TE OGH 1988/11/29 5Ob98/88

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Veröffentlicht am 29.11.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Milica M***, Arbeiterin,

Mariannengasse 25 a/2/12, 1090 Wien, vertreten durch Dr.Martin Gruber, Verein Mieter informieren Mieter, Löhrgasse 13/20, 1150 Wien, wider die Antragsgegner 1.) Susanne H***, Pensionistin, Obere Donaustraße 101, 1020 Wien, vertreten durch Dr.Ladislav Margula, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Herzl V***, Pensionist, Obere Donaustraße 101, 1020 Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1, 8, 9 und 12 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28.Juli 1988, GZ 41 R 294/88-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.Dezember 1987, GZ 42 Msch 48/87-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit dem am 25.März 1987 beim Magistratischen Bezirksamt für den

9. Bezirk, Schlichtungsstelle, erhobenen und gegen Susanne H*** als Hauseigentümerin und Herzl V*** als (Unter-)Vermieter gerichteten Antrag begehrte Milica M*** ihre Anerkennung als Hauptmieterin der Wohnung Nr. 12 der zweiten Stiege in dem der Erstantragsgegnerin gehörigen Haus Wien 9., Mariannengasse 25 a und die Überprüfung der Zulässigkeit des von ihr mit dem Zweitantragsgegner als Untervermieter vereinbarten bzw. von ihr begehrten Hauptmietzinses. Sie sei auf Grund der mit dem Zweitantragsgegner am 16.März 1984 und am 22.April 1985 abgeschlossenen Mietverträge seit 1.April 1984 Mieterin dieser Wohnung. Die Erstantragsgegnerin, die mit dem Zweitantragsgegner in Ungarn verheiratet sei, sei bei der Unterzeichnung des Mietvertrages anwesend gewesen und habe gemeinsam mit Herzl V*** die einzelnen Vertragspunkte diktiert. Der Zweitantragsgegner scheine auch als Hauptmieter einiger anderer Wohnungen im Haus auf. Es bestehe daher der begründete Verdacht, daß die Hauptmietverträge zwischen der Liegenschaftseigentümerin und dem Hauptmieter, falls solche überhaupt existierten, lediglich zur Umgehung der ihr zustehenden Rechte als Hauptmieterin abgeschlossen worden seien.

Mit Entscheidung vom 15.April 1987 stellte das Magistratische Bezirksamt für den 9. Bezirk, Schlichtungsstelle, gemäß § 2 Abs 3 MRG fest, daß die Antragstellerin als Hauptmieter der genannten Wohnung anzuerkennen sei.

Susanne H*** und Herzl V*** gaben sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und riefen rechtzeitig das Gericht an (§ 40 Abs 1 MRG).

