TE OGH 1988/11/29 4Ob591/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Christine B***, geboren am 25. Dezember 1949 in Ybbs a.d. Donau, Schneiderin, Wien 10., Fingergasse 2/61/7, vertreten durch Dr. Rudolf Stöhr und Dr. Johann Stöhr, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Gerhard B***, geboren am 12. März 1943 in Villach, Staplerfahrer, Bodensdorf, Mühlweg 1, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 44 R 5009/88-27, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 15. Februar 1988, GZ 1 C 1029/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 4.10.1980 vor dem Standesamt Steindorf die für die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden: Klägerin) zweite, für den Beklagten und Widerkläger (im folgenden: Beklagten) erste Ehe geschlossen. Ihr entstammt die am 30.1.1982 geborene Tochter Barbara. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger; ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Wien. Die Klägerin begehrte mit der am 16.4.1987 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Der Beklagte vernachlässige seit Jahren seine Unterhaltspflichten und leiste auch nicht die erforderlichen Beiträge zu den Kosten der Wirtschaftsführung des ehelichen Haushalts. Die schon früher vorgekommenen Beschimpfungen durch den Beklagten hätten nunmehr ein unerträgliches Ausmaß angenommen. Der Beklagte sei gegen die Klägerin auch schon handgreiflich geworden. Seit vielen Monaten komme es zu keinem Intimverkehr mehr.

Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen; für den Fall der Scheidung stellte er den Antrag, das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen. Nicht er, sondern die Klägerin habe Eheverfehlungen durch Beschimpfungen begangen; sie unterhalte seit mindestens August 1987 ehewidrige Beziehungen zu Rudolf S*** (ON 11, S 35). Mit der vom Beklagten schließlich am 1.12.1987 eingebrachten Widerklage begehrte er die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin und machte geltend, daß sich diese zu ihm schon seit längerer Zeit lieb- und interesselos verhalte; die Klägerin habe ihn ordinär beschimpft und sei gegen ihn auch schon tätlich geworden. Sie habe zumindest zu einem anderen Mann ehewidrige Beziehungen aufgenommen.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Vor ihrer Eheschließung hatten sich die Streitteile bereits 10 Monate lang gekannt. Die Ehe war bis zur Geburt der Tochter gut, danach wurde der Beklagte eifersüchtig, weil die Tochter bessere Beziehungen zur Mutter als zu ihm hatte. Im Jahre 1982 kauften die Streitteile eine Liegenschaft in Kärnten; wegen der Kosten der Bauarbeiten mußte die Klägerin arbeiten gehen. Sie nahm 20 Monate hindurch die Tochter an ihre Arbeitsstelle mit. Im Jahre 1984 gab sie dann das Kind in den Kindergarten, worauf sie der Beklagte als "Rabenmutter" beschimpfte. Nachdem der Beklagte im Jahr 1985 einen Herzinfarkt erlitten hatte, an dem er der Klägerin die Schuld gab, nahmen die Schwierigkeiten in der Ehe zu; die Beschimpfungen der Klägerin durch den Beklagten wurden immer ärger. So beschimpfte er sie in der Öffentlichkeit mit den Worten: "Geh, halt die Goschen, sonst gib ich dir eine". Als die Klägerin am Weihnachtsabend 1986 fotografieren wollte und den Beklagten bat, zur Seite zu gehen, sagte dieser, sie solle "die Goschen halten", sonst "fliege sie beim geschlossenen Fenster hinunter". Als die Klägerin damals der Anna D*** ein für die Schwester des Beklagten bestimmtes Geschenk zeigte und ihr dies leise erklärte, kam der Beklagte dazu und schrie: "Ich schmier dir eine, daß du gleich durchs Fenster fällst, weil immer hinter mir getuschelt wird". Im Jänner 1987 kam es anläßlich eines Spazierganges der Streitteile mit ihrer Tochter zu einer Auseinandersetzung wegen des Kindes, worauf der Beklagte vor allen Leuten sagte, die Klägerin solle "die Goschen halten"; er schleuderte dann die Rodel gegen die Klägerin und Anna D***. Im Juni 1987 weckte der Beklagte die Klägerin nach einem Praterbesuch um 1/2 2 Uhr (früh) auf und sagte: "Du Praterhure, wärme mir das Essen".

