Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23.November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Berthold Jakob G*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 13.Mai 1987, GZ 26 Vr 2787/83-290, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 39-jährige Berthold Jakob G*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Linz Güter in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich Bargeldbeträge, die ihm als geschäftsführender Gesellschafter der G***-Verwaltungs-GmbH für die Verwaltung von Gebäuden anvertraut worden sind, sich oder Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder Dritte dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. im Zeitraum zwischen 27.Feber 1980 bis 17.November 1983 Bargeldbeträge von Wohnungseigentümern des Appartementhauses "Excelsior" in St. Gilgen in Höhe von mindestens 1,518.386,08 S;
2. im Zeitraum zwischen 1.Dezember 1981 bis einschließlich März 1983 dem Johann D*** zustehende Mieteinnahmen aus dem Haus Weyer, Hollensteinerstraße 43, in Höhe von mindestens 48.678,98 S. Von der weiteren Anklage, er habe am 7.Juni 1983 in Linz die ihm als geschäftsführender Gesellschafter der G***-Verwaltungs-GmbH durch Vollmacht zur Verwaltung des Hauses Drouotstraße 11, somit durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, die Eigentümer dieses Hauses Josef und Luise G*** zu verpflichten, wissentlich mißbraucht, indem er trotz deren ausdrücklichen Verbotes, Sanierungsarbeiten am Hofgebäude in Auftrag zu geben, diese Weisung mißachtete und das Bauunternehmen Ing. Harald W*** GmbH beauftragte, dort Arbeiten in der Zeit vom 5.Juli bis 24.August 1983 vorzunehmen, wodurch den Hauseigentümern ein Vermögensnachteil von 252.752,10 S zugefügt worden sei, und er habe hiedurch das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB begangen, wurde Berthold Jakob G*** unter einem gemäß § 259 Z 2 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 8 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt. Das Schöffengericht stellte zum Schuldspruchfaktum 1 (betreffend das Appartementhaus "Excelsior") fest,
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daß die G***-Verwaltungs-GmbH, deren Geschäftsführer (bzw. faktischer Geschäftsführer) der Angeklagte gewesen ist, am 27. Feber 1980 die Verwaltung des Appartementhauses, das im Eigentum von 36 Wohnungseigentümern stand, übernommen hat,
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daß diese Wohnungseigentümer "damit" dem Angeklagten bzw. seiner Firma im Rahmen des Vertragsverhältnisses "Beiträge" anvertrauten, die sie auf Grund erhaltener Vorschreibungen einbezahlen mußten und welche der Angeklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu verwalten, für Betriebskosten, Reparaturen, Abgaben usw. zu verwenden und mit der Hausgemeinschaft abzurechnen hatte, und
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daß der Angeklagte sich oder anderen Unternehmen seiner Firmengruppe bis zu seiner am 17.November 1983 erfolgten Inhaftierung von den Wohnungseigentümern erhaltene Beträge in Höhe von insgesamt mindestens 1,518.386,08 S mit Bereicherungsvorsatz zueignete, wobei er diese - "teilweise sogar unter Zweckwidmung einkassierten" - Geldmittel nicht für Belange des Hauses "Excelsior" verwendete, sondern sie der Wohnungseigentumsgemeinschaft vorenthielt, indem er sie auf Verrechnungskonten der G***-Verwaltungs-GmbH eingehen ließ, wo sie mit Eingängen aus anderen Projekten bzw. Firmen des Angeklagten vermengt wurden und der Angeklagte hieraus Entnahmen sowohl für private Zwecke als auch für andere Firmen seiner Gruppe tätigte (US 3, 4).
Zum Schuldspruchfaktum 2 (betreffend das Haus in Weyer) wurde festgestellt,
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daß der Angeklagte dieses Haus ab 1.Dezember 1981 verwaltete,
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daß er trotz vereinbarter vierteljährlicher Abrechnung diese bis zu seiner Inhaftierung unterließ, und
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daß er aus den von 4 Mietparteien an ihn im Rahmen der Hausverwaltung geleisteten Bestandentgelten an den Hauseigentümer D*** bis 14.November 1983 keinerlei Zahlungen weiterleitete, sondern sich den "Differenzbetrag" von 48.678,98 S, der unter Berücksichtigung der von ihm getätigten Aufwendungen für Betriebskosten und des von ihm beanspruchten Hausverwalterhonorars sowie eines dem Genannten übergebenen (bei Präsentation allerdings nicht gedeckten) Schecks über 22.190,62 S verblieb, mit Bereicherungsvorsatz zueignete (US 4, 5).
Dem Beschwerdeführer ist im Ergebnis insoweit beizupflichten, als er sich in der Rechtsrüge dagegen wendet, daß es sich bei den ihm bei der Verwaltung des Appartementhauses "Excelsior" zugekommenen Geldern um ein ihm anvertrautes Gut iS des § 133 StGB gehandelt habe.
