TE OGH 1988/11/10 13Os90/88

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Veröffentlicht am 10.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Lucian E*** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit. a und b FinStrG. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E*** und Gerhard H*** sowie über die Berufung des Angeklagten Josef P*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 27. November 1986, GZ 12 f Vr 10.642/84-289, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard H*** wird zurückgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E*** wird, soweit die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5 und 5 a StPO. geltend gemacht werden, gleichfalls zurückgewiesen. Über die Berufungen der Angeklagten Gerhard H*** und Josef P*** hat gemäß § 285 i StPO. das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Für die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E***, soweit darin die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO. geltend gemacht werden, sowie über die Berufung desselben Angeklagten wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung angeordnet werden.

Text

Gründe:

Der am 21. März 1946 geborene Kaufmann Dipl.Ing. Lucian E***, der am 24. Oktober 1948 geborene kaufmännische Angestellte Gerhard H*** und der am 18. März 1951 geborene Kraftfahrer Josef P*** sind des Finanzvergehens des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit. a und b FinStrG. und des Vergehens nach § 17 Abs 2 (Abs 1 Z. 1) AußenhandelsG., Gerhard H*** auch des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 (ersichtlich gemeint: Abs 2) StGB. schuldig erkannt worden. Nach dem Inhalt der Schuldsprüche haben die drei Angeklagten das Finanzvergehen dadurch begangen, daß sie in Wien vorsätzlich in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, als Mitglieder einer Bande von mindestens drei Personen unter Mitwirkung je eines anderen Bandenmitglieds hinsichtlich Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Außenhandelsförderungsbeitrag eingangsabgabenpflichtige Waren, nämlich die im folgenden einzeln angeführten, vom Hersteller gelieferten Mengen von Schals/Tüchern (Scarves) japanischen Ursprungs unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen haben, und zwar teils durch Verbringung in den freien Verkehr, indem sie (und andere) nach genereller Absprache ihres Vorgehens die als Sammelgut im Eisenbahnverkehr nach Österreich gebrachten Waren, nämlich 1976 bis 1978 solche im Zollwert von rund 13,000.000 S (42 Fakten: I A a 1 bis 39, b 1 bis 3), Dipl.Ing. Lucian E*** sowie Josef P*** (und andere) 1979 weitere Waren im Zollwert von 1,800.000 S (6 Fakten: I A 1 bis 6), Dipl.Ing. Lucian E*** überdies 1979 bis 1982 weitere Waren im Zollwert von rund 11,000.000 S (35 Fakten: I A d 1 bis 35), "überwiegend unter Vorlage manipulierter, ihren Transport nicht mehr ausweisender Ladelisten in den Lagerblättern als Erklärungen zur Aufnahme ins Zolleigenlager der Speditionsfirma P*** verschwiegen, die Waren vielmehr im Inlandsmagazin dieser Firma (für verzollte Waren) lagerten und von dort an weitere, nicht mehr ausforschbare Abnehmer ausfolgten" (S. 305/X), zum anderen Teil aber "durch Verbringung in den freien Verkehr, indem sie - ebenfalls nach genereller Absprache des Vorgehens - die im Begleitscheinverfahren nach Österreich gebrachten Waren", nämlich im Jahr 1982 solche im Zollwert von rund 2,100.000 S (fünf Fakten: B 1 bis 5) "entgegen der Erklärung in den Lagerblättern nicht in das Zolleigenlager der Firma T*** aufnahmen, sondern im Inlandsmagazin (für verzollte Waren) lagerten und von dort an weitere nicht ausforschbare Abnehmer ausfolgten" (S. 323/X).

Das Vergehen nach § 17 Abs 2 (Abs 1 Z. 1) AußenhandelsG. haben die drei Angeklagten dadurch begangen, daß sie die oben bezeichneten Waren (ausgenommen in einigen Einzelfällen) in einem jeweils 100.000 S übersteigenden Wert ohne die nach § 3 Außenhandelsgesetz erforderliche Bewilligung eingeführt haben (II; S. 324, 325/X). Die Erhöhung des Wertbetrags im § 17 Abs 2 AußenhandelsG. auf 500.000 S mit Art. XVII StRÄG. 1987 BGBl. Nr. 605 und abermals mit Art. I Z. 27 BGBl. Nr. 377/1988 kann schon zufolge Art. XX Abs 1 StRÄG. 1987 hier außer Betracht bleiben (siehe auch Art. II BGBl. Nr. 377/1988). Der Angeklagte H*** hat überdies in einem Teil der zu I A angeführten Fälle falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechtsverhältnissen und Tatsachen gebraucht, nämlich aus Photokopien zahlreicher einzelner Blätter mit Anführung der transportierten Waren bestehende Ladelisten der Speditionsfirma D*** AG, Basel, bei denen jene Blätter, die ursprünglich die zum Schmuggel bestimmte Ware enthielten, durch neu hergestellte ersetzt wurden, welche die Konterbande nicht mehr auswiesen. Diese neu angefertigten Blätter hat H*** bei der Stellung der im Eisenbahnverkehr nach Wien geschmuggelten Warensendungen und deren anschließender Zollbehandlung zum Nachweis ihres behaupteten Umfangs vorgelegt (III A und B; S. 325, 326/X).

