TE OGH 1988/11/30 1Ob705/88

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Veröffentlicht am 30.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** W***

V***, Graz, Herrengasse 18-20, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Erich Allmer und Dr. Annemarie Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Firma L***-S***, Zimmerei, Säge- und Hobelwerk, Bautischlerei, Inhaber G. u. H. S***, Berndorf 42, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 114.812,- samt Anhang infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 3 R 104/88-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Februar 1988, GZ 8 Cg 80/87-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1.) Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei den Betrag von S 76.542,- samt 4 % Zinsen aus S 63.068,- vom 7. Juli 1986 bis 30. Juni 1987 und aus S 76.542,- seit 1. Juli 1987 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren bleibt abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren den Betrag von

S 26.901,17 (darin enthalten S 883,17 Umsatzsteuer und S 17.186,33 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

2.) Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Bauunternehmung Dipl.Ing. Jörg M*** und die beklagte Partei errichteten im Frühjahr 1980 für die Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH in Graz eine Garage. Die beklagte Partei lieferte und montierte die aus Holzfachwerkbindern bestehende Dachkonstruktion. Sie brachte an den Untergurten eine 24 mm starke, mit 70 mm langen Nägeln befestigte Holzschalung auf und lieferte und verlegte in dieser Holzverschalung die Wärmedämmung. Dipl.Ing. Jörg M*** brachte nach Beendigung der Arbeiten durch die beklagte Partei an der Unterseite dieser Holzverschalung (Streuschalung) 3,5 cm starke Heraklithplatten an, die zum Teil mit einem 1 cm starken Deckenputz versehen wurden. Für Streuschalungen bestehen keine ÖNORMEN über die Qualität des zu verwendenden Holzes. Fachgerecht ist es aber, daß das dafür verwendete Holz durch eine neun bis zwölf Monate dauernde ordnungsgemäße Lagerung abgetrocknet ist. Das von der beklagten Partei für die Streuschalung verwendete Holz war aber frisch und feucht. Es unterlag in der Folge einer Nachtrocknung. Die Holzfasern zogen sich unter Schwund zusammen. Die Haftung der von Dipl.Ing. Jörg M*** zur Befestigung der Heraklithplatten verwendeten 60 mm langen Spezialnägel nahm dadurch erheblich ab. Durch das Eigengewicht der Heraklithplatten lösten sich am 24. Mai 1986 Teile der Deckenkonstruktion. Dadurch wurden Fahrzeuge und Maschinen der Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH beschädigt. Die Haftung der von Dipl.Ing. Jörg M*** eingeschlagenen Nägel hatten derart nachgelassen, daß diese ohne Hilfe eines Werkzeuges bloß mit den Fingern aus dem Holz hätten gezogen werden können. Der beklagten Partei war bekannt, daß auf der Streuschalung Heraklithplatten befestigt werden. Sie verlangte zwar im Sägewerk "übertrocknetes Holz", überprüfte aber nicht dessen Qualität.

Die klagende Partei ist Haftpflichtversicherer des Dipl.Ing. Jörg M***. Sie bezahlte für ihren Versicherungsnehmer den Schadensbetrag von S 114.812,- an die Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von S 114.812,- samt Anhang. Die beklagte Partei treffe die alleinige Haftung für die durch die Ablösung der Untersichtkonstruktion entstandenen Schäden. Dipl.Ing. Jörg M*** habe im Vertrauen darauf, daß die beklagte Partei als Fachmann die Schalung sach- und fachgerecht aufgebracht habe, seine Arbeiten durchgeführt. Die Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH habe die ihr zustehenden Schadenersatzansprüche der klagenden Partei abgetreten. Sollte Dipl.Ing. Jörg M*** kein Mitverschulden treffen, habe die klagende Partei eine fremde Schuld bezahlt und sei unabhängig von der Zession berechtigt, diesen Betrag von der beklagten Partei ersetzt zu begehren. Das Klagebegehren werde hilfsweise auf den Titel der Zahlung einer fremden Schuld und Bereicherung gestützt. Die beklagte Partei wendete ein, das Alleinverschulden treffe Dipl.Ing. Jörg M***. Ausschließlich die ungenügende Befestigung der Heraklithplatten sei Schadensursache.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß für die Facharbeiter und den Baupolier des Dipl.Ing. Jörg M*** durch Sichtprüfung erkenn- und beurteilbar gewesen wäre, daß das von der beklagten Partei verwendete Holz zu feucht und für die Befestigung der Heraklithplatten ungeeignet gewesen sei. Der Schadenseintritt lasse sich darauf zurückführen, daß einerseits von der beklagten Partei feuchtes und daher ungeeignetes Holz verwendet worden sei, andererseits Dipl.Ing. Jörg M*** trotz

