TE OGH 1988/12/13 4Ob631/88

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Veröffentlicht am 13.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

P*** Baumaschinen Gesellschaft mbH & Co, Eugendorf, Gewerbestraße 7, nunmehr: K*** Baumaschinen Gesellschaft m.b.H. & Co KG, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Kurt H***, Notar i.R., Innsbruck, Viktor-Dankl-Straße 4, vertreten durch Dr. Herbert Hillebrand und Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, sowie den Nebenintervenienten auf der Seite der beklagten Partei Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt, Innsbruck, Müllerstraße 3, wegen 92.956,57 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1988, GZ 1 R 123/88-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Jänner 1988, GZ 9 Cg 12/87-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Abweisung des Betrages von 66.894,87 S samt 12 % Zinsen aus 37.131,19 S seit 1. Juni 1985 und aus 33.731,68 S seit 1. Juni 1985 als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. II. Im übrigen - also hinsichtlich der Abweisung des Betrages von 26.061,70 S sA sowie im Kostenausspruch - werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben; in diesem Umfang wird die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Nebenintervenient, der schon seit 1978 oder 1979 mit dem Ehepaar Herbert und Anna S*** in Verbindung gestanden war, schlug diesem aus gewerberechtlichen Erwägungen die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor; Herbert S***, hatte nämlich, ohne eine Baumeistergewerbeberechtigung zu besitzen, ein Grabungsunternehmen betrieben. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sollte ein gewerberechtlich befähigter Geschäftsführer die Baumeisterkonzession beschaffen. Anna S*** wollte zunächst den Gesellschaftsvertrag mit ihrem Vater als Mehrheitsgesellschafter abschließen, überredete jedoch dann ihren Bruder Andreas F*** dazu und machte ihn dem Nebenintervenienten gegenüber namhaft. Dieser verfaßte einen Gesellschaftsvertrag und sandte ihn am 24. Jänner 1980 dem Ehepaar S*** zur Durchsicht zu. Das Begleitschreiben enthielt den Satz: "Sollten Sie bezüglich des Vertrages Fragen haben, so ersuche ich um Ihren Anruf in meiner Kanzlei". Am 4. März 1980 erschienen Anna S*** und ihr Bruder Andreas F*** gemeinsam in der Rechtsanwaltskanzlei des Nebenintervenienten, der damals Andreas F*** zum ersten Mal sah. Da der Nebenintervenient die Gesellschaftsgründung mit dem Ehepaar S*** schon ausführlich besprochen und ihnen zudem schon vorher den Gesellschaftsvertrag zugeschickt hatte, gab er keine weiteren Erklärungen über das Wesen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ab. Die "Unterhaltung" mit Anna S*** und Andreas F*** beschränkte sich im wesentlichen auf die Frage, ob alles klar sei und ob noch irgendwelche den Vertrag betreffenden Fragen oder Unklarheiten bestünden. Andreas F*** verhielt sich völlig unauffällig.

Der Nebenintervenient begab sich dann gemeinsam mit Anna S*** und Andreas F*** in das Notariat des Beklagten, der persönlich anwesend war. Der Beklagte las Anna S*** und Andreas F*** den vorbereiteten Gesellschaftsvertrag sowie den "Mantel" vor und fragte sie, ob alles klar sei und ob sie alles verstanden hätten, dann unterfertigten Anna S*** und Andreas F*** in seiner Gegenwart den Notariatsakt und den Gesellschaftsvertrag. Besondere Erklärungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrages und das Wesen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gab der Beklagte im Hinblick darauf nicht ab, daß keine Fragen gestellt wurden und er sich auf die ausreichende Klärung sämtlicher Probleme durch den Nebenintervenienten verließ, mit dem er in vielen Fällen bei Gesellschaftsverträgen zusammengearbeitet hatte. Andreas F*** leidet seit seiner Geburt an einem Schwachsinn im Ausmaß einer schweren Debilität. Seine geistigen Fähigkeiten reichen nicht aus, das Wesen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu verstehen. Seine Schwester hatte ihm nur gesagt, daß man eine Firma - und zwar eine Gesellschaft mbH - gründen wolle. Er solle unterschreiben, "damit das Kind einen Namen habe"; es passiere schon nichts, sie werde ja die ganzen Schulden übernehmen. Daß es um eine Firmengründung ging, war Andreas F*** wohl klar, nicht jedoch irgendwelche rechtlichen Details. Sein Schwachsinn ist von solcher Art, daß schon bei einem kurzen Gespräch - über ein beliebiges Thema - seine mangelnde Geschäftsfähigkeit für den Gesprächspartner erkennbar ist. Sein Schwachsinn ist so ausgeprägt, daß er in einem kürzeren Gespräch auch für einen Laien sichtbar wird. Andreas F*** macht optisch einen leicht beschränkten Eindruck; dieser Eindruck wird schwächer, wenn er seine Brille abnimmt. Am 4. März 1980 trug er im Notariat des Beklagten keine Brille.