Rechtliche Beurteilung

Die sie betreffenden Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E*** und Gerhard H*** mit Nichtigkeitsbeschwerden, die im ersten Fall auf § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO., im letzteren hingegen nur auf die Z. 5 gestützt werden.

Zur Beschwerde des Dipl.Ing. Lucian E***,

soweit die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5

und 5 a StPO. geltend gemacht werden:

Mit seiner Mängelrüge bekämpft dieser Angeklagte die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vorsätzliches Handeln und auf Gewerbsmäßigkeit gerichtete Absicht beim Finanzvergehen).

Dem ist folgendes zu erwidern:

Laut Urteilssachverhalt betrieb der Vater des Angeklagten, Adolf E***, in Wien einen Handel mit Textilien, den er unter der Firma "H***" OHG führte. Er war nicht nur die bestimmende Person bei der gewerbs- und bandenmäßigen Organisierung der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Malversationen im Zusammenhang mit der Einfuhr von Schals bzw. Tüchern aus Japan nach Österreich im Zusammenwirken mit den übrigen Angeklagten, sondern es ist gegen ihn - der zur Zeit verhandlungsunfähig ist - auch zu 24 d Vr 6420/78 des Landesgerichts für Strafsachen Wien ein Strafverfahren anhängig, in welchem er verdächtigt wird, bereits vor dem gegenständlichen

Tatzeitraum - nämlich bis 1976 - beim Import von Textilien Eingangsabgaben in erheblichem Ausmaß verkürzt zu haben. Sein Sohn, der Angeklagte Dipl.Ing. Lucian E***, trat 1975 in das Unternehmen seines Vaters ein, in dem er formell nur Angestellter, tatsächlich aber "Juniorchef" mit entsprechender Selbständigkeit und Verantwortlichkeit sowie zunehmendem Einfluß auf die Geschäftsgebarung war. Im Tatzeitraum oblag ihm weitgehend selbständig die Lagerhaltung, die Führung des Kassen-, Wareneingangs- und Warenausgangsbuchs, die Sammlung, Verarbeitung und Erstellung der Buchhaltungsunterlagen in einer zur Verarbeitung geeigneten Form sowie die Abwicklung der fremdsprachigen, nämlich mit der japanischen Firma I*** (Hauptlieferant) in englischer Sprache geführten Korrespondenz einschließlich der Bestellungen und der notwendigerweise damit verbundenen Abstimmung der Spezifikation sowie der Rechnungs- und Lieferdaten mit den zur Bezahlung der Waren erstellten Akkreditiven (S. 340, 341/X). Im Zusammenhang damit ließ er die Ware von Japan in das Zollager der Firma D*** AG bringen, damit von dort die einzelnen Schmuggeltransporte abgerufen werden konnten (S. 474/X).

Eine detaillierte Darstellung der Vorgangsweise sowohl des Beschwerdeführers als auch der anderen Angeklagten ist den Seiten 341, letzter Absatz, 342 ff. im X. Aktenband zu entnehmen, auf welche hiemit ausdrücklich verwiesen wird. Ende 1980 gründete Dipl.Ing. E*** mit seiner nominell zu einem Prozent beteiligten Ehefrau die Firma H*** Ges.m.b.H. zunächst mit dem Sitz an seiner Wohnadresse, sodann unter der Anschrift der 1984 eingestellten Firma "H***" OHG seines Vaters, faktisch als ihm gehörige Nachfolgerin des väterlichen Unternehmens.

