Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes Willem van L***, technischer Angestellter, NL-2543 RP's Gravenhage, Ruinzicht 160, vertreten durch Dr. Walter Haupolter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Mag. Johann Wolfgang P***, Lehrer, 7343 Röschitz 165, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen 291.814 S samt Anhang und Feststellung (Streitwert des Feststellungsbegehrens: 30.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Mai 1988, GZ 11 R 66/88-87, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems/D. vom 23. Dezember 1987, GZ 14 Cg 351/82-81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.333,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.030,35 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 31. Juli 1979 erlitt der Kläger einen Bergunfall. Hiebei wurde er von einem herabfallenden Stein so schwer am rechten Fuß verletzt, daß ihm dieser schließlich zum Teil amputiert werden mußte. Mit der am 21. Juli 1982 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten 250.000 S an Schmerzengeld, 38.963 S an Verdienstentgang und 2.851 S an nicht ersetzten Behandlungskosten, zusammen somit 291.814 S, und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aus diesem Unfall. Der Kläger habe über den holländischen Touringclub bei der ehemals zweitbeklagten Partei eine Wandertour gebucht, die der Beklagte (früher Erstbeklagte) als Führer geleitet habe. Der Beklagte habe bei objektiv schlechten Verhältnissen - starker Regen - die Begehung der Steinernen Rinne zum Ellmauer Tor fortgesetzt. Obwohl es sich hiebei um eine bekanntermaßen steinschlaggefährdete Route handle, habe er es unterlassen, die Teilnehmer an der Tour darüber sowie über allenfalls ergreifbare Schutzmaßnahmen zu belehren. Der Kläger sei während des Aufstieges durch einen Stein getroffen worden und habe die oben angeführten Verletzungen erlitten. Der Beklagte habe de facto eine Tätigkeit ausgeübt, die der Tiroler Berg- und Schiführerordnung unterliege, weshalb er auch die einem Bergführer obliegenden gesetzlichen Schutzmaßnahmen zu treffen gehabt hätte. Dies habe er jedoch in mehrfacher Beziehung nicht getan (kein Hinweis auf Steinschlaggefahr, zu große Teilnehmerzahl, Unterlassen des Abbrechens der Tour).
Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete insbesondere ein, zwischen den Streitteilen habe kein Vertragsverhältnis bestanden. Beide seien Mitglieder des Österreichischen Touristenclubs gewesen, sodaß der Beklagte als geprüfter Lehrwart berechtigt gewesen sei, derartige Bergwanderungen durchzuführen. Dem niederländischen Automobilclub sei lediglich ein
"Student - groupleader" (studentischer Gruppenführer) angeboten worden, dessen Hauptaufgabe in der Besorgung der Transport- und Unterkunftsmöglichkeiten bestanden habe. Diesen Anforderungen habe der Beklagte aufgrund einer schon früher durchgeführten gleichartigen Tour sowie seiner Lehrwartprüfung entsprochen. Die Teilnehmer hätten aufgrund der einwöchigen Vorübungen über die erforderliche Bergerfahrung verfügt. Da sich der Unfall während einer Ruhepause ereignet habe, komme es im übrigen nicht auf die graduelle Qualifikation der Tour selbst an. Die durch das Vorangehen anderer Bergsteiger hervorgerufene Steinschlaggefahr sei eine solche, die mit den Risken des Bergsteigens üblicherweise verbunden sei und daher dem Beklagten nicht angelastet werden könne. Das Erstgericht wies die Klage ab. Hiebei ging es von den aus den S. 8 bis 19 der Ausfertigung des Ersturteils ersichtlichen detaillierten Feststellungen aus, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Als für das Rechtsmittelverfahren wesentlich ist insbesondere hervorzuheben:
Das Büro für Studentenwanderungen, das Organ der vormals zweitbeklagten Partei, des Vereins "Akademisch-soziale Arbeitsgemeinschaft Österreichs", und zugleich die gemeinsame Geschäftsstelle der Akademischen Berg- und Schigemeinschaft, einer Sektion des Österreichischen Touristen-Clubs, ist, organisierte wie bereits im Jahre vorher für Ende Juli/Anfang August 1979 für den "Royal Dutch Touringclub A***" eine 14tägige geleitete Wandertour in Tirol. Der Wanderplan ("Itinerary") enthielt einen Hinweis auf allenfalls witterungsbedingt notwendige Programmänderungen und die Begleitung durch einen österreichischen Führer ("Assistenz des Studentengruppenleiters") während der ganzen Tour.
