Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Hans P***, Zahnarzt, Graz, Wastlergasse 11, 2. Berta H***, Private, Graz, Wastlergasse 11, beide vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Erich Allmer und Dr. Annemarie Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Ljubica V***, Hausbesorgerin, Graz, Wastlergasse 11, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung (Streitwert S 6.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 1988, GZ 8 Ra 57/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. März 1988, GZ 31 Cga 5/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Arbeitsrechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des Hauses Graz, Wastlergasse 11. Mit Hausbesorgerdienstvertrag vom 1. Februar 1984 bestellten sie die Beklagte zur Hausbesorgerin und räumten ihr im Haus eine mietzinsfreie Dienstwohnung bestehend aus einem Zimmer, Küche, Vorraum, Abstellraum sowie Dusche und WC ein, welche die Beklagte mit ihrem Sohn bezog. Hinsichtlich der "Bewohner" der Dienstwohnung hält der durch Ausfüllen eines Formulars hergestellte Vertrag unter anderem fest:
"....... Die Familie des Hausbesorgers besteht aus zwei Personen....
Die entgeltliche oder unentgeltliche Aufnahme anderer Personen in die Dienstwohnung ist nicht gestattet...."
Die Kläger kündigten der Beklagten das Hausbesorgerdienstverhältnis zum 29. Februar 1988 gerichtlich auf und stellten ein entsprechendes Räumungsbegehren. Sie machten als Kündigungsgründe geltend, daß die Beklagte ohne Zustimmung der Kläger und trotz Abmahnung Walter N*** und Ibrahim T*** als weitere Mitbewohner in die Dienstwohnung aufgenommen und polizeilich angemeldet habe. Sie sei ferner ihrer Pflicht, das Stiegenhaus ordentlich zu reinigen, auch nach schriftlicher Verwarnung nicht nachgekommen.
Die Beklagte beantragte, die Kündigung aufzuheben. Walter N*** sei der Lebensgefährte der Beklagten. Das vertragliche Verbot beziehe sich nicht auf ihn; ein Verbot, den Lebensgefährten in die Wohnung aufzunehmen, wäre überdies sittenwidrig. Ibrahim T*** sei nie Mitbewohner der Wohnung gewesen. Sollte er sich an der Adresse der Beklagten angemeldet haben, sei dies ohne ihre Zustimmung geschehen. Ihren Reinigungspflichten sei sie stets ausreichend nachgekommen.
Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und erkannte die Beklagte schuldig, die von ihr bewohnte Dienstwohnung zu räumen. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Seit dem Jahre 1986 ist Walter N*** in der Wohnung der Beklagten als Mitbewohner angemeldet. Er ist der Lebensgefährte der Beklagten und beide leben wie ein Ehepaar zusammen, auch wenn N*** zwei- bis dreimal wöchentlich in der Wohnung einer anderen Frau nächtigt. Im Mai oder Juni 1987 warnte der Erstkläger die Beklagte sinngemäß davor, N*** in die Wohnung einziehen zu lassen. Er hatte N*** auf der Straße wanken gesehen und wie schon des öfteren den Eindruck gewonnen, daß dieser stark alkoholisiert sei. Walter N*** trinkt Alkohol; an "Freitagen" (laut AS 32 "an Feiertagen") noch etwas mehr als sonst. Im Herbst 1987 beschwerte sich ein Hauptmieter bei der Beklagten wegen eines Wirbels, den ihr Lebensgefährte verursacht hatte. Wiederholt wurde Walter N*** im Stiegenhaus "auf allen Vieren kriechend" angetroffen. Die Kläger ließen die Beklagte durch die Hausverwaltung mit Schreiben vom 29. September 1987 schriftlich verwarnen. Sie warfen ihr vor, Walter N*** als Mitbewohner in die Dienstwohnung aufgenommen und polizeilich gemeldet zu haben; im Wiederholungsfall werde die Kündigung ausgesprochen. In diesem Schreiben wird der Beklagten auch angelastet, das Stiegenhaus in der Zeit vom 21. September 1987 bis 26. September 1987 nicht gekehrt zu haben. Ein Ibrahim T*** ist zwar in der Wohnung der Beklagten angemeldet, doch hatte die Beklagte mit dieser Meldung nichts zu tun. T*** wohnt auch nicht bei der Beklagten. Er wurde vielmehr von einer Bekannten der Beklagten allein deshalb angemeldet, damit er Arbeitslosengeld beziehen kann.