Ausgehend von dieser - umfangreich erhärteten - zentralen Stellung des Dipl.Ing. E*** innerhalb der "H***" OHG hat das Gericht in unbedenklicher Weise auf die vorsätzliche Beteiligung dieses Angeklagten an den in Rede stehenden Straftaten in der Form der Mittäterschaft geschlossen und dabei insbesondere erwogen, daß der Angeklagte einerseits - wie er selbst zugab, über Auftrag seines Vaters, der die englische Sprache nicht beherrscht - die englischsprachige Geschäftskorrespondenz mit den japanischen Lieferfirmen abgewickelt und auch Gespräche mit nach Wien gekommenen Vertretern der japanischen Firmen geführt hat, und andererseits alle wesentlichen Geschäftsbücher, darunter u.a. das Wareneingangsbuch, in dem nur die nicht geschmuggelten Waren verzeichnet waren, geführt hat. Die daraus gezogene Folgerung, daß der Beschwerdeführer die erhebliche Differenz zwischen der bestellten und gelieferten Ware und dem legal eingeführten Teil davon gekannt hat, entspricht in geradezu zwingender Weise den Gesetzen der Logik und bildet - zusammen mit dem Umstand, daß der Schmuggel im Rahmen der Organisationsstruktur der "H***" OHG und der umschriebenen Stellung des Beschwerdeführers darin ohne dessen Beteiligung überhaupt nicht vorstellbar gewesen wäre - eine fundierte Begründung für die Feststellung, daß Dipl.Ing. E*** - ebenso wie alle anderen Angeklagten - als Mittäter (unmittelbarer Täter) am Schmuggel (wie auch am Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz, dessen Inhalt allen Angeklagten bekannt war) mitgewirkt hat. Dazu kommt, daß die Mittäter und somit auch der Beschwerdeführer die Umstände der einzelnen Warentransporte, ihre Ankunft und ihre weitere zollämtliche Behandlung kannten, daher wenigstens Mitgewahrsam an den zum Schmuggel bestimmten Waren hatten und zu deren zollämtlichen Stellung verpflichtet gewesen wären (S. 477 ff/X).

Den nur kursorisch gehaltenen Einzeleinwänden des Beschwerdeführers, mit denen er seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen und vergebens Begründungsmängel darzulegen trachtet, ist darum - der ziffernmäßigen Aufgliederung in der Beschwerdeschrift folgend - bloß Nachstehendes entgegenzuhalten:

1. Die durch den firmeninternen Wirkungskreis des Rechtsmittelwerbers gedeckte Feststellung, sein Angestelltenverhältnis im Unternehmen sei nur formaler Natur gewesen, tatsächlich sei er Mitinhaber der Firma ("Juniorchef") gewesen, steht im Einklang damit, daß die Importe auf das Unternehmen selbst, auf den Namen des Vaters des Beschwerdeführers (der ja nominell Inhaber war) oder auf die erfundene Firma "I***" A. E*** bestellt wurden (S. 342/X); denn nur formell - aber nicht der Sache nach, worauf es hier ankommt - war der Beschwerdeführer Angestellter.

2. Der Umstand, daß (siehe S. 348, 349/X) Adolf E*** - als der Mitangeklagte K***, welcher sein Verbindungsmann zu der am gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel mitwirkenden Speditionsfirma P*** war, zur Speditionsfirma T*** überwechselte - mit K*** das Einvernehmen herstellte, die Manipulationen nunmehr mit der Firma T*** weiterzuführen, vermag den Standpunkt des Beschwerdeführers in keiner Weise zu stützen. Die Organisation der Schmugglerbande war nämlich zwischen der Importfirma "H***" OHG und den jeweils mitwirkenden Speditionsfirmen aus Sicherheitsgründen von vornherein darauf ausgerichtet, daß Adolf E*** auf der Seite der jeweiligen Spedition nur Kurt K*** und dieser auf der Seite der Firma "H***" OHG nur Adolf E*** kannte (S. 476/X). Das ändert nichts daran, daß innerhalb der Speditionsfirmen mehrere Personen der Bande angehörten und bei allen Schmuggelfahrten am Schmuggelentgelt beteiligt waren (S. 349, 475/X), wie andererseits den der Firma "H***" angehörenden Beteiligten (nach den Urteilsannahmen Adolf E*** und der Beschwerdeführer) entsprechend dem Ablauf der Tathandlungen die Beteiligung von Speditionsangestellten - ohne die ja die Durchführung des Schmuggels technisch gar nicht möglich gewesen wäre - klar gewesen ist. Wenn der Beschwerdeführer als Indiz für seine Schuldlosigkeit ins Treffen führt, daß sein Vater "allein" mit K*** die Fortsetzung des Schmuggels über die Firma T*** vereinbart habe, dann geht er von aktenfremden Prämissen aus; denn nirgends wird festgestellt und nichts deutet darauf hin, daß Adolf E*** den Beschwerdeführer etwa nicht vom Wechsel von der Spedition P*** zur Spedition T*** bei gleichzeitiger Fortsetzung der Schmuggeltätigkeit informiert hätte. Eine solche Annahme wäre auch widersinnig, weil alle Erwägungen, die für eine zentrale Beteiligung des Beschwerdeführers am gesamten Schmuggelgeschehen sprechen, in gleicher Weise auch für jene Zeit gelten, in der man sich zum Gelingen des Schmuggels der Spedition T*** bediente. Das Gericht hat demgemäß festgestellt, daß sich zur Begehung der Taten Adolf E***, sein Sohn Dipl.Ing. Lucian E*** im Bereich der Firma "H***" OHG sowie die jeweiligen Angestellten und Arbeiter der Speditionen verbanden (S. 349/X). Dabei geht aus dem Zusammenhang mit der übrigen Urteilsbegründung und aus der Diktion selbst klar hervor, daß sich diese Feststellung auf alle Schmuggeltaten (mit der Firma P*** und später mit der Firma T***) bezieht.

