TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/13 2003/18/0280

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des G, geboren 1974, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Jänner 2003, Zl. St 197/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Jänner 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. Mai 2000, rechtskräftig seit 25. April 2001, gemäß § 12 (dritter Fall) StGB iVm § 28 Abs. 2 (vierter Fall) und Abs. 3 (erster und zweiter Fall) Suchtmittelgesetz (im Folgenden: SMG) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (nach dem im Akt befindlichen Urteil richtig: von zwei Jahren) verurteilt worden. Er habe als Beteiligter den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Suchtgift in einer großen Menge teils eingeführt, teils in Verkehr gesetzt, indem er um den 21. Juni 1999 für den Ankauf von 5000 Stück Ecstasytabletten Geld - jedenfalls "mehrere S 10.000,--" - zur Verfügung gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe über die Suchtgiftgeschäfte Bescheid gewusst und auch des Öfteren den von ihm genutzten Mercedes zur Abwicklung der einzelnen Suchtgiftlieferungen zur Verfügung gestellt. Er habe sich mit den anderen Beteiligten ernsthaft zumindest darüber geeinigt, bei zukünftigen Suchtmittelverbrechen zusammenzuwirken und sich gegenseitig Rückhalt bei der Ausführung der Suchtmittelgeschäfte zu geben. Ein vom Beschwerdeführer geführtes Lokal sei ein willkommener Treffpunkt gewesen und habe jederzeit die Möglichkeit geboten, ungestört miteinander in Kontakt zu treten und bevorstehende Geschäfte zu besprechen. In diesem Sinn sei der Beschwerdeführer mit den anderen Beteiligten auch bandenmäßig organisiert gewesen, wobei er fortgesetzte gleichartige Suchtmitteldelikte verabredet habe. Seinen Beitrag zur Beschaffung der Ecstasytabletten habe der Beschwerdeführer als Mitglied einer Bande in einem arbeitsteiligen Prozess in der Absicht geleistet, sich auch durch zukünftige Suchtgiftgeschäfte Einnahmen zu verschaffen.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei in Anbetracht dieser gerichtlichen Verurteilung verwirklicht. Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991 ständig in Österreich auf und habe hier im "weiteren Familienkreis" gelebt. Er sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Er habe über einen Befreiungsschein verfügt und sei immer einer Beschäftigung nachgegangen.

Durch das nunmehr verfügte Aufenthaltsverbot werde in gravierender Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Auch sei ihm eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen. Jedoch sei ihm in sozialer Hinsicht eine vollständige Integration abzusprechen, zumal er sich eines schweren Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz schuldig gemacht habe. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wöge, als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Zum Schutz der Gesellschaft, vor allem der Jugend, sei eine in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme dringend erforderlich.

Daher sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Auf Grund seines schwer wiegenden Gesamtfehlverhaltens habe man nicht mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden. Schon auf Grund der großen Wiederholungsgefahr im Bereich von Suchtgiftverbrechen habe man von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch machen müssen. Unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Daher sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran ändere auch die private und familiäre Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nichts, zumal Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz "einfach zu schwer wiegend" seien.

Auf Grund des vom Beschwerdeführer begangenen, schwer wiegenden Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz und der Tatsache, dass in diesem Bereich eine große Wiederholungsgefahr bestehe, könne nicht vorhergesehen werden, wann die Gründe, die beim Beschwerdeführer zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen sein würden. Das Aufenthaltsverbot könne daher nur auf unbefristete Dauer verhängt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer lässt die maßgeblichen Feststellungen zu seinem der genannten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhalten unbestritten. Hingegen vertritt er mit Blick auf § 36 Abs. 1 FrG die Auffassung, dass eine Verurteilung nach dem SMG die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertige.

2.2. Dieses Vorbringen geht fehl. Nach dem Urteil des Landesgerichts Linz vom 18. Mai 2000 liegt dem Beschwerdeführer eine in qualifizierter Form begangene Straftat nach dem Suchtmittelgesetz zur Last. Er hat als Beteiligter den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift teils eingeführt, teils in Verkehr gesetzt, indem er im Juni 1999 Geld für den Ankauf von 5000 Ecstasytabletten zur Verfügung gestellt hat.

Die mit der Suchtgiftkriminalität erfahrungsgemäß verbundene Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers insbesondere darin, dass er diese Straftat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen hat, wobei er für die Abwicklung und Planung von Suchtgiftgeschäften einen Pkw sowie ein (von ihm geführtes) Lokal als Treffpunkt zur Verfügung gestellt hat. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer das ihm zur Last liegende Suchtgiftdelikt in Bezug auf eine "große Menge" begangen hat, eine Menge, die iSd § 28 Abs. 6 SMG geeignet ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit in großem Ausmaß herbeizuführen. Darüber hinaus hat er das Suchtgift gewerbsmäßig eingeführt bzw. in Verkehr gesetzt. Gerade die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2002/18/0289).

In Anbetracht des dargelegten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt und die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2004/18/0310, mwN), begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

3.1. Im Grund des § 37 FrG wendet der Beschwerdeführer ein, dass er sich gemeinsam mit seiner Familie seit 1991 rechtmäßig in Österreich aufhalte. Er sei verheiratet, für zwei eheliche Kinder sorgepflichtig und zur Gänze sozial integriert. Seine gesamte Familie halte sich in Österreich auf und er habe zu seiner "alten Heimat" keine Bezugspunkte mehr. Bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 1999 sei er einer regelmäßigen Arbeit nachgegangen. Er verfüge über einen Befreiungsschein.

3.2. Die belangte Behörde hat die Dauer des bisherigen rechtmäßigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit 1991, seine daraus ableitbare Integration, seine regelmäßige Beschäftigung und seine familiären Bindungen zu seiner Ehegattin und seinen beiden Kindern berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbunden relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben iSd § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme iSd genannten Bestimmung dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, an der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen sowie am Schutz der Gesundheit anderer erheblich beeinträchtigt.

Unter Zugrundelegung dieser öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes ist auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung nicht zu beanstanden. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.

Dem Vorbringen sein Heimatland betreffend ist entgegenzuhalten, dass mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, und dass § 37 FrG nicht die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs gewährleistet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0053).

4. Der Beschwerdehinweis auf § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer selbst einräumt, erst im Jänner 1991 im Alter von 16 Jahren nach Österreich eingereist zu sein. Somit ist er nach der ständigen hg. Rechtssprechung nicht "von klein auf" im Inland aufgewachsen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2001/18/0176). Es kann demnach dahinstehen, ob der Beschwerdeführer auch das in § 38 Abs. 2 FrG definierte, kumulativ zu erfüllende Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "langjährig rechtmäßig niedergelassen" erfüllt.

5. Die belangte Behörde hat in Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zutreffend davon Abstand genommen, von dem ihr bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003180280.X00

Im RIS seit

11.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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