TE OGH 1988/11/8 5Ob615/88

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Veröffentlicht am 08.11.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***-H*** T*** S***, Innsbruck, Sparkassenplatz 1, vertreten durch Dr. Ivo Greiter, Dr. Franz Pegger und Dr. Stefan Kofler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Günther V***, Steuerberater, Innsbruck, Speckbacherstraße 16 a, vertreten durch Dipl.Vw. DDr. Armin Santner und Dr. Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 109.508,27 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Juli 1988, GZ 4 R 131/88-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. Februar 1988, GZ 40 Cg 37/87-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.657,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,35 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 1. Oktober 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 109.508,27 S samt Anhang. Sie brachte vor, in der Höhe des Klagebetrages hafte der Beklagte als Bürge und Zahler für ein von ihr Fritz W*** gewährtes Darlehen.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Er stellte das Klagebegehren zwar der Höhe nach außer Streit (AS 132), wendete aber dem Grunde nach ein: Es sei keine Fälligstellung erfolgt. Die Bürgschaft sei nicht rechtswirksam zustande gekommen, weil er sie nur unter Zwang seitens Fritz W*** übernommen habe, der mit sofortiger Kündigung gedroht habe, es sei denn, er unterfertige die Bürgschaft. Er sei damals auf die Stellung in der Steuerberatungskanzlei W*** angewiesen gewesen, weil er für die bevorstehende Steuerberaterprüfung die Praxiszeit habe erfüllen müssen. Es liege aber auch eine sittenwidrige Benachteiligung seitens der klagenden Partei vor, weil diese ihn zu spät über Zahlungsrückstände W*** informiert habe. Schließlich habe die klagende Partei auch die ihr obliegende Aufklärungspflicht nicht erfüllt und einen Irrtum des Beklagten über die tatsächliche hohe Verschuldung W***, ja dessen Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, daß sie in ihrer Liquiditätsdarstellung vom 29. Oktober 1982 einen Sollstand von nur 409.220,20 S ausgewiesen habe, obwohl W*** allein bei der klagenden Partei ein Kreditobligo von mehr als 2 Mill. S gehabt haben müsse. Die Notwendigkeit der Aufnahme eines weiteren Kredits von 400.000 S, für den der Beklagte die Bürgschaft habe übernehmen sollen, sei damit begründet worden, daß W*** sich in vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten befinde. Dies sei geschehen, obwohl der klagenden Partei bekannt gewesen sei, daß W*** wirtschaftlicher Zusammenbruch unmittelbar bevorgestanden sei.

Die klagende Partei replizierte, daß sowohl W*** als auch dem Beklagten gegenüber die Schuld mit Schreiben vom 31. Mai 1985 fälliggestellt worden sei. Daß der Beklagte allenfalls die Bürgschaft in einer Zwangslage übernommen habe, sei der klagenden Partei unbekannt gewesen. Der Beklagte habe die Bürgschaft richtigerweise deshalb übernommen, weil er Teilhaber an der Kanzlei W*** habe werden wollen. Gegen ihre Aufklärungspflicht habe sie nicht verstoßen. Bei dem Gespräch am 7. September 1982 sei über die tatsächlichen Schulden W*** gesprochen worden; diese seien daher dem Beklagten bekannt gewesen. Die Aufstellung vom 29. Oktober 1982 enthalte auch außer der vorgesehenen Verwendung des neu zu gewährenden Abstattungskredits Hinweise auf weitere Schulden W***. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte ist im Jahre 1977 in die Steuerberatungskanzlei Friedrich W*** eingetreten. Im Sommer 1978 trat dort auch Mag. Reinhard F*** ein. Bereits damals animierte Fritz W*** seine beiden Mitarbeiter dazu, die Steuerberaterprüfung möglichst bald abzulegen, weil es möglich sei, daß einer von ihnen in die Kanzlei eintrete. Beide Mitarbeiter hatten zu diesem Zeitpunkt die Prüfung nicht abgelegt und mußten noch Praxiszeit leisten, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Der Beklagte wollte die Prüfung im Herbst 1982 ablegen. Er war an seinem Posten sehr interessiert, weil er noch Praxiszeiten benötigte, um die Voraussetzungen für die Steuerberaterprüfung zu erbringen. Seit Mai 1982 hatte Fritz W*** eine Schuldenlast, die immer drückender wurde. Er benötigte dringend einen Kredit, den ihm die klagende Partei geben sollte. Fritz W*** und seine beiden Mitarbeiter hatten zunächst besprochen, daß der Beklagte und Mag. F*** die Bürgschaft für diesen Kredit W*** übernehmen sollten. Zu einer konkreten Vereinbarung ist es damals noch nicht gekommen. W*** gab seinen Mitarbeitern zu verstehen, daß er für den Fall, daß er keinen Kredit bekomme, seine Kanzlei nicht weiterführen könne und in diesem Zusammenhang auch seine Mitarbeiter kündigen bzw. entlassen werde.