Im Sommer 1987 schlug der Beklagte die Klägerin, so daß sie ein blau gefärbtes Gesicht hatte. Im Oktober 1987 gab er ihr vor dem Essen eine Ohrfeige. Schon im Oktober 1986 hatte der Beklagte die Klägerin vor dem damals vierjährigen Sohn Maria L*** ins Gesicht geschlagen, worauf sie blutete.

Der Beklagte war des öfteren betrunken.

Beschimpfungen und Tätlichkeiten der Klägerin gegenüber dem Beklagten sind nicht erwiesen.

Der Beklagte wohnt seit Sommer 1987 nicht mehr bei der Klägerin. Schon seit Oktober 1986 gibt es zwischen den Streitteilen keine geschlechtlichen Beziehungen mehr; die Klägerin lehnte dies wegen der Ehestreitigkeiten ab.

Der Beklagte hatte der Klägerin nie Wirtschaftsgeld gegeben. Die Klägerin hat ein solches von ihm aber auch nie verlangt; sie kam selbst für die (Kosten der) Haushaltsführung auf.

Die Eheleute S*** waren Wohnungsnachbarn der Streitteile. Die im Jänner 1984 verstorbene Frau S*** war mit der Klägerin gut befreundet. Von Besuchen bei ihr kehrte Frau S*** des öfteren mit den Worten zurück: "Ich mußte gehen, sonst hätte ich ihm (gemeint: dem Beklagten) eine in die Goschen hauen müssen". Frau S*** bat auf ihrem Sterbebett das anwesende Ehepaar B***, auf ihren Gatten und ihre Kinder zu schauen. Der Beklagte versprach dies. Nach dem Tod Frau S*** wusch dann die Klägerin auch die Wäsche des Nachbarn und bügelte für ihn. Rudolf S*** lernte in der Folge, dies selbst zu tun. Seine Kinder kamen oft zur Familie B*** auf Besuch. Auch zur Tochter Barbara hatte Rudolf S*** ein gutes Verhältnis. Als Rudolf S*** einmal bemerkte, daß der Beklagte seinen Kindern ein stark nach Rum riechendes Getränk geben wollte, distanzierte er sich von der Familie B***. Er nahm den Kontakt zur Klägerin und zur Tochter Barbara erst wieder auf, als der Beklagte den ehelichen Haushalt verlassen hatte. Rudolf S*** und die Klägerin verbrachten nie einen gemeinsamen Urlaub; er hatte nur die Tochter Barbara im Urlaub mit. Noch zu Lebzeiten seiner Frau wurde Rudolf S*** mit beiden Streitteilen per Du. Er ging öfter mit seinen Söhnen und der Klägerin sowie deren Tochter zum Fischen an die Donau; während er selbst fischte, badeten die anderen. Weihnachten und Silvester 1987 feierte er mit seinen Söhnen allein. Rudolf S*** hat mit der Klägerin nie Zärtlichkeiten ausgetauscht, er wurde mit ihr nie intim.

Im Sommer 1987 frühstückten Rudolf S*** und einer seiner Söhne sowie Anna D*** und ihr Sohn gemeinsam mit und bei der Klägerin und deren Tochter, weil sie alle anschließend zum Flughafen fahren wollten. Dabei war die Klägerin mit einem Leibchen und einer Badehose bekleidet. Der Beklagte kam dazu und verlangte, daß ihm die Klägerin die Tochter mitgebe; die Klägerin lehnte dies ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß nur der Beklagte durch seine argen Beschimpfungen und Mißhandlungen schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen und dadurch eine unheilbare Zerrüttung der Ehe herbeigeführt habe. Die vom Beklagten der Klägerin vorgeworfenen Eheverfehlungen seien hingegen nicht erwiesen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und billigte auch dessen Rechtsansicht. Die Klägerin habe nur eine Freundschaft zu Rudolf S*** im Rahmen nachbarlicher Beziehungen, nicht aber ehewidrige Beziehungen zu ihm, zugestanden. Im übrigen sei die Berufung des Beklagten nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie von den festgestellten Tatsachengrundlagen abweiche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO zeigt der Beklagte keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf, sondern wiederholt lediglich den von ihm schon in der Berufung erhobenen Vorwurf eines angeblichen Verfahrensmangels erster Instanz, dessen Vorliegen aber das Berufungsgericht ausdrücklich verneint hat. Auch im Ehescheidungsverfahren können jedoch nunmehr vom Berufungsgericht nicht als solche erkannte Verfahrensmängel erster Instanz nicht mehr in der Revision geltend gemacht werden, weil nach § 460 Z 4 ZPO in der Fassung des Bundesgesetzes vom 11.November 1983 BGBl. Nr. 566 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts nur noch im Verfahren über die Nichtigkeit oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe die Offizialmaxime gilt (EFSlg 49.388, 52.235; 6 Ob 616/87; 7 Ob 570/88; 8 Ob 564/88 uva). Soweit der Revisionswerber in seiner Rechtsrüge - abweichend von den getroffenen Tatsachenfeststellungen - davon ausgeht, daß die Klägerin im Sommer 1987 mit Rudolf S*** (allein) gefrühstückt hat und dabei nur mit einem durchsichtigen Leibchen und einer Badehose bekleidet war, führt er das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig aus. Im übrigen rügt der Beklagte das Vorliegen angeblicher Feststellungsmängel. Der von ihm erhobene Vorwurf, es fehle eine - auf Grund seines Sachvorbringens aber

erforderliche - negative Feststellung bezüglich der von ihm behaupteten "öffentlichen" (vorgebracht: "ordinären") Beschimpfungen und Bloßstellungen seiner Person durch die Klägerin, ist jedoch aktenwidrig; vielmehr liegt die ausdrückliche Feststellung vor, daß "jeglicher Beweis für die vom Beklagten behaupteten Beschimpfungen und Tätlichkeiten seitens der Klägerin fehlt" (Urteil des Erstgerichtes S 6 Abs 2 Satz 1). Als ebenso aktenwidrig erweist sich die Behauptung des Revisionswerbers, es liege ein prozessuales Zugeständnis der Klägerin hinsichtlich der von ihm behaupteten Eheverfehlung und Mitschuld wegen ihrer Beziehung zu Rudolf S*** vor, ebenso die Behauptung, er habe im Rahmen seines erstinstanzlichen Sachvorbringens konkret auch den Vorwurf erhoben, daß sich die Streitgespräche zwischen den Streitteilen oft um die häufige Anwesenheit Rudolf S*** gedreht hätten und die Klägerin erklärt habe, sie werde den Beklagten in ein Heim geben, weil sie für einen Krüppel wie ihn nicht sorgen wolle. Soweit der Beklagte mit dem letztgenannten Vorbringen nicht überhaupt nur den Versuch einer in dritter Instanz unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung unternimmt, weil ihm die Vorinstanzen die Glaubwürdigkeit versagt haben, verwechselt er hier jedenfalls das prozessuale Parteivorbringen mit der lediglich Beweiszwecken dienenden Parteiaussage; letztere kann nämlich das Prozeßvorbringen nicht ersetzen (EFSlg 52.238 mwN). Ein prozessuales Zugeständnis der Klägerin über ihre Mitschuld wegen einer durch die Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu Rudolf S*** begangenen Eheverfehlung liegt aber ebensowenig vor wie ein konkretes Prozeßvorbringen des Beklagten im Sinne seiner nunmehrigen Revisionsausführungen. Die Rechtsrüge des Beklagten erweist sich daher insgesamt als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weshalb der Revision schon aus diesem Grunde ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15975

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00591.88.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19881129_OGH0002_0040OB00591_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten