Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred P***, Tischlermeister, Mondsee, Kreuzbergstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) Theresia W***, Pensionistin, Pettenbach, Mitterndorf 24, vertreten durch Dr. Walter Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, und 2.) Hilde K***, Geschäftsführerin, Rosenheim, Madronstraße 32, vertreten durch Dr. Charlotte Tannert, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 902.886 S s.A. infolge Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26.Mai 1988, GZ 6 R 107/88-11, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 25.Jänner 1988, 4 Cg 242/87-6, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Zweitbeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt 902.886 S samt Anhang, wobei sie ihren Anspruch aus einer Vereinbarung mit der Firma W*** Wohnbaugesellschaft mbH, die ihren Sitz im Sprengel des Kreisgerichtes Steyr hatte, ableitet. Die Zweitbeklagte war Gesellschafterin und Geschäftsführerin dieser Gesellschaft. Unter anderem wird sie vom Kläger in dieser Eigenschaft in Anspruch genommen.
Die Gesellschaft ist inzwischen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden.
Das Erstgericht hat die gegen die Zweitbeklagte gerichtete Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verworfen und hiebei die Rechtsansicht vertreten, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergebe sich aus § 92 b JN iVm § 51 Abs. 1 Z 6 JN.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Zweitbeklagten gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Nach § 51 Abs. 1 Z 6 JN gehören vor die selbständigen Handelsgerichte unter anderem Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis der dort genannten Organe von Handelsgesellschaften aus ihren Rechtsverhältnissen zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, und zwar in allen diesen Fällen sowohl während des Bestandes als auch nach der Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses, soferne nicht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gegeben ist. Bezüglich dieser Streitigkeiten hat § 92 b JN einen Wahlgerichtsstand derart geschaffen, daß diese auch bei dem Gericht des Ortes angebracht werden können, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die Eigenzuständigkeit des § 51 Abs. 1 Z 6 JN entspricht dem durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 neu geschaffenen Wahlgerichtsstand des § 92 b JN (Fasching Zivilprozeßrecht Rz 254).
Es ergibt sich demnach, daß nach dem Willen des Gesetzgebers § 92 b JN inhaltlich § 51 Abs. 1 Z 6 JN entsprechen soll. Der Gesetzgeber wollte die Zuständigkeit vom Zusammenhang des im Prozeß geltend gemachten Anspruches mit der Funktion bei einer Gesellschaft abhängig machen. Dieser Zusammenhang wird aber nicht dadurch beseitigt, daß die Gesellschaft aufgelöst wird. Es entspricht daher der Tendenz des Gesetzgebers, daß dieser in § 51 Abs. 1 Z 6 JN die Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses als unerheblich bezeichnet. Da § 92 b JN nur eine Angleichung an § 51 Abs. 1 Z 6 JN bewirken wollte, muß demnach auch für den Wahlgerichtsstand der Grundsatz gelten, daß die Auflösung der Gesellschaft keinen Einfluß auf die Zuständigkeit hat.
Im vorliegenden Fall muß daher nicht geprüft werden, ob die Gesellschaft überhaupt noch ein Vermögen hat, weil nicht diese Prozeßgegnerin ist, sondern die Zweitbeklagte als die ehemalige Geschäftsführerin der Gesellschaft. Die Zuständigkeit der gegen sie auch wegen des Zusammenhanges mit dem Gesellschaftsverhältnis erhobenen Klage ergibt sich demnach aus § 92 b JN im Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 Z 6 JN.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E16020European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00698.88.1123.000Dokumentnummer
JJT_19881123_OGH0002_0070OB00698_8800000_000