Auf Wunsch W*** kam es in dessen Kanzlei am 7. September 1982 zu einer Besprechung, an der W***, der Beklagte, Mag. F*** und Erich L*** als Vertreter der klagenden Partei teilnahmen. Dabei wurde ein Kredit genannt, den die klagende Partei Fritz W*** unter der Voraussetzung gewähren werde, daß der Beklagte und Mag. F*** für diesen bürgen.

Weiters wurde dabei allgemein gesprochen, daß eine Bedienung der Schulden sicherlich möglich sei und daß dieser Kredit eine Entspannung der finanziellen Situation bringen würde. W*** und L*** sprachen von vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten und daß sich die Kanzlei "voll erfangen werde". Mag. F***

erkundigte sich nach dem privaten Schuldenstand und den Einkommensverhältnissen von W*** und forderte gemeinsam mit dem Beklagten eine Offenlegung der Gesamtschuld. Weder W*** noch L***, der über den Schuldenstand W*** bei der klagenden Partei informiert war, nannten konkrete Zahlen. Mag. F***

wollte daraufhin eine Bürgschaftsverpflichtung nicht mehr eingehen. Über diese Tatsache geriet Fritz W*** in Zorn und erklärte, daß er in diesem Fall beide Mitarbeiter kündige. Dieses Gespräch endete ohne Kreditvereinbarung. Für den Beklagten war die Situation recht unangenehm, war er doch auf seinen Posten angewiesen und hatte er doch darüber hinaus auch in Aussicht gestellt bekommen, daß er nach Ablegung der Steuerberaterprüfung in die Kanzlei von Fritz W*** als Compagnon eintreten könne. Es wurden dann verschiedentlich Gespräche zwischen dem Beklagten und Erich L*** geführt. Schließlich erklärte sich der Beklagte am 23. Oktober 1982 bereit, eine Bürgschaftserklärung zu unterschreiben.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Fritz W*** bei der klagenden Partei folgende Kredite:

Konten             Kreditrahmen        Schuldenstand 0700-001357

(Kontokorrentkredit) S 500.000,-   S 752.051,46

0007-602162 (ex 1977)            S 400.000,-   S 369.907,--

0007-607518 (ex 1980)            S 200.000,-   S 206.338,--

0007-619653 (ex 1979)            S 250.000,-   S 224.945,--.

Fritz W*** hatte außer bei der klagenden Partei noch sonstige Verpflichtungen. Er hatte weitere Kredite und Darlehen bei der S***- UND V*** L***, beim Ö*** Innsbruck, bei der BTV Innsbruck und private Darlehen. Sämtliche bei der klagenden Partei geführten Kreditkonten wurden von W*** trotz laufender Mahnungen nahezu während der gesamten bisherigen Laufzeit nicht vereinbarungsgemäß bedient und wiesen zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme einen über den vereinbarten Tilgungsstand hinausgehenden Schuldsaldo auf. Bei der Bonitätsprüfung ging die klagende Partei vom Betriebsergebnis W*** 1980 aus. Weitere Untersuchungen über die Kreditwürdigkeit W*** sowie hinsichtlich Sicherheiten als auch Rentabilität und Liquidität aufgrund der aktuellen Betriebssituation hat die klagende Partei nicht berücksichtigt.

Am 29. Oktober 1982 unterschrieb Fritz W*** eine Kreditzusage der klagenden Partei über 400.000 S. Für diesen Kredit unterschrieb der Beklagte ein Bürgschaftsanbot und verpflichtete sich, für alle Ansprüche, die aus diesem Schuldverhältnis entstehen oder in Hinkunft noch entstehen werden, die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB zur ungeteilten Hand zu übernehmen. Die Kündigungen des Beklagten und Mag. F*** wurden nicht ausdrücklich rückgängig gemacht. Die beiden arbeiteten aber in der Steuerberatungskanzlei W*** weiter.

Angesichts der jährlichen Gehaltserhöhungen, die auch für die Zukunft versprochen wurden, und der Aussagen von Fritz W*** über eine gutgehende Kanzlei und offene Honorarforderungen in Höhe von 250.000 S konnte der Beklagte damit rechnen, daß die bestehenden Schulden vereinbarungsgemäß zu bedienen seien. Das Weiterbestehen seines Dienstverhältnisses und somit die Möglichkeit zur Ablegung der Steuerberaterprüfung waren von der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung abhängig. Dieses Abhängigkeitsverhältnis des Beklagten gegenüber seinem Dienstgeber war Erich L*** als Vertreter der klagenden Partei bekannt. Weiters war der klagenden Partei die äußerst bedrängte finanzielle Situation Fritz W*** bekannt, weil dieser alle zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Kredite nicht oder nur ungenügende oder nur aufgrund ständiger Mahnungen bediente sowie den ihm eingeräumten Rahmenkredit von 500.000 S ständig und zum Zeitpunkt der Aufnahme des neuerlichen, durch Bürgschaft gesicherten Kredits auf 750.000 S überzog. Im Frühjahr 1983 ist der Beklagte aus der Kanzlei W*** ausgeschieden.

