Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Theresia S***, Aufräumerin, Innsbruck, An-der-Lan-Straße 22, vertreten durch Dr. Hansjörg Mader, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Paul S***, Rentner, Innsbruck, Plonergasse 4, vertreten durch Dr. Otmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 20.Mai 1988, GZ 2 b R 41/88-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 5.Februar 1988, GZ 3 F 11/87-16, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.3.1986, 10 Cg 19/86-6, aus dem Verschulden des Antragsgegners geschieden. Bereits während des Scheidungsverfahrens wurde dem Antragsgegner wegen seines aggressiven Verhaltens gegen die Antragstellerin, das zumindest in einem Fall zu einer Körperverletzung geführt hatte, das Verlassen der Ehewohnung aufgetragen. Im Zuge des Aufteilungsverfahrens wies das Erstgericht der Antragstellerin die alleinige Benützung der Ehewohnung vorläufig zu. Nach der Zustellung dieser einstweiligen Verfügung begab sich der Antragsgegner zur Ehewohnung, schlug mit den Fäusten gegen die Wohnungstür und stieß gegen die Antragstellerin die Drohung aus, daß er sie umbringen werde. Er wurde deshalb wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Auch zwischen dem ehelichen Sohn der Streitteile Paul und dem Antragsgegner bestehen große Spannungen. Die Ehewohnung kann nicht in zwei völlig unabhängig voneinander benützbare Wohneinheiten geteilt werden. Küche, Bad und WC müßten gemeinsam benützt werden. Der Antragsgegner ist lungenkrank und deshalb nicht erwerbsfähig. Er bezieht eine Sozialhilfeunterstützung. Derzeit ist er Mieter einer Garconniere. Die Antragstellerin ist als Aufräumerin tätig. Beide vormaligen Ehegatten haben in gleicher Weise zur Erlangung des ehelichen Hausrates beigetragen. Beide sind Mieter der Ehewohnung. Der Hausrat ist bereits aufgeteilt.
Nach der Scheidung der Ehe beantragte die Ehefrau die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens in der Weise, daß der Antragsgegner aus dem gemeinsamen Mietverhältnis hinsichtlich der vormaligen Ehewohnung ausscheide und ihr das gesamte in der Wohnung befindliche Inventar zugewiesen werde. Der Antragsgegner sei gegen sie tätlich vorgegangen. Beide Teile seien völlig mittellos. Die Wohnung, an der beiden Parteien das Mietrecht zustehe, stelle das einzige eheliche Gebrauchsvermögen dar. Die Wohnung könne nicht geteilt werden. Die Antragstellerin, die zusammen mit dem ehelichen Sohn Paul in der Wohnung wohne, habe ein dringendes Wohnbedürfnis daran. Der Antragsgegner hingegen habe bereits eine Garconniere gemietet und bewohne diese auch. Das Inventar sei bereits geteilt worden. Der Ehemann begehrte letztlich "ein Wohnrecht an der ehemaligen Ehewohnung" allein oder gemeinsam mit der Antragstellerin (ON 15 Seite 37). Den Antrag auf Leistung einer Ausgleichszahlung hat er wieder zurückgezogen. Die Antragstellerin verdiene wesentlich mehr als er. Die Wohnung sei groß genug, so daß auch er dort ein Zimmer bewohnen könnte. Die von ihm gemietete Garconniere sei ihm wegen Eigentümerwechsels aufgekündigt worden. Da er nur ein geringes Einkommen habe, könne er keine andere Wohnung finden. Daher habe er ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung.
Das Erstgericht gab dem Antrag der Ehefrau statt und wies den Antrag des Ehemannes ab. Ein weiteres Zusammenleben der geschiedenen Ehegatten in der vormaligen Ehewohnung komme nicht in Betracht. Die Antragstellerin sei auf die Ehewohnung angewiesen. Das Wohnbedürfnis des Antragsgegners hingegen sei gedeckt.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-
übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens seien die vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten nach Möglichkeit vollkommen aufzuheben. Der Antragstellerin sei im Hinblick auf dessen aggressives Verhalten das Zusammenleben mit dem Antragsgegner in der vormaligen Ehewohnung nicht zumutbar. Da die Schaffung zweier völlig voneinander getrennter Wohnungen nicht möglich sei, die Antragstellerin und ihr ehelicher Sohn an der vormaligen Ehewohnung ein dringendes Wohnbedürfnis hätten und der Antragsgegner über eine andere Wohnmöglichkeit verfüge, entspräche die Aufteilung durch das Erstgericht der Billigkeit. Ein Benützungsrecht an einem Teil der Ehewohnung sei dem Antragsgegner nicht einzuräumen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, ihm das begehrte Benützungsrecht an (einem Teil) der Wohnung zuzuerkennen. Hilfsweise stellt der Antragsgegner auch einen Aufhebungsantrag.
Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurswerber vertritt die Ansicht, daß ihm die Ehewohnung wegen seiner Erkrankung zugewiesen hätte werden müssen. Dagegen sei der eheliche Sohn, dessen Wohnbedürfnis die Vorinstanzen mitberücksichtigt haben, bereits selbsterhaltungsfähig. Der Antragsgegner aber sei im Hinblick auf seine Erkrankung und den Umstand, daß er in Zukunft einer Pflegeperson bedürfe, auf die Ehewohnung angewiesen. Die Antragstellerin verdiene ausreichend, um sich eine andere Wohnmöglichkeit zu besorgen. Die ihm angelasteten Aggressionen gegen die Antragstellerin seien nur Reaktionen auf seine verzweifelte Lage gewesen. Unter den vorliegenden Umständen müßte der - beschränkte - Kontakt zwischen den geschiedenen Ehegatten in Kauf genommen werden.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens soll gemäß § 84 EheG so vorgenommen werden, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Die häufig eine ständige Quelle von Auseinandersetzungen bildenden vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten sollen nach Möglichkeit vollkommen aufgehoben werden (SZ 55/45), insbesondere dann, wenn zwischen ihnen tiefgreifende persönliche Differenzen bestehen, die sogar zu Tätlichkeiten geführt haben (RZ 1983/16). Unter solchen Umständen würde das Verbleiben beider vormaligen Ehegatten in der Ehewohnung, wenn die Nebenräume gemeinsam benützt werden müßten, § 84 EheG widersprechen (EFSlg 51.780).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die vom Rekurswerber angestrebte Lösung nicht in Betracht kommt. Dieser ist bereits mehrmals tätlich gegen die Antragstellerin vorgegangen und hat sie auch mit dem Umbringen bedroht. Auch zwischen dem mit der Antragstellerin im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn und dem Antragsgegner bestehen erhebliche Spannungen. Gegen die Zuweisung der alleinigen Mietrechte an der vormaligen Ehewohnung an die Antragstellerin bestehen aber auch im Hinblick auf die Krankheit des Antragsgegners und den in Zukunft möglichen Bedarf an einer Pflegeperson keine Bedenken, weil das Wohnbedürfnis des Antragsgegners ausreichend gedeckt ist. Die Zuweisung der alleinigen Mietrechte an der Ehewohnung an den Antragsgegner würde aber auch deshalb nicht der Billigkeit entsprechen, weil damit die an der Ehescheidung schuldlose Antragstellerin in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würde (EFSlg 51.759 ua). Die Einräumung eines Benützungsrechtes an einem Teil der vormaligen Ehewohnung aber würde im vorliegenden Fall § 84 EheG widersprechen. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E16018European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00687.88.1110.000Dokumentnummer
JJT_19881110_OGH0002_0070OB00687_8800000_000