Die Antragsgegner sprachen sich gegen die Anträge aus. Das Erstgericht wies den Antrag auf Anerkennung der Antragstellerin als Hauptmieterin der von ihr gemieteten Wohnung ab und den Antrag auf Prüfung der Zulässigkeit des vereinbarten bzw. begehrten Hauptmietzinses zurück. Bei dieser Entscheidung ging das Erstgericht von der Feststellung aus, daß der Zweitantragsgegner auf Grund des auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Mietvertrages vom 18.November 1979 Hauptmieter der Wohnung top. Nr. 12 in dem der Erstantragsgegnerin gehörigen Haus Wien 9., Mariannengasse 25 a ist und zwischen den Antragsgegnern der Abschluß eines Mietverhältnisses gewollt war.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Recht des Mieters, als Hauptmieter anerkannt zu werden, nach § 2 Abs 3 MRG dann gegeben sei, wenn der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden sei. § 43 Abs 1 MRG gelte zwar auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Im Zweifel sei aber eine Rückwirkung auf Sachverhalte, die sich abschließend vor dem Inkrafttreten des MRG verwirklicht hätten, nicht anzunehmen. Soweit nach dem früheren Recht ein Anspruch nach § 916 ABGB habe durchgesetzt werden können, werde für die Geltendmachung nun das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG zur Verfügung stehen. Die Antragstellerin habe nicht vorgebracht, daß es sich bei dem gegenständlichen Vertrag um ein Scheingeschäft handeln könne; auf Grund des Beweisverfahrens hätten sich auch diesbezüglich keine Hinweise ergeben. Ein Scheingeschäft sei auch nicht anzunehmen, weil die Antragsgegner jedenfalls ein Hauptmietverhältnis hätten begründen wollen. Umgehungsgeschäfte könne § 2 Abs 3 MRG aber nur dann erfassen, wenn sie nach dem 31.Dezember 1982 stattgefunden hätten. Der gegenständliche Hauptmietvertrag sei bereits im Jahr 1979 abgeschlossen worden. Der gegenständliche Antrag könne daher zu keiner Anerkennung der Antragstellerin als Hauptmieter führen. Käme der Antragstellerin aber die Position eines Hauptmieters nicht zu, sei sie auch zur Überprüfung des Hauptmietzinses nicht antragslegitimiert.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, erklärte jedoch den weiteren Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen der im Rekurs geltend gemachten Verfahrensmängel und erachtete den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als zur rechtlichen Beurteilung der Rechtssache ausreichend. Nach § 2 Abs 3 MRG stehe einem Mieter das Recht zu, als Hauptmieter anerkannt zu werden, wenn der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden sei. Daß der Hauptmietvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sei, also die den Hauptmietvertrag Schließenden im gegenseitigen Einverständnis hätten überhaupt nicht rechtsgeschäftig tätig werden oder in Wahrheit ein anderes Rechtsgeschäft schließen wollten, sei nicht erforderlich (5 Ob 140/86 = JBl 1987, 321). Nach § 43 Abs 1 MRG gelte das 1. Hauptstück des MRG auch für Mietverträge, die vor Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Im Zweifel sei aber eine Rückwirkung auf Sachverhalte, die sich abschließend vor dem Inkrafttreten des MRG verwirklicht hätten, nicht anzunehmen. Soweit nach dem früheren Recht ein Anspruch nach § 916 ABGB (Scheingeschäft) habe durchgesetzt werden können, stehe für die Geltendmachung dieses Anspruches nun allerdings das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG zur Verfügung. Im übrigen enthielte aber § 2 Abs 3 MRG neues Recht und könne daher nur Umgehungsgeschäfte erfassen, die nach dem 31.Dezember 1981 stattgefunden hätten. Dieser vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 5 Ob 44/87, 5 Ob 80,81/87, zum Ausdruck gebrachten Ansicht vermöge sich die Rekurswerberin zwar nicht anzuschließen, sie unterließe jedoch eine nähere Begründung hiefür. Liege ein vor 1982 nicht zum Scheine abgeschlossener Hauptmietvertrag vor, dann sei der Abschlußzeitpunkt des Untermietvertrages - dieser sei im konkreten Fall im April 1984 geschlossen worden - unerheblich, weil von einem Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB nicht gesprochen werden könne. In einem solchen Fall könne der Antragsteller im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG nicht erfolgreich durchdringen. Sei der Hauptmietvertrag hingegen als Umgehungsgeschäft zu beurteilen, würden solche Geschäfte von § 2 Abs 3 MRG nur erfaßt, wenn der Abschlußzeitpunkt im Geltungsbereich des MRG liege, sodaß der auf § 2 Abs 3 MRG sich berufende Mieter nur dann erfolgreich sein könne, wenn der Hauptmietvertrag, also das Umgehungsgeschäft, nach dem 1.Jänner 1982 zustande gekommen sei. Für den vorliegenden Fall schließe der Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrages ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 2 Abs 3 MRG aus, ein Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB sei im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit des Abschlußwillens nicht in Betracht zu ziehen. Deshalb habe das Erstgericht mit Recht den Antrag des Untermieters, als Hauptmieter anerkannt zu werden, abgewiesen.

Die Eröffnung des Rechtszuges an den Obersten Gerichtshof begründete das Rekursgericht damit, daß zur Frage des Abschlusses eines Hauptmietvertrages vor 1982 und des Untermietvertrages nach diesem Zeitpunkt im Rahmen des Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Gegen diesen Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung der zugrunde liegenden Anträge abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstantragsgegnerin beantragte in ihrer Rechtsmittelgegenschrift, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Der Zweitantragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 37 Abs 3 Z 18 MRG). Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung von der Erstantragsgegnerin vertretenen Ansicht ist das vorliegende Rechtsmittel nicht etwa im Hinblick auf den zwischen der Antragstellerin und der Erstantragsgegnerin am 28.September 1988 im Verfahren 9 Cga 3019/87 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien geschlossenen Vergleich wegen Wegfalles der Beschwer nachträglich unzulässig geworden, weil diesem Vergleich nicht erkennbar zu entnehmen ist, daß er auch das hier strittige Rechtsverhältnis bereinigen sollte, anderseits aber der Zweitantragsgegner an diesem Vergleich nicht beteiligt war.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Der im Revisionsrekurs geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG). Vor Eingehen in die Rechtsrüge der Antragstellerin ist festzuhalten, daß nach der für deren Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage ein Scheingeschäft zwischen den Antragsgegnern nicht besteht.

