TE OGH 1988/12/15 8Ob687/88

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Veröffentlicht am 15.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Dr.Bernhard E***, geboren am 2.Mai 1942, Hofrat i.R., Testarellogasse 6/9, 1130 Wien, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. September 1988, GZ 44 R 119/88-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 6.Juni 1988, GZ 2 SW 25/87-58, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs (ON 76, AS 197 f, ON 78) wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem Beschluß ON 58 vom 6.Juni 1988 bestellte das Erstgericht nach der im Sinne des § 237 Abs. 1 AußStrG erfolgten Anhörung des Betroffenen Dr.Bernhard E*** mangels eines gesetzlichen oder selbstgewählten Vertreters des Genannten gemäß § 238 Abs. 1 und Abs. 2 AußStrG die Rechtsanwältin Dr.Ingrid R*** zu dessen einstweiligen Sachwalterin für das Verfahren sowie zu seiner Vertretung vor Behörden und Gerichten udgl und ordnete die Untersuchung des Betroffenen durch einen Sachverständigen der Psychiatrie und Neurologie an. Es stellte fest, daß sich der Betroffene seit dem Jahre 1979 immer wieder zur psychiatrischen Behandlung in Krankenhäusern befand, wobei die Diagnose auf eine Erkrankung des schizophrenen Formenkreises bzw. eine paranoide Schizophrenie lautete. Wegen der beruflichen Schwierigkeiten des Betroffenen an seiner Dienststelle wurde ein Pensionierungsverfahren eingeleitet, in dessen Zuge der medizinische Sachverständige laut Gutachten vom 4.Dezember 1985 ein manischdysphorisches Zustandsbild mit paranoiden Ideen feststellte. Über eigenes Ansuchen wurde der Betroffene mit 30.Juni 1986 in den Ruhestand versetzt. Seither leitete er bei Gerichten und Behörden eine Vielzahl von Verfahren ein, welche alle im Zusammenhang mit seiner bisherigen psychischen Behandlung und Pensionierung stehen. Auf Grund seiner verminderten Kritik- und Urteilsfähigkeit ist er nicht in der Lage, die Frage der Durchsetzbarkeit seiner behaupteten Ansprüche richtig zu beurteilen und es besteht die Gefahr, daß er sich durch verfehlte Prozeßführungen selbst in den finanziellen Ruin treibt. Bei diesem Sachverhalt hielt es das Erstgericht für erforderlich, das Verfahren zwecks Klärung der Frage, ob für den Betroffenen ein Sachwalter zu bestellen ist, fortzusetzen und eine Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen anzuordnen sowie für die einstweilige Vertretung des Betroffenen vor Ämtern und Gerichten zu sorgen. Gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhob der Betroffene Rekurs, welchem das Rekursgericht mit seinem Beschluß ON 70 teilweise nicht Folge gab und den es teilweise zurückwies. Es ging davon aus, daß für den Betroffenen mangels wirksamer Bestellung eines selbstgewählten Vertreters ein einstweiliger Vertreter für das Verfahren und für die vom Erstgericht genannten dringenden Angelegenheiten zu bestellen sei, weil aus dem bisher festgestellten Sachverhalt klar hervorgehe, daß die Fähigkeit des Betroffenen zur richtigen Einschätzung eines Sachverhaltes und zu folgerichtigem Handeln ganz erheblich beeinträchtigt erscheine, sodaß die Gefahr von Nachteilen im Sinne des § 273 Abs. 1 ABGB bestehe. Im Hinblick auf diese zu befürchtenden Nachteile müsse die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters im fortgesetzten Verfahren überprüft und für die Vertretung des Betroffenen im Verfahren (§ 238 Abs. 1 AußStrG) sowie auch vor Ämtern und Gerichten gesorgt werden, weil dies hinsichtlich der Verfolgung von Ansprüchen das Wohl des Betroffenen erfordere (§ 238 Abs. 2 AußStrG). In diesem Umfang sei dem Rekurs des Betroffenen somit nicht Folge zu geben, im übrigen sei das Rechtsmittel unzulässig, weil die Beschlußfassung über die Beweisführung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 239 Abs. 1 AußStrG, § 366 Abs. 1 ZPO unanfechtbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß ON 70, zugestellt durch Hinterlegung am 27.September 1988 (ON 71), erhob der Betroffene am 12. Oktober 1988 den Rekurs ON 76, AS 197 f, in welchem keinerlei rechtserhebliche Ausführungen enthalten sind. Am 19.Oktober 1988 stellte er einen Wiedereinsetzungsantrag (ON 78), nach dessen Begründung der Betroffene zufolge eines Autodefektes und somit eines unvorhergesehenen Ereignisses erst am 12.Oktober 1988 von einem am 26. September 1988 angetretenen Auslandsurlaub rückgekehrt, die Hinterlegungsanzeige vorgefunden und den vorgenannten Rekurs "sogleich zur Fristwahrung, aber mit gewissen Mängeln" eingebracht habe. Da er solcherart an der Wahrung der 14-tägigen Rekursfrist unvorhergesehen verhindert gewesen sei, erhebe er nunmehr einen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung geeigneten Rekurs. In diesem wird der Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußStrG geltend gemacht und dahin ausgeführt, daß zwischen dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Beschlusses ein unlösbarer Widerspruch bestehe, da nach der Begründung lediglich "ein einstweiliger Sachwalter für das Verfahren zu bestellen gewesen wäre". Selbst für eine derartige Bestellung seien aber keine konkreten Umstände angeführt worden, sodaß auch diese sehr einschneidende Maßnahme nicht gerechtfertigt erscheine. Das Erstgericht stellte nach Durchführung von Erhebungen mit seinem Beschluß ON 85 fest, daß die am 27.September 1988 erfolgte Hinterlegung des rekursgerichtlichen Beschlusses ON 70 wegen des Auslandsaufenthaltes des Betroffenen den Bestimmungen des Zustellgesetzes widersprach und daher unwirksam war, sodaß der am Tage nach der am 11.Oktober 1988 erfolgten Rückkehr des Betroffenen und Abholung des hinterlegten Beschlusses eingebrachte Revisionsrekurs vom 12.Oktober 1988 jedenfalls rechtzeitig sei. Ausgehend von dieser für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellung des am Hinterlegungstage gegebenen Auslandaufenthaltes des Betroffenen und seiner Rückkehr an seinen Wohnort erst am 11. Oktober 1988 wurde der Revisionsrekurs vom 19.Oktober 1988 somit innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden 14-tägigen Rekursfrist des § 14 AußStrG und daher rechtzeitig eingebracht. Nach der ständigen Rechtsprechung gilt zwar auch im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, jedoch wird es für zulässig erachtet, innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist Ergänzungen und Nachträge einzubringen, dies insbesondere dann, wenn der zunächst eingebrachte Schriftsatz noch gar keine ordnungsgemäße und wirksame Ausführung des Rechtsmittels darstellte (so 5 Ob 694/80, 7 Ob 692/87). Dies ist hier der Fall. Da die Bestimmung des § 16 AußStrG auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen gilt (Ö. Amtsvormund 1986, 53; NZ 1986, 71; NZ 1987, 95 u.a.) ist der bestätigende rekursgerichtliche Beschluß ON 70 nur aus den in der vorgenannten Gesetzesstelle taxativ aufgezählten Beschwerdegründen anfechtbar. Einen derartigen Beschwerdegrund, und zwar jenen der offenbaren Gesetzwidrigkeit, hat der Betroffene, wie bereits ausgeführt, erst in seinem Schriftsatz vom 19.Oktober 1988 geltend gemacht. Dieser Schriftsatz ist daher als Revisionsrekurs zu behandeln. Er ist aber mangels Vorliegens des behaupteten (oder eines anderen in § 16 AußStrG genannten) Beschwerdegrundes unzulässig:

Im Spruche des angefochtenen Beschlusses wird Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses, daß ist die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs. 1 und § 238 Abs. 2 AußStrG, bestätigt. Entgegen der Behauptung des Rechtsmittelwerbers wird aber auch in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht nur die Bestellung des einstweiligen Sachwalters für das Verfahren (§ 238 Abs. 1 AußStrG) dargelegt, sondern auf Seite 5 ausdrücklich auf den aus dem Akteninhalt hervorgehenden Sachverhalt und die erhebliche Beeinträchtigung des Betroffenen in seiner Fähigkeit zu folgerichtigem prozessualen Handeln verwiesen und ausgeführt, daß das Gericht dem Betroffenen gemäß § 238 Abs. 2 AußStrG für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten zu bestellen hat, wenn das Wohl des Betroffenen dies erfordert.

Somit liegt aber weder der im § 16 AußStrG genannte Beschwerdegrund der aus der analogen Anwendung des § 477 Z 9 ZPO hervorgehenden Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses wegen Widerspruches der Entscheidung in sich selbst oder wegen Fehlens jeglicher Begründung noch jener der offenbaren Gesetzwidrigkeit vor. Die Frage, ob im Sinne des § 238 AußStrG begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen vorliegen und ob es gemäß § 238 Abs. 2 AußStrG das Wohl des Betroffenen erfordert, daß ihm das Gericht zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter bestellt, ist im Gesetz nicht geregelt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kommt daher von vornherein nicht in Betracht (6 Ob 581,582/85, 1 Ob 502/86, 8 Ob 502/87 u.a.). Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E16283

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00687.88.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19881215_OGH0002_0080OB00687_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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