Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***
O*** UND M***, Wittelsbacherring 11, D-8580 Bayreuth 2, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*** U***A***- UND S*** AG, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung des Schillinggegenwertes von DM 20.317,32 s.A. und Feststellung (S 70.000,--), infolge Revision der beklagten Partei und der Rekurse beider Streitteile gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1988, GZ 17 R 19/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 16. September 1987, GZ 28 Cg 764/85- 11, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision und dem Rekurs der beklagten Partei Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert und in der Sache selbst wird zu Recht erkannt, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:
Das Klagebegehren des Inhaltes, 1) die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Schillinggegenwert von DM 20.317,32 zum Kurs der Wiener Börse (Devise Frankfurt Ware) am Tag vor der Zahlung samt 4 % Zinsen ab 5. Dezember 1985 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen und 2) es werde festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle künftigen Leistungen haftet, die diese aus Anlaß des Verkehrsunfalles vom 13. Oktober 1979 an die Waisen ihres bei diesem Unfall getöteten Versicherten Hayri M***, nämlich an Ilgin M***, geboren am 4. September 1970, und an Arzu M***, geboren am 20. April 1975, zu erbringen haben wird, wobei diese Haftung beschränkt ist a) auf den Ersatz jener Leistungen, die in Ansprüchen Deckung finden, welche die Hinterbliebenen ohne die Legalzession des § 1542 RVO bis längstens 1. August 2016 zu stellen berechtigt wären, und b) auf die Haftpflichtdeckungssumme, die am Unfallstag zwischen der beklagten Partei und ihrem Versicherungsnehmer Erich S*** für das unfallbeteiligte Kraftfahrzeug vereinbart war, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.558,30 bestimmten Kosten des Verfahrens in erster Instanz (darin Barauslagen von S 114,-- und Umsatzsteuer von S 2.131,30), die mit S 21.254,50 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Barauslagen von S 8.038,-- und Umsatzsteuer von S 1.201,50) und die mit S 19.622,80 bestimmten Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens (darin Barauslagen von S 10.000,-- und Umsatzsteuer von S 874,80) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 13. Oktober 1979 verschuldete Erich S*** als Halter und Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges auf der Bundesstraße B 308 in Weißenbach bei Liezen, Steiermark, einen Verkehrsunfall, bei dem der Türke Hayri M***, der in Berlin wohnte und arbeitete und bei der L*** (LVA) Berlin sozialversichert war, getötet wurde. Er hinterließ eine Witwe und zwei eheliche Kinder, denen die LVA Berlin mit rechtskräftigen Bescheiden vom 8. Mai 1980 beginnend mit 13. Oktober 1979 Witwen- und Waisenrenten gewährte. Nachdem bekannt geworden war, daß Mayri M*** auch Pflichtbeiträge zur türkischen Sozialversicherung entrichtet hatte, wurde auf Grund des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens die Klägerin für die gewährten Pensionen leistungszuständig. Sie erbrachte in der Zeit vom 1. Juli 1982 bis 31. Dezember 1985 Leistungen von insgesamt DM 20.317,32 an die beiden Waisen und hat weiterhin derartige Leistungen zu erbringen. Die LVA Berlin meldete mit Schreiben vom 24. März 1980 ihre Regreßansprüche bei der Beklagten an und verlangte im folgenden den Ersatz ihrer bis Ende Mai 1982 erbrachten gesetzlichen Leistungen. Die Beklagte leistete den verlangten Ersatz an die LVA Berlin; die letzte derartige Zahlung erfolgte am 18. August 1982. Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 30. Mai 1985 ihre Regreßansprüche bei der Beklagten an und ersuchte sie um die Zusicherung, daß sie bis 31. Dezember 1986 auf die Einrede der Verjährung verzichte. Dies wurde mit Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1985, der Klägerin zugekommen am 14. Oktober 1985, abgelehnt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin mit ihrer am 3. Dezember 1985 beim Erstgericht eingebrachten Klage unter Hinweis auf die im § 1542 RVO normierte Legalzession und unter Behauptung eines hinlänglichen Deckungsfonds die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz der an die beiden Waisen in der Zeit vom 1. Juli 1982 bis 31. Dezember 1985 erbrachten Leistungen; das Leistungsbegehren der Klägerin ist auf Zahlung des Schillinggegenwertes von DM 20.317,32 zum Kurs der Wiener Börse am Tag vor der Zahlung, Devise Frankfurt Ware, gerichtet. Ferner stellte die Klägerin im Hinblick darauf, daß sie noch auf unbestimmte Zeit Sozialversicherungsleistungen an die beiden Waisen erbringen müsse, das aus dem Spruch ersichtliche Feststellungsbegehren.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß kein hinlänglicher Deckungsfonds vorliege und daß ihre Haftung für gerechtfertigte Ansprüche mit der mutmaßlichen Lebensdauer des Unterhaltspflichtigen zu begrenzen wäre. Im übrigen sei der Klagsanspruch verjährt. Für den Beginn der Verjährung gegenüber einem Sozialversicherungsträger sei der gleiche Zeitpunkt maßgeblich, der für den Geschädigten gelte. Dies sei hier der Unfallstag gewesen. Daß die Beklagte Leistungen eines Sozialversicherungsträgers bis Mitte 1982 refundiert habe, stehe ihrem Verjährungseinwand nicht entgegen. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, ihre künftigen Ansprüche rechtzeitig durch ein Festellungsurteil abzusichern. Dem entgegnete die Klägerin, die Beklagte habe durch ihre Ersatzleistungen an die LVA Berlin, zuletzt durch ihre Zahlung vom 18. August 1982, den Rückgriffsanspruch zumindest stillschweigend anerkannt, sodaß die Verjährung nach § 1497 ABGB unterbrochen gewesen sei und frühestens nach dem 18. August 1982 neuerlich zu laufen begonnen habe. Nach hier maßgeblichem deutschen Recht ziehe ein Zuständigkeitswechsel zpischen Sozialversicherungsträgern auch eine Rechtsnachfolge zwischen den betroffenen Sozialversicherungsträgern nach sich. Der später zuständig gewordene Sozialversicherungsträger erwerbe die auf ihn übergehenden Schadenersatzansprüche des Verletzten als Rechtsnachfolger des ursprünglich zuständigen Versicherungsträgers. Der Regreßanspruch sei daher einschließlich seines Verjährungszustandes so auf die Klägerin übergegangen, wie er zuletzt der LVA Berlin zugestanden sei. Die Anmeldung ihrer Regreßansprüche durch die Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 30. Mai 1985 habe gemäß § 63 Abs 2 KFG zur Folge gehabt, daß die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Ablehnungserklärung der Beklagten gehemmt gewesen sei. Eine solche Ablehnung habe aber erst das Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1985 enthalten, das der Klägerin am 14. Oktober 1985 zugekommen sei. Die Verjährungseinrede der Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte in ihrer mit der Klägerin geführten Korrespondenz insoweit arglistig vorgegangen sei, als sie unter der Vorspiegelung, gesprächsbereit zu sein, darauf abgezielt habe, die Klägerin innerhalb der vermeintlichen Verjährungsfrist davon abzuhalten, die Klage zu erheben. Die zwischen den Streitteilen vom 30. Mai bis 14. Oktober 1985 geführte Korrespondenz habe den Charakter von Vergleichsverhandlungen, die die Verjährung zumindest gehemmt hätten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich dahin, daß der Klagsanspruch nicht verjährt sei. Durch die Zahlungen der Beklagten sei ein Anerkenntnis mit der Wirkung abgegeben worden, daß die Verjährung bis 18. August 1982 unterbrochen gewesen sei; ab diesem Zeitpunkt habe die dreijährige Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen. Innerhalb dieser Frist habe die Klägerin ihre Ansprüche nach § 63 Abs 2 KFG bei der Beklagten angemeldet. Darüber hinaus seien in Form der festgestellten Korrespondenz Vergleichsverhandlungen geführt worden, sodaß eine Hemmung der Verjährung eingetreten sei. Unter Bedachtnahme darauf sei die Klage innerhalb der Dreijahresfrist eingebracht worden. Da die von der Klägerin vorgelegte Deckungsfondsberechnung unbedenklich sei, sei dem Klagebegehren stattzugeben.