TE Vwgh Beschluss 2005/10/14 AW 2005/10/0021

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Veröffentlicht am 14.10.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E15204000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Anh3 Pkt8;
31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Art6 Abs1 lita;
31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Art9 Abs9;
EURallg;
LMG 1975 §10 Abs4;
SchäHöV 2002;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof fasst über den Antrag der S GmbH in R, vertreten durch P Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H., der gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 23. März 2005, Zl. 31.940/17-IV/10/04, betreffend Untersagung der Vermarktung von Weizen mit Hinweisen auf ökologischen Landbau, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 9 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel in Verbindung mit § 10 Abs. 4 Lebensmittelgesetz 1975 die mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau verbundene Vermarktung von 449.660 kg Weizen, lagernd im großen Silo (GS) Zelle 19 Lager Nr. 301, untersagt. Bei einem einer Menge von 20.300 kg Weizen entnommenen Anlieferungsmuster sei analytisch ein Rückstand an Chlorpyrifos in der Höhe von 0,089 mg/kg festgestellt worden. Der nach der Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwerteverordnung, BGBl. II Nr. 441/2002, zulässige Wert für Getreide betrage 0,05 mg/kg. Die angeführte Lieferung von 20.300 kg Weizen sei in einer näher angeführten Lagerstelle mit zwei anderen Chargen Weizen zu einer Gesamtmenge von 50.440 kg vermischt worden. Diese Menge sei am 29. August 2003 an die beschwerdeführende Gesellschaft geliefert und dort mit anderen Weizenlieferungen im großen Silo Zelle 19 Lager Nr. 301 zu einer Gesamtmenge von 449.660 kg vermischt worden. Bei Chlorpyrifos handle es sich um ein Pflanzenschutzmittel, das nicht in den Anlagen I und II zur VO 2092/91 angeführt sei. Nach Art. 6 Abs. 1 VO 2092/91 dürften bei der Erzeugung der Produkte des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe A als Pflanzenschutzmittel nur Erzeugnisse verwendet werden, die sich aus Stoffen zusammensetzten, welche in Anhang I erwähnt oder in Anhang II verzeichnet seien. Nach Anhang III Punkt 8 VO 2092/91 seien Bereiche, in denen Erzeugnisse gelagert werden, so zu bewirtschaften, dass die gelagerten Partien identifiziert werden können und jede Vermischung mit oder Verunreinigung durch Erzeugnisse und/oder Stoffe, die die Anforderungen dieser Verordnung nicht erfüllen, vermieden wird. Gemäß § 10 Abs. 4 LMG 1975 iVm Art. 9 Abs. 9 lit. a VO 2092/91 muss der Landeshauptmann bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Durchführung der Art. 5 und 6 bzw. der Maßnahmen des Anhanges III die Hinweise auf den ökologischen Landbau nach Art. 2 von der gesamten von der Unregelmäßigkeit betroffenen Partie oder Erzeugung entfernen lassen.

Der Darstellung der beschwerdeführenden Partei, wonach das Inverkehrbringen des Weizens mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau zulässig sei, folgte die belangte Behörde aufgrund einer ins Einzelne gehenden Begründung nicht.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ist ein Antrag verbunden, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wird dargelegt, die beschwerdeführende Partei habe im großen Silo Zelle 19 Lager Nr. 301 biologischen Weizen in der Gesamtmenge von 449.660 kg gelagert, während die angeblich kontaminierte Liefermenge lediglich 20.300 kg betrage. Bestünde nunmehr lediglich die Möglichkeit diesen Weizen "konventionell" in Verkehr zu bringen, könnte nur ein weit geringerer Preis lukriert werden. Dadurch würde ein Schaden in immenser Höhe, der wirtschaftlich nicht tragbar sei, entstehen. Selbst wenn die beschwerdeführende Partei aber bis zur endgültigen Entscheidung den nunmehr fast zwei Jahre lang eingelagerten Weizen weiterhin keiner Verwertung zuführe, sei dies im Hinblick auf den bereits getätigten Aufwand mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden. Zwingende öffentliche Interessen stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Insbesondere werde darauf verwiesen, dass "unseren neuesten Erkenntnissen zufolge" keine Rückstände an Schädlingsbekämpfungsmittel nachweisbar seien.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Beschluss vom 3. Juni 2005 das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde auf, binnen acht Wochen die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen und eine Gegenschrift zu erstatten. Für eine Stellungnahme zum Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde eine Frist von vier Wochen gesetzt. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde nachweislich am 13. Juni 2005 der Ämterabfertigung übergeben. Mit Verfügung vom 19. September 2005 wurde bei der belangten Behörde die Vorlage der Verwaltungsakten urgiert. Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2005 teilte die belangte Behörde mit, die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 2005 sei nicht eingelangt. Die belangte Behörde sei daher auch nicht in Kenntnis des Antragsvorbringens. In Unkenntnis dieser Ausführungen äußere sich die belangte Behörde wie folgt:

