Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo B***, Angestellter, Graz, Körösistraße 194, vertreten durch Dr. Alfred Lind ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Johanna B***, Angestellte, Graz, Hafnerriegel 5, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwendung nach § 35 EO gegen einen Unterhaltsanspruch (Rückstand 4.000 S, laufender Unterhalt 1.000 S monatlich) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 20.Juni 1988, GZ 4 R 209/88-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 10.März 1988, GZ 10 C 24/87-8, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Nach einem anläßlich einer Scheidung nach § 55 a EheG am 3.Juli 1979 geschlossenen gerichtlichen Vergleich sollte das eheliche Kind Thomas, geboren 30.August 1970, in Pflege und Erziehung der Beklagten bleiben und es verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.000 S wertgesichert bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des ehelichen Kindes (wozu Lehrzeit und Studium nicht gehörten sollte) zu leisten. Darüber hinaus verzichteten die Streitteile wechselseitig auf Unterhalt.
Zu 10 E 4860/87 führt die Beklagte gegen den Kläger eine Lohnpfändungsexekution zur Hereinbringung des Rückstandes von 4.000 S für die Zeit vom 1.Dezember 1986 bis 31.März 1987 und des laufenden Unterhaltes von 1.000 S monatlich seit dem 1.April 1987. Gegen diesen Unterhaltsanspruch richtet sich die Oppositionsklage des Klägers mit der Begründung, dem Unterhaltsvergleich habe zugrunde gelegen, daß die Beklagte wegen des Gesundheitszustandes des ehelichen Kindes nur einer Halbtagsbeschäftigung nachgehen könne und aus dieser nur 3.900 S monatlich verdienen würde. Tatsächlich gehe aber die Beklagte seit längerer Zeit einer Ganztagsbeschäftigung nach und verdiene jetzt monatlich über 12.000 S. Wegen Änderung der Verhältnisse stehe ihr daher der Unterhaltsanspruch seit 1.Dezember 1986 nicht mehr zu. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß die im Vergleich vereinbarte Unterhaltsleistung des Klägers nicht vom Einkommen der Beklagten oder davon, daß sie nur halbtags arbeite, abhängig gemacht worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:
Der Text des strittigen Scheidungsvergleiches wurde von einem Rechtsanwalt festgelegt. Ursprünglich hatte die Beklagte 2.000 S monatlich unter beiderseitigem Verzicht auf die Umstandsklausel gefordert, was aber der Kläger ablehnte. Nach dem dann abgeschlossenen Vergleich sollte die Beklagte nie mehr als wertgesicherte 1.000 S erhalten, der Kläger überhaupt keinen Unterhalt, der verglichene Betrag von 1.000 S sollte jedoch der Umstandsklausel unterliegen. Es wurde nicht darüber gesprochen, daß die Beklagte den Unterhaltsbetrag nur erhalten solle, wenn sie einer Halbtagsbeschäftigung nachgehe und der Unterhaltsbetrag nicht mehr zustehen solle, wenn sie ganztags arbeite. Grundlage des Vergleiches war die Tatsache, daß die Beklagte den Standpunkt vertrat, wegen der körperlichen Behinderung des ehelichen Kindes benötige sie einen ergänzenden Unterhalt.
Die Beklagte arbeitete am 3.Juli 1979 nur halbtägig. Bis 15.Juli 1979 war sie fünf Stunden täglich beschäftigt und verdiente monatlich 5.300 S brutto. Vom 15.Juli 1979 bis 31.Dezember 1979 verdiente sie monatlich 8.470 S brutto. Ab März 1986 verdiente sie monatlich 12.527,72 S netto (mit 13. und 14. Gehalt monatlich 14.615 S netto). Ab 7.Oktober 1987 verdient die Beklagte vierzehnmal jährlich 5.000 S netto.
Der Kläger hatte vom 1.Jänner 1979 bis Juni 1979 ein monatliches Nettoeinkommen von rund 16.000 S. Im Jahr 1985 verfügte er über ein monatliches Nettoeinkommen von 25.700 S, welches sich bis zum Jahr 1987 nicht verringerte.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Vergleich unterliege der Umstandsklausel. Der Beklagten gebührten rund 36 % des Familieneinkommens beider Streitteile, abzüglich ihres eigenen Einkommens, was bei den jetzt gegebenen Einkommensverhältnissen keinen Unterhaltsanspruch der Beklagten mehr ergebe.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde, und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Es verwarf die Ansicht der ersten Instanz, daß bei Auslegung des Vergleiches von einem Prozentsatz des Familieneinkommens auszugehen sei. Es handle sich beim Unterhalt, der nach einer Scheidung gemäß § 55 a EheG geleistet werde, um einen vertraglichen Unterhalt, möge er auch gemäß § 69 a EheG einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten sein, wenn er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen sei. Es komme daher primär auf die (übereinstimmende) Absicht der Parteien und sekundär auf die Vertragsauslegung (Vertragsergänzung) an. Der Klagsgrund, daß die Halbtagsbeschäftigung der Beklagten zur Geschäftsgrundlage des Vergleiches gehört habe, sei nicht erwiesen. Da über das beiderseitige Einkommen überhaupt nicht gesprochen worden sei könne, nicht davon ausgegangen werden, daß die Streitteile dieses zur Vergleichsgrundlage erhoben hätten. Dominierend erscheine die Festlegung, daß der Unterhaltsanspruch mit der Selbsterhaltungsfähigkeit des ehelichen Kindes enden solle. Zumindest für die beiderseitige Einkommenshöhe scheide daher für den vorliegenden Fall eine Anwendung der Umstandsklausel aus. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit der erheblichen Bedeutung der Auslegung eines Unterhaltsvergleiches bei einer Scheidung nach § 55 a Eheg.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem Ausspruch ist jedoch die Revision des Klägers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig:
Ob bei einem Unterhaltsvergleich, der im Zusammenhang mit einer Scheidung nach § 55 a EheG abgeschlossen wird, die sogenannte Umstandsklausel, welche in der Regel für jede Unterhaltsverpflichtung gilt (EFSlg 43108, 43109 ua), einer eigenständigen Auslegung unterliegt, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend, weil die Parteien nach den getroffenen Feststellungen die Umstandsklausel ausdrücklich in einer besonderen Weise vereinbart haben. Sie haben eine Wertsicherung vereinbart, eine darüber hinausgehende Unterhaltserhöhung ausgeschlossen und einen Zusammenhang zwischen der Selbsterhaltungsfähigkeit des ehelichen Sohnes und der Dauer der Unterhaltsverpflichtung hergestellt, auf die Höhe des Einkommens beider Streitteile aber keinen Bezug genommen. Der Auslegung dieser Vereinbarung kommt keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu.
Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat sie gemäß den §§ 41 und 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Anmerkung
E15952European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00150.88.1130.000Dokumentnummer
JJT_19881130_OGH0002_0030OB00150_8800000_000