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren richtete, mit Urteil keine Folge; es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in diesem Umfang als Teilurteil. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des von der Bestätigung betroffenen Teiles des Streitgegenstandes S 60.000,-
-, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei. Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge. Es hob mit Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang des Abspruches über das Leistungsbegehren unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen, rechtlich im wesentlichen aus, daß Entstehung und Umfang der auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzansprüche, insbesondere ihre Verjährung bzw deren Hemmung oder Unterbrechung, nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Hingegen sei die Wirksamkeit und der Umfang des Rechtsüberganges zwischen der LVA Berlin und der Klägerin nach deutschem Recht zu beurteilen, da es sich um Rechtsbeziehungen zweier ausländischer Sozialversicherungsträger handle und diese nur nach dem Recht beurteilt werden könnten, dem dieses Sozialversicherungsverhältnis unterworfen sei. Nach den hiefür maßgebenden Bestimmungen (insbesondere §§ 412 und 398 ff BGB) habe die Klägerin als Legalzessionar die Forderung der LVA Berlin in dem Umfang und mit den Erweiterungen und Einschränkungen erworben, wie sie der LVA Berlin zugestanden sei. Damit entfalteten die Handlungen und Erklärungen der Beklagten, insbesondere die bisher geleisteten Zahlungen gegenüber der LVA Berlin, die gleichen Wirkungen gegenüber der Klägerin.
Nach österreichischem Recht sei die Frage der Verjährung und deren Hemmung bzw Unterbrechung zu beurteilen. Die Haftung der Beklagten für gerechtfertigte Ansprüche aus dem vorliegenden Verkehrsunfall sei nicht bestritten. Durch die geleisteten Zahlungen habe die Beklagte die Forderung dem Grunde nach anerkannt, sodaß eine Unterbrechung der Verjährung im Sinne des § 1497 ABGB stattgefunden habe. Eine solche Unterbrechung werde nicht nur durch eine ausdrückliche Rechtshandlung des Schuldners herbeigeführt, sondern auch durch jede andere wenn auch nur deklarative Handlung, welche die Absicht, die Schuld anzuerkennen, deutlich erkennen lasse. Die dreijährige Verjährungsfrist sei zumindest durch die letzte Zahlung vom 18. August 1982 unterbrochen worden und habe ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen begonnen.
Noch vor Ablauf der Dreijahresfrist habe eine Korrespondenz zwischen den Streitteilen eingesetzt, die seitens der Klägerin unmißverständlich darauf gerichtet gewesen sei, im Hinblick auf den drohenden Ablauf der Dreijahresfrist eine Erklärung der Beklagten zu erhalten, auf die Einrede der Verjährung bis 31. Dezember 1986 zu verzichten.
Die Schreiben der Klägerin seien als Anmeldung ihres Feststellungsanspruches im Sinne des § 63 Abs 2 KFG zu beurteilen. Im Hinblick darauf, daß die Beklagte ihre Haftung dem Grunde nach nie bestritten und auch tatsächlich bis zum 18. August 1982 Zahlungen geleistet habe, könne das Ersuchen um Abgabe eines Verjährungsverzichtes im Hinblick auf die noch offenen Einkommensermittlungen (Beil A) nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin ihren Feststellungsanspruch anmeldete, das heißt eine Erklärung der Beklagten forderte, auch für die künftig von der Klägerin zu erbringenden Leistungen zu haften.
