Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Hermann Wachtberger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rudolf P***, Gopperding 15, 4780 Schärding, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei
P*** DER A*** (Landesstelle Linz),
Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juli 1988, GZ 12 Rs 72/88-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16. Februar 1988, GZ 4 Cgs 2/87-31, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zur Leistung der Invaliditätspension ab Antragstag (28. Oktober 1985) zu verpflichten. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes sei er nicht in der Lage, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Leistung der Invaliditätspension an den Kläger ab 25. Oktober 1985 und legte der beklagten Partei eine vorläufige Leistung von S 2.000,-- auf. Dabei legte es seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehenden Sachverhalt zugrunde:
Der am 18. Oktober 1947 geborene Kläger war nach Absolvierung einer Maurerlehre ein Jahr lang als Maurer tätig, arbeitete von 1976 bis 1977 als Hausdiener, danach ein Monat als Bauhilfsarbeiter sowie ein Monat als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch. Von April 1979 bis März 1982 war er als Landarbeiter tätig und arbeitete 1986 14 Tage lang in einer Schifirma sowie 14 Tage lang bei einer Baufirma. Der Kläger ist übergewichtig, es besteht ein geringgradiger Zahnmangel, Zahnschäden ohne Zahnersatz, Alterssichtigkeit, eine geringgradige Schilddrüsenvergrößerung ohne Hinweis für Luftröhreneinengung, vermehrte Krümmung der Brustwirbelsäule, geringgradige Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule, der Zwischenwirbelgelenke und der Zwischenbandscheiben mit Nervenwurzelschmerzen ohne wesentliche Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, Herzverbreiterung nach links, geringgradiger Bluthochdruck ohne Kreislaufdekompensationszeichen, ohne Rhythmusstörungen der Herzschlagfolge, Zwerchfellhochstand ohne wesentliche Einschränkung der Atemleistung. Es besteht ein Zustand nach Blinddarmoperation ohne Krankheitswert, ein Leberzellschaden ohne Hinweis für Dekompensation der Leberfunktion ohne akute Entzündung im Bauchraum, ein Zustand nach Schenkelhalsbruch rechts mit operativer Behandlung und anschließender Entfernung des eingebrachten Nagels, geringgradiger Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk und sonst im wesentlichen freier Beweglichkeit der übrigen Gelenksfunktionen ohne akute Entzündungszeichen der Gelenke bei geringgradigen Abnützungserscheinungen einiger großer Gelenke, in der Vorgeschichte erhöhter Harnsäurespiegel ohne Hinweis für akute Gicht, Senkspreizfüße ohne Entzündungszeichen, geringe Krampfadern der Unterschenkel ohne wesentliche venöse und arterielle Durchblutungsstörungen, geringgradige Koordinationsstörungen der Skelettmuskulatur bei einfacher Persönlichkeitsstruktur ohne sonstige neurologische und wesentliche psychische Ausfallserscheinungen.
