TE OGH 1988/12/14 9ObA256/88

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Veröffentlicht am 14.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Dr.Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angela S***, Diplomkrankenschwester, Graz, Feldgasse 8, vertreten durch Dr.Harold Schmid und Dr.Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei L*** S***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr.Josef K***, Graz-Burg, dieser vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz wegen S 22.613,28 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.August 1988, GZ 8 Ra 52/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Feber 1988, GZ 36 Cga 8/88-8, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.482,56 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 452,96 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist im Landessonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Graz als Diplomkrankenschwester beschäftigt. Am 11.1.1987 wurden von Bediensteten dieses Krankenhauses bei der Patientin Theresia L*** Verletzungen festgestellt, nämlich ein großes Hämatom unter dem rechten Auge und eine Schwellung des Zeige- und Mittelfingers der linken Hand sowie der Oberlippe. Die Patientin gab nach längerem Befragen an, daß sie von der Klägerin mit einem Löffel ins Gesicht geschlagen worden sei. Von wo die Verletzungen an den Fingern herführen, wollte die Patientin nicht sagen. Die Klägerin wurde daraufhin am 13.1.1988 vom ärztlichen Leiter des Krankenhauses Prim.Dr.F***, im Beisein des Pflegedienstleiters Josef Z*** und des Betriebsratsvorsitzendenstellvertreters Manfred W*** zu diesem Vorfall befragt, worüber eine Niederschrift aufgenommen wurde. Darin wurde festgehalten, daß die Klägerin zugegeben habe, der Patientin "mit dem Löffel auf's Hirn geschlagen" zu haben. Die Klägerin hat jedoch bei dieser Aussprache erklärend hinzugefügt, daß sie bereits vor längerer Zeit einmal die Patientin L*** mit dem Löffel auf den Kopf geschlagen habe; mit dem gegenständlichen Vorfall habe sie nichts zu tun. Dies wurde aber in der Niederschrift nicht aufgenommen. Gegen die Klägerin wurde wegen dieses Vorfalls ein Strafverfahren eingeleitet, das aber in der Folge gemäß § 90 StPO eingestellt wurde. Wegen der Einstellung des Strafverfahrens wurde von einer Entlassung der Klägerin Abstand genommen; es wurde jedoch eine Ermahnung ausgesprochen und verfügt, daß die Klägerin nur mehr zum Tagdienst eingeteilt werde, wo sie nicht wie beim Nachtdienst allein den Dienst verrichtet. Die Klägerin hat dann in der Folge vom 12.1.1987 bis 18.7.1987 keinen Dienst verrichtet; sie konsumierte in dieser Zeit ihren Gebührenurlaub und befand sich längere Zeit im Krankenstand. Die Diensteinteilung im Landessonderkrankenhaus wird durch die Pflegedienstleitung durchgeführt, wobei fachliche und gesundheitliche Kriterien für die Einteilung ausschlaggebend sind. Die für Nacht- und Bereitschaftsdienst zustehenden Zulagen werden nur bei tatsächlich geleisteten Diensten gezahlt und werden auch bei Bemessung des Urlaubsentgeltes nicht berücksichtigt. In der Dienstordnung für die Bediensteten der Krankenanstalten des Landes S***, - sie findet mit Ausnahme von Ärzten, Apothekern und Verwaltungspersonal auf Personen Anwendung, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land S*** stehen (Vertragsbedienstete) und in einer Landeskrankenanstalt oder einer sonstigen im § 1 der Dienstordnung genannten Anstalt des Landes S*** verwendet werden - wird bezüglich Mehrdienstleistungen im § 10 bestimmt, daß den Vertragsbediensteten des Entlohnungsschemas I - dazu gehören unter anderem psychiatrische Krankenschwestern - Mehrdienstleistungen analog den Bestimmungen des § 20 Vertragsbedienstetengesetz 1948 abgegolten werden, soweit Freizeitausgleich nicht gewährt wird. Im Rahmen dieser Mehrdienstleistungen gilt als Bereitschaftsdienst jede Dienstzeit, während welcher sich der Vertragsbedienstete innerhalb des Anstaltsbereiches aufzuhalten hat und die Möglichkeit zum Ruhen besteht. Für Nebengebühren gelten die Bestimmungen der Nebengebührenvorschrift in Anlage 2 der Dienstordnung, soweit sich nicht Ansprüche aus § 22 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 ergeben. Gemäß dieser Anlage 2 werden unter anderem Nachtdienst und Bereitschaftsdienstzulagen gewährt. Eine Nachtdienstzulage gebührt für die in die Nachtzeit, d.i. in die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr fallenden Dienstleistungen. Als im Nachtdienst verbracht gilt jene Dienstzeit, während welcher der Vertragsbedienstete den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz nicht verlassen darf und es ihm auch nicht gestattet ist, sich zur Ruhe zu begeben. Eine Bereitschaftsdienstzulage gebührt dem zum Bereitschaftsdienst im Sinne des § 10 Abs 4 der Dienstordnung während der Nachtzeit eingeteilten Vertragsbediensteten für jeden tatsächlich geleisteten Nachtbereitschaftsdienst. Nach § 18 der Dienstordnung betreffend Vereinbarungen zwischen dem Dienstgeber und der zuständigen Vertretung der Dienstnehmer hat diese Vertretung unter anderem bei der Erstellung der Diensteinteilung mitzuwirken.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von S 22.163,28 sA. Dieser Betrag, der ihr für den Zeitraum ab 9.1.1987 bei geleisteten Nachtdiensten bzw Bereitschaftsdiensten zugestanden wäre, sei ihr vorenthalten worden, da sie im genannten Zeitraum lediglich zum Tagdienst eingeteilt gewesen sei, obwohl ansonsten alle beim Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Graz beschäftigten Dienstnehmer die Möglichkeit und Verpflichtung hätten, Nachtdienste bzw Bereitschaftsdienst zu leisten. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe daher auch die Klägerin Anspruch auf Leistung dieser Dienste.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin sei wegen des Vorfalls vom 10.1.1987 nur mehr zum Tagdienst eingeteilt worden. Die Einteilung der Nacht- und Bereitschaftsdienste sei allein dem Dienstgeber überlassen. Ein Anspruch des Bediensteten auf Leistung dieser Dienste bestehe nicht. Da die Klägerin im klagsgegenständlichen Zeitraum keine derartigen Dienste verrichtet habe, habe sie auch keinen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zulagen.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Weder aus der auf die Klägerin anzuwendenden Dienstordnung für die Bediensteten der Krankenanstalten des Landes S*** noch aus dem subsidiär geltenden Vertragsbedienstetengesetz 1948 lasse sich ein Anspruch der Klägerin auf Leistung von Nacht- bzw Bereitschaftsdiensten ableiten. Die Klägerin habe solche Dienste unbestritten nicht verrichtet. Die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht berechtigt, da die Einteilung der Dienste allein dem Dienstgeber unter Mitwirkung der Dienstgebervertretung obliege und auch hieraus ein Rechtsanspruch auf Leistung dieser Dienste nicht abgeleitet werden könne.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Gemäß § 101 ArbVG bedürfe die dauernde Einreihung eines Dienstnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Belegschaftsorgans, wenn mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes eine Verschlechterung der Entgelt- und/oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden sei. Als "Arbeitsplatz" sei in diesem Zusammenhang die Gesamtheit der Rechte und Pflichten zu verstehen, die aus dem Arbeitsverhältnis entspringen. Jede nachhaltige Veränderung in dieser Beziehung falle daher unter diese Mitbestimmungsregelung. Durch die Unterlassung der Einteilung der Klägerin zum Nacht- und Bereitschaftsdienst sei eine wesentliche Änderung des Tätigkeitsbereiches der Klägerin und der für sie geltenden Arbeitszeiteinteilung eingetreten, die eine Verschlechterung der Entgeltbedingungen mit sich gebracht habe, zumal die Nacht- und Bereitschaftsdienstzulagen Entgeltcharakter haben. Gemäß § 101 ArbVG sei aber jeder vor der Erteilung der Zustimmung des Betriebsrates oder des Gerichtes durchgeführter Arbeitsplatzwechsel rechtsunwirksam. Auch wenn die Versetzung im Einzelfall durch noch so wichtige Gründe gerechtfertigt sei, müsse die zwingende Bestimmung des § 101 ArbVG eingehalten werden. Liege diese Voraussetzung nicht vor, dann bestehe ungeachtet der Änderung der Verwendung ein Anspruch des Dienstnehmers auf Entlohnung nach seiner bisherigen Tätigkeit. Das Erstgericht habe eine Prüfung der Frage, ob die Vorgangsweise der Beklagten - Änderung der Diensteinteilung - rechtswirksam gewesen sei, unterlassen. Es sei daher ergänzend zu prüfen und festzustellen, ob eine Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung der Klägerin im Sinn des § 101 ArbVG vorliege.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Auffassung der beklagten Partei, das Begehren sei schon deshalb abzuweisen, weil die Klägerin während des ganzen klagsgegenständlichen Zeitraumes tatsächlich keine Dienstleistung erbracht habe, ist jedoch nicht zutreffend. Die Klägerin, die in der Klage wohl nur den Zeitraum vom 9.Jänner 1987 bis 30.Juni 1987 als streitverfangen bezeichnet hatte, wurde in der Folge vom Erstgericht zur Aufschlüsselung des Klagebegehrens aufgefordert. Sie erstattete hiezu den Schriftsatz vom 25.Februar 1988 (ON 9), mit dem eine Aufstellung der begehrten, auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Beträge vorgelegt wurde. Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß der Zeitraum, für den die klagsgegenständliche Forderung geltend gemacht wird, bis in den Monat September 1987 hineinreicht und daher über den Zeitpunkt hinausreicht, bis zu dem die Klägerin nach den Feststellungen (zufolge Urlaubs und Krankheit) eine Dienstleistung nicht erbracht hat.