Der Kläger buchte diese Tour, deren Betreuung vom Büro für Studentenreisen dem Beklagten übertragen wurde. Dieser hatte in früheren Jahren "Kunstfahrten" geführt; 1977 hatte er auch eine "Wanderfahrt" übernommen. Er verfügt über keinerlei alpinistische Ausbildung und hat insbesondere auch nicht an der vorerst behaupteten Ausbildung zum Lehrwart teilgenommen und keine diesbezügliche Prüfung abgelegt. Seine Hauptaufgabe bestand keineswegs in der Besorgung der Transport- und Unterkunftsmöglichkeiten, welche bereits vorgegeben waren, sondern in der Betreuung und Führung der Reiseteilnehmer auf den einzelnen Bergwanderungen. Er bestimmte, ob eine geplante Tour in der vorgesehenen Art und Weise durchgeführt wurde. So entschied er auch nach Einholung von Auskünften einheimischer Bergführer, die für den 31. Juli 1979 vorgesehene Rundwanderung wegen der dort befürchteten Schneelage nicht durchzuführen, sondern durch die Steinerne Rinne aufzusteigen.
Am Morgen des 31. Juli 1979 teilte der Beklagte mit, daß zur Bewältigung dieser Tour Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich seien, wies aber vor dem Abmarsch die 16 Teilnehmer an dieser Wanderung nicht auf die im Bereich der Steinernen Rinne bestehende beträchtliche Steinschlaggefahr hin und gab ihnen auch keine Verhaltensmaßregeln für den Fall des Auftretens von Steinschlägen. Der Beklagte hatte es auch an den Vortagen unterlassen, die Reiseteilnehmer generell über die Alpingefahren und sachgerechtes Verhalten im alpinen Gelände aufzuklären. Als die Wandergruppe einen Teil des Weges zurückgelegt hatte, setzte leichter Nieselregen ein. Der Beklagte stellte nunmehr unter Hinweis auf die Rutschigkeit des Gesteins infolge Nässe zur Diskussion, ob die Wanderung fortgesetzt oder der Rückweg angetreten werden solle. Drei Teilnehmer der Gruppe entschieden sich für die Umkehr, die anderen - darunter auch der Kläger - für die Fortsetzung der Tour.
Als sich der Kläger bereits im oberen flacheren Teil der Steinernen Rinne unterhalb eines Felsblockes befand, der wegen der dort gegebenen Verflachung eine Kuppe bildete, hörte er den lauten Ruf "Stein". Tatsächlich sprang ein ca. 50 kg schwerer, 40 cm x 20 cm x 30 cm großer Stein in Zickzacklinie die Steinerne Rinne abwärts, prallte auf die vorerwähnte Felskuppe oberhalb des Standortes des Klägers auf und zersplitterte in zumindest drei Teile. Der Kläger ging "in Deckung", womit gemeint ist, daß er sich mit dem Kopf in seiner bisherigen Gehrichtung voran seitlich zu Boden fallen ließ und die Bauchpartie gegen den Felsen preßte. Trotz dieser Maßnahme wurde er jedoch von einem Teil des zersplitterten Steines am rechten Mittelfuß getroffen, wodurch dieser schwerste Bruchverletzungen und Quetschungen erlitt, sodaß er ihm in der Folge amputiert werden mußte.
Die Steinerne Rinne ist beträchtlich steinschlaggefährdet. Ein Steinschlag kann durch Menschen oder Tiere, aber auch ohne Fremdeinwirkung ausgelöst werden.
