TE OGH 1988/10/25 11Os127/88

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Veröffentlicht am 25.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter L*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 19.Juli 1988, GZ 18 Vr 834/88-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Peter L*** und des Verteidigers Dr. Hibler zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt und (anstelle des erstgerichtlichen Ausspruches nach dem § 43 a Abs. 3 StGB) gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter L*** 1./ des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB und 2./ des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in den frühen Morgenstunden des 6.April 1988 in Klagenfurt die 45-jährige Magdalena R*** (zu 1./) mit Gewalt gegen ihre Person und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich dadurch, daß er ihr zwei Faustschläge gegen den Unterkiefer versetzte, ihre Fluchtversuche durch Zerren zu seinem PKW vereitelte und ihr, nachdem sie versucht hatte, die Hupe seines PKWs zu betätigen, drohte: "Wenn du das noch einmal machst, dann hole ich die Puffen heraus !" widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht und (zu 2./) durch die Drohung: "Mach ja keine Anzeige, weil ich erwisch dich überall !" zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der zu 1./ beschriebenen Tat zu nötigen versucht zu haben.

Er bekämpft dieses Urteil mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich in keinem Anfechtungspunkt als begründet erweist.

Rechtliche Beurteilung

Zur Verfahrensrüge (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO):

Durch die - wenngleich entgegen der Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO ohne Begründung des Zwischenerkenntnisses stattgefundene (S 171, 205 d.A) - Abweisung der Anträge des Angeklagten auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der "Sexualmedizin" zum Beweis dafür, daß nach der von ihm konsumierten Menge Alkohol "eine Vergewaltigung bzw ein Geschlechtsverkehr in dem vorgeworfenen Umfang, nämlich mit zweimaliger Ejakulation und weiterer länger andauernder Ausübung des Geschlechtsverkehrs" nicht möglich gewesen wäre (S 123, 152 d.A), sowie auf Vernehmung der Zeugin Dagmar R*** "über die ihr von ihrer Mutter (Magdalena R***) am 7.April 1988 gemachte Mitteilung über das Zustandekommen der von Dagmar R*** bei Magdalena R*** festgestellten Verletzungen" und der Zeugen Dr. D*** und Dr. B*** "zum gleichen Beweisthema" (S 171 d.A) wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Zunächst ist der Beschwerde zu entgegnen, daß eine - hier in Frage stehende - Störung der Beischlaf-(Erektions- bzw Ejakulations-)Fähigkeit durch eine die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems hemmende oder schädigende Alkoholisierung jedenfalls (auch) in den Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie fällt. Das Gericht konnte daher zur Klärung der relevierten Frage das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie einholen (S 143, 152-154 d.A). Mit der Bestreitung der Richtigkeit dieses Gutachtens, ohne irgendwelche Mängel anzugeben, die eine Ergänzung oder Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erfordert hätten (§§ 125, 126 StPO), wird der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.

Gleiches gilt im Ergebnis für die weiteren Beweisanträge, weil sie der zur Überprüfung ihrer Berechtigung erforderlichen und auch nicht sinngemäß aus dem Zusammenhang erschließbaren Konkretisierung des Beweisthemas entbehren. Die Beweisanträge liefen offenbar auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, zumal die vom Angeklagten zugestandene vorsätzliche Zufügung von Verletzungen Magdalena R***, nämlich Prellungen des Kopfes, Unterkiefers und Halses sowie Blutergüsse und Hautabschürfungen (S 91 ff, 151, 163 in Verbindung mit S 39 und 171 d.A), keiner weiteren Beweiserhebung bedurfte. Die nunmehr erst in der Beschwerde konkretisierte Zielrichtung der Beweisanträge betraf überdies keine entscheidenden Tatumstände. Denn es ist weder relevant, ob sich Magdalena R*** erst auf Drängen ihrer Tochter ins Spital begab, noch ob sie eine - nach Meinung des Beschwerdeführers - für ein Sexualdelikt typische Verletzung aufwies. Daß Letzteres nicht der Fall war, ergibt sich bereits aus der vom Erstgericht den Urteilsfeststellungen zugrundegelegten Krankengeschichte (ON 6 in Verbindung mit S 171 und 185 d.A) und steht nach forensischer Erfahrung der Annahme einer Tatverübung in der hier festgestellten Art und Weise nicht entgegen.

Zur Mängelrüge und zu den Rechtsrügen

(§ 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO):

Das Erstgericht kam in eingehender Beurteilung des Wahrheitsgehaltes sowohl des vom Beschwerdeführer vor der Polizei und bei der wiederholten Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter abgelegten Geständnisses der Notzucht als auch der Aussagen des Tatopfers seiner Begründungspflicht mängelfrei nach (§§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z 5, 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Es erörterte dabei, der insofern nicht aktengetreuen Beschwerde zuwider, auch die nur unwesentliche Details betreffenden Widersprüche in den Aussagen des Opfers (S 201, 203 d.A), war aber weder gehalten, noch überhaupt in der Lage, sich mit jedem nur denkbaren, in der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwand gegen seine Beweiswürdigung im voraus zu befassen. Soweit in den Beschwerdeausführungen versucht wird, aus den Verfahrensergebnissen andere Schlüsse abzuleiten, als sie das Erstgericht logisch, empirisch unbedenklich und im Einklang mit der Aktenlage zog, wird damit auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht prozeßordnungsmäßig geltend gemacht. In bezug auf die Würdigung des vom Beschwerdeführer vor der Polizei abgelegten Geständnisses wird in der Beschwerde überdies die ebenfalls durch die Aktenlage gedeckte (S 167 d.A) Argumentation des Tatgerichtes außer acht gelassen, wonach dem Beschwerdeführer erst nach seiner Vernehmung vom Polizeibeamten P*** gesagt wurde, daß seiner (des Polizeibeamten) Meinung nach keine Haft verhängt werden würde (S 197 d.A).

