TE OGH 1988/12/14 1Ob714/88

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Veröffentlicht am 14.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Kodek und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walther H*** Transport NDR Tolbod 12, 1259 Kopenhagen Dänemark, vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Rudolf K***, verstorben am 24. März 1987, Spediteur, Bruneckerstraße 12, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen dkr 36.454,50 (= am 6. Juni 1988 öS 67.367,92) sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6. Juni 1988, GZ 3 R 172/88-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Dezember 1987, GZ 8 Cg 91/86-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 17. Mai 1983 fuhr Henri M*** mit einem LKW der klagenden Partei, auf dem u.a. sieben Colli mit Maschinengütern für die J*** Werke bestimmt waren, von Dänemark in Richtung Österreich. Am 18. Mai 1983 kam er gegen Mittag zum Zollamt Kiefersfelden/Kufstein. Dort wandte er sich an das Büro der Firma Rudolf K*** die nun geklagte Verlassenschaft wird weiter als beklagte Partei bezeichnet), die im Rahmen einer mehr als zehnjährigen Geschäftsverbindung die Verzollung besorgen sollte. Der Angestellte der beklagten Partei Balthasar S*** erkannte nach Kontrolle der Frachtpapiere, daß die Verzollung nur im Rahmen einer Hausbeschau auf einem Parkplatz der beklagten Partei gegen 16.00 Uhr durchgeführt werden konnte. Weil die Ablieferung in Jenbach am selben Tag nicht mehr möglich war und zwei andere Colli zum Zwecke der Weiterbeförderung nach Innsbruck zur beklagten Partei zu führen waren, schlug Balthasar S*** dem Chauffeur der klagenden Partei Henri M*** vor, auch die sieben für die J*** Werke bestimmten Colli in Innsbruck bei der beklagten Partei abzuladen, um sie von dieser nach Jenbach transportieren zu lassen. Henri M*** holte fernmündlich bei der klagenden Partei entsprechende Weisungen ein und ging sodann auf diesen Vorschlag ein. Nach Abschluß der Verzollung fuhr er nach Innsbruck, wo alle neun für Österreich bestimmten Colli bei der beklagten Partei abgeladen wurden. Anschließend setzte er seine Fahrt bestimmungsgemäß nach Italien fort.

Für den Transport der sieben Colli durch die beklagte Partei von Innsbruck nach Jenbach wurde kein eigener Frachtbrief ausgestellt. Am 20. Mai 1983 beschädigten Leuten der beklagten Partei bei der Beladung des für Jenbach bestimmten LKWs einen Kompressor. Dieser wurde sodann von der beklagten Partei nach Dänemark zur Reparatur gebracht und sodann erneut zugestellt. Die Kosten der Reparatur betrugen dkr 25.654,50, die damit zusammenhängenden Transportkosten dkr 10.800. Die klagende Partei lehnte in der Folge die Bezahlung der über den Transport der sieben Colli von Innsbruck nach Jenbach von der beklagten Partei gelegten Rechnung unter Hinweis auf den entstandenen Transportschaden ab. Einer Aufforderung der beklagten Partei zur Bekanntgabe des Schadens entsprach die klagende Partei erst sechs bis sieben Monate später. Die beklagte Partei leitete sodann die ihr zugegangenen Unterlagen an ihre Versicherung weiter, welche allerdings die Bezahlung des Schadens wegen eingetretener Verjährung gemäß § 64 AÖSp ablehnte. Dies teilte die beklagte Partei der klagenden Partei auch mit. Im Zuge der zwischen den Streitteilen geführten Korrespondenz anerkannte die beklagte Partei den Anspruch der klagenden Partei nicht.