Die von Fritz W*** als Kreditnehmer geleisteten Annuitätszahlungen erfolgten ausschließlich zu Lasten seines Betriebsmittelkontos 0700- 001357 bei der klagenden Partei.

Mit Schreiben vom 21. August 1984 informierte die klagende Partei den Beklagten von der Bitte W***, den derzeitigen Rückstand von 47.440 S zuzüglich der Raten September und Oktober 1984 auszusetzen. Mit Schreiben vom 31. Mai 1985 wies die klagende Partei den Beklagten auf einen Zahlungsrückstand von 47.277 S und auf die Fälligstellung des Kredits hin, wenn nicht bis spätestens 21. Juni 1985 dieser Betrag und alle weiteren fällig werdenden Raten durch Fritz W*** oder den Bürgen beglichen würden.

Dem Konto 0007-646714 wurden ab Kreditzuzählung (2. November 1982) bis zur Klageeinbringung (4. Oktober 1985) an Zinsen, Verzugszinsen und Mahnspesen insgesamt 183.821,50 S angelastet.

Erstmals wurden die vereinbarten Annuitätsverpflichtungen im August 1983 nicht eingehalten.

Rechtlich erachtete das Erstgericht den Bürgschaftsvertrag deshalb für nichtig, weil er gegen die Bestimmungen des Kautionsschutzgesetzes verstoße. Nach § 3 dieses Gesetzes dürfe die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, daß dem Dienstgeber vom Dienstnehmer oder einem Dritten ein Darlehen gewährt werde. Nach § 4 dieses Gesetzes seien solche Geschäfte nichtig. Berücksichtige man nun die umfassende Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler für die Kreditschuld sowie die Tatsache, daß er ab Zahlung aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung genau so gestellt sei, als hätte er seinem (damaligen) Dienstnehmer ein Darlehen gewährt, müsse Nichtigkeit der Bürgschaftsverpflichtung im Sinne des § 4 KautSchG angenommen werden, da der Beklagte ja nicht etwa die Bürgschaft übernommen habe, um in Zukunft sich an der Steuerberatungskanzlei des vormaligen Dienstgebers beteiligen zu können, sondern nur gezwungenermaßen, weil er sonst gekündigt worden wäre. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und erklärte die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO für zulässig. Es hielt sowohl die Beweisrüge als auch die Rechtsrüge für nicht berechtigt und führte, soweit dies im Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, aus:

Zur Beweisfrage meine die klagende Partei zunächst, es hätte festgestellt werden müssen, daß der Beklagte bereits vor der Besprechung am 7. September 1982 die für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erforderliche Praxiszeit abgeleistet gehabt habe. Diesbezüglich sei richtig, daß nach § 10 Abs.3 W*** BGBl. 1955/125 idF BGBl. 1967/292 nur eine mindestens 3 Jahre lange Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei Voraussetzung für die Zulassung zur Fachprüfung für die Tätigkeit eines Steuerberaters war, daß diese Frist mit der Novelle BGBl. 1982/352 auf 4 Jahre verlängert wurde, daß aber die Übergangsbestimmung des Art. II Z 2 dieser Novelle Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (1. Juli 1982) bereits Wirtschaftstreuhänder oder Berufsanwärter waren, die Möglichkeit einräumte, in ihren Anträgen auf Zulassung zu einer Fachprüfung bis zum 30. Juni 1985 zu verlangen, daß die Zulassungsvoraussetzungen nach den bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes geltenden Bestimmungen der W*** beurteilt werden. Da feststeht, daß der Beklagte bereits 1977 in die Kanzlei W*** (offenkundig als Berufsanwärter) eintrat, mußte demnach der Beklagte im September 1982 längst die erforderliche Praxiszeit haben. Daß weitere Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung ein ungekündigtes Dienstverhältnis als Berufsanwärter wäre, wie der Beklagte in seiner Parteienvernehmung aussagte, ergibt sich aus der WTBO nicht. Die Feststellung des Erstgerichtes, daß beide Mitarbeiter im September 1982 noch Praxiszeit leisten mußten, um zur Prüfung zugelassen zu werden, ist daher objektiv unrichtig, was ohne Beweiswiederholung festgestellt werden kann, da sich die Unrichtigkeit aus Gesetzesbestimmungen ergibt. Daß aber das Weiterbestehen des Dienstverhältnisses des Beklagten und somit die Möglichkeit zur Ablegung der Steuerberaterprüfung von der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung abhängig war, ist trotzdem richtig. Zu bedenken ist nämlich, daß sich der Beklagte damals im Prüfungsstadium befand und bereits seit Mai 1982 zu diesem Zweck freigestellt war, daher nur noch sporadisch in der Kanzlei W*** arbeitete. Wäre der Beklagte in dieser Situation gekündigt oder entlassen worden, dann hätte dies zwar nichts daran geändert, daß er bereits eine ausreichende Praxiszeit für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung gehabt hätte. Er wäre aber vor der Alternative gestanden, entweder noch monatelang (die Prüfung wurde ja erst 1983 abgelegt) ohne Einkommen zu sein oder sich um eine Stelle bei einem anderen Steuerberater zu bemühen, was, wenn dies überhaupt ohne weiteres möglich gewesen wäre, wohl notwendigerweise zur Folge gehabt hätte, daß er dort vorerst eine gewisse Zeit hindurch voll hätte arbeiten müssen, weil kaum anzunehmen ist, daß er bei Antritt einer neuen Stelle ebenfalls gleich für die Vorbereitung auf die Prüfung freigestellt worden wäre. Insofern waren also das Weiterbestehen seines Dienstverhältnisses bei W*** und die Möglichkeit zur Ablegung der Steuerberaterprüfung durchaus von der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung abhängig, zumal W***, wie das Erstgericht zu Recht feststellte, die Kündigung für den Fall, daß die Bürgschaftsverpflichtung nicht eingegangen würde, nicht nur androhte, sondern am 7. September 1982, als es so schien, als würde die Bürgschaft von keinem der beiden Mitarbeiter akzeptiert, sogar aussprach.