Feststellungen darüber, ob die Beklagte ihrer Reinigungspflicht nachkam, traf das Erstgericht nicht. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Rechtssache auch ohne Klärung dieses weiteren Kündigungsgrundes spruchreif sei. Gemäß § 18 Abs 6 lit c HBG könne ein Hausbesorgerdienstverhältnis gekündigt werden, wenn sich der Hausbesorger einer Handlung schuldig mache, die ihn des Vertrauens des Hauseigentümers unwürdig erscheinen lasse. Hausbesorger, die entgegen der getroffenen Vereinbarung Personen in die Hausbesorgerwohnung aufnehmen, seien vertrauensunwürdig. Der Kreis der zur Benützung einer Hausbesorgerwohnung Berechtigten sollte sich möglichst nur aus dem Hausbesorgervertrag ergeben und dürfe nicht unkalkulierbar ausgedehnt werden. Die Beklagte habe Walter N***, der keine Person des engsten Familienkreises gewesen sei und gegen den die Kläger berechtigte Bedenken gehabt hätten, nicht nur vertragswidrig aufgenommen, sondern sie habe ihr unerlaubtes Verhalten trotz schriftlicher Warnung weiter fortgesetzt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß es zulässiger Zweck der vereinbarten Beschränkung der Mitbewohner der als Gegenleistung für die Hausbesorgertätigkeit zur Verfügung gestellten Dienstwohnung gewesen sei, das Eindringen fremder, den Klägern unbekannter Personen in das Haus zu verhindern. Fraglich sei, ob sich das Verbot, weitere Personen aufzunehmen, auch auf Familienangehörige, den Ehegatten oder den Lebensgefährten des Hausbesorgers erstrecke. Der Lebensgefährte sei in Gesetzgebung und Rechtsprechung immerhin weitgehend als Familienangehöriger anerkannt. Der Lebensgefährte habe nach § 14 Abs 3 MRG ein Eintrittsrecht; er zähle nach § 24 HBG oder § 24 AngG zu den Hinterbliebenen und habe nach § 32 KO und § 4 AnfO die Stellung eines nahen Angehörigen.
Dieser einer familienrechtlichen Beziehung nahekommende Status könne aber nicht ohne weiteres auf die durch das HBG geregelten Rechtsverhältnisse übertragen werden. Der Hausbesorger genieße nämlich eine besondere Vertrauensstellung. Er sei für das Verhalten der mit ihm in der Dienstwohnung wohnenden Personen haftbar (§ 20 Z 2 HBG) und könne verpflichtet werden, Personen, die eine strafbare Handlung begangen hätten, aus der Wohnung zu entfernen. Während man dem Hausbesorger daher nicht verbieten könne, den Ehegatten und die Kinder in die Wohnung aufzunehmen, könne der Hauseigentümer aber verlangen, daß von der Dienstwohnung alle Personen ausgeschlossen würden, die nicht unter der ehemännlichen oder väterlichen Gewalt des Hausbesorgers stehen. Beim Lebensgefährten bestehe keine familienrechtliche Bindung wie etwa zwischen Ehegatten. Das Interesse des Hauseigentümers, darauf Einfluß nehmen zu können, wer in die Hausbesorgerwohnung aufgenommen werde, stehe ihm gegenüber im Vordergrund. Es bestehe auch ein besonderer Rechtsschutz für die Dienstwohnung; nach § 88 Abs 1 EheG dürfe das Gericht Anordnungen über eine Dienstwohnung im allgemeinen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers treffen. Es könne im Ergebnis somit dahingestellt bleiben, ob es sich im Verhältnis der Beklagten zu Walter N*** überhaupt um eine richtige Lebensgemeinschaft handle, da er auch als Lebensgefährte nicht berechtigt sei, die Dienstwohnung der Beklagten mitzubewohnen. Eine Abwägung der rechtlich geschützten Interessen ergebe, daß das Verbot, weitere Personen in die Wohnung aufzunehmen, nicht sittenwidrig sei. Wenn sogar einem Ehegatten zugemutet werde, sich unter bestimmten Umständen von seinem Ehepartner zu trennen, will er nicht das Recht, eine Wohnung weiterhin zu bewohnen, verlieren, habe sich umso mehr ein Lebensgefährte einem diesbezüglichen vertraglichen Verbot zu fügen, auch wenn er keine Verfehlungen im Sinne des StGB begangen habe. Da die Beklagte trotz des vertraglichen Verbots und trotz Ermahnungen ihren Lebensgefährten in die Dienstwohnung aufgenommen habe, sei sie vertrauensunwürdig geworden und es liege ein erheblicher Grund zur Kündigung ihres Hausbesorgerdienstverhältnisses nach § 18 Abs 6 lit c HBG vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Kläger beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, hätte es der Beklagten trotz der vereinbarten Beschränkung der Mitbewohner der Dienstwohnung nicht grundsätzlich verwehrt werden können, etwa ihren Ehegatten in diese aufzunehmen (vgl. Krejci in Rummel ABGB § 879 Rz 74; ZBl. 1930/358 ua), ohne daß dadurch ihre besondere Vertrauensstellung gefährdet gewesen wäre. Nicht die Aufnahme des Gatten, sondern sein Verhalten wäre sohin geeignet gewesen, die Beklagte allenfalls im Sinne des § 20 Z 2 HBG haftbar zu machen und von ihr zu verlangen, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Nichts anderes trifft aber auch für den Lebensgefährten, der gerade in den vom Berufungsgericht zitierten, die Wohnung betreffenden Vorschriften (§ 14 Abs 3 MRG, § 24 AngG, § 24 HBG; Martinek-Schwarz, AngG6 § 24 Erl. 6) wie ein Ehegatte behandelt wird (Koziol-Welser, Grundriß8 II 171; Aicher in Rummel ABGB §§ 40 bis 42 Rz 5; Strasser in Rummel ABGB § 1175 Rz 25; Schneider, Die rechtliche Stellung der Lebensgefährten, ÖJZ 1965, 174 ff), zu. Es ist daher auch diesbezüglich das Persönlichkeitsrecht der Klägerin anzuerkennen, eine Lebensgemeinschaft einzugehen und den Lebensgefährten in die Dienstwohnung aufzunehmen. Solange sich der Lebensgefährte wohlverhält, kann es auch durch ihn zu keiner Beeinträchtigung der Vertrauensstellung der Beklagten als Hausbesorgerin kommen. Der Einwand, Mitbewohner des Hausbesorgers hätten jederzeit Zutritt zum Haus und zu allen den Hausbewohnern allgemein zugänglichen Räumen des Objekts, trifft gleichermaßen auf die Mitbewohner in den Wohnungen der Mieter zu.
Abgestellt auf die Begründetheit der Kündigung nach § 22 Abs 1 HBG ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß sich die geltend gemachten Kündigungsgründe ebenso wie die schriftliche Verwarnung vom 29. September 1987 nur darauf stützen, daß die Beklagte verbotswidrig zwei Mitbewohner in die Wohnung aufgenommen und polizeilich gemeldet sowie ihre Pflicht als Hausbesorgerin nicht erfüllt habe. Dazu wurde festgestellt, daß Walter N*** der Lebensgefährte der Beklagten war und daß von einer Aufnahme oder Anmeldung eines Ibrahim T*** durch die Beklagte keine Rede sein kann. Auf ein allenfalls abträgliches Verhalten des Lebensgefährten gestützte Kündigungsgründe liegen mangels jeglichen diesbezüglichen Vorbringens in der Kündigung nicht vor. Durch die Aufnahme des Lebensgefährten als Mitbewohner allein ist der Tatbestand des § 18 Abs 6 lit c HBG aber nicht erfüllt.
Es ist daher noch zu prüfen, ob die Beklagte durch die Unterlassung der Reinigung des Stiegenhauses wesentliche Vertragspflichten gröblich und beharrlich vernachlässigte. Dieser in § 20 Z 4 HBG enthaltene Entlassungstatbestand kann auch zur Grundlage einer Kündigung genommen werden (Arb. 7.234; Arb. 10.113). Diesbezüglich ist aber das Verfahren, da es das Erstgericht unterließ, darüber Beweise aufzunehmen, noch nicht spruchreif. Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.
Anmerkung
E16066European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00262.88.1130.000Dokumentnummer
JJT_19881130_OGH0002_009OBA00262_8800000_000