Im übrigen ist aber der Rekurs im Ergebnis berechtigt. Der Verhandlungsgrundsatz (Parteienmaxime, Beibringungsgrundsatz) überläßt es ausschließlich den Parteien, die zur Durchsetzung oder Abwehr der Sachanträge erforderlichen Behauptungen selbst aufzustellen und die Beweise dafür anzubieten. Der Richter kann nur in dem dadurch von den Parteien gesteckten Rahmen tätig werden (Fasching ZPR RZ 639).

Die Klägerin hat die Zahlung eines Betrages von S 22.163,28 mit der Behauptung begehrt, daß ihr dieser Betrag für die ab 9.Jänner 1987 zu leistenden Nacht- und Bereitschaftsdienste zugestanden wäre. Dieser Betrag sei ihr vorenthalten worden, da sie in dieser Zeit lediglich zum Nachtdienst eingeteilt gewesen sei; dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nur im Rahmen dieses Vorbringens war das Begehren zu prüfen. Die Frage, ob die nunmehr ausschließliche Verwendung der Klägerin im Tagdienst die Voraussetzungen einer Versetzung iS des § 101 ArbVG erfüllt - dies könnte im Hinblick darauf, daß bei inhaltlich und örtlich gleichbleibender Tätigkeit nur eine Änderung der Arbeitszeit durch Wegfall des Nachtdienstes erfolgte, zumindest zweifelhaft sein - kann unerörtert bleiben. Die Klägerin hat nämlich ihr Begehren auf eine rechtsunwirksame Versetzung nicht gestützt und hat auch kein Vorbringen in der Richtung des Fehlens einer notwendigen Zustimmung des Betriebsrates erstattet. Der Beschluß des Berufungsgerichtes, das seine aufhebende Entscheidung darauf gründete, daß die Klärung der Frage der Rechtswirksamkeit einer von ihm angenommenen zustimmungsbedürftigen Versetzung ergänzender Feststellungen bedürfe, geht damit über den durch die Prozeßbehauptungen gezogenen Rahmen hinaus. Da jedes Vorbringen in dieser Richtung fehlt, bedarf es auch keiner Feststellungen hiezu. Im übrigen hat gemäß § 18 der Dienstordnung die zuständige Vertretung der Dienstnehmer bei der Diensteinteilung mitzuwirken. Dafür, daß dies nicht der Fall gewesen wäre oder daß die Vertretung der Dienstnehmer einer Verwendung der Klägerin ausschließlich im Tagdienst widersprochen hätte, fehlt jeder Anhaltspunkt; ein Vorbringen in dieser Richtung wurde ebenfalls nicht erstattet.

Die Klägerin hat sich zur Begründung ihres Begehrens "auch" auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt; ein anderer Rechtsgrund wurde weder ausdrücklich geltend gemacht noch kann ein solcher aus den Prozeßbehauptungen abgeleitet werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, daß ein Arbeitnehmer nicht willkürlich oder aus sachfremden Gründen schlechtergestellt werden darf als die übrigen Arbeitnehmer unter den gleichen Voraussetzungen (Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht, 224;

Spielbüchler-Floretta-Strasser, Arbeitsrecht I3, 240). Von einer willkürlichen Vorgangsweise der beklagten Partei kann aber hier keine Rede sein. Feststeht, daß die Klägerin während eines Nachtdienstes eine Patientin mit einem Löffel auf den Kopf geschlagen hat. Wenn auch nicht erwiesen ist, daß sich dieser Vorfall am 10.Jänner 1987 ereignete, so gestand doch die Klägerin selbst zu, die Patientin einige Zeit davor auf diese besonders verwerfliche Weise mißhandelt zu haben. Daß die Klägerin unter diesen Umständen nicht mehr zum Nachtdienst eingeteilt wurde, wo sie allein und unbeaufsichtigt Dienst zu verrichten hat, war keineswegs willkürlich, sondern vielmehr sachlich durchaus gerechtfertigt. Da die Zulage nur im Fall der tatsächlichen Verrichtung von Nacht- oder Bereitschaftsdienst zusteht, die Klägerin aber solche Dienste nicht verrichtet hat, besteht das Klagebegehren nicht zu Recht. Die Sache ist daher im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes spruchreif (§ 519 Abs 2 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E16074

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00256.88.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19881214_OGH0002_009OBA00256_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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