TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/13 2002/18/0238

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1968, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Bräuhausgasse 63/7-8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. August 2002, Zl. SD 211/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. August 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 30. Mai 2000 mit Hilfe eines Schleppers illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes sei er mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juni 2001 rechtskräftig ausgewiesen worden. Eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde sei als unbegründet abgewiesen worden.

Am 1. Februar 2002 sei der Beschwerdeführer bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in Wien beim Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften betreten und vorläufig festgenommen worden. Er habe den Namen S., geboren am 19. Mai 1975, geführt. Unter diesem Namen habe er am 28. Jänner 2002 einen erneuten Asylantrag gestellt. Mit dieser "Alias-Identität" sei er seit 1. Februar 2002 an einer Adresse in Wien polizeilich gemeldet gewesen.

Eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers habe die geführte "Alias-Identität" zu Tage gebracht. Das zweite Asylverfahren sei anhängig, er habe jedoch bisher (offensichtlich gemeint: im Asylverfahren) nicht vernommen werden können.

Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 6. Februar 2002 (im fremdenpolizeilichen Verfahren) habe der Beschwerdeführer die festgestellte "Alias-Identität" zugegeben. Er habe behauptet, Österreich am 20. Juli 2001 verlassen zu haben und anschließend in Spanien aufhältig gewesen zu sein, bevor er nach Österreich zum Zweck der Arbeitsaufnahme zurückgekehrt wäre. Er sei lediglich im Besitz von EUR 90,-- und ATS 100,-- (EUR 7,27) gewesen. Seit 7. März 2002 sei er wieder unter seinem ursprünglichen Namen polizeilich gemeldet. Weiter sei aktenkundig, dass er seine Entlassung aus der Schubhaft durch einen Hungerstreik erzwungen habe.

Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer eine zweite (falsche) Identität geführt und unter dieser einen Asylantrag gestellt habe, sei der in § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG normierte Tatbestand verwirklicht. Solcherart habe der Beschwerdeführer nämlich beabsichtigt, eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 - AsylG, somit eine Aufenthaltsberechtigung nach § 31 Abs. 1 FrG, zu erwirken. Erschwerend zum Fehlverhalten trete - wie von der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) zutreffend festgestellt - hinzu, dass er laut seinen Angaben erneut illegal in das Bundesgebiet eingereist und auch mittellos sei. Insgesamt könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 37 und 38 leg. cit. - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Familie lebe in Indien. Zu Österreich bestünden keine familiären Bindungen. Selbst wenn man angesichts des anhängigen Asylantrages von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen wollte, sei dieser Eingriff jedenfalls zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme ein besonders hoher Stellenwert zu. Wer jedoch, wie der Beschwerdeführer, zum wiederholten Mal illegal in das Bundesgebiet einreise, um hier zu arbeiten, und versuche, durch Führen falscher Identitäten in verschiedenen Asylverfahren ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, lasse seine außerordentliche Geringschätzung nicht nur des Institutes "Asyl", sondern insbesondere auch maßgeblicher fremdenrechtlicher Vorschriften erkennen. Solcherart sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Auch eine gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführende Interessenabwägung müsse zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Er könne weder auf eine nennenswerte Integration noch familiäre Bindungen verweisen, weshalb das ihm zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet als kaum ausgeprägt erscheine. Dem sei das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben gewesen.

Da darüber hinaus keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können. Das erneut anhängige Asylverfahren stelle keinen solchen besonderen Umstand dar. Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde sei mit einer nunmehr anderslautenden Entscheidung im Asylverfahren nicht zu rechnen. Darüber hinaus sei ein Vollzug des Aufenthaltsverbotes vor rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ohnedies unzulässig.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung erscheine nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers einerseits und des Mangels jeglicher familiärer Bindungen zum Bundesgebiet andererseits könne vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 28. Jänner 2002 (erneut) einen Asylantrag unter dem unrichtigen Namen S., geboren am 19. Mai 1975, gestellt und dabei die Absicht gehabt hat, eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zu erlangen. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Dieses Täuschungsverhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, wobei den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0365, mwN). Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer diesen Regelungen auch dadurch zuwidergehandelt hat, dass er - wie bereits am 30. Mai 2000, woraufhin er mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juni 2001 rechtskräftig ausgewiesen worden war - neuerlich illegal in das Bundesgebiet eingereist ist.

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer schwer krank sei, in Österreich operiert worden sei und noch einmal operiert werden müsse. Bei diesem Vorbringen handelt es sich nach Ausweis der Verwaltungsakten um eine nicht bereits im Verwaltungsverfahren, sondern erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung, auf die wegen des in diesem Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) nicht weiter einzugehen ist.

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer ledig und hat im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Er ist erstmals am 30. Mai 2000 illegal, mit Hilfe eines Schleppers, in das Bundesgebiet gelangt und wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juni 2001 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes rechtskräftig ausgewiesen. Seinen Angaben bei der obgenannten Vernehmung am 6. Februar 2002 zufolge sei er, nachdem er am 20. Juli 2001 Österreich verlassen habe, am 23. Jänner 2002 (wieder) illegal eingereist. Auch wenn man in Anbetracht der gesamten Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG ausgehen wollte, wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen in Österreich hat, begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 2 FrG der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegenstehe, keinem Einwand.

4. Entgegen der Beschwerdeansicht kann keine Rede davon sein, dass nicht nachvollzogen werden könne, welche Tatsachen die belangte Behörde als zu Recht bestehend angenommen habe und welche nicht, und dass der angefochtene Bescheid nicht überprüfbar sei.

Wenn die Beschwerde rügt, dass der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht vorbringt, zu welchen Ergebnissen der Beweisaufnahme die belangte Behörde den Beschwerdeführer hätte Stellung nehmen lassen müssen (vgl. § 45 Abs. 3 AVG), und sie mit der allgemeinen Behauptung, "es wurden ihm nicht alle Umstände dargetan, die vielleicht zur Annahme eines Aufenthaltsverbotes führen könnten", die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht darlegt.

5. Schließlich begegnet der angefochtene Bescheid auch in Ansehung der darin festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keinen Bedenken.

Gemäß § 39 Abs. 1 FrG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren, erlassen werden. Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2002/18/0256, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 leg. cit. - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird.

Der Beschwerdeführer hat wiederholt die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Regelungen missachtet und diesen zuwidergehandelt. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

6. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002180238.X00

Im RIS seit

11.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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