Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl M*** wegen des Verbrechens nach §§ 146 ff. StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 2. September 1988, GZ 35 Vr 1408/88-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Stanonik zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den beiderseitigen Berufungen wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 29.April 1949 geborene Fleischhauermeister Karl M*** ist der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB (1) und der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12, zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Tamsweg von 1978 bis zum 13.Mai 1987 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Bediensteten der Marktgemeinde Tamsweg, welche den Nutzwasserverbrauch seines Anwesens aus der Ortswasserleitung der Gemeinde festzustellen und nachfolgend die Wassergebühren zu berechnen hatten, zu einer niedrigeren Feststellung des Verbrauchs und demzufolge zur niedrigeren Vorschreibung von Wassergebühren verleitet, indem er durch Einbau und fallweise Benützung einer Umgehungsleitung Wasser nicht über den Wasserzähler entnommen hat, wodurch die Marktgemeinde Tamsweg um insgesamt 185.443,71 S geschädigt und wobei der Betrug gewerbsmäßig begangen worden ist (1); ferner hat er im Frühjahr 1987 die Bediensteten der Gemeinde Tamsweg Johann B*** und Johann T*** unmittelbar nach der Entdeckung dieser Manipulation durch das Angebot, ihnen künftig pro Ablesung fortlaufend ein Schweigegeld von 500 S zu bezahlen, den Johann B*** überdies durch ein einmaliges Schweigegeld von 25.000 S zu bestimmen getrachtet, den Vorfall zu verschweigen und künftig zu tolerieren, sohin als Beamte vorsätzlich ihre Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen (2).
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO an.
Die Verfahrensrüge (Z. 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrags, das Protokoll über die Sitzung der Gemeindevorstehung am 14. März 1988 sowie die Ausschreibung dieser Sitzung zum Beweis dafür beizuschaffen, daß in dieser Sitzung über das Angebot des Angeklagten, 50.000 S zu zahlen, gesprochen worden sei und sich der Bürgermeister R*** dafür verwendet habe bzw. "ob aus diesem Protokoll hervorgeht, daß eine Einigung zwischen dem Bürgermeister und M*** stattgefunden hat" (S. 100). Der Senat hat diese Beweiserhebung abgelehnt, weil nach der Aktenlage (konkret gemeint: nach der Aussage des Zeugen R*** S. 99) das Protokoll keine Informationen enthalte, die tätige Reue annehmen ließen (S. 100 und 145).
In diesem Vorgang liegt weder eine vorgreifende Beweiswürdigung noch eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes; denn ob das Angebot auf Zahlung von 50.000 S zur teilweisen Gutmachung des Schadens in der Sitzung erörtert wurde, was das Gericht ohnehin als erwiesen ansah (S. 137), ist unerheblich, weil es nur auf eine Verpflichtung des Täters zur Schadensgutmachung im Sinn des § 167 Abs 2 StGB ankäme. Daß sich aber - den Aussagen der Zeugen R*** und Alois T*** zuwider (S. 96 und 93) - aus dem Protokoll eine Einigung zwischen dem Bürgermeister und dem Angeklagten über eine vergleichsweise Bereinigung des Schadens ergeben hätte, vermag der Angeklagte selbst nicht zu behaupten; hat er doch schon nach der Formulierung seinen Antrag auf einen - prozessual
unzulässigen - Erkundungsbeweis ("ob ... hervorgeht") gerichtet. Im übrigen hätte eine Vereinbarung nach § 167 Abs 2 Z. 2 StGB die Verpflichtung des Beschwerdeführers erfordert, den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden binnen einer bestimmten Zeit abzudecken. Das Angebot einer Art Abschlagszahlung von 50.000 S bewirkte selbst dann nicht tätige Reue, wenn der Bürgermeister dieses Angebot aus welchen Gründen immer angenommen und damit - amtsmißbräuchlich - von der Einbringung der darüber hinaus geschuldeten Beträge abgesehen hätte. Ein Verzicht des Geschädigten ist zugunsten des Täters nämlich nur dann nach § 167 StGB zu berücksichtigen, wenn letzterer die Gutmachung des ganzen Schadens angeboten hat und auf den angebotenen Ersatzbetrag - ganz oder teilweise - gleichsam schenkungsweise verzichtet wurde (siehe EvBl 1984/128 = JBl 1984, 564 = LSK. 1984/66). Derartiges hat aber der Beschwerdeführer nicht behauptet.
Die Mängelrüge (Z. 5) erhebt Einwendungen gegen die Richtigkeit der - auf Grund eines vom Angeklagten unbekämpft gelassenen Bescheids der Marktgemeinde Tamsweg (S. 105 ff.) - festgestellten Schadenshöhe von 185.443,71 S. Indes stellt diese nur dann eine entscheidende Tatsache (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO) dar, wenn sie eine Wertqualifikation (§ 147 Abs 2 StGB) tangiert; das aber ist auch der Beschwerde nach hier nicht der Fall.