Erkennbarkeit der ungeeigneten Holzqualität die Befestigung der Heraklithplatten vorgenommen habe, ohne den Bauherrn darauf hinzuweisen und seine Anweisungen einzuholen. Dipl.Ing. Jörg M*** sei der ihm oblegenen Warnpflicht nicht nachgekommen. Bei Vorarbeiten durch andere qualifizierte Unternehmen bleibe trotzdem die Prüfungspflicht des Werkunternehmers bestehen; er dürfe sich nicht auf die ordnungsgemäße Erbringung der Leistung verlassen; ihn entlaste deren Nachlässigkeit gegenüber den Werkbestellern nicht, auch nicht in Form einer Schadensteilung. Die Dipl.Ing. Jörg M*** auferlegte Verpflichtung zur Prüfung und Warnung, der er trotz der offenkundigen Nichteignung der Vorarbeiten für sein eigenes Werk nicht entsprochen habe, habe ihm eine Gefahrentragung überantwortet, die eine Berücksichtigung des Beitragsmangels durch die von der Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH veranlaßten, jedenfalls auch als mangelhaft zu bezeichnenden Vorarbeiten der beklagten Partei dermaßen überwiege und überlagere, daß seine volle Gefahrentragung gerechtfertigt erscheine. Bei einer sorgfältigen Durchführung unter Einhaltung seiner Warnpflicht als Teil der Hauptleistungspflicht hätte der Eintritt des Schadens verhindern werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Es übernahm die vom Erstgericht getroffene Feststellung. Dipl.Ing. Jörg M*** habe seine sich aus § 1168 a ABGB ergebende Warnpflicht verletzt. Die klagende Partei habe weder eine fremde Schuld bezahlt noch könne die beklagte Partei durch diese geleisteten Zahlungen als bereichert betrachtet werden. Die klagende Partei habe ihr Begehren zunächst darauf gestützt, daß die beklagte Partei die alleinige Haftung für den eingetretenen Schaden treffe und sie demnach durch Liquidierung der Schadenersatzansprüche der Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft mbH als Haftpflichtversicherer des Dipl.Ing. Jörg M*** eine Schuld der beklagten Partei bezahlt habe, sie könne daher unabhängig von der ebenfalls behaupteten Zession das Bezahlte zurückverlangen. In der Folge habe sie das Klagebegehren auch auf den Titel der Bereicherung gestützt. Einen Regreßanspruch nach § 1302 ABGB habe sie in erster Instanz nicht geltend gemacht. Das Vorbringen in der Rechtsrüge, wonach gemäß §§ 1302, 896 ABGB zumindest 50 % der Klagsforderung zuzusprechen gewesen wären, sei daher als Neuerung zu betrachten und unbeachtlich. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig. Es handelt sich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung, ob ein bestimmtes Begehren ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt wurde (EFSlg. 43.786); einer unrichtigen Lösung dieser Rechtsfrage ist zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung beizumessen (6 Ob 516/87). Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soferne sich der Kläger nicht unter Ausschluß aller anderen auf einen bestimmten Rechtsgrund festlegt, hat das Gericht den ihm vorgetragenen Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (SZ 50/136; JBl. 1962, 614 ua; zuletzt 6 Ob 516/87). Die klagende Partei hat sich in der Klage auf einen bestimmten Rechtsgrund nicht beschränkt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. Juli 1987 stützte sie ihr Begehren hilfsweise auf die Klagsgründe der Zahlung einer fremden Schuld und auf Bereicherung. Das Berufungsgericht hatte daher den ihm von den Parteien vorgetragenen und vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt in jeder Richtung rechtlich zu beurteilen. In dem Vorbringen, die beklagte Partei treffe die alleinige Haftung für den eingetretenen Schaden, liegt auch die Behauptung, sie habe den von ihr getragenem Schaden ihr zu ersetzen. Die Behauptung des Alleinverschuldens der klagenden Partei wiederum schließt auch die Einwendung ihres Mitverschuldens in sich (SZ 54/85; SZ 53/164 uva). Unbestritten ist, daß die klagende Partei als Haftpflichtversicherer des Dipl.Ing. Jörg M*** Zahlungen an den Geschädigten erbracht hat. Damit gingen gemäß § 67 VVG auf sie auch allfällige Rückgriffs-, Ausgleichs- sowie Bereicherungsansprüche ihres Versicherungsnehmers, für den sie den Schaden ersetzt hatte, über (ZVR 1985/7; SZ 52/91 uva; Huber in VersRdSch 1986, 322). Der klagenden Partei kann nicht gefolgt werden, daß ihr Versicherungsnehmer nicht gegen die ihm nach § 1168 a ABGB obliegende Warnpflicht verstoßen habe. Stoff im Sinne des § 1168 a ABGB ist alles, aus dem oder mit dessen Hilfe ein Werk herzustellen ist (WBl. 1988, 98; SZ 57/197 uva). Dazu zählen auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers, auf die der Werkunternehmer aufbauen muß (SZ 37/163 ua; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1168 a; Grillberger in Schwimann, ABGB, Rz 17 zu § 1168 a). Stellt der Vorunternehmer einen untauglichen Stoff für die Weiterbearbeitung zur Verfügung, trifft den Unternehmer daher die sich aus § 1168 a ABGB ergebende Warnpflicht gegenüber dem Besteller (vgl. SZ 37 163 ua; Iro, JBl. 1983, 513). Daß der Stoff untauglich war, war für die Leute des Dipl.Ing. Jörg M*** erkennbar. Dipl.Ing. Jörg M*** traf daher ein Verschulden an der Unterlassung der Warnung des Bestellers (des späteren Geschädigten) von der Untauglichkeit des verwendeten Stoffes. Unterläßt der Unternehmer die Warnung des Bestellers, hat er auch den weitergehenden Schaden zu ersetzen (WBl. 1988, 98; JBl. 1987, 662; WBl. 1987, 120; SZ 57/197 uva; Krejci aaO Rz 27; Grillberger aaO Rz 36).

