Kosten der antragstellenden Partei getroffen werden, die auf einen Kostenersatzanspruch im Hauptverfahren verwiesen bleibt, kann nach ständiger Rechtsprechung der Antragsgegner den Ersatz von Kosten, die er zweckmäßigerweise und erfolgreich zur Abwehr gegen ihn beantragter einstweiliger Verfügungen aufwendet, infolge Obsiegens in einem Zwischenstreit (§§ 402, 78 EO, 41, 52 Abs 1 ZPO) im Verfahren über die einstweilige Verfügung verlangen. Diese Regelung würde im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Unterhalts nach § 382 a EO, in dem das Hauptverfahren in aller Regel ein außerstreitiges ist (eine Ausnahme käme nur bei Unterhaltsklagen ausländischer Minderjähriger in Betracht), dazu führen, daß der berechtigte Minderjährige den Ersatz seiner erfolgreich aufgewendeten Kosten auch im Hauptverfahren nicht erlangen kann, weil dort ein Kostenersatz im Sinne der §§ 41 ff ZPO nicht stattfindet, dem Antragsgegner aber im Verfahren nach § 382 a EO zweckentsprechend und erfolgreich aufgewendete Kosten (hier die Kosten des Revisionsrekurses des Vaters) zu ersetzen wären. Eine derartige Ungleichbehandlung der Verfahrensbeteiligten auf dem Gebiet des Kostenersatzes kann der getroffenen gesetzlichen Regelung um so weniger unterstellt werden, als es sich beim Vormundschafts- oder Pflegschaftsverfahren um ein im wesentlichen der Durchsetzung der Interessen des Kindes dienendes Rechtsfürsorgeverfahren handelt.

Diese Überlegungen gebieten eine teleologische Reduktion der grundsätzlich auch für Verfahren nach § 382 a EO geltenden Verweisung nach § 402 Abs 2 und § 78 EO auf die Bestimmungen der ZPO über die Kostenersatzpflicht des Antragstellers an den Antragsgegner (§§ 41, 52 Abs 1 ZPO) in der Weise, daß eine derartige Kostenersatzpflicht dann, wenn das Hauptverfahren ein außerstreitiges ist, wie in diesem selbst nicht stattfindet.

Der Antrag des Vaters auf Ersatz von Kosten seines Revisionsrekurses war daher abzuweisen.

Anmerkung

E15929 2Ob556.88

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00556.88.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19881025_OGH0002_0020OB00556_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten