Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand P***, Angestellter, 1050 Wien, Diehlgasse 9/43, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. E*** & Co Gesellschaft mbH, 1120 Wien, Schönbrunnerstraße 273, vertreten durch Dr. Hans-Georg Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Mietvertrages und Feststellung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 19. November 1987, GZ 41 R 535/87-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Juni 1987, GZ 43 C 420/86 m-9, sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens und zur Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Wohnung Top Nr. 15 im Hause Arbeitergasse 39 im 5. Wiener Gemeindebezirk durch Durchführung der im Klagebegehren unter den Punkten 1. a) bis e) sowie 2. b) bis e) angeführten Arbeiten in brauchbaren Zustand zu versetzen und überdies die bei Abschluß des Mietvertrages vom Vermieter zugesagten Arbeiten (Installation einer Gasetagenheizung, Herstellung eines verfliesten Bades oder einer verfliesten Dusche in zeitgemäßen Zustand, Ausstattung der Küche mit Abwäsche und Herd sowie Belegung von drei Zimmern mit Spannteppichen und des Vorraumes und der Küche mit PVC-Böden: Punkt 1. f) und 2. a) des Klagebegehrens) durchzuführen, wofür der Kläger an den (seinerzeitigen) Hauseigentümer bereits S 260.000,-- bezahlt habe. Dem Kläger sei vom Vermieter ein "intaktes" Mietobjekt übergeben worden, doch sei dieses in der Folge vom Hauseigentümer bei Durchführung von Umbauarbeiten (insbesondere Aufstockung des Hauses) vollkommen devastiert worden, sodaß es nunmehr gänzlich brauchbar sei (ON 1). Das Klagebegehren wurde auch auf Schadenersatz gestützt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19. März 1987 stellte der Kläger das auf Übergabe dieser Wohnung samt Schlüsseln gerichtete Eventualbegehren (ON 8). Die beklagte Partei begehrt zunächst Abweisung der Klage und stellte einen mit S 20.000,-- bewerteten Zwischenantrag auf Feststellung, daß dem Kläger keine Mietrechte an dieser Wohnung zustünden (ON 5 und 7). Sie wendeten auch ein, daß die Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges nicht gegeben sei (ON 7) und sprach sich gegen die in der Stellung des Eventualbegehrens gelegene Änderung der Klage aus (ON 8).
Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab, ohne über die Zulässigkeit der Klageänderung ausdrücklich beschlußmäßig entschieden zu haben. Der von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung blieb unerledigt.
Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf, wies die Klage zurück, verurteilte den Kläger zur Zahlung der Kosten beider Instanzen an die beklagte Partei und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,-- übersteige. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfaßten die Sonderregelungen des Mietrechtsgesetzes über die Pflicht des Vermieters zur Erhaltung des Mietgegenstandes, der Durchsetzung dieses Anspruches und der dafür anzuwendenden Verfahrensvorschriften auch die Verpflichtung des Bestandgebers, den mangelhaften Zustand übergebenen Bestandgegenstand in brauchbarem Zustand zu versetzen (Verschaffungspflicht nach § 1096 Abs 1 ABGB). Gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG sei ein solcher Anspruch im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen, gleichgültig ob er § 1096 ABGB oder auf den Mietvertrag gestützt werde (MietSlg 37.497). Für das Eventualbegehren auf Übergabe des Bestandgegenstandes wäre der streitige Rechtsweg wohl zulässig, doch setze dies eine abweisende Erledigung des Hauptbegehrens voraus. Da aber für das Hauptbegehren der Rechtsweg nicht zulässig sei, gelte dies infolge der prozessualen Akzessorietät des Eventualbegehrens auch für dieses. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers mit den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht, gegebenenfalls dem Erstgericht, eine Sachentscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Die beklagte Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Zur Zulässigkeit:
Zutreffend weist der Rekurswerber daraufhin, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO anfechtbar ist. Unrichtig ist jedoch die von ihm vertretene Rechtsmeinung, die Rekursbeschränkungen des § 528 ZPO würden nur für die Beschlüsse des Rekursgerichtes gelten. § 528 ZPO handelt vielmehr von der Beschränkung von Rekursen gegen Entscheidung des Gerichtes schlechthin, also ohne Differenzierung, ob dieses Gericht dabei als Berufungs- oder Rekursgericht einschritt. Demnach gilt auch für Beschlüsse des Berufungsgerichtes die im § 528 Abs 1 Z 5 normierte Unzulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof für den Fall, daß der Beschwerdegegenstand S 15.000,-- an Geld oder Geldeswert nicht übersteigt. Die Zulässigkeit des Rekurses des Klägers ist daher - entgegen der von ihm vertretenen Ansicht - gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur deswegen gegeben, weil im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Bewertung die Bestimmung des § 528 Abs 1 Z 5 ZPO nicht entgegensteht.