Im übrigen beruhen die Einwände des Nichtigkeitswerbers teils auf einer mißverständlichen Interpretation der Aussage des Zeugen Alois T***, der Verbrauch sei niedriger geworden, was im Vergleich mit dem Verbrauch des Vorjahrs (1977) zu verstehen ist und einzelnen Beobachtungen am Zählerstand keineswegs widerspricht (S. 90 und 91); teils sind diese Einwände auf eine evident mißverständlich protokollierte Aussage des Zeugen zurückzuführen, der nur zum Ausdruck brachte, daß zwischen 1979 und 1984 Zählermanipulationen nicht auffielen. Angesichts der unbestrittenen Tatsache des Einbaus einer Umgehungsleitung ist auch nicht verständlich, weshalb es einen Begründungsmangel darstellen soll, daß die ursprüngliche Vermutung der Gemeindebediensteten, der Zähler sei defekt, nicht weiter erörtert wurde. Die Feststellung des Beginns der Tatzeit gründet sich denkrichtig auf einen ersten, dem tatsächlichen Verbrauch widersprechenden Zählerstand. In der Tatsachenrüge (Z. 5 a) wendet sich der Nichtigkeitswerber gegen die eine angebliche Absprache der Schadensgutmachung zwischen ihm und dem Bürgermeister betreffenden Konstatierungen. Abgesehen von der mangelnden Eignung dieser Ausführungen, Bedenken gegen die zureichend begründete Verneinung einer solchen Abmachung zu erwecken, kommt es auf diese - im Rahmen der diesbezüglichen Verantwortung (Abschlagszahlung, Teilverzicht, zeitliche Unbestimmtheit) - aus rechtlichen Gründen gar nicht an (siehe oben). Fehl geht daher auch die Rechtsrüge (Z. 9 lit a; der Sache nach lit b), daß bei tätiger Reue eine Leistungsfrist konkludent vereinbart werden könne. Wurde doch nach den die Rechtsrüge bindenden Urteilsfeststellungen eine Leistung überhaupt nicht vereinbart.
Die Subsumtionsrüge (Z. 10) vermeint, mangels der Feststellung eines Wissens des Angeklagten, daß die beiden Gemeindebediensteten von einer Anzeige nicht absehen durften, unterfalle deren versuchte Anstiftung nicht den §§ 12, 302 Abs 1 StGB, sondern dem § 307 (gemeint: Abs 1 Z. 1) StGB. Indes: Nach der für die rechtliche Beurteilung bindenden, weil nicht eine Rechtsmeinung, sondern eine Tatsache betreffenden Urteilsfeststellung trachtete der Angeklagte, die beiden Beamten anzustiften, ihre Befugnis wissentlich zu mißbrauchen (S. 149). Damit ist aber auch das eigene Wissen des Anstifters vom angestrebten wissentlichen Befugnismißbrauch der unmittelbaren Täter notwendigerweise verbunden und folglich in dem als erwiesen angenommenen Beeinflussungsversuch eo ipso konstatiert (dolus ex re: EvBl 1964/415, 11 Os 190/71, 11 Os 97/72; VwGH. 28.März 1985, 85/16/0004, 19.Mai 1988, ÖStZB. 1988 S. 510, 511). Nach der Lage des Falls ging es dem Angeklagten ja nicht nur um die Unterlassung einer Anzeige, was einen Zweifel des extranen Täters über die Verpflichtung der Beamten zur Anzeigeerstattung noch zugelassen hätte, sondern auch um die künftige Duldung von Zählerstandsmanipulationen. Darnach konnte niemand über einen vom Angeklagten gewollten wissentlichen Befugnismißbrauch der mit der Kontrolle des Wasserbezugs und der Einhebung der Wasserbezugsgebühren betrauten Beamten im Unklaren sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über Karl M*** gemäß §§ 28, 302 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei waren erschwerend die Verbrechenskonkurrenz, mildernd hingegen das Teilgeständnis des Angeklagten, seine bisherige Unbescholtenheit, die teilweise Schadensgutmachung und, daß es beim Versuch einer Anstiftung zum Amtsdelikt geblieben ist.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine "wesentliche" Herabsetzung des Strafmaßes an; die Staatsanwaltschaft begehrt ihrerseits dessen Erhöhung und in Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB die Verhängung einer unbedingten Geldstrafe an Stelle eines Teils der Freiheitsstrafe.
Beide Berufungen versagen.
Schon in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde wurde dargelegt, daß von einer vollen Schadensgutmachung keine Rede sein kann, was dem Angeklagten auch bekannt war. Die von der Berufung des Angeklagten ansonsten relevierten Milderungsgründe wurden vom Schöffengericht ohnedies herangezogen und zutreffend gewürdigt. Der Berufung der Staatsanwaltschaft hinwieder ist entgegenzuhalten, daß das Teilgeständnis des Angeklagten sehr wohl als mildernd anzusehen ist: Hat er doch den wegen des auffallend niedrigen Wasserverbrauchs nachforschenden Gemeindebediensteten die von ihm geschaffene Vorrichtung zur Effektuierung des Betrugs freiwillig gezeigt (S. 3, 33, 37, 45, 83, 84, 87, 88). Aber auch die Unbescholtenheit kommt dem Angeklagten zugute. Gewiß vermag ein jahrelanger Tatzeitraum den Unrechtsgehalt auch des gewerbsmäßig begangenen Betrugs und damit die Schuld des Angeklagten zu belasten. Es kann aber nach den Umständen des Falls nicht angenommen werden, daß mit dem Betrug, auf den die Anklagebehörde hier abstellt, eine gegenüber rechtlich geschützten Werten stets ablehnende Haltung des Täters verbunden wäre, die über diejenige faßbar hinausginge, die mit der Begehung einer solchen gewerbsmäßig verübten Tat jedenfalls einhergeht. Schließlich soll § 43 a StGB nur dort zur Anwendung kommen, wo die Voraussetzungen für eine Heranziehung des § 43 StGB nicht mehr gegeben sind. Diese Prämissen aber wurden vom Schöffengericht unter besonderem Hinweis auf die Unbescholtenheit des nunmehr 40-jährigen Angeklagten, der im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof glaubhaft versicherte, den Schaden mittlerweile zur Gänze gutgemacht zu haben, zutreffend bejaht (S. 149, 151).
Anmerkung
E16313European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00154.88.1215.000Dokumentnummer
JJT_19881215_OGH0002_0130OS00154_8800000_000