TE OGH 1988/11/16 9NA3/88

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Veröffentlicht am 16.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günther Schön und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut F***, Bad Aussee 363, vertreten durch Dr. Heinz Kalss, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Kündigung (Streitwert 6.000 S), über den Ablehnungsantrag des Klägers in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichtes Graz wird Folge gegeben und das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen zur Verhandlung und Entscheidung über die Rechtssache im Berufungsverfahren bestimmt.

Text

Begründung:

Der Kläger war seit 1. Dezember 1981 Vertragsbediensteter der Beklagten. Seine Dienststelle war das Bezirksgericht Bad Aussee. Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz vom 14. September 1987 wurde das Dienstverhältnis gekündigt. Die auf Feststellung des aufrechten Fortbestandes des Dienstverhältnisses über den 31. Dezember 1987 hinaus gerichtete Klage wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht abgewiesen.

In Verbindung mit der fristgerecht erhobenen Berufung lehnte der Kläger die Mitglieder aller zur Behandlung seiner Arbeitsrechtssache in Frage kommenden Senate des Oberlandesgerichtes Graz als befangen ab, weil es problematisch sei, eine vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz ausgesprochene Kündigung "im eigenen Haus" auf deren sachliche Rechtfertigung und Rechtzeitigkeit überprüfen zu lassen. Bei Überprüfung einer Maßnahme der eigenen Dienstbehörde erscheine die absolute Unbefangenheit gefährdet.

Die beklagte Partei trat diesem Antrag nicht entgegen, um jeden möglichen Bedenken eines nicht fairen Verfahrens von vorneherein zu begegnen.

Mit Ausnahme des Präsidenten und Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Graz sowie des Richters des Oberlandesgerichtes Graz Dr. W***, die im Rahmen der Justizverwaltung in den Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals tätig waren, erachtete sich kein Richter des Oberlandesgerichtes Graz für befangen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung, falls der abgelehnte Richter einem Gerichtshof angehört und dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlußunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof. Das Oberlandesgericht Graz wurde durch die Ablehnung sämtlicher Richter dieses Gerichtshofes beschlußunfähig. Zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag ist daher insoweit der Oberste Gerichtshof berufen (Fasching Kommentar I 210). Für die Besetzung ist mangels Zutreffens der Ausnahmsbestimmung des § 7 OGHG die Vorschrift des § 6 OGHG maßgeblich, dessen Absatz 3 vorerst durch Artikel VII der Zivilverfahrensnovelle 1983 auf Entscheidungen über Rechtsmittel in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 26 ArbGG (§ 519 Abs. 1 Z 3 ZPO) ausgedehnt, durch § 99 Z 2 lit. c ASGG aber aufgehoben wurde. Daraus ergibt sich gemäß § 6 Abs. 1 OGHG die Zuständigkeit des einfachen Senates, der sich gemäß § 11 Abs. 1 ASGG in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus drei Berufsrichtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammensetzt (vgl. Kuderna Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz Anm. 4 zu § 11; 9 Ob A 107/87). Der Ablehnungsantrag ist berechtigt.

Grundsätzlich kann die Ablehnung eines ganzen Gerichtes nur durch die Ablehnung jedes einzelnen seiner Richter unter Angabe detaillierter, konkreter Ablehnungsgründe gegen jeden dieser Richter erfolgen (Fasching ZPR Rz 165; SZ 33/122; 8 Ob 11/88; 4 N 503/88; 7 N 504/88; 10 N 504/88 uva). Eine derartige Aufgliederung unter namentlicher Nennung aller abgelehnten Richter ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht erforderlich, weil der vom Kläger genannte Befangenheitsgrund auf alle Richter des Oberlandesgerichtes Graz in gleicher Weise zutrifft. Gemäß § 19 Z 2 JN genügt jeder zureichende Grund, die Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte. Hiebei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, ob der von der Partei ins Treffen geführte Grund geeignet ist, auch nur nach außen hin ernstliche Zweifel an der Unbefangenheit der abgelehnten Richter zu wecken. Dem in diesem Zusammenhang vergleichbaren Fall einer Klage gegen den Präsidenten eines Gerichtshofes erster Instanz hat der Gesetzgeber daher durch die Regelung des § 79 Abs. 1 Satz 2 JN Rechnung getragen. Aus diesen Gründen war dem Ablehnungsantrag des Klägers stattzugeben und gemäß § 30 Satz 2 JN ein anderes Oberlandesgericht zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen.

Anmerkung

E15513

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0090NA00003.88.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19881116_OGH0002_0090NA00003_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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