Die Anwendung des Mittels Chlorpyrifos werde von der beschwerdeführenden Partei als Ursache für die Verunreinigung des Weizens nicht abgestritten. Es handle sich dabei um ein registriertes und zugelassenes Pflanzenschutzmittel, darunter auch mit dem Anwendungsbereich Vorratsschutz in leeren Lagerräumen. Es handle sich dabei um ein nach der Verordnung 2092/91 verbotenes Pflanzenschutzmittel. Der Weizen entspreche aus näher dargelegten Gründen auch nicht den allgemeinen Lebensmittelrechtsvorschriften. Das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Weizens laufe den von der Verordnung aufgestellten Zielen, die allesamt dem Allgemeininteresse, nämlich dem Verbraucherschutz sowie dem Schutz des lauteren Wettbewerbs dienten, zuwider. Art. 9 Abs. 9 der Verordnung sehe auch nicht vor, die Sanktionen aufzuschieben. Es sei im öffentlichen Interesse geboten, den Schutz des Verbrauchers höher zu stellen als die wirtschaftlichen Interessen der beschwerdeführenden Partei, zumal es sich um ein Produkt handle, das selbst den zulässigen Rückstandshöchstwert für konventionelle Lebensmittel überschreite. Dem Aufschub des Vollzuges des angefochtenen Bescheides stünden somit zwingende öffentliche Interessen entgegen.

Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Vorschriften der Verordnung 2092/91 dienen nach deren Präambel insbesondere dem Schutz des lauteren Wettbewerbs zwischen den Herstellern von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus und derr Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in Erzeugnisse, die als solche des ökologischen Landbaus gekennzeichnet sind. Diesen Zwecken dient unter anderem das Gebot, nur bestimmt aufgezählte Pflanzenschutzmittel, Düngemittel usw. zu verwenden (Art. 6 Abs. 1 lit. a VO) und eine Vermischung von unter die Verordnung fallenden Erzeugnissen mit Erzeugnissen und/oder Stoffen, die die Anforderungen der Verordnung nicht erfüllen, zu vermeiden (Anhang III Punkt 8). Die Annahme der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall ein Zuwiderhandeln gegen diese Gebote vorgekommen ist, ist als nicht schon durch das Beschwerdevorbringen widerlegt der Beurteilung im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf aufschiebende Wirkung zugrunde zu legen.

Die Verbote bzw. Gebote, denen im vorliegenden Fall - ausgehend von den hier zugrunde zu legenden Annahmen des angefochtenen Bescheides - zuwider gehandelt wurde, dienen insbesondere dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung darüber, dass bei der Erzeugung von und dem Umgang mit dem in Rede stehenden Produkt die verbindlichen Vorschriften für Erzeugnisse eingehalten wurde, die zulässigerweise mit Hinweisen auf biologischen Landbau in Verkehr gebracht werden dürfen, und dem Schutz jener Erzeuger, die die geringere Intensität der Bodennutzung, die die Einhaltung der Regeln des ökologischen Landbaus nach sich zieht, in Kauf nehmen, vor unlauterem Wettbewerb. Dass es sich dabei um öffentliche Interessen handelt, ist nicht zweifelhaft. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass das von der belangten Behörde ausgesprochene Verbot suspendiert wäre und das in Rede stehende Erzeugnis mit Hinweisen auf ökologischen Landbau in Verkehr gebracht werden dürfte. Solcherart wäre der Erfolg der Beschwerde vollständig vorweggenommen. Davon ausgehend sind die oben angeführten öffentlichen Interessen insoweit als "zwingend" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG anzusehen, als der Zweck der in der Verordnung normierten Verbote durch die Suspendierung der Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides vereitelt würde. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen somit zwingende öffentliche Interessen entgegen.

Wien, am 14. Oktober 2005

Schlagworte

Begriff der aufschiebenden Wirkung Besondere Rechtsgebiete Diverses Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:AW2005100021.A00

Im RIS seit

13.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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