Mit der am 17. Mai 1984 erhobenen Klage begehrte die klagende Partei, die beklagte Partei zur Zahlung des von ihr verschuldeten, von der klagenden Partei ersetzten Schadens von dkr 36.454,50 sA zu verurteilen. Entgegen der Behauptung der beklagten Partei sei der Anspruch nicht verjährt, weil nicht die AÖSp zur Anwendung kämen, sondern die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) und die Klage innerhalb der in Art. 32 CMR normierten Jahresfrist erhoben worden sei. Die Anwendung der CMR sei im Frachtbrief vereinbart worden, ergebe sich aber auch daraus, daß für den vorliegenden Transport ein durchgehender Frachtbrief vom Übernahmeort in Dänemark bis zum Ablieferungsort in Jenbach vorliege, den die beklagte Partei als Unterfrachtführer der klagenden Partei mit den Frachtgütern übernommen habe; sie sei dadurch gemäß Art. 34 CMR in den Transportvertrag nach Maßgabe des durchgehenden Frachtbriefes eingetreten und daher der klagenden Partei regreßpflichtig.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Nach § 64 der für den nicht grenzüberschreitenden Inlandstransport von Innsbruck nach Jenbach schlüssig vereinbarten AÖSp sei der Anspruch verfristet, da die Anwendung der CMR weder vereinbart noch aus dem Frachtvertrag zwischen den Streitteilen zu folgern sei. Die beklagte Partei behauptete noch weitere aus der Anwendung der AÖSp abgeleitete Haftungsausschlüsse und -einschränkungen. Das Erstgericht wies das Klagebegehrens ab, weil nach § 64 der den zwischen den Streitteilen stillschweigend vereinbarten AÖSp der Klagsanspruch verjährt sei. Im Zeitpunkt der Klageerhebung sei die Frist von sechs Monaten nach Ablieferung des Gutes bereits abgelaufen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und erklärte die Revision für nicht zulässig. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die AÖSp von den Streitteilen schlüssig vereinbart worden seien und der Klagsanspruch gemäß § 64 AÖSp verjährt sei. Den in der Rechtsrüge der klagenden Partei behaupteten Feststellungsmangel über deren - auf die Anwendung der CMR abzielendes - Vorbringen, für den gegenständlichen Transport von Dänemark nach Österreich sei ein durchgehender Frachtbrief ausgestellt worden, welchen die beklagte Partei als ihr Unterfrachtführer zugleich mit dem Frachtgut in Innsbruck übernommen habe, erachtete das Berufungsgericht für unerheblich. Der Frachtbrief habe nicht die gemäß Art. 35 Z 1 CMR in diesem Fall vorgeschriebene datierte und unterzeichnete Empfangsbestätigung enthalten; die auf der Frachtbriefausfertigung mit 18. Mai 1983 datierte und offensichtlich von einem Angestellten der beklagten Partei unterfertigte Empfangsbestätigung enthalte keine Eintragung eines folgenden Frachtführers. Daß aber für den Inlandstransport von Innsbruck nach Jenbach kein Frachtbrief ausgestellt worden sei, falle dagegen nicht ins Gewicht, weil es sich bei der Bestimmung des § 426 HGB um eine Kannvorschrift handle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist berechtigt. Die Bestimmungen der Art. 34 ff CMR und damit auch die einjährige Verjährung von Rückgriffsansprüchen nach Art. 39 Abs.4, 32 CMR gelten nur, wenn ein sogenannter durchgehender Frachtbrief vorlag (SZ 58/122; SZ 58/6; SZ 57/75). Nach der Aktenlage hat die beklagte Partei, wie sie in der Revisionsbeantwortung auch nicht bestreitet, zumindest eine Ausfertigung des über die sieben für die J*** Werke bestimmten Colli ausgestellten CMR-Frachtbriefes (die von ihr vorgelegte Beilage ./3) mit der Bestätigung der Übernahme des Gutes vom 18. Mai 1983 übernommen. Der Frachtbrief (Beilagen ./C, 1 und 3) ist als durchgehender Frachtbrief im Sinne des Art. 34 CMR anzusehen, weil die Beförderung Gegenstand eines einzigen Vertrages zwischen dem Absender und dem ersten (Haupt-)Frachtführer, der klagenden Partei, über die Gesamtstrecke von Helsingör bis Jenbach war und die beklagte Partei in Innsbruck das Frachtgut und den Frachtbrief, von dem sie eine Ausfertigung selbst im Verfahren vorgelegt hat, angenommen hat (Heuer, Aufeinanderfolgende Frachtführer nach Art. 34 ff CMR, TranspR 1984, 169 ff; Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 167 ff; Precht-Endrigkeit, CMR-Handbuch3 123 f; Helm in GKzHGB3 § 452 Anh III, Art. 34 CMR Anm. 2, 3, und § 432 Anm. 21; Glöckner, Leitfaden zur CMR6, 207 f, Rz 1 und 2 zu Art. 34; BGH in TranspR 1984, 146). Der Unterfrachtführer wird durch die Übernahme des Gutes und des ursprünglich ausgestellten durchgehenden Frachtbriefes kraft Gesetzes zu den aus dem Frachtbrief hervorgehenden Bedingungen Partei des zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer abgeschlossenen Vertrages; es gelten dann die Bestimmungen der CMR auch für denjenigen Unterfrachtführer, dem lediglich der Transport über eine inländische Teilstrecke übertragen worden ist (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR 170; Decker, CMR 98 Anm. 143). Das gilt auch dann, wenn bei Abschluß des Beförderungsvertrages die Verwendung weiterer Frachtführer vielleicht noch gar nicht beabsichtigt war und ein solcher weiterer Frachtführer lediglich den Transport auf einer nationalen Strecke übernommen hat; auch in einem solchen Falle reicht die Übernahme des CMR-Frachtbriefes gleichzeitig mit dem Gut zur Unterwerfung der Beförderung unter die CMR aus, weil der Frachtbrief gemäß Art. 6 Abs.1 lit.k CMR die Angabe enthalten muß, daß die Beförderung der CMR unterliegt (Loewe, Europäisches Transportrecht 589 Anm. 275), eine Voraussetzung, die auch im gegenständlichen Fall erfüllt war. Ein Frachtführer, der unter diesen Voraussetzungen in der Kette der befördernden Frachtführer nur im nationalen Bereich eingeschaltet war, ist dann nicht berechtigt, sich auf die eventuell günstigeren Haftungsbestimmungen seines Landes zu berufen (Glöckner aaO 208 Rz 1 zu Art. 34 CMR).

