TE OGH 1988/11/15 15Os145/88

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Veröffentlicht am 15.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann Karl G*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20.Juli 1988, GZ 20 g Vr 1.170/88-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben: der Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage und das darauf beruhende angefochtene Urteil werden aufgehoben; die Sache wird zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen, welches im Fall einer neuerlichen Bejahung der Hauptfrage das unberührt bleibende Verdikt zur Zusatzfrage der Entscheidung mit zugrundezulegen haben wird.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen - welche die (schuldspruchkonforme) Hauptfrage bejaht und eine (entgegen § 312 Abs. 1 StPO gesondert gestellte) Zusatzfrage nach der Verwendung einer Waffe bei der Tatbegehung verneint hatten - beruhenden angefochtenen Urteil wurde Johann Karl G*** des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 25.Oktober 1987 in Wien Josefine Z*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er nach der an sie gerichteten Aufforderung zur Herausgabe von Geld mit den Worten "Jetzt muß ich rauben" einen Gegenstand gegen sie richtete.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs. 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch ist berechtigt. Der Beschwerdeführer hat von Anfang an seine (nochmalige) Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit geleugnet und behauptet, seine genannte 86jährige Großtante (vgl S 107) habe ihn schon des öfteren zu Unrecht beschuldigt, sie wisse auch nicht mehr genau, was sie spreche (S 71, 85 a/vso, 135/137, 156, 158 bis 160); zum Beweis dafür, daß Z*** bereits mehrmals, und zwar möglicherweise aus geistiger Verwirrung, derartige Anschuldigungen erfunden habe, die sich dann als Mißverständnisse oder als "sonstige Nichtigkeiten" entpuppt hätten, beantragte er in der Hauptverhandlung die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Eltern (S 168). Die potentielle Eignung dahingehender Bekundungen, die Glaubwürdigkeit der einzigen unmittelbaren Belastungszeugin in Ansehung ihrer nunmehr verfahrensgegenständlichen Vorwürfe gegen den Angeklagten in Frage zu stellen, liegt auf der Hand; die Beurteilung von deren konkreter Beweiskraft zu seiner allfälligen Entlastung aber oblag dementsprechend den zur Entscheidung über die Schuldfrage allein zuständigen Laienrichtern.

Schon deswegen war die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme durch den Schwurgerichtshof mit der den Geschwornen vorgreifenden - und zudem das Beweisthema dahin, daß die Eltern des Angeklagten "aus einem Mißverständnis zu dem Vorfall von der Zeugin Z*** mehrmals beschuldigt worden" seien, verfälschenden - Begründung, es könne schon sein, daß früher solche Mißverständnisse aufgetreten seien, doch gebe es dafür im vorliegenden Fall nach der Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt (S 168 f.), verfehlt.

Dazu kommt noch, daß sich die genannte Zeugin in der Hauptverhandlung der Aussage entschlagen hat (S 160) und daß in bezug auf die Überzeugungskraft der in der Folge verlesenen (S 164) Protokolle über ihre Angaben bei der Polizei (S 59 f., 61 f.) sehr wohl indirekte Beweise erhoben wurden (S 160 bis 176), die nach dem wiederholten Antrag des öffentlichen Anklägers (S 160, 164) durchwegs dazu dienen sollten, die Richtigkeit der Anzeige zu verifizieren; umsomehr war der Schwurgerichtshof darnach verpflichtet, auch die zur Verteidigung des Beschwerdeführers beantragten indirekten Beweise abzuführen.

Die durch die Ablehnung des in Rede stehenden Beweisantrags unterlaufene, in der Verfahrensrüge zutreffend monierte Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung - unter Aufrechterhaltung des vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht getroffenen Wahrspruchs zur (unechten) Zusatzfrage (§ 349 Abs. 2 StPO) - wie im Spruch zu erkennen war (§§ 285 e, 344 StPO).

Für den zweiten Rechtsgang wird im besonderen darauf verwiesen, daß die im Interesse eines fairen Verfahrens (Art 6 MRK) gelegene Notwendigkeit einer sinnvollen flankierenden Beweisaufnahme zur inhaltlichen Kontrolle sicherheitsbehördlicher Niederschriften über die Bekundungen von Zeugen, die sich in der Hauptverhandlung berechtigterweise der Aussage entschlagen haben, gerade in letzter Zeit bereits mehrfach mit allem Nachdruck hervorgehoben wurde (vgl RZ 1987/62-I und II, RZ 1988/17 ua).

Anmerkung

E15640

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00145.88.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19881115_OGH0002_0150OS00145_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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