Weiters rüge die klagende Partei die Feststellung des Erstgerichtes, daß das Abhängigkeitsverhältnis des Beklagten gegenüber seinem Dienstgeber Erich L*** als Vertreter der klagenden Partei bekannt gewesen sei. Richtigerweise hätte festgestellt werden müssen, daß ein Abhängigkeitsverhältnis L*** nicht bekannt gewesen sei. Auch das Berufungsgericht ist der Überzeugung, daß bei dem Gespräch vom 7. September 1982 seitens W*** die Kündigung seiner beiden Mitarbeiter ausgesprochen wurde.

Da L*** bei dem gesamten Gespräch anwesend war, ergibt sich zwangsläufig, daß auch er diese Kündigung gehört haben muß. Darüber hinaus hat L*** selbst bestätigt, daß er wußte, daß sich der Beklagte gerade im Prüfungsstadium befand. Da L*** sowohl gehört hatte, daß W*** deshalb, weil die Mitarbeiter Schwierigkeiten bei der Übernahme der Bürgschaft machten, deren Kündigung aussprach, als auch wußte, daß sich der Beklagte gerade im Prüfungsstadium befand, ist die Feststellung des Erstgerichtes durchaus zutreffend, daß ihm dieses Abhängigkeitsverhältnis des Beklagten bekannt war. Als unrichtig erachtet die klagende Partei ferner die Feststellung des Erstgerichtes, daß der klagenden Partei die äußerst bedrängte finanzielle Situation des Kreditnehmers Fritz W***

bekannt war, weil dieser alle zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Kredite nicht oder nur ungenügend oder nur aufgrund ständiger Mahnungen bediente sowie den ihm eingeräumten Rahmenkredit von 500.000 S überzog. Richtig wäre nach Ansicht der klagenden Partei die Feststellung, daß ihr nur die bei ihr aushaftenden Kredite bekannt gewesen seien. Dies trifft zwar zu, ändert aber nichts an der Richtigkeit der bekämpften Feststellung, weil die in dieser selbst gegebenen Begründung jedenfalls und unabhängig davon, ob der klagenden Partei auch eine Verschuldung W*** bei anderen Kreditgebern bekannt war, zutrifft. Sie entspricht genau dem vom Sachverständigen in seinem Gutachten Ausgeführten. Die dort vom Sachverständigen bekundete Ansicht ist offensichtlich richtig, weil ohne eine äußerst bedrängte finanzielle Situation ein Kreditwerber nicht sämtliche aushaftenden Kredite nicht oder nur ungenügend oder nur aufgrund ständiger Mahnungen bedienen und den ihm eingeräumten Rahmenkredit ständig erheblich überziehen wird; dies zumal dann, wenn es sich um einen Steuerberater handelt, für den damit zusätzlich noch eine für diesen Berufsstand sehr problematische Verminderung des Ansehens verbunden ist.

Darüber hinaus macht die klagende Partei noch geltend, das Motiv des Beklagten für die Bürgschaftsübernahme sei gewesen, daß der Beklagte sich an der Steuerberatungskanzlei W*** habe beteiligen wollen und Erich L*** auch annehmen habe können, daß dies das Motiv für die Übernahme der Bürgschaft gewesen sei. Das Erstgericht hat zu dieser Frage einerseits festgestellt, daß bereits Ende der Siebzigerjahre W*** seine beiden Mitarbeiter animierte, möglichst bald die Steuerberaterprüfung abzulegen, weil es möglich sei, daß einer von ihnen in die Kanzlei eintrete, weiters, daß für den Beklagten die Situation nach dem Gespräch vom 7. September 1982

