TE OGH 1988/11/9 1Ob621/88

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Veröffentlicht am 09.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner T***, geboren am 4. Jänner 1942 in Gmunden, Redakteur,

Johannagasse 15-17/37, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Dr. Elfriede T***-F***, geboren am 28. Juni 1926 in Krems, Journalistin, Wasagasse 23/45, 1090 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. März 1988, GZ 3 R 214/87-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Februar 1987, GZ 32 Cg 23/83-41, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes und das Teilurteil des Erstgerichtes werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - unter Abstandnahme von der Erlassung eines Teilurteiles - zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Der am 4. Jänner 1942 geborene Kläger und die am 28. Juni 1926 geborene Beklagte schlossen am 11. Dezember 1972 die Ehe. Es handelte sich beiderseits um die dritte Eheschließung nach Scheidung der jeweiligen Vorehen. Die Ehe blieb kinderlos. Ehepakte wurden nicht errichtet. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wien.

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs.3 EheG und trug vor, die häusliche Gemeinschaft der Streitteile sei seit mehr als sechs Jahren aufgehoben und das "Alleinverschulden an der Ehescheidung" treffe wegen mehrerer, näher dargestellter Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG die Beklagte. Zuletzt beantragte der Kläger, das Scheidungsbegehren durch Fällung eines Teilurteiles zu erledigen und die Entscheidung über das Verschulden und die Kosten dem Endurteil vorzubehalten.

Die Beklagte beantragte zuletzt den Ausspruch des Alleinverschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe gemäß § 61 Abs.3 EheG und sprach sich gegen die Fällung eines Teilurteiles aus.

Das Ersturteil schied die Ehe mit Teilurteil und behielt die Entscheidung über den Antrag der Beklagten gemäß § 61 Abs.3 EheG sowie die Kostenentscheidung der Endentscheidung vor. Es stellte fest: Die Streitteile hätten ab Oktober 1979 keinen gemeinsamen Wohnsitz und auch keine ehelichen Beziehungen mehr. Der Kläger sei seit Herbst 1979 als freischaffender Redakteur tätig. Bis dahin habe er als angestellter Journalist in verschiedenen Stellungen gearbeitet. Er sei auch mehrmals arbeitslos gewesen. Die Beklagte sei als freischaffende Journalistin tätig gewesen. Sie sei Eigentümerin eines von ihr allein betriebenen Pressedienstes. Vom Kläger habe sie während der aufrechten Ehegemeinschaft kein Wirtschaftsgeld erhalten. Da sie selbst meist besser verdient habe, habe sie den Kläger besonders in den Zeiten seiner Arbeitslosigkeit finanziell unterstützt. Sie widerspreche auch der Scheidung in erster Linie aus finanziellen Erwägungen, weil sie weder kranken-, noch pensionsversichert und daher vermögensmäßig nicht versorgt sei. Rechtlich erwog der Erstrichter, die Fällung eines Teilurteiles über das gemäß § 55 Abs.3 EheG gestellte Klagebegehren sei ohne Verschuldensausspruch gemäß § 61 Abs.3 EheG zulässig, weil der Grundsatz der Einheit des Eheverfahrens für die österreichische Rechtsordnung nicht gelte. Dazu komme aber noch, daß sich für die Beklagte dadurch im Vergleich zur unterhalts- und sozialversicherungsrechtlichen Situation während der Ehe nichts ändere. Auch wäre es unbillig, den Scheidungsausspruch bis zur Klärung der Verschuldensfrage hinauszuschieben, da letztlich beide Parteien ein legitimes Interesse daran hätten, nach mehr als sechsjähriger Trennung Sicherheit über ihre neue Lebenslage zu erhalten.