Der Kläger kann leichte bis mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen ohne zusätzliche Arbeitspausen verrichten. Zu vermeiden sind Arbeiten überwiegend oder dauernd im Bücken bis zum Boden, häufige unvermeidbare Durchnässung und Erkältung und Arbeiten, die besondere Anforderungen an rasches Reaktionsvermögen und geistige Eigeninitiative stellen. Bezüglich des Anmarschweges zur Arbeit bestehen keine Einschränkungen. Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden. Es besteht beim Kläger eine mittelgradige mentale Retardierung, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf den im ersten Lebensjahr erlittenen Ikterus neonatorum bzw. wiederholte Gelbsuchtkrankheiten zurückzuführen ist. Für die fehlenden Sehnenreflexe an beiden unteren Extremitäten kann sowohl eine alkoholische Polyneuropathie, die keine nennenswerte funktionelle Beeinträchtigung darstellt, als auch ein angeborener Zustand verantwortlich sein. Im EEG sind keine posttraumatischen Veränderungen oder sonstigen Zeichen einer Störung der bioelektrischen Tätigkeit zu sehen. Der Kläger hat Anfang der Achtzigerjahre einen Lebenswandel durchgemacht. Er hat begonnen, im vermehrten Maß Alkohol zu konsumieren. Er wurde wegen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft aus dem Kurhaus der Barmherzigen Brüder in Schärding entlassen. Seither hat er keinen ständigen Arbeitsplatz. Er mußte wegen einer Brandstiftung eine Gefängnisstrafe abbüßen, seither läuft er bei jedem Arbeitgeber unbegründet weg. Aufgrund der mentalen Retadierung sind Arbeiten, die ein rasches Reaktionsvermögen, eine besondere geistige Eigeninitiative und eine höhere Intelligenz erfordern, nicht zumutbar. Der Kläger kann unter Anleitung einfache Arbeiten verrichten, er braucht regelmäßige, aber keine ständige Aufsicht. Er ist weder umschulbar noch anlernbar, jedoch unterweisbar. Hinsichtlich der manuellen Geschicklichkeit können Arbeiten verrichtet werden, die keine besonderen Anforderungen stellen. Die Frage der Einordenbarkeit ist differenziert zu beurteilen, d.h. der Kläger kann nur dann eine kontinuierliche Arbeitsleistung erbringen, wenn stabilisierende Einflüsse durch entsprechende Bezugspersonen vorhanden sind. Im Fall, daß er sich selbst allein überlassen ist, wie es derzeit der Fall ist, ist Einordenbarkeit aufgrund der bestehenden Persönlichkeit nicht gegeben. Geht man von den medizinischen Leistungskalkülen aus, dann ist der Kläger unter anderem zu folgenden Berufstätigkeiten befähigt: Straßenreiniger, Hilfsarbeiter zur Reinhaltung von Industriegeländen, Garagenarbeiter in Großgaragen, Reinigungsarbeiter (Hallenkehrer) in Betrieben. Diese Tätigkeiten sind arbeitspsychologisch nur dann zumutbar, wenn die Lebensumstände derartig gestaltet sind, daß pädagogisch positive Maßnahmen von Bezugspersonen ausgehen und diese eine entsprechende Stabilisierung bewirken und auch verhindern, daß der Kläger wieder vom Arbeitsplatz wegläuft. Pädagogische Einflüsse sind erforderlich und auch eine gewisse Aufsicht ist notwendig. Dies ist so zu verstehen, daß der Kläger am Arbeitsplatz selbst keine Aufsicht braucht, weil er dort ohnehin immer angewiesen und unterwiesen wird, was er zu tun hat und wie es zu machen ist und er am Arbeitsplatz auch geordnete Verhältnisse und Regeln vorfindet. Wenn aber der Kläger im Privatbereich sich selbst überlassen ist, ist die Gefahr der psychischen Verwahrlosung, daß er verkommt und seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr ordnen kann und verschlampt bzw. den Arbeitsplatz dann auch nicht mehr aufsucht, wenn er nicht jemand hinter sich hat, sehr groß. Er braucht jemanden, der ihm sagt "steh auf, mach das, geh weg". Der Kläger ist in seiner privaten Sphäre ungefähr wie ein Kind zu behandeln, seine Psyche und sein Geist ist nicht der eines Jugendlichen, sondern der eines Kindes, was seinen Verhaltensbereich anlangt. Er braucht jedenfalls im privaten Bereich regelmäßige Aufsicht, ähnlich wie in einem Elternhaus, wo für das Kleinkind auch Anordnungen gegeben werden, die strikt einzuhalten sind.
Hieraus zog das Erstgericht den Schluß, daß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt seien. Der Kläger bedürfe einer Bezugsperson, die eine entsprechende Stabilisierung bewirke. Es könne einem Dienstgeber nicht zugemutet werden, den Kläger systematisch zu beaufsichtigen. Nur in geschützten Werkstätten bestünden derartige Bedingungen. Der Kläger habe seit ca. 10 Jahren keine berufliche Stabilität aufzuweisen und laufe immer wieder nach kurzer Zeit vom Arbeitsplatz weg. Auch die Zukunftsprognose sehe schlecht aus, da dem Kläger private Bezugspersonen fehlten, ohne deren Anleitung er den Arbeitsplatz wieder verlassen würde. Unter diesen Voraussetzungen sei eine Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nur teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß es die beklagte Partei unter Auferlegung einer vorläufigen Leistung von S 2.000,-- monatlich zur Leistung der Invaliditätspension erst ab 1. November 1985 verpflichtete. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe nur dann, wenn der Versicherte nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers angewiesen sei. Der Kläger laufe immer wieder nach kurzer Zeit vom Arbeitsplatz weg. Es seien ihm nur einfache Tätigkeiten wie Straßenreiniger etc. zumutbar, aber auch diese nur, wenn die Lebensumstände dergestalt seien, daß pädagogisch positive Maßnahmen von Bezugspersonen ausgingen, sodaß eine entsprechende Stabilisierung bewirkt und verhindert werde, daß der Kläger schon nach kurzer Zeit den Arbeitsplatz wieder verlasse. Da solche private Bezugspersonen beim Kläger fehlten, sei davon auszugehen, daß er schon nach kurzer Zeit den jeweiligen Arbeitsplatz nicht mehr aufsuchen werde. Außerdem brauche er jemanden, der ihm sage, daß er aufstehen solle bzw. der ihn zu diesem und jenem anhalte. Dieser Umstand sei aber gerade auch im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes von entscheidender Bedeutung. Um einer Arbeit regelmäßig nachgehen zu können, sei es notwendig, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Der geistige und psychische Zustand des Klägers, der dem eines Kindes gleiche, würde es für den Kläger erforderlich machen, daß er durch eine Bezugsperson immer wieder Anordnungen wie zB pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz und ähnliches erhalte. Da ihm eine solche Bezugsperson fehle, die ihm immer wieder die notwendigen Anweisungen gebe, wäre der Kläger auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen. Eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei unter diesen Umständen nicht möglich. Die begehrte Leistung stehe allerdings erst ab dem der Antragstellung folgenden Monatsersten, sohin dem 1. November 1985, zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Beizutreten ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Versicherte nur dann auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, wenn er nicht auf besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers angewiesen ist, Verweisbarkeit besteht nur dann, wenn der Versicherte in der Lage ist, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Ob diese Voraussetzungen hier bestehen, kann aufgrund der bisher vorliegenden Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
Gemäß § 255 Abs 3 ASVG gilt der Versicherte, der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalid, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Daß der Kläger aufgrund des erhobenen Leistungskalküls rein körperlich in der Lage ist, die in den Feststellungen bezeichneten Verweisungstätigkeiten uneingeschränkt zu verrichten, ist unbestritten. Die Vorinstanzen gründeten ihre klagestattgebenden Entscheidungen im wesentlichen darauf, daß der Kläger auf ein besonderes Entgegenkommen seines Dienstgebers angewiesen sei, weil er ständig einer Aufsicht bedürfe bzw., weil ein regelmäßiges Erscheinen am Arbeitsplatz nicht gewährleistet sei, wenn ihm eine Bezugsperson fehle, die ihn dazu anhalte.