Durch den am 4. März 1980 von Anna S*** und Andreas F*** vor dem Beklagten unterfertigten Gesellschaftsvertrag wurde die S*** Gesellschaft mbH gegründet. Gesellschafter waren Anna S*** mit einer Stammeinlage von 25.000 S und Andreas F*** mit einer Stammeinlage von 75.000 S; letzterer hat seine Stammeinlage nur zu 25 % eingezahlt.

Der Beklagte hatte auf Grund des Verhaltens Andreas F*** dessen Geschäftsunfähigkeit nicht erkannt; gezielte Fragen zur Ergründung des Geisteszustandes F*** stellte er daher nicht. Auch Andreas F*** fragte im Notariat des Beklagten nichts und sagte auch sonst - von Grußworten und kurzen Antworten wie "ja" und "nein" abgesehen - nichts. Den vorgelesenen Vertrag konnte Andreas F*** mit Sicherheit nicht verstehen; er wollte jedoch seiner Schwester gefällig sein und daher das tun, was von ihm erwartet wurde. Er vermittelte deshalb - sei es durch ein Kopf-Nicken oder ein "Ja" auf die Frage, ob er alles verstanden habe und ob alles klar sei - den Anschein, daß er den Vertrag verstanden habe und keine Einwände erhebe. Da sein Verhalten so unauffällig war, erkannten weder der Beklagte noch der Nebenintervenient die Behinderung Andreas F***. Weder die Zeit, die Andreas F*** für die Unterschriftsleistung benötigte, noch auch das Schriftbild waren - unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Andreas F*** als Gemeindearbeiter wenig schreibt - irgendwie auffällig; die Unterschrift konnte als diejenige einer voll geschäftsfähigen Person angesehen werden. Hätte sich der Beklagte nicht darauf beschränkt, den Vertrag vorzulesen, sondern eine rechtliche Erklärung des Wesens einer Gesellschaft mbH und der Haftung der Gesellschaft sowie der Gesellschafter gegeben, dann hätte sich Andreas F*** in gleicher Weise verhalten; er hätte also die Frage, ob ihm alles klar sei, auch dann bejaht. Auch in diesem Fall hätte er kein Verhalten gesetzt, aus dem seine Unzurechnungsfähigkeit für den Beklagten hätte erkennbar sein müssen.

Die Klägerin unterhielt Geschäftsbeziehungen mit der Firma S*** Gesellschaft mbH; sie hat daraus zumindest die vollstreckbare Forderung von 30.777 S samt Zinsen. Auch sind ihr Kosten aus der Prozeß- und Exekutionsführung gegen die S*** Gesellschaft mbH erwachsen. Nachdem ihr zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 30.777 S samt Anhang die Exekution durch Pfändung und Überweisung des der S*** Gesellschaft mbH gegen Andreas F*** als Drittschuldner zustehenden Forderung auf Einzahlung des noch ausstehenden Gesellschaftsanteiles bewilligt worden war, erhob sie beim Landesgericht Innsbruck die Drittschuldnerklage gegen Andreas F***. Diese wurde mit Urteil vom 3. Oktober 1984, 10 Cg 119/83-16, wegen der durch die mangelnde Geschäftsfähigkeit Andreas F*** begründeten Nichtigkeit des Notariatsaktes und des Gesellschaftsvertrages abgewiesen. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin vom Beklagten 92.596,30 S samt Anhang mit der Behauptung, dieser habe bei der Errichtung des Notariatsaktes vom 4. März 1980 seine Beratungs- und Belehrungspflicht verletzt. Bei pflichtgemäßem Vorgehen hätte ihm die Geschäftsunfähigkeit Andreas F*** auffallen müssen. In diesem Fall hätte er keinen Notariatsakt errichten dürfen, dann wäre die S*** Gesellschaft mbH rechtlich nicht entstanden und die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der Klägerin unterblieben. Bei Abschluß der einzelnen Rechtsgeschäfte mit der S*** Gesellschaft mbH sei die Klägerin davon ausgegangen, daß sie mit einer ordnungsgemäß errichteten, aus zwei geschäftsfähigen Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung kontrahiere und diese Gesellschaft gegen Andreas F*** den Anspruch auf Zahlung der restlichen Stammeinlage habe. Durch das rechtswidrige und schuldhafte Fehlverhalten des Beklagten seien der Klägerin Aufwendungen entstanden, die sonst unterblieben wären: Der Fakturenwert ihrer an die S*** Gesellschaft mbH erbrachten Leistungen betrage abzüglich eines 10 %igen Gewinnanteils und einer Teilzahlung 37.131,19 S; die Kosten