Daß im vorliegenden Fall die beklagte Partei allenfalls entgegen Art. 35 Abs.1 CMR der klagenden Partei keine datierte und unterzeichnete Empfangsbestätigung ausgehändigt oder ihren Namen und die Anschrift nicht auf der zweiten - die Ware

begleitenden - Ausfertigung des Frachtbriefes eingetragen haben mag, ist entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ohne Belang, weil es sich bei Art. 35 CMR nur um eine der Beweissicherung im Verhältnis zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer dienende Ordnungsvorschrift handelt (Precht-Endrigkeit aaO Anm. 1 bis 4 zu Art. 35 CMR; Loewe aaO). Die Erfüllung der Formalerfordernisse der Art. 35 CMR wird auch in Art. 34 CMR nicht verlangt. Keinen Unterschied kann es machen, daß die beklagte Partei die Zustellung der sieben am 18. Mai 1983 vom Fahrer der klagenden Partei in Jenbach nicht mehr zustellbaren Colli an die J*** Werke von ihrem Lager in Innsbruck aus und nicht von einem rein geographisch noch vor oder in Jenbach gelegenen Zwischenlagerungsort aus bewerkstelligte, weil die Zustellung der Ware an den Empfänger als Teil der gesamten Beförderungsstrecke des durchgehenden CMR-Frachtbriefes anzusehen ist (vgl. Groth, CMR-Rechtsprechung 98 - Belgien 1), auch wenn sie aus technischen Gründen über einen Umweg erfolgen mußte.

Gelten aber zwischen der klagenden und beklagten Partei für den Transport des Frachtgutes von Innsbruck nach Jenbach die Bestimmungen der CMR, gilt auch die Regelung des Art. 39 Abs.4 erster Satz CMR, wonach auch für die Rückgriffsansprüche zwischen Frachtführern die Bestimmungen des Art. 32 CMR und damit die einjährige Verjährungsfrist gelten. Die Klage wurde dann rechtzeitig eingebracht.

Erweist sich damit aber die Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung als nicht berechtigt, bedarf es einer Fortsetzung des Verfahrens in erster Instanz zur sachlichen Prüfung des Klagsanspruches.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E15904

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00714.88.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19881214_OGH0002_0010OB00714_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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