TE OGH 1988/11/9 1Ob37/88

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Veröffentlicht am 09.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Siegfried L***, Rechtsanwalt, Graz, Jakominiplatz 17, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 310.000,-- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.April 1988, GZ 14 R 13/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.Oktober 1987, GZ 53 a Cg 1045/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.787,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12. Oktober 1982, 7 Vr 2047/81, wurde der Kläger dem Angeklagten Siegfried BÄR von Amts wegen als Verteidiger nach § 41 Abs 3 StPO für die vor dem Schöffengericht des Landesgerichtes für Strafsachen Graz stattfindende Hauptverhandlung und das sich anschließende Rechtsmittelverfahren beigegeben. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22.Februar 1983, 7 Vr 2047/81, bestätigt mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 8.November 1984, 13 Os 195/83, wurde Siegfried BÄR gemäß § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB rechtkräftig verurteilt. Gemäß §§ 389 bzw. 390 a StPO wurde ausgesprochen, daß er zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt werde und ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 25. Juli 1985, 7 Vr 2047/81, bestätigt mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 21.November 1985, 11 Bs 479/85, wurde der Antrag des Klägers auf Bestimmung der Kosten für die Verteidigung des Siegfried BÄR abgewiesen. Siegfried BÄR sei seit 1. Oktober 1982 arbeitslos gewesen und habe bis 11.September 1984 nur eine Arbeitslosenunterstützung bzw. Notstandshilfe von durchschnittlich monatlich S 8.500 bezogen. Er habe Sorgepflichten für eine einkommenslose Gattin und ein minderjähriges Kind. Die materiellen Voraussetzungen des § 41 Abs 2 StPO seien daher vorgelegen.

Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 310.000 samt Anhang. Nach dem Inhalt der rechtskräftigen verurteilenden Straferkenntnisse habe Siegfried BÄR auch die im § 389 Abs 3 StPO ausdrücklich genannten Kosten der Verteidigung zu ersetzen. Da das Strafverfahren gegen Siegfried BÄR rechtskräftig beendet gewesen sei, habe keine rechtlich gedeckte oder rechtlich vertretbare Möglichkeit bestanden, den Antrag des Klägers auf Bestimmung der von Siegfried BÄR zu ersetzenden Kosten der Verteidigung abzuweisen. Das Verschulden des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und des Oberlandesgerichtes Graz liege darin, grundsätzliche gesetzliche Bestimmungen der Strafprozeßordnung nicht beachtet zu haben. Dem Kläger wäre ein Kostenersatzanspruch von S 738.302,04 zugestanden, von dem er vorläufig nur den Klagsbetrag geltend mache.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und des Oberlandesgerichtes Graz der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprächen. Die Aussprüche über die Kostenersatzpflicht in den verurteilenden Straferkenntnissen hätten mit der Regelung des Kostenersatzes zwischen Siegfried BÄR und dem Kläger nichts zu tun. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, daß die Vorgangsweise des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und des Oberlandesgerichtes Graz der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprochen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Ist der Beschuldigte (Angeklagte) außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten (Angeklagten) zu beschließen, daß diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte (Angeklagte) nicht zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist (§ 41 Abs 2 StPO). Wählt für die Hauptverhandlung vor dem Geschwornen-(oder dem Schöffen-)Gericht weder der Angeklagte selbst noch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger und wird ihm auch kein Verteidiger nach Abs 2 beigegeben, so ist ihm von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten der Angeklagte zu tragen hat, es sei denn, daß die Voraussetzungen für die Beigebung eines Verteidigers nach Abs 2 vorliegen (§ 41 Abs 3 StPO). Nach § 395 Abs 5 StPO hat das Gericht, wird eine Einigung nicht erzielt, die Entlohnung des von Amts wegen bestellten Verteidigers festzusetzen und dem Beschuldigten die Zahlung aufzutragen. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Angeklagte, dem gemäß § 41 Abs 3 StPO von Amts wegen ein Verteidiger beigegeben wurde, diesem gegenüber zum Kostenersatz verpflichtet ist, hat mit seiner Verurteilung und dem dadurch gemäß §§ 389, 390 a StPO zwingenden Ausspruch seiner Kostenersatzpflicht nichts zu tun. Der Angeklagte hat den von Amts wegen bestellten Verteidiger gemäß § 41 Abs 3 StPO auch dann zu entlohnen, wenn er freigesprochen wurde. Es trifft daher nicht zu, daß durch die in den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und des Obersten Gerichtshofes enthaltenen Aussprüche, Siegfried BÄR werde zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt bzw. ihm fielen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, gleichsam wie mit einem Zwischenurteil dem Grunde nach entschieden worden sei, daß der Kostenersatzanspruch des Klägers zu Recht bestanden hätte. Wird eine Einigung nicht erzielt, kommt es vielmehr, was der Kläger übersieht, bei der nach § 395 Abs 5 StPO zu erfolgenden Beschlußfassung über die ihm zu ersetzenden Kosten nach § 41 Abs 3 StPO immer darauf an, ob die im Zeitpunkt der Bestellung vielfach nicht abschließend zu beurteilenden Voraussetzungen (SSt. 51/37) für die Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO für den Zeitraum, in dem die Vertretungshandlungen lagen, gegeben waren. Der Obersten Gerichtshof hat daher nicht nur in seiner Entscheidung 12 Os 127/87, sondern auch schon früher in ständiger Rechtsprechung (EvBl 1986/36; RZ 1981/80; EvBl 1978/143 ua, Foregger-Serini, StPO3 68) sowohl in Fällen, in denen der Angeklagte schuldig erkannt, als auch in solchen, in denen er freigesprochen wurde, ausgesprochen, daß er, waren die materiellen Voraussetzungen des § 41 Abs 2 StPO gegeben, die Kosten eines ihm aus welchem Grund immer nach § 41 Abs 3 StPO beigegebenen Verteidigers nicht zu tragen hat. Daß die Voraussetzungen des § 41 Abs 2 StPO bei Siegfried BÄR vorgelegen seien, wird vom Kläger nicht bestritten. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Graz und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, aus denen der Kläger seine Amtshaftungsansprüche ableitet, entsprachen daher der Gesetzeslage und der ständigen Rechtsprechung. Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15365

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00037.88.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19881109_OGH0002_0010OB00037_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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