Ein verantwortungsvoller Bergführer wird die Teilnehmer an einer Bergwanderung durch die Steinerne Rinne auf die in Fachkreisen bekannte Steinschlaggefahr hinweisen und Verhaltensregeln bei Steinschlag geben. Zu diesen Grundregeln gehört, daß der Bergsteiger dem herabkommenden Stein entgegensieht, um sodann zu versuchen, ihm auszuweichen. Erfolgversprechend kann diese Maßnahme nur bei Einzelsteinschlag sein. In der Ausbildungspraxis zeigt sich aber, daß die solcherart Ausgebildeten die Maßregeln nicht einzuhalten pflegen, vielmehr als übliche Spontanreaktion sich an die Felswand anlehnen. Daß sich ein Bergsteiger wie der Kläger bei Steinschlag zu Boden wirft, ist hingegen eine Ausnahmereaktion. In der Umgebung des Standortes des Klägers bestand an und für sich wenig Deckungsmöglichkeit, sodaß seine Reaktion noch als naheliegend angesehen werden muß. Da der Stein knapp oberhalb des Standortes des Klägers überdies zerbarst, kann nicht einmal gesagt werden, daß selbst ein geübter Bergsteiger bei Einhaltung des oben dargestellten sachgerechten Verhaltens dem Unfall entgangen wäre.
Keine Rolle spielte die Größe der Gruppe in diesem Zusammenhang:
Die Gefährdung durch Steinschlag hängt vom Standort des Bergsteigers im Moment des Steinschlages ab, der von der Größe der Gruppe grundsätzlich unabhängig ist. Unter dem Gesichtspunkt der bestehenden Steinschlaggefahr war der Antritt der Wanderung auch keineswegs unzulässig. Der im Unfallszeitpunkt herrschende Nieselregen erhöhte zwar die Rutschgefahr, nicht jedoch die Steinschlaggefahr. In der Praxis ist es vielmehr sogar so, daß die Steinerne Rinne vielfach als Schlechtwetterprogramm für Bergtouren dient, wenn die Witterung andere Bergtouren nicht zuläßt. In Tirol herrscht seit mehreren Jahren die Praxis, daß neben den anerkannten Bergführern auch sogenannte Wanderführer tätig sind, wobei keine genauen Abgrenzungskriterien zwischen den beiden Arten von Führern existieren. Derzeit bestehen zwar sektionsweise Absprachen; im Jahre 1979 gab es solche noch nicht. Überdies werden vom Österreichischen Alpenverein sogenannte Tourenführer ausgebildet. Diese werden jedoch nur vereinsintern verwendet. Dabei ist der Schwierigkeitsgrad der Tour nach oben hin nicht begrenzt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:
Zwischen den Streitteilen habe keine direkte vertragliche Beziehung bestanden. Eine Haftung aus Vertragsverletzung treffe den Beklagten somit keinesfalls, weil ein solcher haftungsbegründender Vertrag nicht vorliege. Als Gehilfe des Schuldners im Sinne des § 1313 a ABGB hafte er dem Kläger jedoch, wenn sein Verhalten gegenüber dem Partner des Geschäftsherrn als Delikt zu werten sei. Werde zunächst unterstellt, daß es sich bei dem Beklagten vom Kläger vorgeworfenen Handlungen und Unterlassungen um rechtswidrige und schuldhafte Sorgfaltsverletzungen handle, so wäre damit allein seine Verpflichtung zum Ersatz der Schäden des Klägers noch nicht begründet. Weitere Voraussetzung wäre nämlich auch der vom Kläger zu erbringende Nachweis der Kausalität oder zumindest eines sehr hohen Grades der Wahrscheinlichkeit der Kausalität des Verhaltens des Beklagten für den Schaden. Selbst unter der Annahme, daß den Beklagten eine auf § 1299 ABGB zu gründende qualifizierte Sorgfaltspflicht getroffen hätte, würde dies nicht zu einer Umkehr der Beweislastverteilung führen. Den getroffenen Feststellungen zufolge ist der nach dem Gesagten erforderliche Kausalitätsbeweis dem Kläger nicht