TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/13 2003/18/0292

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §16;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8 idF 2002/I/069;
FrG 1997 §36 Abs4;
SPG 1991 §5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, geboren 1975, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 26. September 2003, Zl. III 4033-50/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 26. September 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 sowie den §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 4. April 2003 in einer namentlich genannten Table-Dance-Bar von Gendarmeriebeamten und einem Kontrollorgan der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck bei einer Beschäftigung als Kellnerin (Ausschenken und Servieren von Getränken) betreten worden, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (im Folgenden: AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen. Auch die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol habe mit Schreiben vom 15. September 2003 gemäß § 36 Abs. 4 FrG mitgeteilt, dass diese Beschäftigung nach dem AuslBG unzulässig sei, wenn es sich nicht um einen bloßen "Freundschaftsdienst" bzw. "Gefälligkeitsdienst" gehandelt habe. Nach dem Berufungsvorbringen habe sich die Lokalinhaberin am 4. April 2003 eine Verletzung zugezogen. Zwar sei die Lokalinhaberin tatsächlich an einem Fuß verletzt gewesen, jedoch habe sie am 4. April 2003 Gäste bedient (jedenfalls den Zeugen B.) und laut Aussage von zwei Gendarmeriebeamten (die sich von 22.00 Uhr bis 23.30 Uhr im Lokal aufgehalten hätten) "ganz normal" hinter der Bar gearbeitet. Dabei habe ihr die Beschwerdeführerin geholfen, die jedoch nach Aussage von Gendarmeriebeamten bereits am 29. und am 30. März 2003 im Lokal als Kellnerin gearbeitet habe. Aus dem Umstand, dass der Zeuge F. am 27. Mai 2003 ihr Foto nicht habe eindeutig zuordnen können, sei für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil in dem Lokal unbestritten nur eine Ausländerin, nämlich die Beschwerdeführerin, als Kellnerin gearbeitet habe. Das Ermittlungsverfahren habe daher ergeben, dass die Beschäftigung der Beschwerdeführerin kein bloßer Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienst gewesen sei. Die Aussage des Zeugen B. ändere an dieser Wertung nichts, da er vor dem 4. April 2003 das letzte Mal vor etwa eineinhalb Monaten in diesem Lokal gewesen sei. Der behauptete Freundschaftsdienst sei als Schutzbehauptung zu werten. Daher sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt und die Annahme des § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG gerechtfertigt.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache die Verhängung des Aufenthaltsverbots gegen die Beschwerdeführerin im Grund des § 37 Abs. 1 FrG aber nicht unzulässig. Die in der "Schwarzarbeit" manifestierte Neigung der Beschwerdeführerin, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, lasse die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles, nämlich des Schutzes der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechtes und des Arbeitsmarktes, dringend geboten erscheinen. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem Aufenthalt im Bundesgebiet wögen nicht schwerer, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Die Verhinderung der "Schwarzarbeit" habe einen großen öffentlichen Stellenwert. Die Beschwerdeführerin habe bereits in den Jahren 2000 und 2001 jeweils maximal sechs Monate als Striptease-Tänzerin in dem Lokal gearbeitet und habe dabei die Inhaberin des Lokals "als Freundin gewonnen". Dementsprechend gering sei die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet integriert, da sie auch über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Sie habe bislang in Sterzing/Italien bei ihrem Freund, einem italienischen Polizeibeamten, gelebt. Zurzeit lebe sie wieder in Rumänien.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch die Beschwerdeführerin, sei das Verstreichen von drei Jahren vonnöten. Im Übrigen gelte ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von weniger als fünf Jahren nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen nur für Österreich und nicht für das gesamte Schengengebiet.

Mit ihrem Vorbringen, der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sei kein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, übersehe die Beschwerdeführerin, dass sie am 4. April 2003 auch von Gendarmeriebeamten betreten worden sei. Das Berufungsvorbringen, es sei weder eine Gegenleistung ausgemacht, versprochen oder erwartet worden, werde aus den bereits angeführten Gründen als Schutzbehauptung gewertet. Die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 2000 und 2001 als selbstständige Künstlerin (Striptease-Tänzerin) in dem Lokal gearbeitet und gebe selbst zu, dass sie beabsichtigt habe, in dem Lokal wieder als Striptease-Tänzerin oder "noch besser" als Kellnerin angestellt zu werden. Auf die beantragte Einvernahme der Inhaberin des Lokals zum Beweis dafür, dass sie eine Freundin der Beschwerdeführerin sei, werde verzichtet, weil die belangte Behörde davon ausgehe, dass auch die Lokalinhaberin dies behaupten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, am 4. April 2003 in dem genannten Lokal Getränke ausgeschenkt und diese Gästen serviert zu haben. Sie wendet gegen den angefochtenen Bescheid ua ein, dass sie nicht - wie von § 36 Abs. 4 FrG gefordert - von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sondern lediglich von einem Organ der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck betreten worden sei.

1.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 FrG in der ab 1. Juli 2002 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 69/2002 hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen. Nach § 36 Abs. 4 FrG in der genannten Fassung kommt einer Betretung gemäß Abs. 2 Z 8 die Mitteilung einer Zollbehörde oder einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit der Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gleich, sofern der Fremde bei dieser Beschäftigung von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten worden ist.

Da die Beschwerdeführerin von "Gendarmeriebeamten" betreten wurde, ist vorliegend die in § 36 Abs. 2 Z 8 FrG genannte Voraussetzung nicht gegeben. Im Hinblick darauf aber, dass die Betretung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte, würde gemäß § 36 Abs. 4 FrG die "Mitteilung einer Zollbehörde oder einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit der Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz" einer Betretung gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 FrG gleichkommen. Eine solche Mitteilung liegt aber nicht vor.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol hat der belangten Behörde mit einem im Akt befindlichen Schreiben vom 15. September 2003 mitgeteilt, es hänge von der Würdigung der aufgenommenen Beweise ab, ob die Beschwerdeführerin mit der Lokalinhaberin ein Beschäftigungsverhältnis iSd § 2 Abs. 2 AuslBG begründet habe. Sollten keine Gefälligkeitsdienste vorliegen, so würde es sich um eine unerlaubte Beschäftigung handeln. Darüber hinaus könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit handle. - Damit hat die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol nicht die vom Gesetz verlangte Aussage über die Unzulässigkeit einer konkreten Beschäftigung getroffen.

Die belangte Behörde ist daher in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 4 FrG vorlägen.

3. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 13. Oktober 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003180292.X00

Im RIS seit

11.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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