recht unangenehm war, sei er doch auf seinen Posten angewiesen gewesen und habe darüber hinaus auch in Aussicht gestellt bekommen, daß er seinerseits nach Ablegung der Steuerberaterprüfung in die Kanzlei W*** als Compagnon eintreten könne. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat das Erstgericht dann ausgeführt, aus dem geschilderten Sachverhalt könne man entnehmen, daß der Beklagte keineswegs freiwillig die Übernahme der Bürgschaft anbot, beispielsweise, um sich in Zukunft an der Steuerberatungskanzlei seines damaligen Dienstgebers beteiligen zu können, oder aus anderen Überlegungen, sondern nur gezwungen, weil er sonst gekündigt worden wäre. Daß bereits vor dem 7. September 1982 von einer möglichen Beteiligung des Beklagten an der Steuerberatungskanzlei von Fritz W*** die Rede war, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt. Aus der Aussage des Zeugen Erich L*** ergibt sich, daß auch am 7. September 1982 davon die Rede war. Auch der Beklagte bestreitet nicht, daß "einerseits anläßlich der Bürgschaft, aber auch schon früher und in anderen Zusammenhängen" die Rede davon war, daß er allenfalls in die Kanzlei W*** eintreten könne. Seiner Ansicht nach allerdings, folgt man der Parteiaussage, war das Interesse daran, daß er in diese Kanzlei eintreten sollte, auf Seiten von Fritz W*** gelegen. Aus der Aussage des Zeugen Mag. F***

ist zu entnehmen, daß vor dem Gespräch vom 7. September 1982 davon die Rede war, ob man nicht gewissermaßen als Vorgriff auf eine zukünftige Beteiligung von ihm und dem Beklagten eine gewisse Unterstützung verlangen könne. Daß die Aussicht, allenfalls als Teilhaber in die Kanzlei W*** eintreten zu können, auch für den Beklagten bei seiner Motivation, die Bürgschaft schließlich zu übernehmen, eine gewisse Rolle spielte, wird daher den Tatsachen entsprechen. Bedenkt man aber, daß W*** ja keineswegs eine fixe Zusage gegeben hatte, daß anscheinend nach der Aktenlage auch keinerlei konkrete Verhandlungen über die Art der Beteiligung vor Bürgschaftsübernahme stattgefunden haben, daß also lediglich eine gewisse Hoffnung bestehen konnte, nach Ablegung der Steuerberaterprüfung als Teilhaber in die Kanzlei aufgenommen zu werden, kann nicht davon ausgegangen werden, daß es sich hiebei auf Seite des Beklagten um ein wesentliches Motiv für die Bürgschaftsübernahme gehandelt hat, das für sich allein den Entschluß, die Bürgschaft zu übernehmen, hätten tragen können oder das für den Entschluß auch nur kausal gewesen wäre. Dem entspricht auch, daß schließlich der Beklagte, obwohl er die Bürgschaft übernommen hatte, im Jahr 1983 die Kanzlei W*** verließ, also nicht Teilhaber wurde. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes konnte auch Erich L***, trotzdem er gehört hatte, daß eine Beteiligung des Beklagten an der Steuerberatungskanzlei W*** in Aussicht gestellt war, nicht annehmen, daß der Beklagte in seiner Motivation zum Abschluß des Bürgschaftsvertrages davon erheblich beeinflußt gewesen wäre. Ihm war einerseits bekannt, daß dem Beklagten die Kündigung drohte, wenn er sich nicht bereitfinde, die Bürgschaft zu übernehmen; ihm war darüber hinaus bekannt, daß der Beklagte sich gerade auf die Steuerberaterprüfung vorbereitete; ihm war daher klar erkennbar, unter welchem Druck der Beklagte angesichts dieser Drohung stand, weil er je zunächst jedenfalls vom Weiterbestehen des Arbeitsplatzes als Angestellter abhängig war.

Unter diesen Umständen konnte L*** nicht annehmen, daß die für die Zukunft in Aussicht gestellte Beteiligung an der Steuerberatungskanzlei W***, die ja keineswegs fix zugesagt war, für den Beklagten ein wesentliches Motiv für die Übernahme der Bürgschaft war. Daß dabei fast 2 Monate zwischen der Besprechung im September und der Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrages lagen und daß F*** bei W*** weiterbeschäftigt blieb, obwohl er nicht bereit war, die Bürgschaft zu übernehmen, ändert daran nichts. Für W*** war ja entscheidend lediglich, daß einer der beiden Mitarbeiter die Bürgschaft übernehme; die klagende Partei war ja schließlich auch, obwohl nur der Beklagte die Bürgschaft übernahm, bereit, den von W*** gewünschten Kredit zu gewähren. Daß F*** trotz seiner Weigerung, für den Kredit zu bürgen, den Arbeitsplatz behielt, ließ daher auch zum damaligen Zeitpunkt keineswegs den Schluß zu, die Kündigungsdrohung W*** sei nicht ernst. Daß die Kündigungsdrohnung bis zum Abschluß des Bürgschaftsvertrages nicht mehr aktuell gewesen wäre, kann eben deshalb auch nicht angenommen werden; sie hatte wohl offensichtlich so lange Geltung, als nicht eine klare Entscheidung des Beklagten in dieser Frage vorlag. Hätte auch er sich dazu entschlossen, die Bürgschaft nicht zu übernehmen, dann kann wenig Zweifel daran bestehen, daß W*** den Beklagten und wohl auch F*** gekündigt hätte. Daß die Kündigung der beiden Mitarbeiter bis zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten nicht wahrgemacht wurde, schloß dies nicht aus, da ja W***, und wie sich zeigte zu Recht, vorerst noch darauf hoffen konnte, daß doch einer der beiden Mitarbeiter sich bereiterklären werde, die Bürgschaft zu übernehmen. Aufgrund all dieser Umstände konnte daher L*** nicht annehmen, daß der Beklagte die Aussicht auf eine Beteiligung an der Kanzlei W*** als wesentliches Motiv für die Bürgschaftsübernahme gehabt hätte.