Infolge Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Zulässigkeit des Teilurteiles, weil die in der gegenteiligen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (EvBl. 1986/179) dargelegten Rechtssätze sich auf den vorliegenden - im Berufungsverfahren übernommenen - Sachverhalt nicht anwenden ließen. Die Unterhaltsfrage sei zwischen den Parteien bisher nicht zur Debatte gestanden, so daß ein die Fällung eines Teilurteiles hindernder Konnex zwischen dem Scheidungsurteil und dem Schuldausspruch gemäß § 61 Abs.3 EheG nicht gesehen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revision ist gerechtfertigt. Entgegen den von den Vorinstanzen dargelegten Rechtsansichten bietet der bisher festgestellte Sachverhalt keinen Anlaß, von der vom erkennenden Senat in der Entscheidung SZ 59/64

(= EvBl. 1986/179) vertretenen Rechtsauffassung über die Unzulässigkeit eines Teilurteiles über das Scheidungsbegehren gemäß § 55 Abs.3 EheG ohne gleichzeitige Entscheidung über den Schuldantrag gemäß § 61 Abs.3 EheG abzugehen. Wie schon in der genannten Entscheidung dargelegt wurde, war gerade die Einführung des dritten Absatzes des § 55 EheG auch mit der unterhalts- und versorgungsrechtlichen Absicherung des schutzbedürftigen Ehegatten (in den überwiegenden Fällen: der verlassenen Ehegattin) begründet worden. Um das Ziel der Vermeidung einer finanziellen Schlechterstellung des beklagten Ehegatten zu erreichen, sollte nicht nur der bisherige Unterhaltsanspruch gemäß § 94 ABGB ungemindert bleiben, sondern auch durch Änderung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften die Hinterbliebenenversorgung gesichert werden. In § 61 Abs.3 EheG wurde angeordnet, daß es bei der Scheidung der Ehe nach § 55 EheG über Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen ist, wenn der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat. Gemäß § 69 Abs.2 EheG gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten in einem solchen Fall auch nach der Scheidung der § 94 EheG. Auch für die - vom Gesetzgeber nicht vollständig durchgeführte - sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung ist erste Voraussetzung, daß das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs.3 EheG enthält (SZ 59/64, insb. die dort zitierten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen). Für die Beklagte bliebe nach der - schon mit Teilurteil für zulässig erachteten - Ehescheidung gemäß § 55 Abs.3 EheG bis zur rechtskräftigen Enderledigung des Scheidungsverfahrens über ihren Antrag gemäß § 61 Abs.3 EheG nicht nur ein allfälliger Unterhaltsanspruch, sondern auch ein allfälliger Hinterbliebenenversorgungsanspruch unsicher, weil für solche Fälle gesetzliche Regelungen fehlen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Teilurteiles über das Scheidungsbegehren nach § 55 (Abs.3) EheG kommt es nicht nur auf aktuelle unterhalts- oder sozialversicherungsrechtliche Ansprüche im Zeitpunkt der Erlassung eines derartigen Teilurteiles an, sondern - neben akutellen - auch auf potentielle derartige Ansprüche während des Zeitraumes ab einer rechtskräftigen Scheidung der Ehe durch Teilurteil bis zur rechtskräftigen Enderledigung des Schuldantrages gemäß § 61 Abs.3 EheG durch Endurteil. Solche möglichen Ansprüche werden praktisch nie auszuschließen sein. Jedenfalls muß dies - nach den dazu von der Beklagten vorgetragenen Behauptungen - für den vorliegenden Fall gelten. Sollen daher im Sinne der gesetzgeberischen Zielsetzung beim Ehescheidungsverfahren nach § 55 Abs.3 EheG durch die Antragstellung des beklagten Ehegatten gemäß § 61 Abs.3 EheG (im Falle der Antragsberechtigung) dessen Unterhalt und Hinterbliebenenversorgung abgesichert werden, dann darf bei der gegebenen Rechtslage kein Teilurteil bloß über das Scheidungsbegehren gefällt werden.

In Stattgebung der Revision der Beklagten ist daher mit der Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes sowie des Teilurteiles des Erstgerichtes und der Zurückverweisung der - nach der ganzen Aktenlage nach geringfügigen Verfahrensergänzungen

spruchreifen - Rechtssache in die erste Instanz zur Fällung einer Entscheidung unter Abstandnahme von der Erlassung eines Teilurteiles vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt der Rechtsmittelverfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E15920

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00621.88.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19881109_OGH0002_0010OB00621_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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