3. bis 5. Daß Dipl.Ing. E*** mit den übrigen Angeklagten (Speditionsangehörigen) keinen unmittelbaren Kontakt hatte und (folglich) von diesen im Verfahren auch nicht belastet wurde, ergibt sich zwangsläufig aus der oben dargelegten Organisation der Bande. Mit der im Hinblick auf das Verwandtschaftsverhältnis naheliegenden Tatsache, daß der Beschwerdeführer im Verfahren auch nicht von seinem Vater belastet wurde, hat sich das Gericht in den Urteilsgründen ohnehin auseinandergesetzt (S. 478/X). Es hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß Adolf E*** gerade bei Befragungen über die Tatbeteiligung seines Sohns jeweils nichts sagte oder Ausflüchte gebrauchte, was als zusätzliches Indiz für die Mittäterschaft des Beschwerdeführers gewertet wurde. Mit den weiteren Ausführungen zu diesen Punkten versucht der Rechtsmittelwerber nur in unzulässiger Weise, die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.

6. Der Hinweis des Schöffengerichts (S. 477/X) auf das Verhalten des Beschwerdeführers anläßlich einer am 7. Februar 1978 bei der Firma "H***" durchgeführten Hausdurchsuchung, die sich mit dem Verdacht des Schmuggels durch Adolf E*** vor 1975 - also vor dem gegenständlichen Tatzeitraum - bezog und worin das Gericht ein Indiz dafür zu erkennen glaubte, daß der Angeklagte von den damaligen Schmuggeltaten seines Vaters "wußte" (nicht etwa: "an ihnen beteiligt war"), ist für das vorliegende Strafverfahren bedeutungslos.

7. Der Nichtigkeitswerber rügt schließlich (vgl. seine Ausführungen zur Z. 5 a), daß die Urteilsausfertigung in unzulässiger - weil gegen § 258 Abs 1 StPO. verstoßender - Weise einen erst nach dem Ende der Hauptverhandlung (der Urteilsverkündung) eingelangten Erhebungsbericht der japanischen Interpol (ON. 302, insbesondere S. 33/XI) "als entscheidendes Argument in die Beweiswürdigung einbezogen" (S. 281/XI) habe (S. 477, 478/X).

Hiezu ist festzuhalten, daß - wie schon seine Einordnung im Urteilsaufbau zeigt - von einer Bewertung des bezüglichen Urteilshinweises als "wesentlichster Punkt" der Beweiswürdigung (S. 275/XI), bzw. "entscheidendes Argument" (S. 281/XI) keine Rede sein kann. Im Gegenteil: Das Gericht hat die vom Beschwerdeführer zitierten Bemerkungen ausdrücklich auf dessen Verantwortung zu dem vor der Urteilsverkündung ausgeschiedenen Faktenkomplex (S. 289 verso/X) und auf die "dort inkriminierten Fakten" eingeschränkt (S. 477/X), welche ja nicht rechtsmittelverfangen sind. Folglich konnte das nachgereichte Beweismaterial gar nicht Gegenstand der Beweiswürdigung des Schöffensenats in bezug auf die nunmehr abgeurteilten Fakten sein. Einer urteilsmäßigen Stellungnahme zu den ausgeschiedenen Fakten hätte es jedenfalls nicht bedurft. Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen des Gerichts berühren nur insoweit den vorliegenden Urteilsgegenstand zwangsläufig (aber nach dem gesamten Inhalt der Urteilsgründe in keiner maßgebenden Weise), als sie sich generell mit der Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seinem Verhalten in bezug auf den Schmuggel von Importware befassen.

