Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Gert K*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufungen des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengerichts vom 31. Mai 1988, GZ 11 Vr 3068/87-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Gemäß § 285 i StPO. werden die Akten zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
Der am 21.Jänner 1971 geborene Schüler Gert K*** wurde des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 21.Juni 1987 in Klagenfurt Dietmar F*** dadurch, daß er ihm die Finger der rechten Hand zurückbog, vorsätzlich am Körper mißhandelt und ihm fahrlässig einen Bruch des fünften Mittelhandknochens rechts, sohin eine an sich schwere Verletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zugefügt.
Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an (S. 100). Schriftlich ausgeführt wurden eine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON. 22). Die Berufung wegen Nichtigkeit ist ersichtlich bloß eine unbeachtliche Falschbezeichnung der Nichtigkeitsbeschwerde. Die Berufung wegen Schuld hingegen ist zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehen ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsrügen, die auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. gestützt werden, sind nicht begründet.
Auch mit einer Hand, deren fünfter Mittelhandknochen gebrochen ist, können mehrere Faustschläge gegen den Körper eines anderen Menschen geführt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dies denkmöglich und mit den allgemeinen Lebenserfahrungen sowie den forensischen Erkenntnissen durchaus vereinbar.
Daß der Zeuge F*** im Zug seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung zunächst vorbrachte, vom Nichtigkeitswerber an der linken Hand verletzt worden zu sein und erst nach mehrmaligem Vorhalt sagte, an der rechten Hand den Knochenbruch erlitten zu haben, ist als Frage der Beweiswürdigung im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen. Die (obiger Feststellung angeblich entgegenstehende) Aussage der Zeugin L*** aber, F*** hätte ihr erzählt, an der (ersichtlich gemeint: später verletzten) Hand Schmerzen verspürt zu haben, weil ihn jemand bei der Arbeit verletzt habe, bedurfte deswegen keiner besonderen Erörterung, weil die Zeugin erst nach den Tätlichkeiten an der "Steinernen Brücke" eine starke Schwellung eines Fingers bei F*** wahrnahm und nicht vorgebracht hat, diese Schwellung schon vor Beginn der verfahrensgegenständlichen tätlichen Auseinandersetzung erkannt zu haben. Daß diese Aussage der Zeugin L*** "in gedanklich überbrückbarem Zusammenhang mit einer Verletzung bei einem Arbeitsunfall" stehe sowie die Behauptung, es bestehe "die zwingende Möglichkeit, daß durch den Schlag des Dietmar F*** eine bei ihm bereits bestandene Verletzung wieder akut wurde", erweisen sich im Ergebnis als bloße Spekulationen und sonach als unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.
In der Hauptverhandlung am 31.Mai 1988 beantragte der Staatsanwalt die Ladung des ärztlichen Sachverständigen Dr. Siegfried Z*** zum Beweis dafür, daß die am 21.Juni 1987 von Dietmar F*** erlittene Verletzung infolge Greifens und Zurückbiegens des kleinen Fingers der Hand durch den Angeklagten eingetreten ist; der Rechtsmittelwerber sprach sich gegen diesen Antrag aus (beides S. 86). Wenn er nun moniert, das Schöffengericht hätte bei der gegebenen Sachlage diesem Antrag des Staatsanwalts nachkommen und den Sachverständigen befragen müssen, ob es medizinisch nachvollziehbar sei, daß durch einen abgewehrten Schlag eine bereits bestandene Verletzung wieder akut wurde, so ist er zur Erhebung dieser Verfahrensrüge nicht legitimiert, weil er in der Hauptverhandlung keinen Antrag gestellt hat, der der Ablehnung verfiel.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO. in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Dasselbe Schicksal erlitt die gegen Urteile der Kollegialgerichte nicht zulässige Berufung wegen Schuld.
Anmerkung
E15890European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00147.88.1124.000Dokumentnummer
JJT_19881124_OGH0002_0130OS00147_8800000_000