gelungen. Soweit er dem Beklagten die bloße Unterlassung der Mitteilung der Steinschlaggefährdung der Aufstiegsroute zum Vorwurf mache, sei darauf zu verweisen, daß er selbst nicht einmal die Behauptung aufstellt, daß er bei Kenntnis dieser Gefahr vom Antritt der Wanderung oder von der Fortsetzung des Aufstieges Abstand genommen hätte. Aus seiner Parteienaussage kann in dieser Richtung nichts entnommen werden. Es sei daher davon auszugehen, daß der Kläger auch bei Kenntnis dieser Gefahrenlage die Wanderung unternommen und den Unfall erlitten hätte. Anderes gelte für den Vorwurf der Unterlassung einer zweckentsprechenden Belehrung über die Setzung zielführender Abwehrmaßnahmen bei Auftritt eines solchen Geschehens. Diesbezüglich wurde jedoch festgestellt, daß wegen der Besonderheit des konkreten Steinschlages - Fall in Zickzacklinie und Zerbersten unmittelbar vor dem Standort des Klägers - die bei Einzelsteinschlag erfolgversprechende Abwehrmethode nicht durchführbar gewesen wäre, weshalb selbst eine entsprechende Belehrung durch den Beklagten nicht zur Vermeidung des Schadensereignisses geführt hätte. Dies sei umso mehr auch deshalb anzunehmen, weil derartige Belehrungen den Bergunerfahrenen in aller Regel nicht daran zu hindern vermögen, eine spontane, als natürlich zu wertende Reaktion wie die des Klägers zu setzen. Ein weiterer Vorwurf des Klägers bestehe darin, daß der Beklagte eine viel zu große Gruppe geführt habe. Den auf den Ausführungen des Sachverständigen basierenden Feststellungen zufolge hat aber die unvertretbar hohe Kopfzahl der geführten Gruppe nicht zu einer Vergrößerung der Gefährdung des einzelnen durch Steinschlag geführt, weil diese ausschließlich vom Standort des Betroffenen, nicht aber von der Anzahl der Mitglieder der Gruppe abhängig ist. Der Kläger erhebe letzlich den Vorwurf, daß der Beklagte zwecks Gewährleistung der Sicherheit der geführten Personen die Tour bei Einsetzen des Regens hätte abbrechen müssen, weil durch diesen die Steinschlaggefahr erhöht worden sei. Diesbezüglich wurde jedoch festgestellt, daß leichter Nieselregen keine Erhöhung der Steinschlaggefahr mit sich bringt, weshalb auch mit der Fortsetzung der Tour trotz leichten Regens keine das Schadensereignis auslösende oder fördernde Bedingung verbunden war. Selbst bei Bejahung der unmittelbaren oder sinngemäßen Anwendung der in der Tiroler Berg- und Schiführerordnung vom 4. Juli 1977, LGBl. 44, enthaltenen Schutzvorschriften auf den Beklagten müßte dessen Schadenersatzpflicht mangels Kausalität der Verstöße gegen die Bestimmungen der §§ 11 Abs 3 und 4 und 12 Abs 1 und 5 für das Schadensereignis verneint werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Es übernahm die für die Entscheidung als erforderlich und ausreichend erachteten erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge des Klägers aus:
Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß dem bergunerfahrenen Beklagten an sich eine Reihe von vorwerfbaren Handlungen und Unterlassungen anzulasten sei (Nichthinweis auf die Steinschlaggefahr, Nichtunterweisung in zweckentsprechenden Abwehrmaßnahmen, zu große Teilnehmerzahl, aber auch Abstimmenlassen über die Fortsetzung der Tour bei Wetterverschlechterung), habe aber deren Kausalität für den vorliegenden Unfall verneint. Zutreffend habe bereits das Erstgericht ausgeführt, daß zwischen dem Kläger und dem Beklagten keine direkte vertragliche Beziehung bestanden habe; auch durch die "Übernahme der Gruppe