zweier - fruchtloser - Fahrnisexekutionen beliefen sich auf 3.204,40 S und 4.465,58 S; im Verfahren 10 Cg 119/83 des Landesgerichtes Innsbruck habe die Klägerin dem Prozeßgegner Andreas F*** 9.523,05 S, ihrem eigenen Anwalt 12.043,20 S und dem Sachverständigen 2.527 S zu zahlen gehabt; die Kosten der Vertretung der Klägerin im Entmündigungsverfahren L 1/84 des Bezirksgerichtes Kitzbühel betrügen 1.968,45 S; die Klägerin arbeite mit Bankkredit zu 12 % Zinsen; 12 % Zinsen aus 21.164,08 S vom 1. Juli 1982 bis 31. Mai 1985 beliefen sich auf 7.513,25 S und aus 37.131,19 S vom 9. März 1982 bis 31. Mai 1985 auf 14.580,18 S.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Für ihn sei eine Debilität Andreas F*** nicht erkennbar gewesen; er sei seiner Beratungs- und Belehrungspflicht als Notar nachgekommen. Die detaillierten Besprechnungen der Vertragspunkte hätten allerdings nicht in seiner Kanzlei, sondern in jener des Nebenintervenienten stattgefunden. Seine Haftung sei aber auch deshalb zu verneinen, weil die Klägerin die Lieferungen an die S*** Gesellschaft mbH unabhängig davon geleistet habe, ob diese in Andreas F*** einen geschäftsfähigen Gesellschafter gehabt habe oder nicht. Die finanziellen Nöte dieser Gesellschaft seien nicht vom Beklagten zu vertreten. Die Klägerin könne sich als Dritte nur auf ihr Vertrauen berufen, daß die Gesellschaft rechtlich existent sei, nicht aber, daß Andreas F*** wirksam Gesellschafter geworden sei und er zur vollen Einzahlung seiner Stammeinlage verpflichtet sei. Auch die Höhe der eingeklagten Forderung werde bestritten: Der Klägerin hätte auffallen müssen, daß es sinnlos sei, die S*** Gesellschaft mbH mit Exekutionen zu verfolgen; auch die Prozeßführung gegen Andreas F*** sei wegen dessen schlechter finanzieller Verhältnisse zwecklos gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich würdigte es den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt wie folgt:

Nach § 39 NO hafte der Notar den Parteien, wenn er die in der Notariatsordnung vorgeschriebenen Amtspflichten verletze. Aus § 34 Abs 2, § 52 NO ergebe sich die Verpflichtung des Notars zur Prüfung der persönlichen Fähigkeit der Parteien zum Abschluß eines bestimmten Rechtsgeschäftes; dabei genüge allerdings "eine Prüfung nach Möglichkeit". Die Durchführung eines eingehenden Verfahrens darüber, ob die Partei voll geschäftsfähig sei, werde nicht gefordert. Nur wenn Anzeichen einer mangelnden Geschäftsfähigkeit vorliegen, werde Vorsicht am Platze sein. Da Andreas F*** keine solche Anzeichen gezeigt habe, habe der Beklagte von dessen geistiger Gesundheit ausgehen können. Der Beklagte sei daher nicht verpflichtet gewesen, durch näheres Befragen das Verständnis zu prüfen. Er habe zwar seiner Pflicht zur Belehrung über das Wesen einer Gesellschaft mbH und die rechtlichen Folgen einer Gesellschaftsgründung nicht entsprochen; er hätte aber auch im Fall einer ordnungsgemäßen Belehrung - für die gleichfalls kein Gespräch mit den Parteien notwendig gewesen wäre - die mangelnde Geschäftsfähigkeit Andreas F*** nicht erkannt. Der Schaden der Klägerin wäre daher auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten eingetreten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Es fehle an einem schuldhaften und rechtswidrigen Verhalten des Beklagten, das ursächlich für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden wäre.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrer Berufung Folge gegeben (und damit das Ersturteil wiederhergestellt) werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil - soweit überblickbar - weder der Umfang der Prüfungspflicht des Notars nach § 52 NO noch auch die Frage, wessen Schutz diese Bestimmung dienen soll, bisher Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war; die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegen daher vor. Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Nach § 52 NO ist der Notar verpflichtet, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschluß des Geschäftes nach Möglichkeit zu erforschen, die Parteien über dessen Sinn und Folgen zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, daß dieser ihrem Willen entspreche. Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß der Beklagte im vorliegenden Fall diese Pflichten vernachlässig hat: Die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, daß ein Notar nur dann die Handlungsfähigkeit der Parteien zu prüfen habe, wenn Anzeichen mangelnder voller Geschäftsfähigkeit vorhanden sind, ist mit dem Wortlaut des § 52 NO nicht in Einklang zu bringen. Während es dem Notar nach § 34 Abs 2 NO nur untersagt ist, mit solchen Personen eine Amtshandlung vorzunehmen, von denen er weiß oder mit Grund annehmen muß, daß sie wegen Minderjährigkeit oder aus einem anderen Grund zu dem vorzunehmenden Rechtsgeschäft unfähig sind, trägt § 52 NO dem Notar die Prüfung der Geschäftsfähigkeit in jedem Fall auf; daß diese Prüfung nur "nach Möglichkeit" vorzunehmen ist, kann nur so verstanden werden, daß der Notar nicht zu einer eingehenden Untersuchung, womöglich unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Psychologie oder Psychiatrie, verpflichtet ist. Er muß aber, soll die gesetzliche Anordnung nicht inhaltsleer werden, die ihm mögliche und zumutbare Prüfung der Geschäftsfähigkeit vornehmen; dazu gehört aber in jedem Fall ein kurzes Gespräch mit jeder Partei. Daß er sich auch ein solches Gespräch unter besonderen Umständen - vor allem dann, wenn er die Partei persönlich kennt oder sonst unzweifelhafte Beweise für deren Geschäftsfähigkeit hat, - vielleicht ersparen kann, ist hier ohne Belang, weil der Beklagte Andreas F*** nicht gekannt hat; er hätte daher mit ihm sprechen müssen. Das war schon deshalb unentbehrlich, weil der Beklagte nicht als sicher voraussetzen konnte, daß Andreas F***, als dessen Beruf "Arbeiter" angegeben wurde (Beilage III) und der - auch ohne Brille - einen leicht beschränkten Eindruck machte, voll über den Zweck des Vertrages und das Wesen der damit zu gründenden Gesellschaft unterrichtet und im Klaren sein werde. Die Pflicht des Notars, in einer gemeinsamen persönlichen Vorbesprechung mit den Parteien deren Willen zu erforschen, sie zu belehren und zu beraten (Kostner, Handkommentar zur NO 187), hat der Beklagte demnach verletzt. Darauf, daß der Nebenintervenient als Rechtsanwalt die Vertragsparteien belehrt und auf Geschäftsfähigkeit untersucht haben werde, durfte sich der Beklagte nicht verlassen, müßte man doch sonst zu dem Ergebnis gelangen, daß in all den Fällen, in denen Anwälte den Vertrag errichtet haben, der vom Gesetz geforderte Notariatsakt ein leerer, nur mit Kosten verbundener Formalismus wäre. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Rechtsgeschäfte einen Notariatsakt verlangt, dann dient das dazu, den rechtsgeschäftlichen oder geschäftsähnlichen Willenserklärungen von Parteien eine besondere urkundliche Beweiskraft zu verleihen

(Koziol-Welser8 I 143). Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsgültigkeit von Verträgen, die ein Notar - insbesondere in Form eines Notariatsaktes - beurkundet hat, ist aber gerade im Hinblick auf § 52 NO gerechtfertigt, der dem Notar besondere Pflichten zur Prüfung aller Gültigkeitsvoraussetzungen auferlegt. Nach § 4 Abs 3 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag der Beurkundung durch einen Notariatsakt. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz jedes Gesellschafters durch die Beratungs- und Belehrungspflicht des Notars sowie den Schutz der Allgemeinheit durch die Form der öffentlichen Urkunde (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 9).

Aus dem Schutzzweck des § 52 NO in Verbindung mit jenen Vorschriften, die - wie insbesondere § 4 Abs 3 GmbHG - einen Notariatsakt vorsehen folgt, daß der Notar wegen Verletzung dieser Bestimmung nicht nur von den Vertragsparteien, sondern auch von jedem Dritten in Anspruch genommen werden kann, der im Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit des Notariatsaktes gehandelt und dabei einen Schaden erlitten hat (vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 152).