Dem Geschädigten, der einen Mangelfolgeschaden erlitten hatte, war aber nicht nur Dipl.Ing. Jörg M***, sondern auch die beklagte Partei schadenersatzpflichtig. Haben mehrere Unternehmer in getrennten Werkverträgen demselben Besteller in aufeinanderfolgenden Teilleistungen ein Werk zu erbringen, hat jeder von ihnen alles zu vermeiden, was das Gelingen des Werkes vereiteln könnte (SZ 54/179 ua; zuletzt 3 Ob 526/88). Das Mißlingen des Werkes ist auch auf die Vorarbeiten der beklagten Partei zurückzuführen, die frisches Holz für die Streuschalung verwendete. Auch sie haftete daher solidarisch mit Dipl.Ing. Jörg M*** dem Werkbesteller für den eingetretenen Schaden (vgl. Iro aaO 514). Nach § 896 Satz 1 ABGB ist ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, der die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung von den übrigen Ersatz zu fordern. Die endgültige Haftung mehrerer nach § 1302 ABGB solidarisch haftender Schädiger bestimmt sich im Innenverhältnis nach den sie treffenden Verursachungs- und Verschuldensanteilen, also nach der Schwere der beim einzelnen Gesamtschuldner vorliegenden Zurechnungsmomente (ZVR 1987/74; JBl. 1983, 202; SZ 44/48 ua; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 896; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1302; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 3 zu § 896; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 25 zu § 1302; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 304). Die Verursachungs- und Verschuldensanteile der beklagten Partei überwiegen. Die beklagte Partei war es, die als Zimmerer im Rahmen des von ihr ausgeübten Gewerbes für die Errichtung der Streuschalung, von der ihr bekannt war, daß Heraklithplatten angebracht werden sollten, ungeeignetes Holz verwendete und derart die auslösende und damit überwiegende Ursache für den später eingetretenen Schadenserfolg setzte. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu ihrem Nachteil ist daher angemessen. Der klagenden Partei als Legalzessionarin des Dipl.Ing. Jörg M*** stehen daher zwei Drittel des von ihr geltend gemachten, der Höhe nach nicht bestrittenen Klagsbetrages zu.

In diesem Umfang ist der Revision teilweise Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 76.542,- samt Anhang stattgegeben wird.

Nach § 508 a Abs.2 ZPO ist, worauf die beklagte Partei auch hingewiesen wurde, die vom Obersten Gerichtshof freigestellte Beantwortung einer außerordentlichen Revision beim Revisionsgericht einzubringen. Die beklagte Partei brachte aber ihre Revisionsbeantwortung beim Erstgericht ein. Erst nach Ablauf der Notfrist von vier Wochen (§ 507 Abs.2 ZPO) langte dieser Schriftsatz beim Obersten Gerichtshof ein. Die Revisionsbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 43 Abs.1, 50 ZPO bzw. § 43 Abs.1 ZPO; für die Barauslagen wird dabei auf

§ 43 Abs.1 Schlußsatz ZPO Bedacht genommen.

Anmerkung

E16327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00705.88.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19881130_OGH0002_0010OB00705_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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