Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois M***, Pensionist, Radetzkystraße 9, 4840 Vöcklabruck, vertreten durch Dr.Norbert Schmid, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Gerhard Z***, Malermeister, Radetzkystraße 9, 4840 Vöcklabruck, vertreten durch Dr.Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 9.März 1988, GZ R 47/88-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 4.Dezember 1987, GZ 5 C 126/87z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger und sein Sohn Kurt M*** vermieteten mit schriftlichem Vertrag vom 29.Oktober 1981 die im Erdgeschoß ihres nach dem 31.Dezember 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Hauses in Vöcklabruck, Radetzkystraße 9, gelegene Wohnung (bestehend aus Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, WC und Vorraum) an den Beklagten. Der Mietvertrag sollte nach drei Jahren (Ende Oktober 1984) durch Zeitablauf ohne die Notwendigkeit einer Kündigung enden. Nach Ablauf dieses Zeitpunktes zahlte jedoch der Beklagte weiterhin den vereinbarten Mietzins, den der - mittlerweile zum Alleineigentümer des Hauses gewordene - Kläger auch weiterhin annahm. Eine Besprechung über die Verlängerung oder Beendigung des Mietverhältnisses fand zwischen den Streitteilen nicht statt. Der Beklagte äußerte sich lediglich zur Aufforderung des Klägers, er möge die Wohnung zum 31.Oktober 1987 räumen, ablehnend. Der Kläger kündigte dem Beklagten am 24.September 1987 die genannte Wohnung samt näher umschriebenen Mitbenützungsrechten zum 31. Oktober 1987 mit der Begründung gerichtlich auf, die gemäß Punkt III des (allerdings nicht vorliegenden) befristeten Mietvertrages vereinbarte Mietzeit sei in Verbindung mit § 1115 ABGB und § 29 Abs 3 MRG abgelaufen.
Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und trug in seinen Einwendungen vor, der geltend gemachte Kündigungsgrund der Vertragsauflösung durch Zeitablauf liege nicht vor. Durch die Annahme des von ihm nach dem ursprünglich vereinbarten Endzeitpunkt (30. bzw. 31.Oktober 1984) weiterhin bezahlten Mietzinses sei es zu einer stillschweigenden Verlängerung des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit gekommen. Gesetzliche Kündigungsgründe lägen nicht vor.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Der von den Parteien geschlossene Mietvertrag betreffe den ersten Fall der in § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG normierten Zeitmietverträge, die durch bloßen Zeitablauf aufgelöst würden. Durch die stillschweigende Verlängerung des Vertrages nach dem ursprünglichen Endigungstermin sei der Vertrag zwar gemäß § 1115 ABGB auf weitere drei Jahre (bis 31.Oktober 1987) und nicht etwa auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Wegen der dabei erfolgten Verletzung des im § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG für die Auflösung durch bloßen Zeitablauf vorgesehenen Formzwanges der Schriftlichkeit könne der verlängerte Mietvertrag im Bereich des Kündigungsschutzes des MRG vom Vermieter nur aus einem Kündigungsgrund des § 30 MRG gekündigt werden. Einen solchen habe der Kläger nicht geltend gemacht.
Über Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht jedoch S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Für die Erneuerung auf bestimmte Zeit geschlossener Mietverträge, die nicht aufgelöst würden, gälten die §§ 1114 und 1115 ABGB. In Lehre und Rechtsprechung bestehe darüber Einigkeit, daß die stillschweigende Erneuerung des Zeitmietvertrages mit unbedingtem Endtermin nicht als Abschluß eines neuen, sondern als Fortsetzung des alten Vertrages anzusehen sei, und nur die Vertragsbestimmungen über die Vertragsdauer berühre. Im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl 1987, 659 und gegen die anderslautenden Rechtsmeinungen des (vor der genannten OGH-Entscheidung tätigen) Gerichtes zweiter Instanz (MietSlg 36.382/58) sowie der Lehre (Böhm-Schuster in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 484 f; Call-Tschütscher, MRG 304; Würth, ImmZ 1982, 132; Böhm in der Besprechung der OGH-Entscheidung in JBl 1987, 660 f) sei aber für die verlängerte Vertragsdauer des Zeitmietvertrages ohne Kündigungsvereinbarung vom Erfordernis der Schriftlichkeit abzusehen. Solche Bestandverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen oder verlängert werden, endeten nach Zeitablauf ohne Kündigung. Wolle ein Vertragsteil die erstmalige oder wiederholte Erneuerung des Bestandverhältnisses verhindern, könne er wahlweise entweder vor Ablauf der Bestandzeit den Antrag auf Erlassung eines gerichtlichen Übergabs- oder Übernahmsauftrages gemäß § 567 Abs 1 bis 3 ZPO stellen, der geschäftsordnungsmäßig und prozessual der Kündigung nach den §§ 560 ff ZPO gleiche, oder gemäß § 569 ZPO binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit eine Klage auf Rückstellung (Räumung) oder Rücknahme der Bestandsache anbringen. Eine Kündigung zum Endtermin sei aber wesensmäßig ausgeschlossen. Die