In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Revisionsrekurswerberin gegen die von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht, § 2 Abs 3 MRG sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Die Vorinstanzen seien den Erkenntnissen des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 44/87 und 5 Ob 80,81/87, die auch zur Kritik herausgefordert hätten, zu Unrecht gefolgt. Während den beiden Entscheidungen Fälle zugrunde gelegen seien, bei denen sowohl der Hauptmietvertrag als auch der Untermietvertrag vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossen worden seien, sei hier der Untermietvertrag nach diesem Zeitpunkt geschlossen worden. Nach § 43 Abs 1 MRG gälten die Bestimmungen des 1. Hauptstückes des MRG auch für Mietverhältnisse, die vor dem 1. Jänner 1982 geschlossen worden seien. Es hieße nun die vom Gesetzgeber mit § 2 Abs 3 MRG verfolgte Absicht zu unterlaufen, wollte man Hauptmietverträge, die vor dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossen worden seien, vom Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 MRG generell ausnehmen, auch wenn sie nur zur Untervermietung und zur Umgehung der einem Hauptmieter zustehenden Rechte geschlossen worden seien. Die bloß wörtliche Auslegung der genannten Bestimmung, vor 1982 abgeschlossene Hauptmietverträge könnten nicht zur Umgehung der erst mit 1.Jänner 1982 in Kraft getretenen Bestimmung des MRG dienen, stünde mit der Absicht des Gesetzgebers, Umgehungsgeschäfte zu unterbinden, im Widerspruch. Zumindest bei einer "Neu-Untervermietung" nach Inkrafttreten des MRG sei ein Eingriff in einen "Altvertrag" gerechtfertigt. Die Vorinstanzen hätten daher zu prüfen gehabt, welchen Zweck der Hauptmietvertrag hätte erfüllen sollen. Dem kann nicht gefolgt werden.

In den beiden im Revisionsrekurs genannten Entscheidungen und in einer weiteren Entscheidung (5 Ob 93/88) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß § 2 Abs 3 MRG auf Umgehungsgeschäfte, die vor dem 1.Jänner 1982 stattgefunden haben, nicht anwendbar ist. Der vor Inkrafttreten des MRG vereinbarte Hauptmietvertrag habe nicht zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem erst Jahre später geschaffenen MRG zustehenden Rechte abgeschlossen werden können. Der (lange Zeit) vor dem Inkrafttreten des MRG verwirklichte Sachverhalt sei damit aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 MRG gefallen und könne nicht zu einer Anerkennung als Hauptmieter mit Abschluß des Mietvertrages aber auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt führen. Bei der Anerkennung als Hauptmieter nach der genannten Bestimmung geht es um einen Eingriff in das zwischen dem Hauseigentümer und einer anderen Person abgeschlossene Vertragsverhältnis, also in ein Rechtsverhältnis, das durch den Abschluß des Mietvertrages entstanden ist. Zur Zeit des Abschlusses des Bestandvertrages zwischen den Antragsgegnern war dieser Vertrag, selbst wenn er zu dem nunmehr verpönten Zweck abgeschlossen worden wäre, nicht rechtsunwirksam, zumal hier vom Vorliegen eines Scheingeschäftes nicht ausgegangen werden kann. An der Verwirklichung des Sachverhaltes im Sinne eines rechtswirksamen Mietvertrages zwischen Hauseigentümer und (Haupt)Mieter vor Inkrafttreten des MRG vermag aber auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Mieter des Hauseigentümers hinsichtlich des Bestandobjektes mit einem Dritten einen weiteren Mietvertrag abschließt, wobei es rechtlich unerheblich ist, ob dieser zweite Mietvertrag vor oder nach dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossen wurde. Denn durch die Verfügung des Mieters über den Mietgegenstand iS einer entgeltlichen Übertragung der Benützungsrechte an einen Dritten konnte der gültig zustande gekommene Mietvertrag zwischen Hauseigentümer und dessen Vertragspartner nicht rechtsunwirksam werden, zumal das Vorligen der nach § 2 Abs 3 MRG geforderten Voraussetzung für die Unwirksamkeit des mit dem Hauseigentümer im Jahre 1979 abgeschlossenen Mietvertrages, nämlich die Absicht dieser Vertragsteile, den Mietvertrag ua nur zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte abzuschließen, an sich schon nicht angenommen werden kann.

Der Oberste Gerichtshof hält deshalb trotz der von Call erhobenen Kritik (WoBl 1988, 111) an der in den genannten Entscheidungen vertretenen Rechtsansicht fest, und zwar auch in jenen Fällen, in welchen der "Hauptmietvertrag" vor Inkrafttreten des MRG, der "Untermietvertrag" hingegen erst nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden.

Da somit die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung sämtlicher Anträge der Antragstellerin der Sach- und Rechtslage entsprechen, konnte dem Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein.

Anmerkung

E16246

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00098.88.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19881129_OGH0002_0050OB00098_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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