in Innsbruck" im Auftrag des Büros für Studentenreisen (bzw. der ehemals zweitbeklagten Partei, des Vereins "Akademisch-soziale Arbeitsgemeinschaft Österreich") sei zwischen den Streitteilen keine direkte Vertragsbeziehung begründet worden. Der Beklagte sei immer nur Erfüllungsgehilfe seines Auftraggebers gewesen (§ 1313 a ABGB). Er hafte aber, wie auch bereits das Erstgericht richtig erkannt habe, dem Kläger unmittelbar, wenn sein Verhalten - unabhängig von einer Vertragsbeziehung - als Delikt zu werten sei, wenn also sein Verhalten unabhängig von den Pflichten aus dem Schuldverhältnis rechtswidrig sei etwa wegen Verletzung eines absoluten Rechtes des Geschädigten, wozu auch dessen körperliche Integrität gehöre. Voraussetzung eines Schadenersatzanspruches sei neben der Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit eines Verhaltens auch dessen Kausalität im Sinne der herrschenden Adäquanztheorie. Diese Kausalität sei im vorliegenden Fall zu verneinen:
Aufgrund der als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes steht fest, daß im konkreten Fall weder das eingetretene Schlechtwetter (Regen) noch die zu große Gruppe die durch Steinschlag bedingten Gefahren gesteigert hat, daß es sich vielmehr bei dem Weg, auf dem sich der Unfall ereignete, um einen gerade bei Schlechtwetter begangenen handelt, daß an dieser Stelle selbst ein erfahrener Bergsteiger den Unfall durch den herabfallenden und zersplitternden Stein möglicherweise nicht hätte vermeiden können sowie daß auch bei Belehrung mit einem nicht den erlernten Regeln entsprechenden Verhalten der Teilnehmer gerechnet werden muß.
Es könne daher dahingestellt bleiben, ob auch dem Beklagten persönlich - und nicht nur allenfalls seinem
Geschäftsherrn - rechtswidrige und schuldhafte Sorgfaltsverletzungen gegenüber dem Kläger anzulasten seien, weil er sich - ohne die entsprechenden Fähigkeiten und die Ausbildung zu besitzen und entgegen den bestehenden Schutzvorschriften (Tiroler Berg- und Schiführerordnung) - eine Tätigkeit angemaßt habe, die nur geprüften Bergführern vorbehalten sei, und damit den Anschein erweckt habe, ein erfahrener und verläßlicher Bergführer im Sinne des § 1299 ABGB zu sein, dem sich der Kläger und seine Gruppe unbesorgt anvertrauen durften, und ob diese damit rechnen konnten, daß der Beklagte gefährliche Touren vermeiden oder abbrechen, auf die mit einer Bergtour im allgemeinen oder mit der geplanten im besonderen verbundenen unvermeidlichen Gefahren und Risken hinweisen und die notwendigen Unterweisungen zur Vermeidung solcher Gefahren geben werde.
Soweit der Kläger dem Beklagten die bloße Unterlassung der Mitteilung der Steinschlaggefährdung der Aufstiegsroute zum Vorwurf mache, sei darauf zu verweisen, daß nicht einmal der Kläger selbst die Behauptung aufgestellt hat - und auch seiner Parteienaussage nichts derartiges entnommen werden kann -, daß er bei Kenntnis dieser Gefahr vom Antritt der Wanderung oder von der Fortsetzung des Aufstieges Abstand genommen hätte. Nur in diesem Fall hätte der Prüfung der Frage nähergetreten werden können, ob die unterlassene Aufklärung über die Steinschlaggefahr auf diesem Weg für den Unfall zumindest mitkausal war, weil der Kläger in diesem Fall die Bergtour gar nicht unternommen hätte. Nach den insofern unbekämpften Feststellungen sei aber davon auszugehen, daß der Kläger auch bei Kenntnis dieser Gefahrenlage die Wanderung unternommen und sich damit der Steinschlaggefahr ausgesetzt hätte.