vom Kläger eingebrachte gerichtliche Aufkündigung müsse daher als ungeeignetes bzw. unzulässiges Mittel angesehen werden, das vorliegende, stillschweigend auf bestimmte Zeit verlängerte Mietverhältnis zum Erlöschen zu bringen. Im Ergebnis sei daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, weil zur Frage des Schriftlichkeitserfordernisses bei der (stillschweigenden) Erneuerung von Zeitmietverträgen im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 MRG divergierende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung JBl 1987, 659 = RdW 1987, 258 = MietSlg 38/39 wurde in den beiden folgenden Entscheidungen JBl 1988, 450 und JBl 1988, 451 ausdrücklich abgelehnt) vorliegen. Sie ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a erster Fall MRG wird ein Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst, wenn in einem Hauptmietvertrag über einen nach dem 31.Dezember 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Mietgegenstand schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt. Gemäß § 29 Abs 3 MRG gelten Mietverträge auf bestimmte Zeit, die nicht aufgelöst werden, als erneuert; für die Erneuerung gelten die §§ 1114 und 1115 ABGB mit der Abweichung, daß - von den Fällen des Abs 1 Z 3 (und Abs 2) MRG abgesehen - jede Partei vor Ablauf des Termins für die Kündigung oder Erklärung der Gegenpartei bekanntgeben kann, daß sie die Erneuerung auf bestimmte Zeit ablehnt; der Mietvertrag gilt dann als auf unbestimmte Zeit erneuert. Während der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl 1987, 659 im Fall eines Zeitmietvertrages gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG (Vertragsauflösung durch Zeitablauf bei schriftlicher Vereinbarung, daß der Vertrag durch Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt) durch die stillschweigende (sohin begrifflich nicht schriftliche) Erneuerung - als bloße Fortsetzung - des alten schriftlichen Vertrages den Auflösungsgrund des Zeitablaufes vor Überschreitung der Jahresfrist als gewahrt und das dortige Räumungsbegehren wegen Zeitablaufes des Vertrages für berechtigt erachtete, lehnte der Oberste Gerichtshof in der Folge in zwei Entscheidungen diese Rechtsansicht ausdrücklich ab. In der Entscheidung JBl 1988, 450 sprach er aus, in den Fällen des § 29 Abs 1 Z 3 lit b bis d MRG müßten sowohl die Vereinbarung über das Erlöschen des Mietvertrages durch Ablauf der bedungenen Zeit als auch die Vereinbarung über die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer schriftlich getroffen werden, um eine Beendigung des Vertrages zum ursprünglichen oder verlängerten Endtermin durch bloßen Zeitablauf zu bewirken. Die Entscheidung JBl 1988, 451 sprach für einen Anwendungsfall des § 29 Abs 1 Z 3 lit a zweiter Fall MRG (Vertragsauflösung durch Zeitablauf bei schriftlicher Vereinbarung in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen, daß er durch den Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlischt) aus, daß eine stillschweigende Erneuerung des Mietvertrages im Anwendungsbereich des § 29 Abs 1 Z 3 MRG dem dort festgelegten Schriftformerfordernis nicht genüge und daher dazu führe, daß das Mietverhältnis zum Ende der verlängerten Dauer nicht durch bloßen Zeitablauf erlösche, sondern vom Vermieter zum neuen Endtermin gemäß §§ 30 ff MRG aufgekündigt werden müsse.
In der - in den beiden letztgenannten Entscheidungen zum Teil zitierten - Literatur (insbesondere Böhm in JBl 1987, 660 f; Hand in JBl 1988, 453; Böhm-Schuster in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 469 ff, 485; Würth in Rummel, ABGB, Rz 5 und 6 zu § 29 MRG; Würth-Zingher, MRG2 Anm. 5 zu § 29; Würth, ImmZ 1982, 132 P. 19) wird einhellig die Auffassung vertreten, das Schriftlichkeitserfordernis des § 29 Abs 1 Z 3 MRG gelte auch für die Erneuerungsvereinbarung, so daß ein stillschweigend erneuerter Zeitmietvertrag nicht durch bloßen Zeitablauf endet, sondern vom Vermieter nur aus wichtigem Grund gemäß § 30 MRG gerichtlich gekündigt werden kann.
Der erkennende Senat tritt dieser allein dem Gesetzeswortlaut und den Intentionen des Gesetzgebers entsprechenden Rechtsauffassung auch für den Anwendungsbereich des § 29 Abs 1 Z 3 lit a erster Fall bei. Mangels Erfüllung des für die Vertragsbeendigung durch bloßen Zeitablauf gesetzlich bestimmten Formgebotes der Schriftlichkeit kann der Kläger daher den vorliegenden Mietvertrag jedenfalls nur mit einer gerichtlichen Aufkündigung aus einem wichtigen Grund gemäß § 30 MRG zur Auflösung bringen. Da er keinen derartigen Kündigungsgrund behauptet hat, muß seine bloß auf die Behauptung des Zeitablaufes gestützte "Aufkündigung" und Klageführung jedenfalls scheitern.
Die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist daher zu bestätigen.
Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
Anmerkung
E15666European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00628.88.1109.000Dokumentnummer
JJT_19881109_OGH0002_0010OB00628_8800000_000