Im Rahmen der Rechtsrüge wende sich die klagende Partei gegen die Ansicht des Erstgerichtes, der Bürgschaftsvertrag sei gemäß § 4 KautSchG nichtig. Aus der Entscheidung SZ 42/36 ergebe sich, daß Bürgschaftserklärungen eines Dienstnehmers durch das Kautionsschutzgesetz nicht verboten seien. Gemäß § 1 Abs.1 KautSchG dürfe sich eine Dienstgeber von seinem Dienstnehmer oder für diesen von einem Dritten eine Kaution nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen bestellen lassen, die ihm gegen den Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis erwachsen können, wobei als Kaution gewisse taxativ aufgezählte Mittel, darunter auch Bürgschaften, genannt seien. Unter diesen Bürgschaften im Sinne des § 1 Abs.1 lit.c KautSchG seien tatsächlich Bürgschaften dritter Personen zu verstehen, die diese übernehmen, um allfällige Schadenersatzansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer zu sichern. Bürgschaften eines Dienstnehmers zugunsten irgendwelcher Verpflichtungen seines Dienstgebers fielen jedenfalls nicht unter das Verbot der §§ 1, 4 KautSchG. Hierin sei der klagenden Partei Recht zu geben (siehe SZ 42/36 = DRdA 1971, 19).

Das Erstgericht habe die Nichtigkeit der übernommenen Bürgschaft aber aus den Bestimmungen der §§ 3, 4 KautSchG abgeleitet. Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht2 I 133 meinten zwar, Bürgschaftserklärungen von Arbeitnehmern für Verpflichtungen ihrer Arbeitgeber fielen nicht unter das Kautionsschutzgesetz. Eine Begründung für diese Ansicht werde aber - abgesehen von der Verweisung auf DRdA 1971, 19 und EvBl. 1986/92 - nicht gegeben. In der erstangeführten, bereits zitierten Entscheidung finde sich zwar der Satz, Bürgschaftserklärungen eines Dienstnehmers zugunsten irgendwelcher Verpflichtungen seines Dienstgebers fielen nicht unter das Kautionsschutzgesetz, doch beziehe sich dieser Satz dem Zusammenhang nach auf die Bestimmung des § 1 Abs.1 lit c KautSchG. Im folgenden werde nämlich ausgeführt, daß die Bestimmung des § 3 KautSchG, wonach der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages nicht davon abhängig machen dürfe, daß der Dienstnehmer ihm ein Darlehen gewährt oder sich mit einer Geldanlage am Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt, nicht zur Anwendung komme, da der Beklagte derartiges gar nicht behauptet habe. In EvBl. 1986/92 habe der Oberste Gerichtshof zu einem Fall, in dem ein Dienstnehmer zum Zwecke der Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes für ein dem Dienstgeber von einem Dritten gewährtes Darlehen eine Bürgschaft übernahm, ausgeführt, eine unmittelbare Anwendung des § 3 KautSchG komme deshalb nicht in Frage, weil sich diese Bestimmung nur auf Rechtsgeschäfte zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer (wenn dieser dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt) oder einem Dritten (wenn der Dritte dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt) beziehe. Nur durch ausdehnende Auslegung könnte diese Bestimmung unter Umständen auch bei Rechtsgeschäften zum Tragen kommen, in denen der Dienstgeber nicht verlangt, daß ihm ein Darlehen gewährt werde, sondern einem Dritten. Noch weiter entfernt vom Gesetzestext wäre eine Anwendung auf Rechtsgeschäfte zwischen dem Dienstnehmer und einem Dritten, der kein Darlehen erhalte, der aber dem Dienstnehmer Mittel zur Verfügung stelle, damit dieser dem Dienstgeber ein Darlehen gewähren könne, oder der mit dem Dienstnehmer nur einen Bürgschaftsvertrag, Verpfändungsvertrag oder dgl. abschließe und im Zusammenhang mit dieser Sicherung dann allerdings dem Dienstgeber ein Darlehen gewähre. Auch wenn man die erwähnte ausdehnende Interpretation für zulässig hielte oder von einem Umgehungsgeschäft ausginge, müßte jedenfalls in einem solchen Fall verlangt werden, daß der in Frage stehende Dritte zumindest davon Kenntnis habe, daß das von ihm mit dem Dienstnehmer abgeschlossene Rechtsgeschäft den Zweck habe, die Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes des Dienstnehmers sicherzustellen. Dies ergebe sich vor allem aus dem Zweck des Gesetzes, weil § 3 KautSchG nur solche Fälle treffen solle, in denen der Abschluß des Dienstvertrages oder dessen Aufrechterhaltung seitens des Dienstgebers von Geldleistungen des Dienstnehmers abhängig gemacht wird. Die Vorschrift solle sich dagegen nicht auf Fälle beziehen, in denen sich der Dienstnehmer selbst um den Dienstposten unter dem Versprechen der Gewährung eines Darlehens oder einer Beteiligung als stiller Gesellschafter bewerbe. Eine solche Kenntnis der (im gegenständlichen Fall kreditgewährenden) klagenden Partei sei aber nie behauptet worden. Der Oberste Gerichtshof habe also auch im Erkenntnis EvBl. 1986/92 keineswegs die Frage grundsätzlich verneint, ob bei Kenntnis des dem Dienstgeber ein Darlehen gewährenden Dritten, daß die Übernahme der Bürgschaft zur Sicherung dieses Darlehens durch den Dienstnehmer den Zweck hat, die Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes sicherzustellen, die Bürgschaft infolge der Bestimmungen der §§ 3, 4 KautSchG nichtig sei.