Von einem Herabsinken des geistigen Zustandes unter das für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderliche Maß kann jedoch nur gesprochen werden, wenn ein krankhafter Zustand besteht, der den Versicherten ungeachtet der Aufbietung der gesamten vorhandenen Willenskraft außerstande setzt, seinen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Verpflichtungen - damit auch der Verpflichtung zum pünktlichen Erscheinen am Arbeitsplatz - nachzukommen. Nur dann, wenn ein Versicherter zufolge einer geistigen Störung nicht mehr die Kraft hat, den Willen zur Erwerbsarbeit aufzubringen, kommt dem relevante Bedeutung im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG zu. Dabei ist die Willenskraft des betroffenen Versicherten und nicht die normale Reaktion eines Menschen mit durchschnittlicher Empfindlichkeit und Willenskraft maßgebend. Solange die Hemmung zur regelmäßigen Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. einzelner damit verbundenen Verpflichtungen mit Willenskraft überwindbar ist, kann von einem Herabsinken des geistigen Zustandes in einem im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG entscheidenden Maß nicht gesprochen werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 10 Ob S 149/87 - dort für den Fall eines Alkoholikers - in Anlehnung an die deutsche Lehre ausgeführt, daß das Sozialstaatsprinzip insbesondere durch die Ermächtigung und den Auftrag des Staates zur Gestaltung der sozialen Ordnung mit den Zielen der Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit sowie der Verwirklichung des Schutzes durch soziale Sicherung gekennzeichnet sei, dieses Sozialstaatsprinzip aber nicht nur als leistungsbegründend verstanden werden könne, sondern auch soziales Verhalten des einzelnen gegenüber der Gesamtheit erfordere. Mit dem Recht auf öffentliche Sozialleistungen sei grundsätzlich im Rahmen des Zumutbaren die Pflicht zur Abwendung oder Minderung des die Leistungen begründenden "Schadens" verbunden. Daraus ergäben sich auch Mitwirkungspflichten, Nebenpflichten des Leistungsberechtigten. Der Versicherte sei grundsätzlich verpflichtet, nach Kräften dazu beizutragen, den Versicherungsträger vor vermeidbarem versicherungsrechtlichen Schaden zu bewahren. Entspricht der Versicherte dieser Pflicht nicht, so kommt dem sich dadurch ergebenden Sachverhalt für die Anspruchsberechtigung Relevanz nur dann zu, wenn er hiezu zufolge einer geistig-seelischen Störung auch unter Einsatz aller Willenskraft nicht in der Lage ist. Ob ein solcher krankhafter Zustand besteht, ist vor allem auch eine ärztliche Frage.
Im vorliegenden Fall ist nicht ausreichend geklärt, ob beim Kläger eine psychische Störung besteht, die ihn außerstande setzt, die Willenstärke zu aktivieren, die erforderlich ist, um unter den üblichen Bedingungen einer geregelten Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt nachzugehen. Es fällt auf, daß der neurologisch-psychiatrische Sachverständige zum Ergebnis gelangte, daß der Mangel an Stetigkeit und Verantwortungsgefühl als negatives Persönlichkeitsmerkmal ohne Krankheitswert aufzufassen sei. Sollte dies - was ergänzend zu klären sein wird - in dem Sinn zu verstehen sein, daß der Kläger ungeachtet der bestehenden psychischen Beeinträchtigung in der Lage ist, die Willenskräfte aufzubringen, um einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, dies aber aus persönlichkeitsbedingten, wenn auch für ihn überwindbaren Gründen unterläßt, so wären die Voraussetzungen für die Leistung nicht gegeben, weil - wie oben dargestellt - vom Versicherten der Einsatz aller Willenskräfte zu fordern ist.
Dagegen, daß bei Ausübung der in den Verweisungsberufen anfallenden Arbeiten selbst eine besondere Aufsicht notwendig wäre, spricht das Gutachten des psychologischen Sachverständigen selbst, der darauf hinweist, daß der Kläger am Arbeitsplatz keine Aufsicht brauche, weil er dort ohnehin immer angewiesen und unterwiesen werde. Der scheinbare Widerspruch zu der an anderer Stelle in diesem Gutachten enthaltenen Aussage, daß der Kläger auch bei der Arbeit einer gewissen Aufsicht bedürfe, erklärt sich offenbar damit, daß Verweisungsberufe herangezogen wurden, die diesem Umstand Rechnung tragen und die allgemein bei diesen Tätigkeiten übliche Aufsicht ausreichend sei, um der beim Kläger bestehenden besonderen psychischen Situation Rechnung zu tragen. Bei Ausführung der Arbeiten selbst ist nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen über das bei diesen Tätigkeiten übliche Ausmaß hinaus eine Aufsicht nicht erforderlich, sodaß der Kläger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus diesem Grund eines besonderen Entgegenkommens des Dienstgebers nicht bedarf.
Ob aber der Mangel an Stetigkeit, der dazu führt, daß der Kläger bisher seine Arbeitsplätze jeweils nach kurzer Zeit verließ, und in der Folge immer längere Zeit keiner Beschäftigung nachging, in einer psychischen Störung begründet ist, der Krankheitswert zukommt, wird ergänzend zu prüfen sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E15870European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00287.88.1108.000Dokumentnummer
JJT_19881108_OGH0002_010OBS00287_8800000_000