Die Verjährungsfrist für das Feststellungsbegehren habe nicht mit dem Unfallstag zu laufen begonnen. Vom Unfallsdatum bis zur letzten Zahlung am 18. August 1982 habe Einigkeit darüber geherrscht, daß die Beklagte dem Grunde nach hafte und die vom Sozialversicherungsträger zu erbringenden Leistungen, sofern sie der Höhe nach angemessen seien, zu ersetzen habe. Es habe daher keine Veranlassung für die Klägerin (auch nicht für deren Rechtsvorgängerin, die LVA Berlin) bestanden, ein Feststellungsbegehren zu stellen. Dies würde zu dem unerwünschten Ergebnis führen, daß der vom Schadenseintritt Bedrohte Feststellungsklage erheben müsse, obwohl die Haftung dem Grunde nach unbestritten sei. Erst auf Grund der Weigerung der Beklagten, die Haftung für künftige Leistungen zu übernehmen, sei überhaupt ein Feststellungsinteresse der Klägerin entstanden, sodaß eine diesbezügliche Verjährungsfrist frühestens ab der letzten Zahlung am 18. August 1982 zu laufen begonnen habe. Innerhalb dieser Frist habe jedoch die Klägerin ihren Anspruch wirksam angemeldet, sodaß die Zeit zwischen der Anmeldung (30. Mai 1985) und der Zustellung der schriftlichen Ablehnung (14. Oktober 1985) nicht in die Verjährungszeit einzurechnen sei. Die am 3. Dezember 1985 eingebrachte Feststellungsklage sei daher nicht verjährt. Bezüglich des Leistungsbegehrens liege keine wirksame Anmeldung im Sinne des § 63 Abs 2 KFG vor, weil nur eine ziffernmäßige Bekanntgabe eine Hemmung der Verjährung im Sinne dieser Gesetzesstelle bewirke. Eine Hemmung der Verjährung sei jedoch durch die vor Klagseinbringung geführten Verhandlungen eingetreten. Durch das Rechtsinstitut der Verjährung solle der Gläubiger gezwungen werden, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich sei. Andererseits solle der Schuldner in angemessener Zeit darüber informiert werden, ob und welche Ansprüche aus einem bestimmten Ereignis an ihn herangetragen würden. Würden jedoch vor Einbringung der Klage Vergleichsverhandlungen geführt, so sei der Gläubiger mit der Verfolgung seines Anspruches nicht säumig und auch die Interessen des Schuldners seien ausreichend gewahrt. Außerdem sei es zweckmäßig und von der Rechtsordnung gewünscht, ernsthaften Vergleichsverhandlungen den Vorzug vor der klageweisen Geltendmachung zu geben. Solche Vergleichsverhandlungen würden daher von der Rechtsprechung auch als Hemmung der Verjährung anerkannt. Die Beklagte habe ihre Leistungspflicht dem Grunde nach stets anerkannt und auch rund drei Jahre hindurch Zahlungen an die Rechtsvorgängerin der Klägerin aus diesem Unfall geleistet. Es handle sich bei beiden Streitteilen um rechtlich qualifizierte Institute, bei denen die Abwicklung von Rechtsangelegenheiten wie der vorliegenden zum laufenden Geschäftsbetrieb gehöre. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 30. Mai 1985 (Beil A) der Beklagten mitgeteilt, daß sie aus dem Unfall Leistungen zu erbringen habe, die genauen Einkommensermittlungen jedoch noch nicht abgeschlossen seien. Es werde daher um Übersendung eines Verjährungsverzichtes bis 31. Dezember 1986 gebeten. Damit habe der Beklagten unzweifelhaft bekannt sein müssen, daß die Klägerin weitere Regreßzahlungen, wie sie bereits die Rechtsvorgängerin begehrt habe, geltend mache. In ihren Antwortschreiben habe die Beklagte auch niemals ihre Haftung dem Grunde nach bestritten oder eine sonstige sachliche Einwendung erhoben, sondern lediglich die Frage eines abgegebenen Verjährungsverzichtes erläutert, wobei die Antwortschreiben der Beklagten in unverständlicher Weise stets am diesbezüglichen Begehren der Klägerin vorbeigingen. Könne das Schreiben der Beklagten vom 14. Juni 1985 (Beil B) noch auf ein Mißverständnis zurückgeführt werden, so sei mit Schreiben der Klägerin vom 25. Juni 1985 (Beil C) unmißverständlich die Abgabe eines Verjährungsverzichtes begehrt worden. Die Beklagte habe eine solche Erklärung jedoch keineswegs abgelehnt, sondern um die Übersendung einer Kopie ihres eigenen Schreibens vom 14. Juni 1985 ersucht. Auf Grund des weiteren Schreibens der Klägerin habe die Beklagte am 28. August 1985 (Beil F) geantwortet, sie könne sich mit den Forderungen der Klägerin erst dann auseinandersetzen, wenn der von ihr abgegebene Verjährungsverzicht vorgelegt werden sollte. Auch damit habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, daß sie bereit sei, über die Forderungen der Klägerin zu verhandeln, allerdings unter einer Bedingung. Erst mit Schreiben vom 10. Oktober 1985 (Beil H) seien weitere Verhandlungen mit dem Hinweis auf Verjährung abgelehnt worden.