Das Auftreten von Steinschlag im alpinen Bereich gehöre zu den unausschaltbaren Risken, mit denen jeder Bergsteiger rechnen müsse. Dieser Zufall (§ 1311 ABGB) treffe grundsätzlich den Verletzten, wenn nicht der Zufall durch ein Verschulden eines anderen veranlaßt wurde, wozu auch Schutzgesetzverletzungen zählen, die für den Unfall kausal sind. Wenn - wie hier - die Kausalität zwischen (allfälligen) Verletzungen von Schutzvorschriften und dem eingetretenen Schaden fehle, könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte im vorliegenden Fall überhaupt unmittelbar oder mittelbar anzuwendende Schutzvorschriften in Form der Tiroler Berg- und Schiführerordnung verletzt habe. Gleiches gelte für die Frage, ob den Verletzten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Übertretung der Schutznorm und dem eingetretenen Schaden treffe oder ob der gegen eine Schutznorm Verstoßende den Entlastungsbeweis erbringen müsse (so der Oberste Gerichtshof, der in neuerer Zeit in Verbindung mit einer Schutzpflichtverletzung zumindest einen prima-facie-Beweis für deren Kausalität erbracht sehe, den der Übertreter entkräften müsse). Da der streitgegenständliche Unfall auf einem unglücklichen Zufall beruhe, für den die mangelnden Fähigkeiten des Beklagten zu Bergführungen und ihm allenfalls anzulastende Sorgfaltsverletzungen nicht kausal waren, müsse es bei der Abweisung der Klage bleiben. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil entweder aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen oder im Sinne der Klage abzuändern.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit der Kläger unter dem Gesichtspunkt des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO das Unterbleiben von Feststellungen rügt, die seiner Ansicht nach zur rechtlichen Beurteilung der Streitsache erforderlich gewesen wären, macht er nicht den angerufenen Revisionsgrund, sondern dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Feststellungsmängel geltend.
Wenn der Kläger die Auffassung des Berufungsgerichtes, es könne dahingestellt bleiben, ob auch dem Beklagten persönlich und nicht nur allenfalls seinem Geschäftsherrn rechtswidrige und schuldhafte Sorgfaltsverletzungen gegenüber dem Kläger anzulasten seien, als aktenwidrig bekämpft, führt er nicht den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO aus, sondern macht er in Wahrheit abermals den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend. Im übrigen ging das Berufungsgericht ohnehin davon aus, das Erstgericht habe richtig erkannt, daß dem bergunerfahrenen Beklagten an sich eine Reihe von vorwerfbaren Handlungen und Unterlassungen anzulasten sei.
Mit seinen ausdrücklich dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gewidmeten Ausführungen wendet sich der Kläger zunächst gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Beklagte zu ihm nicht in vertraglichen Beziehungen gestanden sei; spätestens mit der Übernahme der Gruppe zu der 14tägigen Tour sei der Beklagte vielmehr zur Gruppe und sohin auch zu ihm in vertragliche Beziehungen getreten; zumindest treffe den Beklagten als tatsächlichen Führer die Garantenhaftung. Der Beklagte hafte ihm auch gemäß § 1299 ABGB. Aufgrund der gegebenen vertraglichen Haftung wäre es Sache des Beklagten gewesen, seine völlige Schuldlosigkeit zu beweisen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei aber auch der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Beklagten (insbesondere der Verletzung der Aufklärungs- und Belehrungspflicht) erbracht worden; für die Haftung genüge ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges insbesondere dann, wenn das schädigende Verhalten in Unterlassungen bestehe (MGA ABGB32 § 1295/46); eine Unterlassung sei für den Schadenseintritt dann kausal, wenn die pflichtgemäße Handlung den Eintritt des Schadens weniger wahrscheinlich gemacht hätte als deren Unterlassung (MGA ABGB32 § 1295/50); der Ausspruch des Berufungsgerichtes, er hätte auch bei Kenntnis der Gefahrenlage durch Steinschlag die prozeßgegenständliche Wanderung unternommen, sei durch nichts gedeckt. Schließlich hafte der Beklagte wegen seiner mehrfachen Verstöße gegen die als Schutzgesetz zu beurteilende Tiroler Berg- und Schiführerordnung (Ausübung einer Tätigkeit, für die er nicht qualifiziert gewesen sei; Verstoß gegen § 11 Abs 3, wonach der Berg- und Schiführer Personen bei Bergfahrten so zu führen oder zu begleiten hat, daß die Sicherheit dieser Personen gewährleistet ist; Verstoß gegen § 12 Abs 1, wonach der Berg- und Schiführer die Höchstzahl der zu führenden Personen unter Bedachtnahme auf die Dauer, die Schwierigkeit und die Eigenart der geplanten Bergfahrt, die jahreszeitlichen und wettermäßigen Bedingungen sowie die Leistungsfähigkeit der zu Führenden so festzusetzen hat, daß ihre Sicherheit gewährleistet ist); im Sinne der ständigen Rechtsprechung genüge die Übertretung einer Schutznorm, eines strengen Beweises des Kausalzusammenhanges bedürfe es dabei nicht (MGA ABGB32 § 1311/37); der klagende Beschädigte brauche bloß die Übertretung einer Schutznorm durch den Beklagten zu beweisen, diesem obliege der Beweis, daß der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre (MGA ABGB32 § 1311/39). Es liege klar auf der Hand, daß in einem steinschlaggefährdeten Gelände bei Auftreten von Steinschlag das Mitglied einer Gruppe von 13 Leuten viel eher Gefahr laufe, vom Steinschlag getroffen zu werden, als das Mitglied einer Gruppe von nur 6 Leuten; die Deckungsmöglichkeiten seien meist beschränkt und auch im gegenständlichen Fall beschränkt gewesen; die große Teilnehmerzahl habe den Schadenseintritt geradezu impliziert, zumindest aber wahrscheinlicher gemacht.