Im gegenständlichen Fall stehe fest, daß das Weiterbestehen des Dienstverhältnisses des Beklagten und damit die Möglichkeit zur Ablegung der Steuerberaterprüfung von der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung abhängig war und daß dieses Abhängigkeitsverhältnis des Beklagten von seinem Dienstgeber Erich L*** als Vertreter der klagenden Partei bekannt war. Der Sachverhalt erfülle daher die Voraussetzungen, unter denen nach der in EvBl. 1986/92 geäußerten Ansicht des Obersten Gerichtshofes möglicherweise eine Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrages nach §§ 3, 4 KautSchG werden könne.

Das Berufungsgericht sei der Ansicht, daß eine Bürgschaftsübernahme wie im gegenständlichen Fall zumindest in der äußerst bedrängten finanziellen Situation des Dienstgebers W***

(die der klagenden Partei bekannt war) potentiell eine Darlehensgewährung darstelle, wie sie nach § 3 KautSchG unzulässig sei. Diese Bürgschaftsübernahme habe sich aber nicht nur von vornherein potentiell als solche vom Gesetz verbotene Darlehensgewährung dargestellt; sie habe sich schließlich auch als solche Darlehensgewährung aktualisiert, da ja der Beklagte als Bürge und Zahler in Anspruch genommen werde und bei einem Durchdringen der klagenden Partei mit ihrer Forderung und Erfüllung der Schuld ihr gegenüber gemäß § 1358 ABGB in die Rechte der klagenden Partei gegenüber W*** einträte. Damit bestünde zwischen ihm und W*** genau das von § 3 KautSchG verbotene Rechtsverhältnis. Der Abschluß eines Bürgschaftsvertrages unter diesen Umständen stelle daher nach Ansicht des Berufungsgerichtes tatsächlich eine Umgehung der §§ 3, 4 KautSchG dar.

Umgehungsgeschäfte unterlägen der Inhaltskontrolle nach § 879 ABGB (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 38 zu § 879). Die Gesetzesverletzung genüge; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien komme es nicht an (Krejci aaO Rz 40 zu § 879). Sie seien dann unwirksam, wenn das Verbotsgesetz für gesetzwidrige Rechtsgeschäfte Unwirksamkeit anordne (Krejci aaO Rz 46 zu § 879).

Eine solche Anordnung befinde sich im § 4 KautSchG. Das Berufungsgericht folge daher der Ansicht von Dirschmied in der Besprechung der Entscheidung DRdA 1971, 19, daß bei Abschluß dieses Bürgschaftsvertrages eine Umgehung eines leitenden Prinzips des Kautionsschutzgesetzes erfolgt sei, die deshalb sittenwidrig und nichtig sei.

