Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois S*** und Johanna A*** wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 2 StGB (aF) und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Johanna A*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18.Februar 1988, GZ 28 Vr 3113/87-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Johanna A*** - neben anderen strafbaren Handlungen - des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und 2 Z 1 (aF), 128 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in Gesellschaft des Alois S*** fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich Bargeld in unbestimmter Höhe, mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versucht, und zwar am 13. April 1987 in Kufstein in der Wallfahrtskirche des Exerzitienhauses "Kufstein-Kleinholz" somit in einem der Religionsausübung dienenden Raum (Punkt I/1 des Urteilssatzes) und in der Nacht zum 3.April 1987 in Kundl dem Josef und der Marianne G*** (Punkt I/2).
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch zu Punkt I/2 des Urteilssatzes bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen begab sich die Angeklagte, die zusammen mit Alois S*** im Erdgeschoß des Hauses Kundl, Dr. Hans-Bachmann-Straße Nr. 34 wohnte, in der Nacht vom 2. auf den 3.April 1987 gemeinsam mit dem Genannten in die im ersten Stock dieses Hauses gelegene Wohnung des Ehepaars G*** und durchsuchte dort mit Diebstahlsvorsatz das Wohnzimmer nach Geld oder Wertgegenständen, verließ es aber in der Folge ohne Beute, weil sie nichts Stehlbares fand (vgl. S 135 und 141).
Das Gericht nahm die Täterschaft der Angeklagten auf Grund der Aussage der Zeugin Elisabeth S*** und der Verantwortung des Alois S*** als erwiesen an (vgl. S 141) und erachtete dadurch ihre leugnende Verantwortung für widerlegt. Die Zeugin hatte die Beschwerdeführerin und Alois S*** vom gegenüberliegenden Haus aus beobachtet; der Letztgenannte hatte zugegeben, sich mit der Angeklagten im Wohnzimmer aufgehalten und dort "möglicherweise herumgesucht" zu haben.
Daß die Angeklagte es bei diesem Diebstahlsversuch auf Geld oder Wertgegenstände abgesehen hatte, konnte das Erstgericht durchaus denkrichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin und des Alois S*** bei der Tatausführung erschließen (vgl. S 141). Der in der Mängelrüge (Z 5) unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Begründung erhobene Vorwurf, das Gericht gebe für diese Annahme keine Gründe an, übergeht die bezüglichen Urteilsausführungen. Wenn die Rüge in diesem Zusammenhang vorbringt, daß das Verhalten der Angeklagten den Schluß zulasse, daß sie zwar kein Geld, wohl aber wertvolle Gegenstände stehlen wollte, so übersieht sie die Urteilskonstatierung, wonach die Angeklagte und ihr Komplize dabei auch Wertgegenstände erbeuten wollten (vgl. S 141). In der Tatsachenrüge (Z 5 a) verweist die Beschwerdeführerin auf den aktenkundigen Umstand, daß die Zeugin Elisabeth S*** nicht unverzüglich die Polizei verständigt hat (vgl. S 122) und daß die Genannte zu einer exakten Beobachtung im Hinblick auf die Entfernung ihres Wohnhauses vom Tatort (vgl. S 95) und die künstliche Beleuchtung nicht in der Lage gewesen sei. Diese Ausführungen vermögen die durch die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage aber nicht in einem Maße zu Gunsten der Angeklagten zu ändern, daß die Beweiswürdigungserwägungen der Tatrichter ihre intersubjektive Überzeugungskraft verlieren, d.h. unvertretbar erscheinen und die Richtigkeit der angenommenen entscheidungswesentlichen Tatsachen ernstlich in Frage stellen würden.
Entgegen dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 8) hat das Schöffengericht nicht die Anklage überschritten, indem es die Beschwerdeführerin (und den Mitangeklagten Alois S***) lediglich des versuchten Diebstahls von Bargeld (und nicht anklagekonform des vollendeten Diebstahls einer Schatulle samt Münzen und Bargeld) zum Nachteil der Eheleute G*** schuldig erkannte. Denn das Gericht hat den Vorfall, den der Ankläger zum Anlaß seiner Anklage nimmt, nach allen Richtungen hin zu erforschen und dem Gesetz zu unterstellen, das darauf anzuwenden ist, wobei es sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung vom Ablauf des Geschehens ein Urteil darüber zu bilden hat, in welcher Art sich das (als solches inkriminierte) Ereignis abgespielt und in welcher Form der Angeklagte sich daran beteiligt hat (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 25, 29 zu § 262); dabei hat es sich zwar auf den unter Anklage gestellten Vorfall (als Ganzes) zu beschränken, ihn aber mit allen seinen Begleitumständen zu beurteilen, selbst wenn diese in der Anklage nicht angeführt sind, aber doch zu dem Sachverhalt gehören, der der Anklage zugrundeliegt (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 26, 27 zu § 262; ENr. 10 zu § 281 Z 8). Gegenstand der auf Grund der Nachtragsanzeige ON 16 vom Staatsanwalt in der Hauptverhandlung ausgedehnten Anklage (S 111) war der Vorwurf, daß sich die Beschwerdeführerin (gemeinsam mit ihrem Komplizen) in der Nacht zum 3.April 1987 mit Diebstahlsvorsatz in die Wohnung der Eheleute G*** begeben und sich darin aufgehalten hat, um fremde bewegliche Sachen zum Nachteil der Wohnungsinhaber wegzunehmen. An die Auffassung des Anklägers über den konkreten Ablauf jeder einzelnen Phase dieses von ihm in toto inkriminierten Geschehens war das Schöffengericht indes nicht gebunden; es konnte demnach - ohne die Anklage zu überschreiten - auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens zur Überzeugung gelangen, daß die Beschwerdeführerin dabei (zwar) nicht die in der Anklage angeführte Schatulle mit Münzen und Bargeld weggenommen, aber in der Wohnung nach Bargeld gesucht hat, das sie zu stehlen beabsichtigte, wobei es jedoch nur beim Versuch geblieben ist, weil auch ein solcher Ablauf des Geschehens von der Anklage S 111 gedeckt ist. Daran vermag der Umstand, daß das Gericht unter einem - überflüssig - einen Freispruch in Ansehung vollendeten Diebstahls fällte, nichts zu ändern. Läge doch eine Anklageüberschreitung nur dann vor, wenn das dem Schuldspruch zugrundegelegte Tatgeschehen von dem unter Anklage gestellten derart verschieden ist, daß es keineswegs als inkriminiert erkannt werden kann (vgl. abermals Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 10 zu § 281 Z 8); davon kann aber bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht die Rede sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus folgt, daß über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zu erkennen haben wird (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E15884European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00097.88.1124.000Dokumentnummer
JJT_19881124_OGH0002_0120OS00097_8800000_000