Hätte der Beklagte pflichtgemäß gehandelt, dann hätte er den Schwachsinn Andreas F*** entdeckt. Da er - nach seinem eigenen Vorbringen - in diesem Fall die Errichtung des Notariatsaktes über die Gesellschaftsgründung "selbstverständlich" verweigert hätte, wäre die S*** Gesellschaft mbH nicht gegründet und nicht in das Handelsregister eingetragen worden, also nicht entstanden (§ 2 GmbHG); jede geschäftliche Beziehung zwischen ihr und der Klägerin wäre somit notwenigerweise unterblieben. Das Verhalten des Beklagten war daher Bedingung für die Schäden, die der Klägerin aus der Geschäftsbeziehung zur S*** Gesellschaft mbH erwachsen sind, und damit - im Sinne der Äquivalenztheorie - für diese Schäden kausal. Ließe man aber jeden, der rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, für alle von ihm (mit-)verursachten Schäden haften, dann würde dies zu einer uferlosen Ausweitung der Schadenersatzpflichten führen; eine umfassende, grenzenlose Ersatzpflicht wird jedoch als unbillig und unzumutbar angesehen (Koziol aaO 140). Die Kausalität rechtswidrigen Verhaltens reicht daher für sich allein zur Haftungsbegründung nicht aus; nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist vielmehr nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (Koziol-Welser aaO 417 f;

Koziol aaO 152 ff, Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1295;

JBl 1986, 98 u.v.a.). § 52 NO dient dem Schutz der Allgemeinheit nur in ihrem Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit der durch einen Notariatsakt beurkundeten Rechtsgeschäfte. Der Dritte kann infolgedessen nur den Ersatz jenes Schadens verlangen, den er auf Grund dieses - enttäuschten - Vertrauens erlitten hat, nicht aber auch des aus anderen Gründen eingetretenen Schadens. Weder § 52 NO noch § 4 Abs 3 GmbHG dienen dem Zweck, künftige Gläubiger einer Gesellschaft mbH vor den Folgen einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, die mit dem vom Notar übersehenen Fehlen einer Gültigkeitsvoraussetzung in keinem Zusammenhang steht, zu schützen. Die wirtschaftliche Schwäche der S*** Gesellschaft mbH hat mit der geistigen Behinderung des Gesellschafters Andreas F***, der an der Geschäftsführung nicht beteiligt war, nichts zu tun. Für die durch die schlechte finanzielle Lage dieser Gesellschaft bedingten Schäden der Klägerin hat der Beklagte daher nicht aufzukommen. Die ihm als Notar bei der Errichtung des Notariatsaktes über die Gründung der S*** Gesellschaft mbH auferlegten Prüfungspflichten sollten die Klägerin nicht davor bewahren, daß sie das Entgelt für die der Gesellschaft erbrachten Leistungen nicht (voll) erhält und fruchtlos gegen sie Exekution führt. Da die Vorinstanzen demnach den Teil des Klagebegehrens, der auf den Ersatz der entgangenen Fakturenforderungen und der fruchtlos aufgewendeten Kosten von Fahrnisexekutionen gerichtet war, im Ergebnis zu Recht abgewiesen haben, war das angefochtene Urteil in diesem Umfang mit Teilurteil zu bestätigen. Das gilt auch für die Abweisung der kapitalisierten Zinsen (Pkt. 6.8 der Klage), weil diese nur aus solchen Beträgen verlangt wurden, die der Klägerin nicht zustehen, sowie den nur auf Grund eines Rechenfehlers begehrten Betrag von 0,27 S. Die Klageführung gegen Andreas F*** ist aber darauf zurückzuführen, daß die Klägerin auf die Rechtsgültigkeit des vom Beklagten errichteten Notariatsaktes vertraut hat; nur deshalb, weil dieser in Wahrheit nichtig war, hat sie den Prozeß verloren. Die der Klägerin dadurch entstandenen Schäden sind sohin vom Schutzzweck der übertretenen Norm sehr wohl umfaßt. Der Revision war deshalb, soweit sie sich gegen die Abweisung auch der Teilforderungen nach den Punkten 6.4 bis 6.6 der Klage richtet, Folge zu geben. Da die Vorinstanzen zu diesen Ansprüchen keine Feststellungen getroffen haben, war in diesem Umfang mit einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt - sowohl für das Teilurteil als auch für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - gründet sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO

Anmerkung

E16581

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00631.88.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19881213_OGH0002_0040OB00631_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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