Zu diesen Ausführungen ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die Frage, ob das dem Beklagten vom Kläger angelastete Verhalten als Vertragsverletzung, als Verletzung der Garantenpflicht (vgl. dazu den Vortragsbericht von Fliri in ÖJZ 1980, 461 ff) oder als Delikt zu qualifizieren sei, kann ebenso auf sich beruhen wie die Frage, ob auf den gegenständlichen Fall § 1299 ABGB und/oder die als Schutzgesetz anzusehenden Vorschriften der Tiroler Berg- und Schiführerordnung Anwendung zu finden haben. Die Beweislastumkehrung des § 1298 ABGB betrifft nur den Verschuldensbereich (SZ 58/127; WBl 1987, 239; JBl 1988, 244 uva); der einen besonderen (objektiven) Sorgfaltsmaßstab normierende § 1299 ABGB ordnet eine Beweislastumkehrung bezüglich des Kausalzusammenhanges zwischen einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten und dem eingetretenen Schaden gleichfalls nicht an (MietSlg 24.194 ua, zuletzt etwa 5 Ob 533/88). Es ist aber für den Kläger auch mit dem Hinweis auf die von den Vorinstanzen ohnehin beachtete Rechtsprechung nichts zu gewinnen, die dem Geschädigten im Falle der behaupteten Schädigung durch eine rechtswidrige und schuldhafte Unterlassung den Beweis der Kausalität dadurch erleichtert, daß sie den Beweis eines sehr hohen Grades von Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges genügen läßt, und im Falle der behaupteten Schädigung durch die Verletzung eines Schutzgesetzes dem Übertreter der Schutznorm den Beweis aufbürdet, daß der Schaden auch ohne diese Übertretung (auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten) eingetreten wäre (siehe außer den bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen EvBl 1977/246 und SZ 57/134 = JBl 1985, 355 aus letzter Zeit etwa noch ZVR 1987/3). Im gegenständlichen Fall haben nämlich die Vorinstanzen auf der Tatsachenebene für das Revisionsverfahren bindend festgestellt, daß das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene, allenfalls rechtswidrige und schuldhafte Verhalten (selbst bei Zugrundelegung der Anwendbarkeit aller vom Kläger ins Treffen geführten, aber die Kausalität dieses Verhaltens voraussetzenden Haftungsnormen) für den Schadenseintritt nicht kausal gewesen ist. Was der Kläger dagegen in der Revision vorbringt, vermag im Rahmen der Rechtsrüge wahrnehmbare Verstöße gegen die Lebenserfahrung oder die Denkgesetze nicht aufzuzeigen. Damit erweisen sich auch die zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und zur behaupteten Aktenwidrigkeit erstatteten, der Rechtsrüge zuzuordnenden Ausführungen des Klägers als nicht berechtigt.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E15980European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00627.88.1129.000Dokumentnummer
JJT_19881129_OGH0002_0050OB00627_8800000_000