Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz (Arbeitgeber) und Dr. Sylvia Krieger (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarete S***, 4153 Peilstein 91, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER B***, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 1988, GZ 12 Rs 34/88- 22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Dezember 1987, GZ 15 Cgs 5302/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 1.400 an Kosten zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin für den Zeitraum vom 11. Juli 1985 bis 22. Oktober 1985 eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen, unter Zugrundelegung der folgenden Feststellungen ab:
Die Klägerin war seit 4. August 1984 mit Hubert S*** verheiratet. Dieser ist am 11. Juli 1985 verstorben. Er war zum Zeitpunkt seines Todes Alleineigentümer des land-(forst-)wirtschaftlichen Betriebes Berging 4 EZ 2 KG Peilstein mit einem Ausmaß von zuletzt 19,2254 ha und einem Einheitswert von 72.000 S. Die Klägerin bezog im Zeitraum 11. Juli 1985 bis 22. Oktober 1985 eine Witwenpension von S 1.640 monatlich. Der auf die Klägerin anzuwendende Witwenrichtsatz für die Ausgleichszulage betrug für diesen Zeitraum S 4.514.
Bis zum Tode des Hubert S*** bewirtschaftete die Klägerin mit diesem das landwirtschaftliche Anwesen auf gemeinsame Rechnung und Gefahr. Der Lebensunterhalt wurde ausschließlich aus dieser Landwirtschaft bestritten. Diese ist als Erbhof im Sinne des § 1 Anerbengesetz anzusehen.
Hubert S*** ist am 11. Juli 1985 verstorben. Anerbe ist dessen einziger, am 8. Dezember 1984 geborener Sohn Martin S***. Die Klägerin führte nach dem Tod ihres Mannes bis zur Verlassenschaftsabhandlung im September 1985 den Betrieb im wesentlichen im bisherigen Umfang weiter. In diesem Zeitraum bezog sie auch die Einnahmen, einerseits aus dem Milchgeld, andererseits aus dem Verkauf von Ackerfrüchten und zwar für Mais S 8.000, für Gerste S 4.000 und für Hafer S 6.000. Die Klägerin überließ die zweite Heuernte an die Landwirte Ernst R*** und Josef P*** dafür, daß diese die Wiesen- und Ackerflächen bearbeiteten. Für die Klägerin war wichtig, daß die Landwirtschaft in Ordnung verblieb und traf daher die erforderlichen Anordnungen.
Nach der Nachlaßabhandlung vom 10. September 1985 verkaufte die Klägerin mit Zustimmung des Verlassenschaftsgerichtes das gesamte Vieh und einen Teil der landwirtschaftlichen Maschinen. In dieser Zeit wurden auch die Felder noch von einem Nachbarn geackert, die Klägerin überließ ihm dafür die Obsternte.
Mit Einantwortungsurkunde vom 22. Oktober 1985 wurde der Nachlaß nach Hubert S*** auf Grund des Gesetzes der Klägerin zu einem Drittel dem mj. Sohn Martin S*** zu zwei Dritteln eingeantwortet. Das Eigentumsrecht an dem Erbhof wurde für beide Erben je zur Hälfte mit der Anmerkung der vorläufigen Aufschiebung der Erbteilung gemäß § 16 Abs. 1 Anerbengesetz einverleibt. Ab der Einantwortung ließ die Klägerin die Liegenschaft (die in der Folge verpachtet wurde) brachliegen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe nach dem Tod ihres Mannes den Erbhof bis zum 22. Oktober 1985 bewirtschaftet. Da sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf dem Erbhof gelebt und der Anerbe minderjährig gewesen sei, sei ihr gemäß § 14 Abs. 2 Anerbengesetz das Fruchtgenußrecht zugestanden. Sie habe daher den Hof auf eigene Rechnung und Gefahr bewirtschaftet. Dem stehe nicht entgegen, daß sie verschiedene Arbeiten durch Nachbarn durchführen habe lassen, die dafür durch Naturalien entlohnt worden seien. Die Klägerin müsse sich für den klagsgegenständlichen Zeitraum bei Berechnung der Ausgleichszulage das gesamte Pauschale von monatlich S 4.748 anrechnen lassen. Unter Berücksichtigung der Pension der Klägerin ergebe sich ein monatliches Einkommen im Betrag von S 6.388,10, welcher den Ausgleichszulagenrichtsatz übersteige.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Nach § 14 Abs. 2 Anerbengesetz sei der Klägerin das Recht des Fruchtgenusses zugestanden, daß dieses erst mit dem Zeitpunkt der Einantwortung des Nachlasses wirksam werde, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dieses verfolge vielmehr den Zweck, nach dem Tod des Erblassers die Weiterführung des Erbhofes im bisherigen Umfang sicherzustellen, bis der minderjährige Anerbe in der Lage sei, den Betrieb selbständig zu führen. Die Weiterführung der Landwirtschaft durch die Klägerin sei daher gestützt auf einen gesetzlichen Titel auf eigene Rechnung und Gefahr erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.
Die Fruchtnießung ist eine Dienstbarkeit und beinhaltet das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen (§ 509 ABGB). Da das Fruchtgenußrecht ein dingliches Recht ist, muß zwischen Titel und Erwerbsart unterschieden werden. Der Titel zum Erwerb des dinglichen Rechtes (§ 480 ABGB) ist hier das Gesetz, nämlich § 14 Abs. 2 Anerbengesetz.
Mit diesem Titel aber besteht bereits ein Forderungsrecht - bis zur Einantwortung gegenüber der Verlassenschaft - das die Ausübung im gesetzlichen Umfang erlaubt. Lediglich die dingliche Wirkung tritt bei Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen erst mit der Eintragung in das Grundbuch ein, bietet somit auch Schutz gegenüber gutgläubigen Dritten (§ 481 Abs. 1 ABGB). Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß § 14 Anerbengesetz den Unterhalt des überlebenden Ehegatten sicherstellen und durch das in Absatz 2 eingeräumte Fruchtgenußrecht gewährleisten soll, daß nach dem Tode des Erblassers der Erbhof kontinuierlich weitergeführt werden kann, bis der noch minderjährige Anerbe in der Lage ist, den Hof selbst zu bewirtschaften. Damit aber steht außer Zweifel, daß das Fruchtgenußrecht dem überlebenden Ehegatten schon ab dem Tode des Erblassers mit allen Konsequenzen der selbständigen eigenverantwortlichen Wirtschaftsführung zusteht, ein Zuwarten bis zu einer allenfalls erst nach langer Zeit erfolgenden Einantwortung wäre geradezu widersinnig, dies unabhängig davon, ob das Verlassenschaftsgericht Überwachungs- und Rechnungslegungspflichten, die sich auch aus § 14 Abs. 3 Anerbengesetz ergeben können, wahrgenommen hat oder nicht.
Da die Klägerin das ihr zustehende Fruchtgenußrecht im strittigen Zeitraum tatsächlich ausgeübt und nach den Feststellungen auch alle Einkünfte bezogen hat, ist bei Beurteilung, ob ihr ein Anspruch auf Ausgleichszulage zusteht, die Vorschrift des § 140 Abs. 5 BSVG heranzuziehen. Damit aber überschritten ihre zu pauschalierenden Nettoeinkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb und aus der Witwenpension den für sie geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG (SSV-NF 1/66).
Anmerkung
E16094European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00199.88.1122.000Dokumentnummer
JJT_19881122_OGH0002_010OBS00199_8800000_000