Zusammenfassend ist sonach kein wie immer gearteter Begründungsmangel (vgl. für den gegenteiligen Fall Mayerhofer-Rieder2, ENr. 6 ff. zu § 258 StPO.) zu ersehen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme der gewerbsmäßigen und der bandenmäßigen Begehung des Finanzvergehens ergeben sich aus den Urteilsdarlegungen betreffend die wirtschaftlichen Zielsetzungen des sich über mehrere Jahre erstreckenden und in großem Umfang betriebenen Schmuggels und seine Begehung im Rahmen einer genau beschriebenen, fest aufgebauten und speziell strukturierten Organisation unter Beteiligung einer Mehrzahl in verschiedenen Rollen daran mitwirkender Personen. Die in Rede stehende Annahme bedurfte sonach einer (nochmaligen speziellen) Begründung, der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider, nicht. Die Tatsachenrüge (Z. 5 a) erschöpft sich zur Gänze in einer Wiederholung der schon in der Mängelrüge (Z. 5) vorgebrachten Argumentation, mit welcher der Nichtigkeitswerber versucht, seiner mit zureichender Begründung abgelehnten Verantwortung Glauben zu verschaffen. Weder aus dem im Beschwerdevorbringen zitierten noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich überhaupt - und umsoweniger erhebliche - Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Angeklagten zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen.

Zur Beschwerde des Gerhard H***:

Die Mängelrüge (Z. 5) dieses Angeklagten beschränkt sich auf die allgemein gehaltene Behauptung, den Feststellungen des Urteils sei nicht klar zu entnehmen, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen worden seien und aus welchen Gründen dies geschah, sodaß hieraus nicht hervorgehe, welche Fakten dem Beschwerdeführer strafrechtlich zuzurechnen seien.

Die Beschwerde entbehrt damit jeglicher Substantiierung und führt den angezogenen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus. Der letzte Satz der Beschwerdeausführung fällt inhaltlich in den Rahmen der Berufungserledigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** war demnach zu verwerfen.

Zu dem diesem Angeklagten unter anderm zur Last liegenden Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. ist - wenngleich dieser Teil des Schuldspruchs nicht angefochten wurde - der Vollständigkeit halber folgendes anzumerken:

In Klarstellung des insoweit nicht mit voller Deutlichkeit formulierten Schuldspruchs (III) ergibt sich aus der Schilderung des Tathergangs in den Entscheidungsgründen bei den einzelnen Fakten, daß nicht etwa die Photokopien der Ladelisten verfälscht wurden, sondern (indem einzelne Blätter, auf denen die geschmuggelten Waren enthalten waren, herausgenommen und durch neugeschriebene ersetzt wurden) die Ladelisten selbst der Verfälschung unterzogen, diese dann photokopiert und die Ablichtungen dem Zollagerführer vorgelegt wurden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Verfälschung nicht beglaubigter Photokopien mangels Urkundenqualität derselben (§ 74 Z. 7 StGB.) den Tatbestand des § 223 StGB. nicht erfüllen würde (Leukauf-Steininger2, RN. 19 zu § 223 StGB.; Kienapfel im WK., Rz. 22, 220 zu § 223 StGB.; SSt. 47/22 u.a.). Wird hingegen die Urkunde verfälscht und werden davon Photokopien angefertigt bzw. letztere im Rechtsverkehr gebraucht (§ 223 Abs 2 StGB.), dann handelt es sich - wie bereits in der vom Schöffensenat richtig zitierten Entscheidung 13 Os 182/85 (= LSK. 1986/75) im Zusammenhang mit § 147 Abs 1 Z. 1, erster Fall, StGB. ausgesprochen wurde - um eine Sonderform der Benützung der (abgelichteten) verfälschten Urkunde selbst (siehe auch Kienapfel, BT. II2, RN. 43 zu § 147 StGB.).

Schlußendlich sei hinzugefügt, daß dem angenommenen eintätigen Zusammentreffen des Finanzvergehens nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit. a und b FinStrG. mit dem Vergehen nach § 223 StGB. die Bestimmung des § 22 Abs 2 FinStrG. nicht entgegensteht (Anmerkung 5 zu § 22 FinStrG. in Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard H*** war daher zur Gänze, die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E*** war teilweise, nämlich soweit die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z. 5 und 5 a StPO. geltend gemacht werden, bei der nichtöffentlichen Beratung als unbegründet sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO.).

Über die Berufungen der Angeklagten Gerhard H*** und Josef P*** - dieser hat lediglich Berufung ergriffen - wird das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben.

Über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Lucian E***, soweit darin die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO. releviert werden, und über dessen Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E15888

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00090.88.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19881110_OGH0002_0130OS00090_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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