Angesichts der Tatsache, daß zu der hier zu lösenden entscheidenden Rechtsfrage - soweit überblickbar - eine eindeutige oberstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht existiere, sei die Revision gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zuzulassen gewesen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs.1 Z 4 in Verbindung mit Abs.2 ZPO gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klage abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die klagende Partei vertritt zusammengefaßt den Standpunkt, daß die prozeßgegenständliche Bürgschaftserklärung des Beklagten weder nach dem klaren Wortlaut der §§ 3, 4 KautSchG noch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nichtig sei. Letzteres ergebe sich aus dem in der Entscheidung SZ 42/36 festgestellten Gesetzeszweck, den Dienstnehmer vor einer mißbräuchlichen Verwendung der von ihm bestellten Kaution zu schützen, und aus der Formulierung der Begründung der Entscheidung EvBl. 1986/92, aus welcher daß der Oberste Gerichtshof sowohl eine ausdehnende Auslegung des § 3 KautSchG als auch die Annahme einer Gesetzesumgehung ablehne. Im übrigen bekämpft die klagende Partei die Ansicht des Berufungsgerichtes als unrichtig, daß die Bürgschaftsübernahme des Beklagten in der finanziellen Situation seines Dienstgebers W*** einer Darlehensgewährung gleichgekommen wäre. Bei ordnungsgemäßer Kanzleiführung und geringen Privatentnahmen hätte W*** seine ihrem Mitarbeiter bekannten Kredite durchaus bedienen können. Bei Bürgschaftsübernahme sei jedenfalls nicht erkennbar gewesen, daß W*** seine Kredite nicht ordnungsgemäß bedienen werde. Die Annahme der Bürgschaftserklärung des Beklagten durch die klagende Partei sei daher auch aus diesem Grund nicht sittenwidrig gewesen. Der Mitarbeiter der klagenden Partei habe überdies nicht davon ausgehen können, daß der Beklagte die Bürgschaftserklärung "wegen des wirtschaftlichen Drucks des bestehenden Arbeitsverhältnisses" unterfertige. Für ihn sei das Motiv für die Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten darin gelegen gewesen, daß der Beklagte in die Steuerberatungskanzlei W*** eintreten und sich damit Startschwierigkeiten ersparen wollte. Somit liege auch die vom Obersten Gerichtshof in EvBl. 1986/92 geforderte Voraussetzung dafür nicht vor, daß das Kautionsschutzgesetz unter Umständen bei einer weit vom Gesetz entfernten ausdehnenden Auslegung auf Bürgschaftserklärungen wie die prozeßgegenständliche Anwendung finden könnte. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Nach § 3 KautSchG darf (unter anderem) die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrages vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, daß dem Dienstgeber vom Dienstnehmer ein Darlehen gewährt wird. Nach § 4 Satz 1 KautSchG sind Verträge über Darlehen, die den Bestimmungen des § 3 KautSchG widersprechen, nichtig. Die Nichtigkeitssanktion erfaßt auch Verträge, derartige Darlehen künftig zu geben.

Zweck der mit Nichtigkeitssanktion bewehrten Verbotsnorm des § 3 KautSchG ist es (unter anderem), den Dienstnehmer davor zu schützen, daß er um der Aufrechterhaltung des Dienstvertrages willen dem Dienstgeber eine Darlehen gewährt und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt wird (siehe die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Kautionsschutzgesetzes, 168/Ge der Beilagen S. 3, wonach Unternehmer, die sich unter der mehr oder weniger offenen Drohung, sonst das Dienstverhältnis zur Auflösung zu bringen, von bereits bei ihnen angestellten Personen Darlehen geben lassen, auf so schwachen Füßen stehen, daß das Darlehen wohl als verloren anzusehen sein wird; die von der klagenden Partei aus SZ 42/36 zitierten Ausführungen zum Zweck des Kautionsschutzgesetzes bezogen sich auf dessen § !§ 1 !und 4 ).

Im gegenständlichen Fall steht fest, daß sich W*** in einer äußerst bedrängten finanziellen Situation befand und die klagende Partei zu einer weiteren Kreditgewährung an ihn nur gegen deren Besicherung durch eine Bürgschaft bereit war. Um den benötigten Kredit zu erlangen, machte W*** die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses des Beklagten davon abhängig, daß dieser die Bürgschaft hiefür übernahm. Der Beklagte, der auf die Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses zu W*** angewiesen war, entschloß sich deshalb zur Bürgschaftsübernahme. L***

waren die Umstände bekannt. Soweit die klagende Partei den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt in Zweifel zu ziehen sucht, ist ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Geht man aber von dem von den Vorinstanzen erhobenen Sachverhaltsbild aus, dann ist auch deren näher begründeten Rechtsansicht beizupflichten, daß in der festgestellten Vorgangsweise der Streitteile und des Fritz W*** eine zwar nicht den Buchstaben des Kautionsschutzgesetzes verletzende, aber dessen Zweck vereitelnde Umgehung zu erblicken ist, die gleichfalls unter Nichtigkeitssanktion steht (vgl. EvBl. 1986/92 mwN; vgl. ferner Gschnitzer in Klang2 IV/1, 185 f, der darauf hinweist, daß die Umgehung die größte Rolle bei Verbotsgesetzen, besonders bei sozialen Schutzgesetzen, daher insbesondere im Arbeitsrecht und Mieterschutzrecht, spiele; Koziol-Welser8 I 138; zum Kautionsschutzgesetz siehe Weiser in RZ 1937, 507, Dirschmied in RdA 1971, 21 sowie Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 167, die es als unbefriedigend bezeichnen, wenn Bürgschaften von Arbeitnehmern für Darlehen Dritter an den Arbeitgeber zur Aufrechterhaltung des Betriebes und damit der Arbeitsplätze der Schutz versagt bliebe).

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen, ohne daß es erforderlich ist zu prüfen, ob die Klage auch deswegen abzuweisen gewesen wäre, weil die klagende Partei die ihr dem Beklagten gegenüber obliegende Aufklärungspflicht betreffend die Höhe der Verschuldung des Fritz W*** verletzt und den Beklagten dadurch in Irrtum geführt hat (vgl. dazu SZ 57/70, BankArch 1987, 576 ua, zuletzt etwa 3 Ob 506/88).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15758

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00615.88.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19881108_OGH0002_0050OB00615_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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