Der Gesetzgeber habe beim Rechtsinstitut der Verjährung auch unbefriedigende Ergebnisse, nämlich die Ablehnung von sachlich gerechtfertigten Ansprüchen, in Kauf genommen, um anderen wichtigen Zwecken, nämlich dem Zwang zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung binnen vernünftiger Frist, den Vorzug zu geben. Nachdem aber im vorliegenden Fall gerade den letztgenannten Zielen ausreichend Rechnung getragen worden sei, sei es rechtlich nicht vertretbar, erst der Einbringung der Klage und nicht bereits den vorangegangenen Vergleichsverhandlungen Einfluß auf den Ablauf der Verjährungsfrist einzuräumen.
Gehe man von einer Hemmung der Verjährung ab Beginn der Vergleichsgespräche am 30. Mai 1985 bis zu deren Beendigung am 14. Oktober 1985 aus, sei zum Zeitpunkt der Einbringung der Leistungsklage die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen.
Nach einem von einem Teil der Lehre vertretenen Standpunkt könne der Beginn der Verjährungsfrist nicht vor jenem Zeitpunkt angesetzt werden, zu dem der Schaden tatsächlich eingetreten sei. Verwende man den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß die Verjährung ab dem Zeitpunkt beginne, zu dem der Schaden erfolgreich mit Leistungsklage geltend gemacht werden könne, so erweise sich der tatsächliche Schadenseintritt, nämlich die Leistungen der Klägerin an die Waisen, als jener Zeitpunkt, vor dem die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen könne. Im vorliegenden Fall sei insbesondere zu bedenken, daß die Höhe der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen im vorhinein nicht feststehe und auch keineswegs mit Sicherheit absehbar sei, bis zu welchem Zeitpunkt die Klägerin Leistungen zu erbringen habe werde. Die Formulierung "mit Sicherheit vorhersehbar" sei zu unbestimmt, um sowohl dem Schädiger als auch dem Geschädigten verläßlich den Beginn der Verjährungsfrist erkennbar zu machen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, daß noch vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens die Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei, was allerdings von der Rechtsprechung ausdrücklich in Kauf genommen worden sei. Wenn man die Leistungsklage als rechtzeitig ansehe, könnten mit ihr jedoch nur jene Zahlungen geltend gemacht werden, die nicht länger als drei Jahre vor Einbringung der Klage zurücklägen. Selbst bei Vorliegen eines Anerkenntnisses oder der Feststellung der Leistungspflicht durch Urteil verjährten nämlich wiederkehrende Leistungen selbst wieder innerhalb von drei Jahren. Da aus den Feststellungen des Erstgerichtes nicht verläßlich zu entnehmen sei, welche Leistungen der Klägerin auf diesen Zeitraum entfielen, sei das Urteil des Erstgerichtes über das Leistungsbegehren aufzuheben. Überdies habe sich das Erstgericht mit den Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des von der Klägerin behaupteten Deckungsfonds nicht auseinandergesetzt. Dies werde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision bzw den angeordneten Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß über den Beginn der Verjährungszeit beim Feststellungsbegehren bei vorangegangener Vollzahlung durch längere Zeit ebensowenig eine geschlossene Rechtsprechung des OGH vorliege wie über die Folgen der Anmeldung eines Feststellungsbegehrens nach § 63 Abs 2 KFG. Auch die Beurteilung der vorliegenden Korrespondenz im Sinne von die Verjährung hemmenden Vergleichsverhandlungen sei in der Rechtsprechung nicht so ausreichend gesichert, daß dieser Frage eine Bedeutung für die Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung abgesprochen werden könne. Auch auf die von einem Teil der Lehre vorgetragenen