2. Zur Berechtigung des Rekurses:
Gemäß § 37 Abs 3 MRG ist über Anträge der in § 37 Abs 1 genannten Angelegenheiten, darunter (gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG) betreffend die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§ 3, 4 und 6 MRG), in einem besonderen außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Durch diese Regelung wird aber nach Lehre (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 499) und Rechtsprechung (MietSlg XXXIII/19 und XXXIV/18) der allgemeine Grundsatz, daß Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, auf den Rechtsweg gehören, nicht berührt. Demnach ist eine Erweiterung des taxaktiven Zuständigkeitskataloges des § 37 Abs 1 MRG durch Analogie ausgeschlossen (Würth aaO 501). Klagen aus Vereinbarungen gehören daher wie alle vertraglichen Ansprüche auf den Rechtsweg (Würth aaO 504; siehe auch SZ 57/13 bezüglich vertraglicher Ansprüche auf die Durchführung auf Verbesserungsarbeiten durch den Mieter). In der unter MietSlg 37.497 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, auf die sich das Berufungsgericht stützt, war die Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges für ein Begehren verneint worden, in dem der Mieter die Verurteilung des beklagten Vermieters begehrt hatte, in Zuhaltung des Mietvertrages die Wohnung in den von Schimmelpilz befallenen Teilen so instand zu setzen, daß sie für den ordentlichen Gebrauch benutzbar sei. Diese Klage war darauf gestützt worden, daß die gemietete Wohnung infolge mangelhafter Ausführung des Bauwerkes, insbesondere mangelhafter Isolierung, von Schimmelpilzen befallen worden sei. Bei Beurteilung dieses Klagebegehrens sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß die Sonderregelungen des Mietrechtsgesetzes über die Pflicht des Vermieters zur Erhaltung des Mietgegenstandes, der Durchsetzung dieses Anspruches und der hiefür anzuwendenden Verfahrensvorschriften auch die Verpflichtung des Vermieters umfasse, den in mangelhaftem Zustand übergebenen Bestandgegenstand in brauchbaren Zustand zu versetzen (Verschaffungspflicht, nach § 1096 Abs 1 ABGB). Diese Regelungen des MRG schlössen aber die Durchsetzung des Verschaffungsanspruches des Mieters gegen den Vermieter im streitigen Verfahren aus, gleichviel ob dieser Anspruch auf den Mietvertrag oder auf § 1096 Abs 1 ABGB gestützt wird. Der hier zur Beurteilung stehende anspruchsbegründende Sachverhalt und das daraus abgeleitete Begehren, auf welche beide es bei Beurteilung der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges ankommt (MietSlg 35.725), unterscheiden sich aber von dem in der obgenannten Entscheidung beurteilten Sachverhalt in zweifacher Weise wesentlich, sodaß in der nun zu fällenden Entscheidung auf die vom Rekurswerber vorgebrachten Gegenargumente im einzelnen nicht eingegangen werden muß.
a.) Die Punkte 1. f) und 2. a) des Klagebegehrens beziehen sich auf vom Vermieter ausdrücklich zugesagte Verbesserungsarbeiten, für die auch ein Entgelt geleistet worden sei. Die Geltendmachung derartiger Ansprüche hat mit dem Begehren auf Durchführung mit der in den §§ 3 und 4 MRG umschriebenen Arbeiten, zu deren Erbringung der Vermieter unabhängig von einer (den Mieter allenfalls besser stellenden) Vereinbarung bei Vorliegen der dort vorgesehenen Voraussetzungen verpflichtet ist, nichts zu tun. Durch Punkt 1. f) und 2. a) des Klagebegehrens werden daher nicht nach § 37 Abs 2 Z 1 MRG im Verfahren außer Streitsachen zu behandelnde Angelegenheiten geltend gemacht. Hiebei handelt es sich vielmehr um reine vertragliche Ansprüche, die den Mieter besser stellen als es bei bloßer Geltung der gesetzlichen Vorschriften der Fall wäre, und die daher von den diesbezüglichen Vorschriften unberührt bleiben. b.) Die anderen Arbeiten werden vom Kläger unter anderem auch aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt. Der Kläger behauptet nämlich, daß ihm ein "intaktes" Mietobjekt übergeben worden sei und das der Vermieter nach diesem Zeitpunkt das Mietobjekt bis zur gänzlichen Unbrauchbarkeit devastiert habe. Aus einem solchen Verhalten des Vermieters kann ein Schadenersatzanspruch, gerichtet auf Naturalrestitution, abgeleitet werden, der weit über die in § 3 MRG nur eingeschränkt normierte Pflicht des Vermieters zur Erhaltung des Mietgegenstandes hinausgeht.
Es ist demnach auch über die anderen Punkte des Klagebegehrens im streitigen Rechtsweg zu entscheiden.
Da bereits über das Hauptbegehren im streitigen Rechtsweg zu entscheiden ist, wird das auch über das Eventualbegehren zu geschehen haben, sodaß auf die mit Lehre (Fasching Kommentar III, 19; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 180) und Rechtsprechung (5 Ob 695/82) in Widerspruch stehende, oben wiedergegebene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bezüglich der Akzessorietät des Eventualbegehrens nicht weiter einzugehen ist. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Anmerkung
E16652European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00603.88.1124.000Dokumentnummer
JJT_19881124_OGH0002_0080OB00603_8800000_000