Die Feststellung, daß Magdalena R*** zum Zeitpunkt, als der Angeklagte von ihr einen Mundverkehr forderte, durch die vorangegangenen Tätlichkeiten bereits "völlig wehrlos" war (S 183 f d.A), ist gemischt tatsächlich-rechtlicher Natur, weil damit ersichtlich nichts anderes als die für das Tatbild der Notzucht nach dem § 201 StGB wesentliche, vom Täter herbeigeführte Widerstandsunfähigkeit des Opfers zum Ausdruck gebracht wird. In tatsächlicher Beziehung wurde diese Feststellung schlüssig und lebensnah aus dem mängelfrei als erwiesen angenommenen gesamten Geschehnisablauf bis zum erwähnten Zeitpunkt abgeleitet. Hält man sich vor Augen, daß den Feststellungen zufolge der Angeklagte sein eher schmächtiges und kleinwüchsiges Opfer - er ist ihm körperlich weitaus überlegen, fast 23 Jahre jünger, athletisch gebaut, kräftig und wiegt bei einer Körpergröße von 1,81 m rund 110 kg - zur Nachtzeit mit seinem PKW in eine menschenleere Gegend brachte und wiederholte Fluchtversuche durch Faustschläge, Festhalten, Zerren und Zurückschleppen zum Auto vereitelte, wo er die Frau mit Gewalt auf den Beifahrersitz drückte und ihren Kopf zum Zweck des Mundverkehrs zu seinem gesteiften Glied zog, dann kann an der schon damals bestehenden, für den Rechtsbegriff der Widerstandsunfähigkeit essentiellen Lage extremer Hilflosigkeit (eine nochmalige Flucht, die Herbeiholung von Hilfe und ein weiterer Widerstand waren physisch und psychisch unmöglich oder zumindest aussichtslos) nicht gezweifelt werden. Daß der Angeklagte den Versuch des Opfers, durch Betätigung der (Auto-)Hupe doch noch auf seine Lage aufmerksam zu machen, mit der Drohung unterband, er werde seine "Puffn" (gemeint: Schußwaffe) holen, verstärkte noch diesen Zustand der Widerstandsunfähigkeit, in dem die Frau schließlich zu zweimaligem Geschlechtsverkehr mißbraucht wurde.

Dieses festgestellte Tatverhalten wurde vom Erstgericht daher rechtsrichtig dem Tatbild des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB unterstellt. Für eine Tatbeurteilung im Sinn der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 StGB bestand entgegen den auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Beschwerdeeinwendungen, die nicht auf den gesamten Urteilssachverhalt abstellen, sondern einzelne Teile des Tatherganges willkürlich aus dem Zusammenhang lösen, kein Raum. Schließlich versagt die Rechtsrüge auch insoweit, als unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a, sachlich ebenfalls der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO die Straflosigkeit der versuchten Nötigung zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung (Schuldspruch Punkt 2./) als gegen kein anderes Rechtsgut verstoßende Deckungshandlung reklamiert wird:

Es liegt echte Realkonkurrenz mit einem Delikt vor, das nicht wie die vorausgegangene Notzucht gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung einer Frau, sondern gegen die freie Willensentscheidung der Veranlassung der Ahndung der Vortat gerichtet war und solcherart über die damit verbundene Rechtsgutverletzung hinausging (vgl Pallin im WK, Rz 28 zu § 201; Leukauf-Steininger2, RN 38 zu § 105 StGB).

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 201 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sah einen Teil im Ausmaß von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Teilgeständnis und den Umstand, daß die Nötigung beim Versuch blieb, als mildernd.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung die Ausschaltung der bedingten Nachsicht eines Teiles der (gleichzeitig allenfalls zu reduzierenden) Strafe, der Angeklagte mit seiner Berufung die Herabsetzung der Strafe (unter Aufrechterhaltung der Maßnahme nach dem § 43 a Abs. 3 StGB) an.

Die Berufung des Peter L*** ist begründet.

Das Erstgericht fand ein Strafmaß, das selbst bei zusätzlicher Bedachtnahme auf den weiteren Erschwerungsumstand der mehrfachen Verletzung des Tatopfers, als zu streng angesehen werden muß. Werden vor allem das (wenn auch teilweise widerrufene) den erstgerichtlichen Feststellungen mit zugrundegelegte Geständnis des Peter L*** und seine bisherige Unbescholtenheit entsprechend gewürdigt, dann erscheint - auch im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen - eine Herabsetzung der vom Schöffengericht zuerkannten Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche, sowohl dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschulden des Angeklagten entsprechende Ausmaß von achtzehn Monaten gerechtfertigt. Der Oberste Gerichtshof war überdies der Auffassung - da zu Gunsten des Angeklagten innerhalb der gesetzlichen Grenzen sämtliche, mithin auch solche Modifikationen des erstgerichtlichen Strafausspruches in Betracht kommen, welche vom Berufungsantrag nicht ausdrücklich umfaßt sind (vgl 11 Os 3/88) -, daß gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB mit einer - in diesem Umfang formal nicht begehrten - bedingten Nachsicht der gesamten Strafe vorzugehen ist. Hiefür war vor allem die Erwägung maßgebend, daß der Angeklagte durch eine fast viermonatige Vorhaft bereits erstmals einen Freiheitsentzug verspürt hat und das Schöffengericht im angefochtenen Urteil selbst einräumen muß (S 206 f), daß im strafbaren Verhalten des Peter L*** ein krasser Widerspruch zu seinem Vorleben gelegen und künftiges Wohlverhalten zu erwarten sei. Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E15575

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00127.88.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19881025_OGH0002_0110OS00127_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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