erheblichen Bedenken gegen die bisherige Rechtsprechung über den Beginn der Verjährungsfrist sei hinzuweisen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des von der Klägerin gestellten Feststellungsbegehrens abzuändern. Ferner bekämpfen beide Streitteile den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs. Die Klägerin beantragt, "den angefochtenen Aufhebungsbeschluß aufzuheben und nach § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst auch hinsichtlich des Leistungsbegehrens auf Bestätigung des Urteils erster Instanz zu erkennen"; hilfsweise stellt sie den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über das Leistungsbegehren aufzutragen. Die Beklagte stellte den Rekursantrag, "den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, daß neben dem Feststellungsbegehren auch das Leistungsbegehren der klagenden Partei, gerichtet auf Bezahlung eines Betrages von S 144.252,97, urteilsmäßig abgewiesen wird".
Beide Streitteile haben Rechtsmittelbeantwortungen mit den entsprechenden Gegenanträgen erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die vorliegenden Rechtsmittel sind zulässig. Sachlich sind die Rechtsmittel der Beklagten berechtigt; hingegen kommt dem Rekurs der Klägerin keine Berechtigung zu.
Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß bezüglich der Voraussetzungen und des Inhaltes der von der Klägerin in Anspruch genommenen Legalzession deutsches Recht anzuwenden ist (SZ 55/108; ZVR 1984/231 ua), daß aber Entstehung, Umfang und Verjährung der auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzansprüche im Sinne der Vorschriften der Art 3 und 8 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Dagegen wird in den vorliegenden Rechtsmitteln nichts ausgeführt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht, daß nach österreichischem Recht die Verjährung auch bezüglich vom Ersatzpflichtigen zu vertretender vorhersehbarer Folgeschäden in dem Zeitpunkt beginnt, in dem dem Ersatzberechtigten die Rechtsgutbeeinträchtigung, deren Folgen sie sind, bekannt wird; nur in Ansehung von nicht vorhersehbaren schädigenden Wirkungen eines Schadensfalles - etwa dann, wenn sich der neue Schaden vom früheren durch seine Beschaffenheit unterscheidet oder auf eine bisher nicht wahrgenommene Zwischenursache zurückzuführen ist - beginnt ab Kenntnis des Ersatzberechtigten hievon die Verjährungsfrist neu zu laufen (JBl 1986, 108; ZVR 1988/83 uva). Dafür, daß die Ersatzansprüche der Kinder des beim Unfall getöteten Hayri M*** nach § 1327 ABGB nicht bereits im Unfallszeitpunkt vorhersehbar gewesen wären, besteht nach der Aktenlage ebensowenig ein Anhaltspunkt wie dafür, daß etwa die Person des Schädigers erst später bekannt geworden wäre. Grundsätzlich muß daher davon ausgegangen werden, daß im Sinne des § 1489 ABGB der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist hinsichtlich solcher vorhersehbarer Schadenersatzansprüche mit dem Unfallsdatum gleichzusetzen ist. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner eingehenden Untersuchung, ob nach den Bestimmungen des deutschen Rechtes die Schadenersatzforderungen der Kinder des Getöteten erst mit Beginn der Leistungszuständigkeit der Klägerin (nach ihrem eigenen Vorbringen mit 1. Juni 1982; ON 3 S 14) im Sinne des § 1542 RVO auf diese übergingen und ob für sie eine neue Verjährungsfrist zu laufen begann (siehe dazu Wussow, Unfallhaftpflichtrecht13 Rz 1497; VersR 1958, 153 ua). Der in der Rechtsprechung des BGH vertretenen Auffassung, daß im Falle des Wechsels der Leistungszuständigkeit zwischen Sozialversicherungsträgern der zweite Rechtsnachfolger des ersten sei und den Rückgriffsanspruch gegen den Schädiger in dem Zustand übernehme, in dem er sich beim Wechsel der Zuständigkeit befunden habe (Wussow aaO und die dort angeführte Rechtsprechung), ist der OGH bisher im wesentlichen mit dem Argument nicht gefolgt, daß nach österreichischem Recht der Grund des Anspruches durch die Legalzession nicht berührt werde (2 Ob 236/78; ZVR 1984/231 ua). Eine neuerliche eingehende Stellungnahme zu dieser Problematik erübrigt sich im vorliegenden Fall aber aus folgenden Gründen:
Wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, daß mit Beginn ihrer Leistungszuständigkeit (1. Juni 1982), die kongruenten Schadenersatzforderungen der Leistungsempfänger auf sie übergingen und daß mit diesem Zeitpunkt für sie eine neue Verjährungsfrist zu laufen begann, dann kann zunächst nach diesem Zeitpunkt erfolgten Zahlungen der Beklagten an den früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträger, die LVA Berlin, die Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Klägerin im Sinne des § 1497 ABGB nicht zuerkannt werden, weil dieses Verhalten der Beklagten nicht der Klägerin gegenüber gesetzt wurde (vgl Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1497). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB, die in gleicher Weise für das geltend gemachte Leistungs- wie auch das Feststellungsbegehren gilt (ZVR 1980/347; ZVR 1987/83; 8 Ob 508/87 ua), hätte daher jedenfalls mit 1. Juni 1982 zu laufen begonnen.
Eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 63 Abs 2 KFG wurde durch das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 30. Mai 1985 (Beil A) jedenfalls nicht bewirkt. Abgesehen davon, daß gar nicht feststeht, daß dieses Schreiben der Beklagten noch innerhalb offener Verjährungsfrist zugekommen wäre, wurde darin der behauptete Anspruch der Klägerin keineswegs so weit konkretisiert, daß in diesem Schreiben eine Anmeldung eines Schadenersatzanspruches im Sinne des § 63 Abs 2 KFG erblickt werden könnte (SZ 47/94; ZVR 1980/347 ua).
Aber auch in der diesem Schreiben der Klägerin folgenden Korrespondenz der Streitteile (Beilagen B bis J) ist entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen kein Verhalten der Beklagten zu erkennen, das geeignet erschiene, den Einwand der Arglist gegen die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede zu begründen (siehe dazu SZ 47/104; RZ 1984/59 mwN ua). Auch in diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß zunächst gar nicht feststeht, daß das Schreiben der Klägerin Beil A der Beklagten vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist zukam. Im übrigen hat die Beklagte in dieser Korrespondenz keineswegs zum Ausdruck gebracht oder auch nur der Klägerin gegenüber andeutungsweise zu verstehen gegeben, daß sie ihr gegenüber auf den Verjährungseinwand verzichten und die behaupteten (in keiner Weise konkretisierten) Ansprüche der Klägerin nur aus anderen Gründen bestreiten wolle.
Unter diesen Umständen war aber zur Zeit der Klagseinbringung (3. Dezember 1985) die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sowohl hinsichtlich des Leistungs- als auch des Feststellungsbegehrens der Klägerin jedenfalls längst abgelaufen, sodaß dem Verjährungseinwand der Beklagten Berechtigung zuerkannt werden muß.
Das Klagebegehren war daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung abzuweisen.
Es mußte somit dem Rekurs der Klägerin ein Erfolg versagt bleiben; hingegen war in Stattgebung der Rechtsmittel der Beklagten wie im Spruch zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E15681European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00067.88.1108.000Dokumentnummer
JJT_19881108_OGH0002_0020OB00067_8800000_000