Das Erstgericht leitete die bekämpfte Beurteilung ersichtlich (allein) daraus ab, daß die G***-Verwaltungs-GmbH, deren Geschäfte der Angeklagte führte, mit der Verwaltung des Appartementhauses betraut war: "Damit" seien dem Angeklagten bzw. seiner Firma im Rahmen des Vertragsverhältnisses die von den Wohnungseigentümern auf Grund erhaltener Vorschreibungen einbezahlten "Beiträge" (gemeint wohl: Beträge) anvertraut worden (US 3 aE). Durch die Bevollmächtigung als Hausverwalter (vgl. § 17 WEG 1975) erlangte jedoch die G***-Verwaltungs-GmbH (und damit deren Geschäftsführer) die Stellung eines Machthabers der Wohnungseigentümergemeinschaft, dem durch Rechtsgeschäft die Befugnis eingeräumt wurde, über deren Vermögen zu verfügen bzw. sie zu verpflichten (vgl. EvBl. 1964/215; Kienapfel BT II2 § 153 Rz 26). Die dem Angeklagten solcherart (als Organ der G***-Verwaltungs-GmbH) im Rahmen der Verwaltung des Appartementhauses, sei es von den Wohnungseigentümern, sei es von dritter Seite (Finanzamt) für diese, zugekommenen Gelder könnten nur dann als ihm anvertraut iS des § 133 StGB angesehen werden, wenn seine Verfügungsgewalt darüber vereinbarungsgemäß auf eine ganz bestimmte Verwendungspflicht beschränkt war, sodaß er in bezug auf diese Gelder bloß eine faktische Verfügungsmöglichkeit hatte, die er ausnützte, als er sie widmungswidrig für private Zwecke oder für andere Firmen "seiner Gruppe" verwendete (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 133 RN 4, 35 f; Kienapfel aaO § 133 Rz 9, 114; SSt. 34/7; ÖJZ-LSK 1976/363-365 zu §§ 133, 153 StGB). In dieser Beziehung enthält jedoch das angefochtene Urteil keine hinreichenden Konstatierungen; es geht im Gegenteil davon aus, daß der Beschwerdeführer diese Gelder zu verwalten, für Betriebskosten, Reparaturen, Abgaben und sonstige Leistungen im Rahmen seiner Bevollmächtigung als Hausverwalter zu verwenden und mit der Eigentümergemeinschaft abzurechnen hatte (US 3, 4). Diese Urteilsannahme spricht aber dafür, daß - anders als etwa in dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 13 Os 132/76 = ÖJZ-LSK 1976/363-365 zu §§ 133, 153 StGB zugrundeliegenden Fall der Übernahme von Klientengeldern durch einen Rechtsanwalt zur Weiterleitung an berechtigte Empfänger - der Angeklagte keine bloß faktische Verfügungsmacht über die Gelder hatte, sondern eine selbständige rechtliche Dispositionsbefugnis (vgl. SSt. 38/4), die er gegebenenfalls zum Nachteil seines Machtgebers mißbraucht haben könnte, indem er über die Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegenüber dem Finanzamt Salzburg-Land bzw. über die ihm von den einzelnen Wohnungseigentümern zugekommenen Gelder mißbräuchlich disponierte. Davon ausgehend wäre aber der angeklagte Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des Tatbestands der Untreue nach § 153 StGB zu prüfen, wobei es in dieser Richtung an Feststellungen, insbesondere auch zur Wissentlichkeit eines allfälligen Befugnismißbrauchs, mangelt, sodaß eine Entscheidung in der Sache selbst nicht in Betracht kommt.
An sich zutreffend ist im übrigen auch der - sachlich aus der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene - Einwand, aus nachträglich erstellten, inhaltlich unrichtigen Abrechnungen könne ohne nähere Konstatierungen darüber, wann und auf welche Weise sich der Beschwerdeführer Geldbeträge zugeeignet habe, nicht ohne weiteres auf dessen (für eine Tatbeurteilung nach § 133 StGB essentiellen) Bereicherungsvorsatz im Zeitpunkt der Zueignungshandlung geschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Umbuchung von 466.721,63 S vom Konto 721-0063/9 der B***
UND S*** auf das Konto 424-4935/00 dieser Bank am 24. Oktober 1983, welche der Abdeckung bereits zuvor erfolgter Entnahmen diente, zu verweisen (vgl. S 375, 461/Bd. VI). Aber auch den zum Schuldspruchfaktum 2 getroffenen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der Beschwerdeführer in Ansehung der Bestandentgelte lediglich eine faktische Verwendungsmöglichkeit hatte oder ob er auch insoweit gegebenenfalls Befugnisse als Verwalter des Hauses zum Nachteil des Machtgebers (wissentlich) mißbrauchte. Dazu kommt, daß - wie die Mängelrüge im Kern richtig einwendet - das Unterbleiben der vereinbarten vierteljährlichen Abrechnungen, auf das sich das Schöffengericht stützte (US 8), lediglich ein vorsätzliches Vorenthalten vereinnahmter Mietzinse indiziert, jedoch keine zureichende und logisch mängelfreie Begründung für die Annahme einer Zueignung anvertrauten Gutes darstellt; worin aber die Zueignungshandlungen bestanden haben, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Aus den angeführten Erwägungen war demnach - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 285 e StPO), ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden braucht. Nur der Vollständigkeit halber sei zur Rüge aus der Z 8 des § 281 Abs. 1 StPO darauf verwiesen, daß Punkt B/ der Anklageschrift in der Hauptverhandlung vom 8.Jänner 1985 durch Präzisierung des inkriminierten Betrages mit 1,532.887,40 S ergänzt wurde (S 165/Bd. XI) und der Schuldspruch auf einen Betrag von 1,518.386,08 S lautet, mithin betragsmäßig durch den Verfolgungsantrag des Anklägers gedeckt ist. Zudem ist das Gericht an die Auffassung des Anklägers nur gebunden, soweit die Straftat in der Anklage individualisiert ist; die Identität der Tat geht auch dann nicht verloren, wenn das Urteil abweichend von der Anklage andere, in den Rahmen des Gesamtverhaltens des Angeklagten fallende Handlungen, aus denen der strafgesetzwidrige Erfolg resultiert, in den Kreis seiner Erwägungen einbezieht und den in der Anklage individualisierten Sachverhalt einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzieht (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 79 ff zu § 262). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E15618European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00068.88.1123.000Dokumentnummer
JJT_19881123_OGH0002_0140OS00068_8800000_000