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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen die Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Wien vom 27. Mai 2004, Zl. UVS- 03/P/19/2517/2004/5, betreffend Übertretung des Meldegesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:
"Sie haben sich am 12. 11. 2003 an der Anschrift in (... ) bei der Meldebehörde angemeldet, obwohl sie diese Unterkunft zumindest bis 19. 11. 2003 nicht bezogen haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 22 Abs. 1 Ziffer 2 Meldegesetz 1991"
Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von EUR 20,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden) gemäß § 22 Abs. 1 Meldegesetz 1991 verhängt.
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer die gegenständliche Wohnung am 1. Juli 2003 auf Grund behördlicher Wegweisung verlassen und seither nicht mehr bezogen habe. Sie erachtete die Zeugenaussage der Ehegattin des Beschwerdeführers für schlüssig und widerspruchsfrei. Der Beschwerdeführer habe die Aussagen seiner Ehegattin nie in Abrede gestellt.
Die Zeugin habe vor der belangten Behörde weiter ausgesagt, dass der Beschwerdeführer bis zum 1. Juli 2003, dem Tag der polizeilichen Wegweisung, die Wohnung regelmäßig bewohnt habe. Sie habe den Beschwerdeführer am 10. Juli 2003 abgemeldet. Der Beschwerdeführer habe keine Anstrengungen unternommen, in die Wohnung zurückzukehren. Am 18. November 2003 habe sie die Scheidungsklage eingereicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Nichtbestrafung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen sowie ihr die Kosten des Vorlageaufwandes zuzusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 Meldegesetz 1991 begeht, wer eine Anmeldung vornimmt, obwohl keine Unterkunftnahme erfolgt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 726,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- zu bestrafen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991 ist derjenige, der in einer Wohnung Unterkunft nimmt, innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden. Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. ist derjenige, der seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden. Diese Meldepflicht trifft gemäß § 7 Abs. 1 dieses Gesetzes den Unterkunftnehmer.
Gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. hat eine Ummeldung innerhalb eines Monates zu erfolgen, wenn ohne Zusammenhang mit einem Reklamationsverfahren (§ 17) der Hauptwohnsitz zu einer Unterkunft hinverlegt oder von einer Unterkunft wegverlegt worden ist. Bei der Ummeldung zum neuen Hauptwohnsitz hat der Meldepflichtige die erfolgte Ummeldung beim bisherigen Hauptwohnsitz nachzuweisen. Erhält die Meldebehörde vom Tod eines angemeldeten Menschen oder davon Kenntnis, dass eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, so hat sie gemäß § 15 Abs. 1 Meldegesetz 1991 die An- oder Abmeldung von Amts wegen vorzunehmen. Im Übrigen hat sie das Melderegister, soweit es unrichtige oder unvollständige Meldedaten enthält, zu berichtigen.
Die Meldepflicht nach dem Meldegesetz 1991 wird durch die Unterkunftnahme oder Aufgabe der Unterkunft einer Person ausgelöst. Eine Unterkunftnahme liegt dann vor, wenn von einer Unterkunft (Wohnung) ein widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2002, Zl. 2002/05/0834, m. w.N.). Die Meldevorschriften stellen sowohl betreffend das Nehmen als auch die Aufgabe einer Unterkunft auf ein tatsächliches Naheverhältnis bzw. dessen Wegfall des Meldepflichtigen zur Unterkunft ab. Eine Aufgabe der Unterkunft ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn aus den äußeren Umständen hervorgekommen ist, dass eine Person ihre faktische Beziehung zu der Unterkunft gänzlich gelöst hat. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn - wie im Beschwerdefall hervorgekommen - eine Auflösung der ehelichen Wohngemeinschaft durch polizeiliche Wegweisung aus der Wohnung erfolgte und keine Absicht bekundet wurde, die Wohngemeinschaft fortzusetzen bzw. wieder aufzunehmen, vielmehr die Abmeldung des ehemaligen Unterkunftnehmers erfolgte und die Scheidungsklage von dessen Ehegattin eingereicht wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/05/0108).
Auch der Umstand, dass es sich um die Ehewohnung handle und von einem Hauptwohnsitz auszugehen sei, vermag daran nichts zu ändern.
Gemäß § 1 Abs. 6 Meldegesetz 1991 ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben. Gemäß Abs. 7 dieses Paragraphen ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.
Auch für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes ist neben der Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, auch der tatsächliche Aufenthalt an einer bestimmten Unterkunft erforderlich. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0249). Auf Grund des hier gegebenen Sachverhaltes konnte die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer keinen (Haupt-)Wohnsitz an der betreffenden Wohnung zum Tatzeitpunkt hatte. Der Beschwerdeführer hat daher gegen § 22 Abs. 1 Z. 2 Meldegesetz 1991 verstoßen.
Schon in seiner Berufung hat der Beschwerdeführer beantragt, von der Strafe in Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG abzusehen. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ohne ausdrückliche Bezugnahme auf diese Gesetzesstelle zur Strafhöhe ausgeführt, das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht als geringfügig anzusehen, da weder hervorgekommen sei noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen sei, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordere oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Zutreffend verweist der Beschwerdeführer darauf, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Beschuldigte auf die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG einen Rechtsanspruch hat. Die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG setzt voraus, dass das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Durch die Verletzung der Meldepflicht allein kann noch nicht gesagt werden, die Folgen der Übertretung seien so bedeutend gewesen, dass die Möglichkeit, allenfalls nach § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen, ausgeschlossen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 87/01/0118; in diesem Fall: 3 Jahre andauernde Verletzung der Meldepflicht). Das Verschulden des Beschuldigten kann aber auch bei vorsätzlichem Handeln dann als geringfügig beurteilt werden, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie z. B. verminderte Zurechnungsfähigkeit, Unbesonnenheit, drückende Notlage udgl diesen Schluss rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zl. 94/16/230, m.w.N.). Da die belangte Behörde - offenbar ausgehend von einer irrigen Rechtsansicht - derartige Umstände im Verfahren nicht näher erörtert und sodann festgestellt hat, obwohl solche durch den gegebenen Sachverhalt indiziert waren (die gegenständliche Wohnung war bis zur Wegweisung Ehewohnung; der Beschwerdeführer war offenbar der Auffassung, dass er mit der erfolgten Anmeldung eherechtliche Ansprüche wahren könne und durch die aufrechte Ehe zumindest ein Wohnsitz in dieser Wohnung begründet sei), belastete sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtwidrigkeit des Inhaltes.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich der ausgesprochenen Tatbegehung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, bezüglich des Strafausspruches jedoch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. Oktober 2005
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004050221.X00Im RIS seit
10.11.2005